99% aller Unternehmen in der Schweiz sind KMU (kleine und mittlere Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten und mit weniger als 50 Mio. Jahresumsatz). Die KMU stellen mehr als zwei Drittel der Arbeitsplätze in der Schweiz und sind damit ein wichtiger Bestandteil des Wirtschaftsstandorts Schweiz. Sie bilden die Basis für unseren Wohlstand.
Ein KMU zu gründen, in eine erfolgreiche Zukunft zu führen und für die nachfolgenden Generationen zu rüsten, erfordert einen hohen persönlichen Einsatz, Erfahrung und den Mut, in guten wie in schlechten Zeiten Entscheide zu fällen. Dieses Buch, liebe Leserin, lieber Leser, soll Ihnen als Wegweiser auf Ihrem Pfad als Unternehmer und Unternehmerin dienen. Obwohl von praktizierenden Anwälten und Anwältinnen geschrieben, ist dieser Wegweiser kein juristisches Lehrbuch. Es erzählt die Geschichte von Unternehmer Freudiger, wie er seine Geschäftsidee umsetzt. Dabei beleuchtet sie die verschiedenen Phasen, welche ein Unternehmer mit seinem Unternehmen im Laufe der Zeit durchlebt – von der Gründung über die Expansion bis zur Nachfolge. Dieser Wegweiser enthält zahlreiche praktische Empfehlungen, welche die Autoren und Autorinnen während ihrer langjährigen Berufs- und Beratungstätigkeit zusammengetragen haben. Der Wegweiser erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, und es ist durchaus möglich, dass bei der Lektüre Fragen auftreten, die nicht beantwortet werden. Für diesen Fall raten wir Ihnen zum Beizug eines Experten, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo die Weichen für den erfolgreichen Fortbestand Ihres Unternehmens noch gestellt werden können.
Bruno Hunziker |
Hans Peter Baumgartner |
Partner |
Vorsitzender der Geschäftsleitung |
GHR Rechtsanwälte AG, |
SIU Schweizerisches Institut für |
Bern und Zürich |
Unternehmerschulung |
Name |
|
Bögli, Sandra |
MLaw, Rechtsanwältin |
Brülhart, Markus |
lic. iur., Rechtsanwalt, LL.M. |
Burkhalter Kaimakliotis, Sabine |
Dr. iur., Rechtsanwältin |
Froelicher, Nicole |
MLaw, Rechtsanwältin |
Grüninger, Marc |
Rechtsanwalt, M.C.J. |
Hartmann, Rolf |
lic. iur., Rechtsanwalt, M.B.A. |
Heer, Sophie |
MLaw, Rechtsanwältin |
Heller, Patrick |
MLaw |
Hofer, Stefan |
MLaw, Rechtsanwalt |
Hunziker, Bruno |
Rechtsanwalt, LL.M. |
Hunziker, Laurent |
MLaw |
Hunziker, Urs |
Rechtsanwalt und Notar |
König, Sabrina |
MLaw, Rechtsanwältin |
Meer, Michael A. |
Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M. |
Roth, Gerhard |
Rechtsanwalt |
Schlup Guignard, Regina |
lic. iur., Rechtsanwältin, LL.M. |
Walther, Michael |
lic. iur., Rechtsanwalt |
Wenger, Patricia |
lic. iur., Rechtsanwältin |
«Meine Geschäftsidee war bereits lange vor der Gründung der Dwarf8 GmbH ausgereift. Für die Auswahl der passenden Unternehmensform meiner Start-up-Unternehmung haben wir uns Zeit gelassen. Schliesslich war das Kapitalerfordernis für eine GmbH mit ausschlaggebend für meinen Entscheid, eine GmbH zu gründen.»
Beat Steffan
Gesellschafter und Geschäftsführer
Dwarf8 GmbH, Zürich
Die Wörter in Kursivschrift werden im
Schlagwortverzeichnis näher erklärt.
«Die Idee ist ein stehengebliebener Gedanke»
Henri Bergson
«Die Ideen sind nicht verantwortlich für das, was die Menschen aus ihnen machen»
Werner Karl Heisenberg
Unternehmer Freudiger war bis anhin ein engagierter Arbeitnehmer mit Freude an seinem Beruf und grossem unternehmerischem Geschick. Nun will er eine neue Herausforderung annehmen und seine Erfahrungen in einem eigenen Unternehmen umsetzen. Er wagt den Schritt in die Selbständigkeit.
Unternehmer Freudiger hat die Idee, ein neues Produkt herzustellen und zu vertreiben. Bevor er mit der Umsetzung dieser Idee beginnt, macht er sich Gedanken über sein zukünftiges Unternehmen. Er will die Vor- und Nachteile der verschiedenen Unternehmensformen kennen, damit er den für sich und sein Unternehmen optimalen Weg wählen kann.
Businessplan als Ausgangslage
Am Anfang steht eine Vision. Die Vision wird schrittweise konkretisiert, indem sich der Unternehmer Gedanken macht und sich Fragen stellt wie: Welche Produkte und Dienstleistungen will ich anbieten? Was benötige ich dazu (Büroräumlichkeiten, Produktionsstandort, Produktionsmittel, Mitarbeiter)? Wie sieht mein Marktumfeld aus und wer sind meine Konkurrenten? Wie sieht meine Zielkundschaft aus? Wie finanziere ich den Aufbau meines Unternehmens? Und schliesslich: Wie soll ich mein Unternehmen strukturieren (vgl. dazu Kapitel 2)? Die Vision muss gebündelt werden. Bündeln heisst, die Antworten auf all die gestellten Fragen müssen in einem umfassenden Businessplan beantwortet werden. Der Businessplan ist ein zentrales Instrument für den Aufbau einer Unternehmung. Er dient nicht nur dazu, die eigene Vision zu bündeln, sondern ist unabdingbar bei der Suche nach Investoren und Geschäftspartnern und für Finanzierungsgespräche mit Banken.
Die Wahl der Gesellschaftsform ist zentral
Die Wahl der richtigen Gesellschaftsform ist zentral und muss im Einzelfall sorgfältig beurteilt werden. Die Gesellschaftsform hat insbesondere Auswirkungen auf die Organisation, den Namen der Firma, die Haftung, die Steuern, das Kapital und auf die Nachfolgeplanung.
Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften
In der Schweiz kennen wir verschiedene Gesellschaftsformen. Diese werden in zwei Gruppen unterteilt: Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften. Zu den Personengesellschaften gehören die Kollektiv- und die Kommanditgesellschaft. Rechte und Pflichten werden durch die Personen, welche die Personengesellschaft bilden, wahrgenommen. Nebst dem Gesellschaftsvermögen haften die Gesellschafter denn insbesondere auch mit ihrem persönlichen Vermögen. Die Kollektiv- und die Kommanditgesellschaft können jedoch auch unter eigenem Namen Rechte erwerben, Verbindlichkeiten eingehen, vor Gericht klagen und verklagt werden. Die Einzelfirma ist formell nicht zur Gruppe der Personengesellschaften zu zählen, sondern ist eine eigene «Spezies», Sie ist den Personengesellschaften aber sehr ähnlich und wird im Folgenden deshalb als zu der Gruppe der Personengesellschaften gehörig behandelt. Kapitalgesellschaften hingegen sind juristische Personen mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie alleine und nicht deren Eigentümer sind folglich Träger von Rechten und Pflichten des Unternehmens. Die Eigentümer haften grundsätzlich nicht mit ihrem persönlichen Vermögen für die Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaften. Zu den Kapitalgesellschaften gehören insbesondere die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH).
Einzelfirma | GmbH | AG | |
Gesetzliche Grundlage | Art. 945 ff. OR | Art. 772 ff. OR | Art. 620 ff. OR |
Gründer | Die Einzelfirma besteht aus einer natürlichen Person. Ein formeller Gründungsakt ist nicht notwendig. | Mindestens eine natürliche oder juristische Person | Mindestens eine natürliche oder juristische Person |
Gründungskosten | Keine, da kein formeller Gründungsakt notwendig ist. | Eintrag im Handelsregister (ca. CHF 1000.–) und Notariatskosten1 | Eintrag im Handelsregister (ca. CHF 1000.–) und Notariatskosten1 |
Eintragung in das Handelsregister | Fakultativ. Ab CHF 100 000.– Jahresumsatz jedoch zwingend | Zwingend. Die GmbH entsteht erst mit der Eintragung ins Handelsregister. | Zwingend. Die AG entsteht erst mit der Eintragung ins Handelsregister. |
Buchführung / Rechnungslegung | Ab CHF 500 000.–Jahresumsatz zwingend | Zwingend | Zwingend |
Firma | Der Name der Einzelfirma muss den Familiennamen des Inhabers enthalten. Darüber hinaus kann der Name im gesetzlichen Rahmen frei gewählt werden. | Der Name der GmbH kann im gesetzlichen Rahmen frei gewählt werden, sofern nicht bereits eine identische Firma existiert. Die Firma muss zwingend den Zusatz «GmbH» enthalten. | Der Name der AG kann im gesetzlichen Rahmen frei gewählt werden, sofern nicht bereits eine identische Firma existiert. Die Firma muss zwingend den Zusatz «AG» enthalten. |
Mindestkapital für die Gründung | Keines | CHF 20 000.– | CHF 100 000.–, mindestens CHF 50 000.– davon einbezahlt (in bar oder als Sacheinlage) |
Eigentümer | Inhaber (eine natürliche Person) | Gesellschafter (mind. eine natürliche / juristische Person, unbegrenzte Anzahl) | Aktionär (mind. eine natürliche / juristische Person, unbegrenzte Anzahl) |
Geschäftsführung | Inhaber | Gesellschafter / Geschäftsführer | Verwaltungsrat / Geschäftsleitung |
Die Einzelfirma erfordert keinen formellen Gründungsakt
Der grosse Vorteil eines Einzelunternehmers ist, dass er mit der Geschäftstätigkeit sofort beginnen kann. Er muss keine Gesellschaft gründen und kein gesetzlich festgelegtes Mindestkapital aufbringen. Erst ab einem Jahresumsatz von CHF 100 000.– muss er seine Einzelfirma in das Handelsregister eintragen lassen.
Gründung GmbH: Mindestkapital CHF 20 000.–
Gründung AG: Mindestkapital CHF 100 000.– (CHF 50 000.–)
Eine AG / GmbH entsteht erst mit der Gründung. Die Gründung wird in einem öffentlichen Akt durch einen Notar beurkundet und die Gesellschaft wird anschliessend ins Handelsregister eingetragen. Das Mindestkapital beträgt bei einer GmbH CHF 20 000.–, bei einer AG CHF 100 000.–. Bei der AG muss das Kapital nicht voll einbezahlt (liberiert) werden. Die Hälfte des Aktienkapitals, mindestens aber CHF 50 000.–, sind bei der Gründung einzuzahlen oder durch Sacheinlage einzubringen.
Achtung vor Pattsituationen
Wenn zwei Partner eine AG / GmbH gründen, stellt sich die Frage nach der Beteiligungsquote jedes Aktionärs /Gesellschafters. Eine hälftige Beteiligung am Kapital und an den Stimmrechten ist grundsätzlich möglich, sollte aber vermieden werden, damit keine Pattsituation in der Entscheidfindung entsteht. Wird trotzdem eine hälftige Beteiligung gewählt, sollte in den Statuten unbedingt geregelt werden, dass der Vorsitzende der Generalversammlung (das kann auch ein Dritter sein, der nicht Aktionär ist) in der Generalversammlung bei Stimmengleichheit den Stichentscheid hat. Gibt es keinen Stichentscheid, können bei Stimmengleichheit keine Beschlüsse gefasst werden. Diese Pattsituation führt in der Regel zur Handlungsunfähigkeit der Unternehmung.
Der Einzelunternehmer haftet mit seinem Privatvermögen
Der Inhaber einer Einzelfirma haftet für die Schulden des Unternehmens unbeschränkt mit seinem gesamten Vermögen. Die Unterscheidung zwischen Privat- und Geschäftsvermögen erfolgt steuerlich, nicht aber hinsichtlich der Haftung.
Der Gesellschafter / Aktionär haftet nur bis zu dem von ihm eingebrachten Stamm- / Aktienkapital
Für die Schulden einer GmbH haftet ausschliesslich das Gesellschaftsvermögen. Sehen die Statuten eine Nachschusspflicht (Kapitaleinzahlung über das Stammkapital hinaus) vor, sind die Gesellschafter zur Leistung dieses Nachschusses verpflichtet. Jeder Gesellschafter haftet höchstens für den doppelten Betrag seines Stammanteiles.
Für die Schulden einer AG haftet ebenfalls ausschliesslich das Gesellschaftsvermögen. Ist das Aktienkapital nicht voll einbezahlt (liberiert), haften die Aktionäre aber für die vollständige Einzahlung des Ausgabebetrags ihrer Aktien. Eine statutarische Nachschusspflicht gibt es nicht.
Einzelfirma: Buchführungspflicht erst ab CHF 500 000.– Umsatz
Buchführungspflicht bedeutet, dass ein Inventar sowie eine vollständige Bilanz und Erfolgsrechnung samt den zugehörigen Belegen erstellt werden müssen. Einzelfirmen unterliegen der Buchführungspflicht erst, wenn sie einen Jahresumsatz von mindestens CHF 500 000.– erwirtschaften.
Die Einzelfirma hat keine Revisionsstelle.
AG / GmbH: Unter gewissen Voraussetzungen kann auf eine Revisionsstelle verzichtet werden
Eine AG / GmbH ist zur ordentlichen Buchführung verpflichtet und muss diese grundsätzlich von einer Revisionsstelle überprüfen lassen. Die Revisionsstelle prüft die Jahresrechnung (Bilanz, Erfolgsrechnung und Anhang) der Gesellschaft und erstattet der Generalversammlung schriftlichen Bericht. Die Art der Revision hängt von der Grösse und der wirtschaftlichen Bedeutung der Unternehmung ab. Ein KMU kann in der Regel auf die ordentliche Revision verzichten und ihre Jahresrechnung nur mittels einer eingeschränkten Revision (Opting-down) prüfen lassen. Wenn die Unternehmung nicht mehr als zehn Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt hat und alle Aktionäre / Gesellschafter zustimmen, kann auf die Revision ganz verzichtet werden (Opting-out).
Der Weg für ein Wachstum muss gut vorbereitet sein
Alle, oder zumindest ein grosser Teil der Unternehmer fangen einmal klein an. Wachstum und Entwicklung benötigen Zeit. Wichtig ist, dass der Weg für ein Wachstum gut vorbereitet ist und der Unternehmer weiss, welche Möglichkeiten er hat.
Eine Einzelfirma kann in eine AG / GmbH «umgewandelt» werden. Zu diesem Zweck gründet der Einzelunternehmer eine AG oder GmbH und bringt das gesamte Vermögen seiner Einzelfirma als Sacheinlage / Vermögensübertragung (vgl. auch Kapitel 7) in die neu zu gründende AG / GmbH ein.
Umwandlung von einer Einzelfirma in eine AG / GmbH