Meister Dōgen
beim Betrachten des Mondes
(mit freundl. Genehmigung des Hōkyō-ji, Fukui, Japan)
Originalausgabe 2016. Ebook-Ausgabe der 2., durchgesehenen Auflage 2013. Copyright © 2001-2016 by Werner Kristkeitz Verlag, Heidelberg. Alle Rechte für sämtliche Medien und jede Art der Verbreitung, Vervielfältigung, Speicherung oder sonstigen, auch auszugsweisen, Verwertung bleiben vorbehalten.
ISBN eBook 978-3-932337-81-9
ISBN der Buchausgabe 978-3-921508-91-6
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Anmerkungen zur Übertragung ins Deutsche
von Ritsunen Gabriele Linnebach
22 Busshō 仏性
Die Buddha-Natur
23 Gyōbutsu yuigi 行仏威儀
Das reine würdevolle Handeln der Buddhas
24 Bukkyō 仏教
Buddhas Lehren
25 Jinzū 神通
Übernatürliche Kräfte
26 Daigo 大悟
Das große Erwachen
27 Zazenshin 坐禅箴
Die Bambusnadel des Zazen
28 Butsu kōjō no ji 仏向上事
Der Bereich jenseits von Buddha
29 Inmo 恁麼
Es
30 Gyōji 行持(上)
Das Bewahren der reinen Praxis (Teil 1)
30 Gyōji 行持(下)
Das Bewahren der reinen Praxis (Teil 2)
31 Kai-in zanmai 海印三昧
Der Samādhi als das Siegel des Ozeans
32 Juki 授記
Die Bestätigung
33 Kannon 観音
Der Bodhisattva des großen Mitgefühls
34 Arakan 阿羅漢
Der Arhat
35 Hakujūshi 栢樹子
Die Zeder
36 Kōmyō 光明
Die strahlende Klarheit
37 Shinjin gakudō 身心学道
Körper und Geist erlernen die Wahrheit
38 Muchū setsumu 夢中説夢
Den Traum im Traum lehren
39 Dōtoku 道得
Die Wahrheit aussprechen
40 Gabyō 画餅
Das Bild eines Reiskuchens
41 Zenki 全機
Die Dynamik des ganzen Universums
Anhang
Die chinesischen Meister
Bibliografie
von Ritsunen Gabriele Linnebach
Meister Dōgens Shōbōgenzō ist eine der wichtigsten und tiefgründigsten Schriften des Zen und sicher auch des gesamten Buddhismus. Zudem ist es zweifellos das philosophisch am besten begründete Werk, das je von einem Zen-Meister geschrieben wurde. Es wurde von Meister Dōgen in der Zeit von 1231 bis 1253 erarbeitet und ist die Aufzeichnung seiner tiefen Erfahrung, die er vor allem in China erlebte, und deren sprachliche Formulierung. Diese profunden und vielschichtigen Lehrreden, die Dōgen seinen Schülern – Mönchen, Nonnen und Laien – als philosophisch fundierte und konkrete Anleitungen vorgetragen hat, sind leider nach seinem Tod fast ganz in Vergessenheit geraten. Sie waren lange nur in einem kleinen Kreis von Experten der Sōtō-Schule bekannt und wurden dort studiert. Erst seit dem Ende des 19. Jahrhunderts wurde der unerschöpfliche Wert dieses großen Werks wiederentdeckt. In den letzten Jahren nahm das Interesse an Dōgens Shōbōgenzō in weiten Kreisen zu, sodass wir hoffen, mit dieser Übertragung dem dringenden Bedarf nach einer verlässlichen und möglichst verständlichen Fassung nachzukommen.
Diese erste deutsche Übertragung des Shōbōgenzō aus dem japanischen Urtext in vier Bänden ist dem Zusammentreffen verschiedener glücklicher Umstände zu verdanken. Zum einen lebte ich viele Jahre in Tōkyō und begegnete dort dem hervorragenden Dōgen-Kenner Zen-Meister Gudō Wafu Nishijima, dessen Schülerin ich wurde und der mir die Dharma-Übertragung gab. Er führte mich 20 Jahre lang geduldig und einfühlsam durch die z.T. schwer verständlichen Kapitel dieses Werkes. Zum anderen konnte ich mich mehr als ein Jahrzehnt in dieses Werk vertiefen und mich ausschließlich der schwierigen Arbeit des Übertragens dieses alten japanischen Textes widmen. So war es möglich, die von mir aus dem Japanischen übertragenen Passagen und Kapitel mit Nishijima-Rōshi selbst durchzuarbeiten und offene Fragen direkt mit ihm zu klären. Ohne sein tiefes, in sechzig Jahren gewachsenes Verständnis des Werkes von Dōgen wäre dies nicht möglich gewesen.
Unser Quellentext ist die originale japanische Ausgabe des Shōbōgenzō von Dōgen, die in neuerer Zeit zum ersten Mal zwischen 1935 und 1943 im Verlagshaus Iwanami in Tōkyō erschien und heute als die «Iwanami-Ausgabe» bezeichnet wird. Diese Ausgabe enthält in drei Bänden die 95 Kapitel des Shōbōgenzō sowie 5 weitere Kapitel im Anhang. Die Iwanami-Ausgabe basiert ihrerseits auf den Manuskripten des Shōbōgenzō, die Meister Hangyō Kōzen, der fünfunddreißigste Abt des Eihei-ji, um 1690 gesammelt und in chronologischer Ordnung zusammengestellt hat. Von den verschiedenen Ausgaben des Shōbōgenzō, die sich im Inhalt, in der Zahl und in der Anordnung der Kapitel teilweise unterscheiden, sieht Nishijima-Rōshi die von Meister Kōzen als die authentische und vollständigste an, denn sie enthält u. a. die wichtigen Teile wie zum Beispiel das Kapitel 1, «Ein Gespräch über die Praxis des Zazen», und das Kap.17, «Die Blume des Dharmas dreht die Blume des Dharmas», die in den anderen Ausgaben fehlen. Außerdem ist diese Ausgabe die erste, die in der Ära Bunka (1804–1818) im Holzdruck erstellt und so im Inhalt festgelegt wurde.
In dieser Übertragung ging es uns einerseits darum, den japanischen Quellentext inhaltlich so genau wie möglich zu übertragen, und andererseits diesen Text trotz seiner Schwierigkeit in eine möglichst klare und verständliche Sprache zu bringen. Es war immer das besondere Anliegen von Nishijima-Rōshi, dass die Beschäftigung mit Meister Dōgens Shōbōgenzō nicht nur auf den engen Kreis der Experten beschränkt bleibt, sondern breiteren Gruppen von praktizierenden und am Buddha-Dharma interessierten Menschen zugänglich gemacht wird. Man darf die Tatsache nicht übersehen, dass Meister Dōgen selbst das Shōbōgenzō in der Sprache seiner Zeitgenossen, dem Japanisch des 13. Jahrhunderts, formuliert hat, während die gelehrten Buddhisten seiner Zeit sich fast ausschließlich in Chinesisch geäußert haben. Zweifellos wollte Dōgen sein Werk über diesen engen Kreis hinaus zugänglich machen. Die Tiefe und Vielschichtigkeit von Dōgens Ausführungen können allerdings nur im Licht der buddhistischen Erfahrung verstanden werden. Daher ist es auch für ihre Übertragung notwendig, einen Interpreten zu finden, dem diese Erfahrung vertraut ist.
In jedem Fall besitzen die Texte Dōgens auch nach 800 Jahren eine erstaunliche Frische und Kraft, die wir in die deutsche Sprache zu übertragen hatten und die durch ihre Dichte und Qualität für sich selbst sprechen. Nishijima-Rōshis wichtige Kommentare und Auslegungen der Texte findet der Leser deshalb am Ende der jeweiligen Kapitel, um die Ausführungen Dōgens nicht zu unterbrechen und es dem Leser zu erlauben, sein eigenes Verständnis zu entwickeln. Alle Quellenangaben und Erklärungen buddhistischer Fachbegriffe in den Anmerkungen entnehmen wir Nishijima-Rōshis Kommentarwerk Gendaigo yaku shōbōgenzō («Das Shōbōgenzō in modernem Japanisch»). Da die Grundbegriffe des Mahāyāna aus dem Sanskrit stammen, haben wir die meisten der sino-japanischen Begriffe, die Dōgen im Text verwendet, auch durch die entsprechenden Worte in Sanskrit ergänzt. Wir stützen uns dabei auf das Sanskrit-Glossar der englischen Ausgabe des Shōbōgenzō von Nishijima-Rōshi und Chōdō Cross. Bestimmte Worte aus dem Sanskrit wie zum Beispiel «Samādhi», «Prajñā» und «Bodhi», die Meister Dōgen im Text phonetisch mit den chinesischen Schriftzeichen zanmai, hannya und bodai wiedergibt, haben wir in der ursprünglichen Sanskritform wiedergegeben, denn wir nehmen an, dass sie dem westlichen Leser im Allgemeinen vertraut sind. Das Gleiche gilt für einige japanische Begriffe wie hō, den wir meist mit «Dharma» oder «Dharmas» wiedergeben, oder nyorai («Tathāgata») und shōmon («Śrāvaka»). Die Schreibweise der Worte in Sanskrit folgt der üblichen Transkription.
Die kursiv gedruckten Zusammenfassungen der Kapitel, die vor dem Originaltext stehen, wurden mit Nishijima-Rōshi abgestimmt und sollen den Zugang zu den Texten erleichtern. Die eckigen Klammern kennzeichnen Worte, Namen oder Titel, die im japanischen Original stillschweigend impliziert sind und die wir einer stilistisch einwandfreien und verständlichen Übertragung halber hinzugefügt haben. Besonders lange und schwierige Passagen des Originaltextes haben wir manchmal in mehrere Abschnitte unterteilt.
Um seine Sicht des Buddha-Dharmas anhand konkreter Beispiele zu untermauern, greift Dōgen auf die gesamte buddhistische Überlieferung zurück. Er zitiert zahlreiche Schriften aus dem Theravāda und den großen Mahāyāna-Sūtren. Oft geht er detailliert auf die chinesischen Aufzeichnungen der späten Tang- (618–907) und Songzeit (960–1279) ein. Dōgen sammelte auch 301 kōan in chinesischer Sprache (das Shinji shōbōgenzō), die ihm als Quelle für seine Darlegungen dienten und die er im Licht seiner Erfahrung erläuterte und neu interpretierte. Alle Zitate aus den Lehrschriften und kōan gibt Dōgen im Urtext im chinesischen Kanbun-Stil wieder. Kanbun ist eine Form des Chinesischen, das von den Japanern abgewandelt wurde und anders ausgesprochen wird als das heutige Japanisch. Ortsbezeichnungen aus China sowie die Namen chinesischer Zen-Meister haben wir wie im Quellentext in der japanischen Form belassen, da Meister Dōgen sie in dieser Form seinen japanischen Zuhörern übermittelt hat. Zur Orientierung findet der Leser jeweils im Anhang der vier Bände eine Liste der Namen dieser Meister in der Pinyin-Umschrift. Verweise in den Anmerkungen auf heutige Ortsnamen aus China stehen ebenfalls in Pinyin.
Der weitaus schwierigste Teil dieser Übertragung waren zweifellos die Zen-Geschichten oder kōan der alten Meister, die Dōgen oft als konkreten Ausgangspunkt oder zur Erläuterung seiner Gedanken verwendet. Diese Meister drückten sich nämlich nicht in klassischem Chinesisch, sondern in einer sehr bodenständigen Sprache aus, die mit ihren oft kräftigen Vulgär-Ausdrücken und vielschichtigen Wendungen von jeher zu den größten Herausforderungen der Übertragung gehört. Hinzu kommt die Tatsache, dass Dōgen auch mit seiner eigenen japanischen Sprache sehr schöpferisch umgeht. Wenn es ihm nützlich erscheint, bildet er neue Worte oder übernimmt einfach Ausdrücke aus der chinesischen Umgangssprache der Songzeit ins Japanische, sodass sich sein Japanisch sowohl von der zu seiner Zeit üblichen japanischen Sprache als auch vom modernen Japanisch durchaus unterscheidet. Da meine philologischen Kenntnisse diesbezüglich leider begrenzt sind und unsere Übertragung nicht allein wissenschaftlichen Kriterien genügen, sondern ein viel weiter reichendes tieferes Verständnis des Buddha-Dharmas wiedergeben soll, habe ich mich bei diesen schwierigen Passagen vor allem auf die jahrzehntelange Erfahrung von Nishijima-Rōshi mit Dōgens Schriften gestützt.
Obwohl wir uns in dieser Übertragung um sprachliche Klarheit und bestmögliche Verständlichkeit bemüht haben, nehmen wir an, dass es kaum jemanden geben wird, der ein so vielschichtiges Werk auf Anhieb versteht. So ist es zu Anfang für den Leser vielleicht am besten, sich von schwierigen Kapiteln oder Sätzen nicht entmutigen, sondern sie einfach reifen zu lassen. Diesbezüglich sagte mir Nishijima-Rōshi einmal, dass er selbst für manche Sätze zwanzig Jahre brauchte, um sie ganz zu erfassen. Ein guter Ansatz wäre es außerdem, erst einmal vieles zu vergessen, was man weiß, und neu mit dem Shōbōgenzō zu beginnen. Bildlich ausgedrückt, könnte man dieses komplexe Werk als einen sehr großen Teppich der Wahrheit ansehen. Dieser Teppich ist aus vielen ineinander verflochtenen Mustern gewebt, und die wiederkehrenden Themen sind wie Muster in anderen Mustern oder wie Juwelen in einem Juwel gestaltet. Durch gründliches und wiederholtes Lesen ist es möglich, auch in die subtileren Muster Dōgens einzudringen. Wir sind sicher, dass der Leser dabei reichlich belohnt wird und dass er den ganzen Teppich sehen und in seiner Fülle zu erfassen lernt, um schließlich das Shōbōgenzō als ein Ganzes zu verstehen und zu würdigen. Dass dazu sehr viel Geduld und Einfühlungsvermögen gehört, versteht sich von selbst.
Im Shōbōgenzō entfaltet Meister Dōgen die Sicht der Wirklichkeit, die er selbst erfahren und gelebt hat, eine Sicht, die alle Dogmen und Systeme überschreitet. Er erinnert uns daran, wie unerlässlich es ist, die Wahrheiten und den Augenschein, denen wir in unserem Leben begegnen, selbst zu erfahren, fortwährend zu prüfen und nicht nur das zu sehen, was wir zu sehen gelernt haben, und nicht nur das zu glauben, was man uns zu glauben gelehrt hat. Eine solche weit ausgelegte Sicht, die sich nicht in Zukunftsträumen und gedachten Idealen verliert, sondern dazu anregt, das Leben in seiner ganzen Fülle zu erkennen, wie es ist, und zu begreifen, was wir sind und was wir hier tun, hat eine ursprüngliche, ja kosmische Kraft und Bedeutung, die alle Menschen über zeitliche und kulturelle Grenzen hinweg angeht. Und es ist eine umfassende Sicht, die heute mindestens so aktuell ist wie im 13. Jahrhundert in Japan – vielleicht ist erst heute die Zeit wirklich reif für Dōgens großes Werk.
Es ist mir eine große Freude, dass ich allen danken darf, die mir geholfen haben meine große Lebensaufgabe, die manchmal weit über meine physischen und geistigen Fähigkeiten ging, zu bewältigen. Allen voran möchte ich natürlich dem Initiator dieser Übertragung, meinem sehr verehrten Lehrer und Freund, Nishijima-Rōshi, danken, der sein ganzes Leben der Klärung von Meister Dōgens Schriften gewidmet hat. Ich danke ihm vor allem dafür, dass er mir in zahllosen persönlichen Gesprächen nicht nur sein profundes Wissen, sondern seine eigene authentische Erfahrung von Dōgens Lehren weitergegeben und vorgelebt hat.
Auch möchte ich Herrn Werner Kristkeitz dafür danken, dass er den Mut hatte, sich als Verleger für dieses schwierige und langwierige Projekt zu engagieren. Es ist seiner Sachkenntnis zu verdanken, dass die der japanischen Sprache kundigen Leser und Leserinnen anhand der Schriftzeichen in den Anmerkungen tiefer in den Text eindringen können.
Für hilfreiche Anregungen und Hinweise bei der Redaktion dieser neu überarbeiteten Texte des zweiten Bandes möchte ich mich besonders bei Herrn Werner Kristkeitz und Herrn Dr. Hauke Harder bedanken. Herrn Kokugyō Kuwahara-Sensei danke ich dafür, dass er uns großzügig vier Kalligrafien von seiner Hand überlassen hat, von denen jeweils eine in jedem Band erscheint. Danken möchte ich auch Herrn Eidō Michael Luetchford und Herrn Chōdō Cross, die uns freundlicherweise viele Dokumente und Vorlagen aus der englischen Ausgabe zur Verfügung gestellt haben.
Es wäre sehr schön, wenn möglichst viele Leserinnen und Leser durch diesen neu überarbeiteten zweiten Band des Shōbōgenzō Freude und Bereicherung erfahren würden. Für mögliche Fehlerhinweise und Anregungen wäre ich sehr dankbar. Es ist ein großes Glück für mich, dieses wunderbare Werk immer weiter und tiefer erforschen und übertragen zu dürfen.
Dresden, im Juni 2013
Die Umschrift japanischer Worte und Namen erfolgt nach dem international überwiegend verwendeten Hepburn-System. Vokale werden ähnlich wie im Italienischen oder Deutschen, Konsonanten wie im Englischen ausgesprochen. Insbesondere gilt: Vokale ohne Längenstrich sind kurz, diejenigen mit Längenstrich (zum Beispiel in Dōgen) lang. Doppelte Konsonanten (zum Beispiel in hokke) werden ebenfalls lang gesprochen.
s scharfes (stimmloses) ‘s’ wie deutsch ‘ss’ oder ‘ß’.
z weiches (stimmhaftes) ‘s’ wie in deutsch ‘Sonne’, nicht wie das deutsche ‘z’.
ch wie in engl. ‘macho’ oder deutsch ‘tsch’.
fu gehaucht, das ‘f’ zwischen deutschem ‘f’ und ‘h’.
y wie deutsch ‘j’, auch in Kombination mit Konsonanten (zum Beispiel Kyōto sprich: ‘Kjoo-to’ [2 Silben], nicht ‘Ki-oo-to’ [3 Silben]).
j wie in engl. ‘Jack’ oder das ‘g’ in ital. ‘Gina’.
ei ähnlich ‘ee’ wie in ‘See’, nicht wie ‘ai’.
Shinjin datsuraku
Kalligrafie von Kokugyō Kuwahara
開経偈
無上甚深微妙法
百千萬劫難遭遇
我今見聞得受持
願解如来真実義
Kai kyō ge
mu jō jin shin mi myō hō
hyaku sen man go nan sō gu
ga kon ken mon toku ju ji
gan ge nyo rai shin jitsu gi
Vers beim Öffnen der Sūtren
Dieser Dharma, unvergleichlich tiefgründig und wunderbar,
Ist selbst in Millionen Zeitaltern nur selten anzutreffen.
Jetzt, da ich ihn sehen, hören, annehmen und bewahren kann,
Möge ich den wahren Sinn der Lehre des Tathāgata verstehen.
Butsu bedeutet Buddha und shō «Wesen», «Essenz» oder «Natur». Die chinesischen Schriftzeichen, die in Japanisch busshō gelesen werden, sind die Wiedergabe von sanskr. «Tathāgatagarbha» oder «Buddha-Natur». Dies wird in manchen Sūtren des Mahāyāna als Möglichkeit und Potenzial des Menschen gedeutet, die Wahrheit zu erlangen, indem die von Natur aus vorhandene Buddha-Natur natürlich heranreift. Meister Dōgen war mit dieser Interpretation nicht zufrieden und entwickelte daher in diesem Kapitel die verschiedenen Dimensionen der Buddha-Natur in sehr umfassender Weise.
Für Meister Dōgen verwirklicht sich die Buddha-Natur ganzheitlich mit dem Körper und Geist im gegenwärtigen Augenblick, und dies kann mit den abstrakten Begriffen wie «Potenzial» oder «natürliche Eigenschaft» nur unzureichend beschrieben werden. Da es bei Dōgen um die konkrete Verwirklichung der Buddha-Natur im Augenblick geht, sind abstrakte Überlegungen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft oder gar Herkunft der Buddha-Natur auch nicht weiterführend. Meister Dōgen untersucht in diesem Kapitel tiefschürfend die beiden bekannten Antworten «Alle Lebewesen haben die Buddha-Natur» und «Alle Lebewesen sind ohne die Buddha-Natur». Nach seiner Sicht müssen wir aber über diese Antworten, die beide jeweils Relevanz haben, hinausgehen, da sie die Wirklichkeit als konkrete und augenblickliche Wahrheit nicht voll und ganz erfassen. Dōgen untersucht und kommentiert also die jeweiligen Antworten, geht dann aber weiter. Er führt aus, dass aus seiner Sicht und Erfahrung das Tun und Handeln im gegenwärtigen Augenblick die Wirklichkeit und Wahrheit sind und dies gleichzeitig die Buddha-Natur ist.
Śākyamuni Buddha sagte:
«Alle Lebewesen haben voll und ganz [→ 1] die Buddha-Natur:
Der Tathāgata ist stets gegenwärtig, ohne jede Veränderung.» [→ 2]
Diese Lehre ist das Drehen des Dharma-Rades und das Löwengebrüll unseres großen Meisters Śākyamuni. Sie ist das Denken und die Sicht [→ 3] aller Buddhas und Vorfahren. Sie wurde zweitausendeinhundertneunzig Jahre lang [→ 4] erforscht und praktiziert [jetzt ist das zweite Jahr der Ära Ninji [→ 5]], also von kaum fünfzig Generationen authentischer Nachfolger [bis zu meinem früheren Meister Tendō Nyojō]. [→ 6] Achtundzwanzig Vorfahren in Indien und dreiundzwanzig Vorfahren in China weilten in dieser Lehre und bewahrten sie von einer Generation bis zur nächsten. Die Buddhas und Vorfahren der zehn Richtungen weilten in ihr und bewahrten sie. Was bedeuten die Worte des Weltgeehrten, dass alle Lebewesen voll und ganz die Buddha-Natur sind? [→ 7] Sie drehen das Dharma-Rad und bedeuten, dass es da etwas gibt, was so gekommen ist. [→ 8] Die Lebewesen und die verschiedenartigen Formen der Existenz werden manchmal als «alle Lebewesen», manchmal als «die Existenz der empfindenden [Wesen]», manchmal als «alle Daseinsformen» und manchmal als «alle Geschöpfe» bezeichnet. Kurz: Voll und ganz zu sein ist die Buddha-Natur, und das alles umfassende Ganze der ganzen Existenz nennen wir «die Lebewesen». Jetzt, in diesem Augenblick, ist das Innen und Außen aller Lebewesen das Ganze der Existenz der Buddha-Natur. Sie umfasst nicht nur die Haut, das Fleisch, die Knochen und das Mark, die [von einem Meister zum anderen] weitergegeben wurden, denn sie ist [Meister Eka selbst, und Bodhidharma formuliert dies mit den Worten]: «Du hast meine Haut, mein Fleisch, meine Knochen und mein Mark». [→ 9] Ihr müsst wissen, dass die Buddha-Natur jetzt die ganze Existenz ist und daher jenseits [von Begriffen wie] Sein und Nicht-Sein. Voll und ganz zu sein sind Buddhas Worte und Buddhas Zunge, es ist die klare Sicht der Buddhas und Vorfahren, und es ist der Atem [→ 10] der Mönche im Flickengewand.
Das Ganze der Existenz überschreitet [Begriffe wie] «anfängliches Sein», «ursprüngliches Sein», «wunderbares Sein» und so fort. Wie viel weniger könnte es eine bedingte Existenz sein? Das Ganze der Existenz ist auch nicht [die Dualität von] Geist und Außenwelt oder Essenz und Form usw. Deshalb geht Subjekt und Objekt, die das Ganze der Existenz aller Lebewesen sind, weit über die Kraft vergangener Handlungen, über das bedingte Entstehen der Phänomene, über den so genannten «Dharma», über die übernatürlichen Kräfte und die Praxis und Erfahrung hinaus. Denn wäre das Ganze der Existenz aller Lebewesen von der Kraft vergangener Handlungen, vom bedingten Entstehen der Phänomene und vom «Dharma» abhängig, wäre die Erfahrung der Wahrheit aller Heiligen, das Erwachen der Buddhas und die klare Sicht der Buddhas und Vorfahren auch von ihren vergangenen Handlungen, vom bedingten Entstehen der Phänomene und vom «Dharma» abhängig. Dies trifft aber nicht zu. Im ganzen Universum gibt es kein einziges Staubkorn: Hier und Jetzt gibt es keine Spaltung des Menschen in zwei Teile. [→ 11] Deshalb [heißt es], dass bisher niemand erkannt hat, wie man [ein solches Denken] direkt an der Wurzel abschneidet. [→ 12] Wann kommt das karmische Bewusstsein endlich zur Ruhe? Weil es in der ganzen Welt nichts Verborgenes gibt [→ 13], hat [das Ganze der Existenz] nichts mit dem [bedingten] Entstehen der Phänomene zu tun. Dass es in der ganzen Welt nichts Verborgenes gibt, heißt aber nicht unbedingt, dass die materielle Welt [das Ganze der Existenz] ist. [Zu denken,] dass die ganze Welt «mir» gehört, ist die falsche Sichtweise der Menschen außerhalb des Buddha-Weges. [Das Ganze der Existenz] ist nicht ein Sein, das ursprünglich schon war, denn es umfasst die ewige Vergangenheit und die ewige Gegenwart. Es ist auch nicht eine Existenz, die neu entsteht, denn sie nimmt kein einziges [zusätzliches] Staubkorn auf, und sie besteht auch nicht aus gesonderten Existenz-Einheiten, denn es umfasst das Ganze. Es ist nicht ein [gedachtes] anfangloses Sein, denn es ist etwas [nicht Erfassbares], was so kommt. Es ist nicht ein neu entstandenes Sein, denn der ausgeglichene beständige Geist ist der Weg. [→ 14] Ihr müsst vor allem wissen, dass es in der Ganzheit der Existenz für die Lebewesen schwer ist, sich bequemer Annehmlichkeiten zu erfreuen. Wenn ihr das Ganze der Existenz auf diese Weise begreift, kommt ihr zum Kern der Sache und befreit euch.
Viele Schüler, die den Begriff «Buddha-Natur» hören, werden ihn als ein [beständiges] Selbst missverstehen, wie es Senika [→ 15] beschreibt, der kein Buddhist war. Das hat seinen Grund darin, dass diese Schüler niemals einem [wirklichen] Menschen, niemals ihrem [wahren] Selbst und niemals einem [echten] Lehrer begegnet sind. Sie glauben, dass Geist, Wille und Bewusstsein, welche [nur] die Bewegung der Gehirnzellen sind [→ 16], das erleuchtete Wissen und das Verstehen der Buddha-Natur seien. Wer hat jemals behauptet, dass es in der Buddha-Natur ein erleuchtetes Wissen und Verstehen gibt? Jene, die erwachen und verstehen, sind Buddhas, aber die Buddha-Natur ist jenseits des erleuchteten Wissens und Verstehens. Ferner, wenn wir von den Buddhas als Erwachte und Wissende sprechen, dann meinen wir damit nicht die falsche Sichtweise der anderen in Bezug auf das Erwachen und Wissen. Wir betrachten die Bewegung der Gehirnzellen nicht als das Erwachen und Wissen. Erwachen und Wissen sind ein oder zwei lebendige Buddhas oder Vorfahren, die sich jetzt [in dieser Welt] offenbaren.
Seit Jahrhunderten begaben sich unsere ehrwürdigen Vorfahren zum westlichen Himmel [Indien] und kehrten zurück ins östliche Land [China], wo sie die Menschen und Götter lehrten. Von der Han- bis zur Song-Dynastie gingen und kamen sie [so zahlreich] wie Reis, Hanf, Bambuswälder und Schilfrohr. Viele von ihnen meinten, dass die Bewegung der Gehirnzellen das Wissen und das Erwachen zur Buddha-Natur seien. Dies ist bedauerlich. Sie begingen den obigen Fehler, weil sie sich immer weiter vom Studium der Wahrheit entfernt hatten. Wir jetzt nachfolgenden Schüler und diejenigen, die heute mit dem Buddha-Dharma beginnen, sollten dies nicht tun. Wir lernen und erforschen das Erwachen und Wissen, aber dieses Erwachen und Wissen ist nicht die Bewegung der Gehirnzellen. Wir lernen und erforschen die Bewegung, aber diese Bewegung ist nicht ein solcher Zustand. [→ 17] Wenn ihr die wirkliche Bewegung [→ 18] versteht, könnt ihr auch das wirkliche Erwachen und das wirkliche Wissen verstehen. Buddha und Natur sind [ganz konkret], sie verwirklichen dieses oder jenes. [→ 19] Die Buddha-Natur ist immer das Ganze der Existenz, eben weil das Ganze der Existenz die Buddha-Natur ist. Das Ganze der Existenz ist aber weder materiell [→ 20] noch spirituell [→ 21]. Weil das Ganze der Existenz nichts anderes als Tun und Handeln [→ 22] ist, ist es weder groß noch klein. Was wir oben «die Buddha-Natur» genannt haben, solltet ihr nicht als gleichwertig mit etwas Heiligem oder [dem Begriff] «Buddha-Natur» betrachten.
Wiederum andere Menschen meinen, dass die Buddha-Natur dem Samen einer Pflanze oder eines Baumes gleiche: Während der Dharma-Regen auf sie niedergeht, keimen die Samen, und [Pflanze und Baum] können wachsen. Dann entstehen viele Zweige, Blätter, Blüten und Früchte, und diese Früchte bringen wieder neue Samen hervor. Dieses Verständnis entspricht aber dem gefühlsmäßigen Denken der gewöhnlichen Menschen. Selbst wenn man ein solches Verständnis hat, sollte man doch lernen und erforschen, dass auch alle Samen, Blüten und Früchte voneinander getrennte Augenblicke reinen Geistes sind. [→ 23] In den Früchten gibt es Samen. Obwohl niemand die Samen sieht, erzeugen sie Wurzeln, Halme usw., und obwohl die Samen für sich selbst stehen und nichts hinzugefügt wird, bringen sie viele Zweige, Äste und Stämme hervor. Die Samen sind jenseits von Diskussionen über innen und außen. Sie haben ihre vergangene und gegenwärtige Zeit. [→ 24] Deshalb sind die Wurzeln, Halme, Äste und Blätter alle die Buddha-Natur, die [Augenblick für Augenblick] mit ihnen entsteht und mit ihnen vergeht und das Ganze ihrer Existenz ausmacht. Dies gilt, selbst wenn man sich auf die Sicht und das Verständnis der gewöhnlichen Menschen stützt.
Der Buddha sagte:
«Wenn ihr den Sinn der Buddha-Natur verstehen wollt, solltet ihr hier und jetzt die Ursachen und Umstände der wirklichen Zeit erfassen. [→ 25] Wenn die Zeit gekommen ist, offenbart sich die Buddha-Natur direkt vor euch.» [→ 26]
Wenn ihr den Sinn der Buddha-Natur verstehen wollt, bedeutet dies nicht nur, sie verstehen zu wollen, sondern sie zu praktizieren, zu erfahren, zu lehren und wieder vergessen zu wollen. Dieses Lehren, Praktizieren, Erfahren, Vergessen, Missverstehen, Verstehen usw. hängt jeweils mit den Ursachen und Umständen der wirklichen Zeit zusammen. «Die Ursachen und Umstände der wirklichen Zeit erfassen» bedeutet also, sie zu erfassen, indem ihr die Ursachen und Umstände des gegenwärtigen Augenblicks benutzt. Es ist ein wechselseitiges Erfassen, in dem ihr [konkret] von einem Fliegenwedel, einem Stock usw. Gebrauch macht. Wenn ihr jedoch [nur abstrakte Begriffe wie] «die vollkommene Weisheit», «die unvollkommene Weisheit» oder die «Weisheit des ursprünglichen Erwachens», «des neuen Erwachens», «des freien oder rechten Erwachens» [→ 27] usw. verwendet, könnt ihr [die Ursachen und Umstände der wirklichen Zeit] niemals erfassen. «Hier und jetzt erfassen» ist unabhängig vom Subjekt, das erfasst, und es ist unabhängig vom Objekt, das erfasst wird. Es sollte auch nicht mit dem «richtigen» oder «falschen» Erfassen verwechselt werden. Es ist einfach «hier und jetzt erfassen». Es ist weder subjektiv noch objektiv, weil es «gerade jetzt» erfassen ist. Es ist die Einheit der wirklichen Zeit mit den Ursachen und Umständen selbst. Es ist das Überschreiten der [nur gedachten] Ursachen und Umstände, es ist die Buddha-Natur selbst, die sich von ihrer eigenen Substanz gelöst hat. Es ist Buddha als wirklicher Buddha und die Natur als wirkliche Natur.
Seit langer Zeit, von der Vergangenheit bis zur Gegenwart, haben viele Menschen geglaubt, dass sich die Worte «wenn die Zeit gekommen ist» auf eine zukünftige Zeit beziehe, auf die sie warten, bis sich die Buddha-Natur vor ihnen offenbare. [Sie meinen, dass] diese Zeit, in der sich die Buddha-Natur vor ihnen offenbart, ganz von selbst käme, wenn sie ihre Praxis in dieser Haltung fortsetzen. Sie sagen, dass sich [die Buddha-Natur] noch nicht vor ihnen offenbart hätte, weil die Zeit noch nicht gekommen sei, und sie sagen dies, obwohl sie zu einem Lehrer gehen, den Dharma hören und sich auf dem Buddha-Weg bemühen. Mit einer solchen Sicht verfallen sie der Welt der illusionären Zukunftsträume und erheben vergeblich ihren Blick zur Milchstraße. Solche Menschen mögen wohl dem Naturalismus derer anhängen, die keine Buddhisten sind. Die Worte «wenn ihr den Sinn der Buddha-Natur verstehen wollt» bedeuten [demgegenüber], den Sinn der Buddha-Natur genau jetzt zu verstehen. [→ 28] Die Ursachen und Umstände der wirklichen Zeit zu erfassen, bedeutet, die Ursachen und Umstände jetzt als die wirkliche Zeit zu erfassen. Wenn ihr diese Buddha-Natur verstehen wollt, denkt daran, dass die Ursachen und Umstände der wirklichen Zeit [eben die Buddha-Natur] sind. «Wenn die Zeit gekommen ist» bedeutet also, dass sie bereits da ist. Woran könntet ihr noch zweifeln? Selbst wenn es eine Zeit des Zweifels gibt, ist sie die Buddha-Natur, die zu euch kommt. Ihr solltet wissen, dass die Worte «wenn die Zeit gekommen ist» bedeuten, dass ihr vierundzwanzig Stunden lang nicht einen Augenblick nutzlos verschwendet: «Wenn die Zeit gekommen ist» ist also dasselbe, als würdet ihr sagen: «Sie ist bereits da.» Und weil die Zeit bereits da ist, kommt die Buddha-Natur nicht. [→ 29] Daher ist die Zeit, die jetzt da ist, nichts anderes als die Buddha-Natur, die sich vor euch offenbart. Das heißt, dass sich das Prinzip aus sich selbst erklärt. Zusammengefasst können wir also sagen, dass es niemals einen Augenblick gab, der nicht da war, und dass es niemals eine Buddha-Natur gab, die sich nicht vor uns offenbart hat.
Als der zwölfte Vorfahre, der Ehrwürdige Aśvaghoṣa, dem dreizehnten Vorfahren [→ 30] das Meer der Buddha-Natur erklärte, sagte er:
«Die Berge, die Flüsse und die große Erde
Beruhen alle auf der Buddha-Natur und entstehen durch sie.
Der Samādhi und die sechs Kräfte [→ 31] beruhen auf ihr
Und werden durch sie offenbar.»
Deshalb sind alle diese Berge, Flüsse und die große Erde der Ozean der Buddha-Natur. Die Aussage, dass sie alle auf der Buddha-Natur beruhen und durch sie entstehen, bedeutet, dass der Augenblick, der sie entstehen lässt, die Berge, die Flüsse und die große Erde ist. Wenn er sagt, dass sie alle auf ihr beruhen und durch sie entstehen, müsst ihr wissen, dass die Form des Ozeans der Buddha-Natur eben so ist; sie hat nichts mit [Begriffen wie] Innen, Außen oder der Mitte zu tun. Wenn ihr also die Berge und die Flüsse seht, dann schaut ihr die Buddha-Natur selbst an. Und wenn ihr die Buddha-Natur selbst anschaut, seht ihr eine Eselsbacke oder ein Pferdemaul. Dass sie alle [auf der Buddha-Natur] beruhen, bedeutet, dass sie gänzlich auf dem Ganzen beruhen. So könnt ihr es verstehen und gleichzeitig über das [verstandesmäßige] Verstehen hinausgehen. [Der andere Teil der Aussage ist, dass] der Samādhi und die sechs Kräfte auf ihr beruhen und durch sie offenbar werden. Denkt daran, dass die verschiedenartigen [Formen des] Samādhis alle gleichermaßen auf der Buddha-Natur beruhen, wenn sie offenbar werden und ins Jetzt kommen. Alle sechs Kräfte beruhen auf der Buddha-Natur, [unabhängig davon,] ob sie sich auf [das Konkrete] oder auf [etwas Geistiges] stützen. Diese sechs umfassen nicht nur die sechs übernatürlichen Kräfte, die in den Āgama-Sūtren [→ 32] erwähnt werden, sondern sie sind [wie] drei und [noch mal] drei [→ 33] [konkrete] übernatürliche Kräfte [oder] Pāramitās. [→ 34] Deshalb solltet ihr die sechs übernatürlichen Kräfte nicht so verstehen, als [seien] die hundert Dinge sonnenklar und die Absicht der Buddhas und Vorfahren sonnenklar. [→ 35] Selbst wenn ihr keine Klarheit über die sechs übernatürlichen Kräfte erlangt, sind sie in Wirklichkeit doch vollständig vom Ozean der Buddha-Natur bestimmt.
Der fünfte Vorfahre, Zen-Meister Daiman [→ 36], kam aus Ōbai in Kishū. Er hatte keinen Vater, als er geboren wurde, und erwachte schon als Kind zur Wahrheit. Später übte er die Wahrheit, indem er Kiefern pflanzte. Zuerst pflanzte er Kiefern auf dem Berg Sei in Kishū. Der vierte Vorfahre [Dai-i] kam auf einem Spaziergang zufällig dort vorbei und sagte zu ihm: «Gerne würde ich den Dharma an dich weitergeben, aber du bist schon zu alt. Wenn du [in diese Welt] zurückkommst, werde ich auf dich warten.» Meister [Daiman] stimmte zu. Danach wurde er von einer Tochter der Familie Shū wieder geboren, die, so heißt es in der Überlieferung, [den Säugling] im schmutzigen Wasser eines Hafens aussetzte. Ein übernatürliches Wesen beschützte ihn und in den ersten sieben Tagen geschah ihm kein Leid. Dann nahm die Familie Shū [das Kind doch] auf und zog es groß. Als der Knabe sieben Jahre alt war, begegnete er auf der Straße in Ōbai dem vierten Vorfahren, Zen-Meister Dai-i. [→ 37] Der Vorfahre sah, dass Meister [Daiman] einen außergewöhnlich geformten Kopf hatte, obwohl er noch ein Kind war. Es war kein gewöhnliches Kind. Als der vierte Vorfahre es sah, fragte er: «Was für einen Namen hast du?»
Meister Daiman antwortete: «Ich habe einen Namen, aber es ist kein gewöhnlicher Name.»
Der vierte Vorfahre fragte: «Was ist das für ein Name?»
Meister Daiman antwortete: «Buddha-Natur.»
Der vierte Vorfahre sagte: «Du bist ohne [etwas wie] die Buddha-Natur.»
Meister Daiman sagte: «Weil die Buddha-Natur die Leerheit ist, sagen wir, dass sie ›ohne etwas‹ ist.»
Der [vierte] Vorfahre erkannte in dem Jungen ein Gefäß des Dharmas und machte ihn zu einem Mönch, der ihm unterstellt war. Später gab er den Schatz des wahren Dharma-Auges an ihn weiter. [Der fünfte Vorfahre, Meister Daiman] lebte in den Bergen östlich von Ōbai und lehrte weithin unsere tiefgründige Überlieferung.
Wenn ihr die Aussagen dieser alten Meister gründlich untersucht, gibt es einen Sinn bei der Frage des vierten Vorfahren: «Was für einen Namen hast du?» [→ 38] In alter Zeit wurde [beispielsweise] ein Mensch als «ein Mensch des Was-Landes» [beschrieben] und sein Name als «ein Was-Name» [bezeichnet] und ein Mensch sagte von einem anderen, dass sein Name «Was» ist. [→ 39] Die Frage [Was für einen Namen hast du?] ist hier dasselbe, als wenn man zum Beispiel sagt: «Ich bin so und du bist auch so.» [→ 40]
Der fünfte Vorfahre sagte: «Ich habe einen Namen, aber es ist kein gewöhnlicher Name.» Damit ist gemeint: Mein Name ist die Existenz selbst. Aber es ist kein gewöhnlicher Name, denn ein gewöhnlicher Name ist nicht die richtige [Bezeichnung] für das, was hier und jetzt existiert.
Der vierte Vorfahre fragte: «Was ist das für ein Name?» [→ 41] In dieser Frage bedeutet das «Was» das «Das». [Das heißt, der vierte Vorfahre] verwendete das [konkrete] «Das», um [das nicht erfassbare] «Was» [auszudrücken], das der Name ist. [→ 42] Weil sich das «Was» [nur] aufgrund des «Das» verwirklichen kann, ist dieses «Das» die natürliche Funktion des «Was». Der Name bezeichnet sowohl das «Das» als auch das «Was». Ihr verwendet beide im Alltag, wenn ihr zum Beispiel gewöhnlichen oder grünen Tee bereitet oder wenn ihr eure Mahlzeiten macht.
Der fünfte Vorfahre sagte: «[Mein Name ist] Buddha-Natur.» Er meinte damit, dass «Das», [was hier und jetzt existiert,] die Buddha-Natur ist. Weil [das konkrete] «Das» gleichzeitig das [nicht erfassbare] «Was» ist, ist es Buddha. Warum solltet ihr das [konkrete] «Das» nur als das [nicht erfassbare] «Was» untersuchen, denn das Konkrete ist bereits die Buddha-Natur, [selbst] wenn es nicht konkret daherkommt. [→ 43] Deshalb ist dieses «Das» [auch] das «Was», und es ist Buddha. Aber selbst wenn das «Das» [auch] das «Was» und Buddha ist, selbst wenn es sich befreit hat und völlig bloß ist, hat es doch immer noch einen Namen. Solch ein Name ist Shū. Dieser Name stammt nicht vom Vater, nicht von den Vorfahren, und er ähnelt nicht dem der Mutter. Wie hätte er dem einer dritten Person gleichen können? [→ 44]
Der vierte Vorfahre sagte: «Du bist ohne [etwas wie] die Buddha-Natur.» Diese Worte bedeuten, dass du «ohne etwas» bist, und [den Namen] überlasse ich dir, aber gleichzeitig, ohne irgendetwas [zu sein], bist du die Buddha-Natur. [→ 45] Ihr solltet [folgende Frage] stellen und verstehen: In welchem Augenblick des Jetzt könntet ihr ohne die Buddha-Natur sein? Seid ihr ohne die Buddha-Natur, wenn ihr als Buddhisten beginnt oder wenn ihr jenseits von Buddha weitergeht? Verschließt euch nicht davor, [die Buddha-Natur] sieben Mal zu begreifen, und versucht nicht, [sie] acht Mal zu verwirklichen. «Ohne die Buddha-Natur sein» könnt ihr auch in einem einzigen Augenblick des Samādhis erfahren. Ihr müsst euch aber auch fragen und Auskunft geben können, ob ihr ohne die Buddha-Natur seid, wenn die Buddha-Natur Buddha wird oder wenn die Buddha-Natur den [Bodhi-]Geist erweckt. Ihr solltet dies die Säulen außerhalb des Klosters fragen, und ihr solltet dies auch die Säulen selbst fragen lassen. Ihr solltet es die Buddha-Natur fragen lassen. Deshalb konnten die Worte «ohne die Buddha-Natur sein» aus dem weit entfernten Raum des vierten Vorfahren gehört werden. Sie wurden auf dem [Berg] Ōbai gehört und gesehen, sie wurden weit in der ganzen Region von Jōshū verbreitet und auf dem [Berg] Dai-i [→ 46] gepriesen. Ihr solltet die Aussage «ohne die Buddha-Natur sein» fortwährend untersuchen und keine Anstrengung dabei scheuen. Selbst wenn ihr dieses «Ohne die Buddha-Natur sein» aufspüren könnt, gibt es den Maßstab [des nicht erfassbaren] «Was», und es gibt die wirkliche Zeit [des Jetzt], die ihr selbst seid. Es gibt das «Sich in den Augenblick werfen», welches das [konkrete] «Das» ist, und es gibt den Namen, der für alle gilt und [hier] Shū ist. [Kurz: Ohne die Buddha-Natur zu sein] ist letztlich die Wirklichkeit hier und jetzt!
Der fünfte Vorfahre sagte: «Weil die Buddha-Natur die Leerheit [→ 47] ist, sagen wir, dass sie ›ohne etwas‹ ist.» [→ 48] Die Formulierung drückt eindeutig aus, dass die Leerheit keine NichtExistenz ist. Wenn wir sagen, dass die Buddha-Natur Leerheit ist, verwenden wir keine [Gewichts-]Bezeichnungen wie ein halbes Pfund oder acht Unzen, sondern den Ausdruck «ohne etwas». Wir sprechen nicht deshalb von der Leerheit, weil sie leer ist, und wir sagen nicht deshalb «ohne etwas», weil nichts existiert, sondern weil die Buddha-Natur «leer» ist, nennen wir sie «ohne etwas». Deshalb sind die wirklichen Augenblicke des «Ohne-etwas-Sein» der Maßstab, um diese Leerheit zu beschreiben, und die Leerheit hat die Kraft, dieses «Ohne-etwas-Sein» auszudrücken. Die Leerheit ist nicht die Leerheit [des Herzsūtras, in dem es heißt, dass] die Form nichts anderes als die Leerheit ist. [→ 49] [Die Aussage, dass] die Form nichts anderes als die Leerheit ist, [beschreibt] jedoch weder eine Form, die man willentlich zu [einer abstrakten] Leerheit macht, noch eine Leerheit, die man zerstückelt, um [künstlich] eine Form herzustellen. Die Aussage mag vielmehr eine Situation beschreiben, bei der die Leerheit einfach Leerheit ist. [→ 50] Die Leerheit, bei der die Leerheit einfach die Leerheit ist, ist wie «ein Stein im leeren Raum». [→ 51] Deshalb gibt es diese Fragen und Antworten zwischen dem vierten und dem fünften Vorfahren, welche die Buddha-Natur als «Ohne-etwas-Sein», die Buddha-Natur als die Leerheit und die Buddha-Natur als das [wirkliche] Sein behandeln.
Als der sechste Vorfahre in China, Zen-Meister Daikan [Enō] vom Berg Sōkei zum ersten Mal [Meister Daiman Kōnin] vom Berg Ōbai besuchte, fragte ihn der fünfte Vorfahre: «Woher kommst du?»
Der sechste Vorfahre sagte: «Ich bin ein Mann vom Süden der Berge.»
Der fünfte Vorfahre sagte: «Was möchtest du hier erlangen?»
Der sechste Vorfahre antwortete: «Ich möchte Buddha werden.»
Der fünfte Vorfahre sagte: «Ein Mann vom Süden der Berge ist ohne die Buddha-Natur. Wie kannst du hoffen, Buddha zu werden?» [→ 52]
Diese Aussage «Ein Mann vom Süden der Berge ist ohne die Buddha-Natur» bedeutet nicht, dass ein Mann vom Süden der Berge die Buddha-Natur hat oder nicht hat. Sie besagt einfach, dass ein Mann vom Süden der Berge, «ohne irgendetwas zu sein», die Buddha-Natur ist. «Wie kannst du hoffen, Buddha zu werden?» [ist eine Frage, die] bedeutet, welche Art von Buddhawerden erhoffst du dir? Grundsätzlich haben nur ganz wenige alte Meister Klarheit über dieses Prinzip der Buddha-Natur erlangt. Es geht über die verschiedenen Lehren der Āgama-Sūtren hinaus, und die Gelehrten der Sūtren und der Kommentare können sie nicht verstehen. Diese Wahrheit wird allein an die Nachfolger der Buddhas und Vorfahren vom Meister auf den Schüler weitergegeben.
Die Wahrheit der Buddha-Natur ist, dass wir nicht mit der Buddha-Natur versehen sind, bevor wir [Körper und Geist] eines Buddhas verwirklicht haben. Erst dann sind wir damit versehen! [→ 53] Buddha-Natur und Buddha-Verwirklichung werden immer gleichzeitig [und zusammen] erfahren. [→ 54] Ihr solltet diese Grundwahrheit immer wieder prüfen und darüber nachdenken. Ihr solltet sie zwanzig oder dreißig Jahre lang erfahren, erforschen und praktizieren. [Selbst die Bodhisattvas] der zehn heiligen und drei weisen Stufen können diese Wahrheit nicht klären. Die [beiden] Aussagen, «alle Lebewesen haben die Buddha-Natur» und «alle Lebewesen sind ohne die Buddha-Natur», drücken genau diese Grundwahrheit aus. Es ist richtig und trifft den Kern, wenn ihr erfahrt und erlernt, dass [die Buddha-Natur] sich erst offenbart, wenn ihr den Körper-Geist eines Buddhas verwirklicht. Wenn ihr sie nicht so erlernt, ist es nicht Buddhas Dharma. Hätten wir den Buddha-Dharma nicht auf diese Weise erlernt, wäre er nicht bis heute zu uns gekommen. Wenn ihr diese Wahrheit nicht klärt, könnt ihr auch nicht klären, sehen und hören, was ein Buddha ist. Deshalb sagte der fünfte Vorfahre, als er den sechsten unterwies, dass ein Mensch vom Süden der Berge ohne die Buddha-Natur ist. Wenn ihr zum ersten Mal Buddha begegnet und den Dharma hört, ist es schwierig, zu hören und zu verstehen, dass alle Lebewesen ohne die Buddha-Natur sind. Wenn ihr euch manchmal auf gute Lehrer und manchmal auf die Sūtren stützt, sollte es euch mit Freude erfüllen, wenn ihr hört, dass alle Lebewesen ohne die Buddha-Natur sind. Jene, die nicht damit zufrieden sind zu sehen, zu hören, zu verwirklichen und zu wissen, dass alle Lebewesen ohne die Buddha-Natur sind, haben die Buddha-Natur niemals gesehen, gehört, verwirklicht und geklärt. Als der sechste Vorfahre aufrichtig Buddha werden wollte, verstand es der fünfte Vorfahre, ihn Buddha werden zu lassen, indem er nur sagte, dass ein Mann vom Süden der Berge ohne die Buddha-Natur ist. Er verwendete keine anderen Worte und kein anderes Mittel [der Erklärung]. Ihr solltet also bedenken, dass es der direkte Weg ist, Buddha zu verwirklichen, wenn ihr die Worte aussprecht oder hört, dass ihr ohne die Buddha-Natur seid. Deshalb seid ihr genau in dem Augenblick Buddha [→ 55], in dem ihr ohne die Buddha-Natur seid. Jene, die noch nicht gesehen, gehört oder gesagt bekommen haben, dass sie ohne die Buddha-Natur sind, sind noch keine Buddhas.
Der sechste Vorfahre sagte: [→ 56] «Bei den Menschen gibt es Süden und Norden, aber die Buddha-Natur ist ohne Süden und Norden.» Denkt an diese Aussage und bemüht euch, sie im Kern zu verstehen. Ihr solltet über die Worte «Süden» und «Norden» mit einem reinen Geist nachdenken. Die Aussage des sechsten Vorfahren, welche die Wahrheit ausdrückt, hat einen [tieferen] Sinn. Sie beschreibt den Standpunkt, dass Menschen zwar Buddhas werden können, aber dass die Buddha-Natur dies nicht kann. Wusste der sechste Vorfahre das oder nicht? Der Ausdruck «ohne die Buddha-Natur sein», den der vierte und der fünfte Vorfahre geprägt haben, hat die Kraft, [die Buddha-Natur] so zu beschreiben, wie sie wirklich ist. [→ 57] Diese Kraft wirkt über die Zeiten hinweg: Kāśyapa Buddha, Śākyamuni Buddha und viele andere Buddhas haben [dadurch], dass sie Buddhas waren und den Dharma gelehrt haben, einen Teil dieser Kraft erlangt, und waren fähig, die Wahrheit auszudrücken, dass das Ganze der Existenz voll und ganz die Buddha-Natur ist. [→ 58] [Denn] wie könnte das Ganze der Existenz wirklich existieren, wenn es nicht den Dharma von der Nicht-Etwasheit [der Buddha-Natur] empfangen hätte, die über [alles Denken] hinausgeht? Deshalb hören wir die Worte von der Nicht-Etwasheit der Buddha-Natur über die Zeiten hinweg aus dem Raum des vierten und des fünften Vorfahren. Wäre der sechste Vorfahre schon damals [bei dem Gespräch mit dem fünften Vorfahren] ein Mann gewesen, der die Wahrheit verwirklicht hat, hätte er die Wahrheit von der Nicht-Etwasheit der Buddha-Natur tiefer erforscht. Hätte er für eine Weile das Nicht-Vorhandensein des Habens oder Nicht-Habens [der Buddha-Natur] beiseitegelassen, dann hätte er sich fragen müssen, was diese Buddha-Natur im Grunde ist. Er hätte untersuchen müssen, was die Buddha-Natur selbst ist. Selbst wenn heute jemand von der Buddha-Natur hört, fragt er nicht danach, was sie wirklich ist, sondern er will offensichtlich nur darüber reden, ob sie existiert oder nicht. Aber dies ist voreilig. Denn letztlich muss dieses «Ohne-etwas-Sein», das den verschiedenen Negationen der Existenz [→ 59] angehört, durch das «Ohne-etwas-Sein» der Buddha-Natur selbst erforscht werden. [→ 60]
Ihr solltet der Aussage des sechsten Vorfahren, dass es bei den Menschen Süden und Norden gibt, aber dass die Buddha-Natur ohne Süden und Norden ist, zwei oder drei Mal und über einen langen Zeitraum hinweg nachgehen. Es mag euch Kraft geben, dass ihr diese Aussage erforscht. Ihr müsst die Worte des Vorfahren, dass es bei den Menschen Süden und Norden gibt, aber die Buddha-Natur ohne Süden und Norden ist, in Ruhe annehmen und wieder loslassen. Die beschränkten Menschen meinen, dass es in der Welt der Menschen, die durch die Materie begrenzt ist, Süden und Norden gibt, aber dass die Buddha-Natur, die [unbegrenzt] und leer ist, über die Diskussion von Süden und Norden hinausgeht. Wer dies dem sechsten Vorfahren in den Mund legt, mag wohl ein kraftloser kleiner Geist sein. Verschwendet keine Zeit mit diesem falschen Verständnis, sondern gebt euch direkt und ernsthaft der Praxis hin.
Der sechste Vorfahre unterwies Gyōshō, einen Mönch aus seinem Orden, mit folgenden Worten: «Die Buddha-Natur dauert nicht an. Nur der [denkende] Geist, der alle Dinge und Phänomene in gut und schlecht unterteilt, dauert an.» [→ 61]
Das Nicht-Andauern [→ 62], von dem der sechste Vorfahre hier spricht, können die Menschen außerhalb des Buddha-Weges und [die Anhänger] der zwei Fahrzeuge usw. nicht einmal erahnen. Unsere Vorfahren, [die Anhänger] der zwei Fahrzeuge und die Menschen außerhalb des Buddha-Weges sind alle gegenwärtige Augenblicke, die nicht andauern, selbst wenn sie dies nicht vollständig erkennen können. Wenn also das Nicht-Andauern auf natürliche Weise diese Augenblicklichkeit lehrt, praktiziert und erfährt, könnte es sein, dass nichts andauert. Wenn jemand jetzt, in diesem Augenblick, durch einen Körper gerettet werden kann, offenbart sich in diesem Augenblick ein Körper und lehrt den Dharma. [→ 63] Dies ist die Buddha-Natur. Außerdem könnte es sein, dass sich manchmal ein großer Dharma-Körper offenbart und manchmal ein kleiner. Sowohl gewöhnliche Heilige als auch gewöhnliche Menschen dauern nicht an. Wenn ihr meint, dass die gewöhnlichen Menschen und die Heiligen nicht die Buddha-Natur sein können, könnte dies an der Begrenztheit eures Denkens und der Beschränktheit eures Verstandes liegen. «Buddha» ist ein wenig Körper und «Natur» ist ein wenig Handeln. [→ 64] Deshalb sagte der sechste Vorfahre: «Die Buddha-Natur dauert nicht an.»
Das Dauerhafte ist, was sich nicht verändert. Das Fehlen der Veränderung hat folgenden Sinn: Weil das Dauerhafte nicht unbedingt mit den Spuren von Kommen und Gehen verbunden ist, ist es dauerhaft [→ 65]