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ISBN: 978-3-7494-0094-2
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Sasha lag neben mir im Bett und schlief. Ich starrte verträumt die Decke an und konnte es immer noch nicht fassen was die letzten Tage geschah. Wir kannten uns gerade mal ein paar Wochen und doch hätte ich nicht sagen können wie lange es her war, als wir uns das erste Mal begegneten. Ich erinnerte mich, wie ich am Tresen des Ladens, in dem ich zu der Zeit öfter verkehrte, stand. Nur sie hatte ich dort noch nie zuvor gesehen. Der Typ der sie begleitete, saß mit dem Rücken zu mir, so konnte ich das Funkeln in ihren Augen sehen, als sich unsere Blicke trafen, ohne dass ihr Ex, wie sich später herausstellte, etwas davon mitbekam.
Ich musterte sie nur kurz und hatte das Gefühl, sie könnte es sein. Die ganze Zeit über lächelten wir uns immer wieder an und betrachteten uns gegenseitig. Sie verließ hinter ihm die Bar, um mir unauffällig ihre Nummer zuzustecken, mit dem Vermerk wann ich sie erreichen könne. Am übernächsten Tag, eine halbe Stunde nach der gewünschten Uhrzeit, klingelte ihr Telefon und wir trafen uns am Ort unserer Begegnung.
Blieben aber nicht dort, die Weite des Himmels mit der tief stehenden Sonne, gab uns den Raum und die Stimmung, uns näher zu kommen, während wir zum Hafen schlenderten. Der Anleger von dem aus wir auf den Fluss blickten, sollte später noch eine wichtige Rolle spielen.
Sie fragte mich, was ich gerade dachte, so fühlte ich mich von ihr aufgefordert und küsste sie. Ich nahm sie in den Arm, spürte wie sie sich an mich lehnte, sah über ihre Schulter auf das Wasser und beobachtete einen toten Fisch der vorbei trieb.
Der Weg zu mir war nicht weit. Bei Tee und Kerzenschein saßen wir die halbe Nacht eng umschlungen einfach nur da und waren im Augenblick. Wir waren immer nur Stunden von einander getrennt, wenn sie oder ich arbeitete.
Unsere tiefe Zuneigung war ganz selbstverständlich. Wir konnten auch ohne viel Reden unsere Zeit miteinander verbringen. Eines Abends erzählte sie mir, sie wisse manchmal nicht, was sie über Stunden mache und auch keine Erinnerung daran hatte was geschehen war, wenn sie sich in einer ihr fremden Situation wiederfand. Ich versprach ihr auf sie acht zu geben, wenn es bei unserem Zusammensein passieren sollte. Dieser Moment ließ nicht lange auf sich warten. In der darauffolgenden Nacht, wir waren gerade in einem Gespräch, hielt sie auf einmal inne, verdrehte die Augen, kam mit einer ganz anderen Ausstrahlung wieder zu sich, gab mir mit veränderter Stimme zu verstehen, dass ihr die letzten vier Wochen ja euren Spass hattet und versicherte mir, dass sich das jetzt ändern würde. Sie sprach in der dritten Person von sich, grinste mich hämisch an und schon war sie zur Wohnungstür hinaus. Ich zog mir schnell etwas über und folgte ihr, so dass ich sie nicht aus den Augen verlor, was von ihr auch so gewollt war. Wir kamen wieder an den Anleger, an dem alles begann, saßen auf einer Treppe die zum Ausguck einer Terrasse, führte und ich fühlte ihre Größe, ihre Kraft, mit der sie mich einwickelte. Ihr Wissen, welches sie ausstrahlte, würde mir in naher Zukunft noch so viel mehr offenbaren. Aber jetzt in diesem Moment spielte sie mit mir, mit meiner Angst, mit meiner Unsicherheit, sie wußte genau, dass sie mich in der Hand hatte, dass ich ihr ergeben war, erzählte mir Geschichten, die sie erlebte, wovon ihre andere Seite nichts wußte und hatte ihren Spaß, das war klar. Doch das war mir egal, wer immer sie auch gerade war, ich hielt mein Versprechen auf sie acht zu geben, ich wußte nicht warum es mir so wichtig war, doch auch das sollte ich bald verstehen.
Ich weiß gar nicht mehr wie es dazu kam, wir waren wohl wieder in einer heißen Diskussion, wir liebten es uns geistig heraus zu fordern und von einer Sekunde auf die andere, ich blickte ihr gerade wieder in die Augen, wandelte sie ihre Persönlichkeit, dass sie das tat, kannte ich ja schon, es war auch nicht das erste Mal, seit dem Gespräch am Anleger.
Doch dieses Mal passierte es blitzschnell und ohne Vorwarnung. Sasha kam ganz dicht heran, ich spürte ihren Atem in meinem Gesicht. „Wir kennen uns aus einem anderem Leben“: sagte sie, mir lief ein Schauer über den Rücken und ich fühlte mich wieder so klein, so hilflos, ein tiefes Schuldgefühl überkam mich und eine Träne rann mir die Wange herunter.
Ein Widerhall von Hufen aus dem Hof ließ mich aufhorchen, kurz darauf polterte jemand die Treppe herauf und hämmerte mit der Faust gegen die Tür, die sogleich aufsprang. Ein guter alter Vertrauter stand im Rahmen und rang nach Luft, „Ihr müsst sofort aufbrechen, sie suchen nach Euch, sie haben uns aufgespürt, die meisten von uns haben sie erstochen, ohne Vorwarnung, unsere ganzen Schriften, sie sind verbrannt, sie haben alles abgefackelt, ich konnte unbemerkt entkommen, jedoch wissen sie nichts von eurem Aufenthaltsort, Meister“: sagte er völlig überhastet.
Er kam von der spanischen Seite der Pyrenäen, wo unser eigentliches Domizil lag, dies hier war nur ein kleines Gehöft etwas oberhalb von Lourdes, einer Kleinstadt am Fusse des Gebirges. „Der Wahnsinn der Mächtigsten, hat uns also ereilt“: erwiderte ich, „Ihr, mein treuer Gefährte, solltet hier verweilen bis sich die Lage entschärft hat, ich reite derweil nach Norden zur Küste, ich werde Euch benachrichtigen, sobald ich mich in Sicherheit wäge“.
So war ich jetzt einer der letzten Würdenträger unserer Bruderschaft, musste also aus den Pyrenäen fliehen. Ich raffte ein paar Habseligkeiten zusammen, griff mir das Halfter mit den zwei Pistolen, schnallte mir meinen Degen um, sattelte mein Pferd, verabschiedete mich noch von meinem treuen Bruder und ritt los.
Es war das einzig Richtige, dass er auf dem Gehöft in den Bergen blieb, es wusste niemand von diesem Ort und unten in Lourdes war er bekannt und fiel nicht weiter auf. Er sollte das beschützen, von dem er ahnte das es nicht in falsche Hände geraten durfte, zu viel Macht bargen die Abschriften, die ich über die Jahre angefertigt hatte, die hier in der geheimen Bibliothek vor sich hin schlummerten und der Zweck dieser Mauern waren die sie umschlossen. Dieses gesammelte Wissen hätte einen Weltenbrand auslösen können und verbarg daher sein Geheimnis vor den Augen der Welt. Mein Gefährte hatte nicht die Stärke, dieses Wissen zu beherrschen, doch seine Ergebenheit zu mir gab ihm die Kraft dafür es zu schützen, das zeigte sich unzählige Male in der Vergangenheit, in den Zeiten die wir hier verbracht und erlebt hatten.
Ich wandte meinen Blick noch ein letztes Mal zurück, als ich an Lourdes vorbei ritt und erstarrte innerlich, das Gehöft brannte lichterloh, mein treuer Freund hatte sich geirrt, auch ihm waren sie wohl dicht auf den Fersen gewesen, so blieb ihm nur noch genug Zeit, mich zu warnen, doch so hoffte ich, bezahlte er nicht mit seinem Leben dafür. Ich wusste, dass dieses Mal er das Feuer legte, um mich zu schützen, und alle Beweise meiner Herkunft und Aufgabe hier zu vernichten, so hatte er es mir einst geschworen. Er rettete mein Leben und gab möglicherweise seines dafür. Ich werde ihn bis zu meinem Todestag in meine Gebete einschließen, bis wir uns am Ende aller Zeiten, wiedersehen werden, um den Augenblick unser aller Zusammenkunft erneut zu feiern.
Hätte ich einen anderen Weg in das Tal genommen, wäre ich ihnen vielleicht nicht entkommen, doch mein Seelenplan, sah wohl ein anderes Schicksal für mich vor und liess „Pegasos“ diesen Pfad hinunter galoppieren, so verdankte ich auch diesem Gefährten mein Leben.
Mit einem Schlag war ich ein Niemand, ein ganzes Leben löste sich gerade in Rauch auf, mein Sein, meine Lebensaufgabe verglühte gerade zu Asche und nun musste ich all das verbergen was ich mir über die Jahre angeeignet hatte, mein ganzes Können, mein Wissen um die Kräfte des Universums, meine Fähigkeiten, die ich in dieses Leben mitbrachte, all das war in Gefahr und unterstand der erneuten Prüfung. Ich hatte vor langer Zeit jemanden getroffen, zufällig, auf einem Ausritt, in einem fernen Land. Dieser blickte mir nur einen Moment lang in die Augen und erkannte sofort mein Potential, sah den Weg der vor uns liegen würde. Er war es der all das zum Vorschein brachte, er war mein Groß-Meister, mein Magnus, er war es mit dem ich diese Bruderschaft ins Leben rief, ihm verdankte ich alles was ich jetzt zurücklassen mußte und er war es der jetzt nicht mehr unter uns weilte. Möge er mich im Geiste beschützen, mich führen und mich in meinen Träumen ereilen. Mir Botschaften von meinen anderen Brüdern im Geiste übermitteln.
Der Weg, zur Küste zu gelangen, war ein langer und gefährlicher Ritt, doch da ich immer wieder solche Momente im Geiste durch gespielt hatte, auch um mich selber vor unüberlegten Handlungen zu schützen, war ich trotz meiner Anspannung sehr gefasst und ruhig.
Die ersten Tage mied ich Gasthäuser und Höfe, deckte mich mit dem was ich für mich und mein Pferd brauchte, auf kleinen Dorfmärkten ein, übernachtete nur unter freiem Himmel, immer außerhalb von bewohnten Gegenden, in Wäldern oder auf abgelegenen Lichtungen um keine eindeutige Spur zu hinterlassen.
Als ich mich nach einiger Zeit sicherer fühlte und wusste, dass man mich nicht verfolgte oder wiedererkennen konnte, steuerte ich erstmal einen Gasthof an, der groß genug war um nicht weiter aufzufallen, gönnte mir ein Bad, eine warme Mahlzeit, ein richtiges Bett und für Pegasos eine Scheune mit gutem Futter und einem Stalljungen, der ihn striegelte.
Sodass ich dann auch unversehrt Bayonne, eine Hafenstadt an der Küste, erreichte.
Im Hafen von Bayonne, verschiffte ich mein Pferd und bezahlte die Überfahrt nach Amsterdam, wo ich erstmal untertauchen wollte, um in Ruhe mein weiteres Vorgehen und die sich daraus ergebene Weiterreise zu planen.
Das Doppelleben, das ich führte, war nun Geschichte. Nach Paris konnte ich nicht zurück, mein Unterschlupf, mein kleines Geheimnis, gab es nicht mehr und unsere Bruderschaft wurde das Opfer des Verrates. Die „Gefallenen“, wie ich sie nannte, bangten um ihre Vorherrschaft, unser Orden wusste um die Fäden die sie sponnen und mit welchen Mitteln sie sich in den Köpfen der Menschen einnisteten, welche Weltbilder sie ersinnen mussten, um die Menschen genau zu diesen zu führen. Sie waren immer die „Dritten“, die die Mittel der Wahl zur Verfügung stellten. Ich hatte dieses Spiel lange genug am französischem Hofe beobachtet und miterlebt bei meiner Arbeit als Schriftgelehrter und Übersetzer. Ich war diesen Machenschaften so nah durch die Liebschaft mit einer südländischen Adelstochter, deren Familie ganz Europa beherrschte, dass es mich fast den Hals gekostet hätte und ich nur durch die Gunst einiger Großherzöge mich der ungewollten Aufmerksamkeit entziehen konnte.
Die kleine Karavelle war ein schnelles Schiff, wir segelten die Küste hoch, durchquerten den Ärmelkanal und waren zwei Wochen später am Ziel meiner Reise. Des öfteren stand ich stundenlang an Deck und sah in die Ferne und verlor mich in meiner Einsamkeit. Versunken in meinen Gedanken quälte mich meine Trauer. Das graue naßkalte Wetter, die Gischt, die mir in mein Gesicht wehte, liessen mich immer tiefer in eine Melancholie sinken und der herbe Rotwein tat sein übriges.
So gesellte ich mich des öffteren zu Pegasos, er war der Einzige, der mir noch Halt gab, ein stummer Verbündeter, der mich immer wieder anstupste, um mir zu zeigen, das er sich freute, mich zu sehen.
Ich hätte auch nach England gehen können, es war protestantisch, doch auch dort wäre ich wohl nicht unerkannt geblieben, meine Herkunft, meine Vergangenheit, mein Name waren dort nicht erwünscht und hätten mich früher oder später in Lebensgefahr gebracht; und die Engländer entbehrten leider Gottes der Kochkunst, ihr Essen ist grausam und meine bevorzugten Weine kämen sowieso vom Festland. Hinzu kam, dass ich durch meine Tätigkeit in Paris, als Schriftgelehrter, dem höfischen Umgang überdrüssig wurde, diese überpuderten Eitelkeiten mit ihren gegenseitigen Intrigen, um als Günstlinge des Königs zur Geltung zu kommen, langweilten mich schon lange, sie waren alle so borniert und durchschaubar und in meiner jetzigen Situation auch höchst gefährlich. So war Amsterdam die naheliegendste Alternative, zumal ich Hafenstädte mochte, sie hatten ein anders Flair, sie waren gelassener, eher weltoffen, nicht so befremdlich dem Unbekannten gegenüber und in einem anderen Land zu sein wäre ein Vorteil für mich, nicht ganz unwichtig, wenn man der Verfolgung ausgesetzt war und sich nicht sicher sein konnte, nicht mehr unter Beobachtung zu stehen.
Es war schön sich einwenig gehen zu lassen, ich brauchte etwas Ablenkung mit allerlei irdischen Gelüsten und Genüssen und war hocherfreut eins der ersten Kaffeehäuser der Stadt zu besuchen, ich kannte den schwarzen heißen Saft noch aus früheren Zeiten im nahen Osten, doch trank man ihn hier mit etwas Milch und Zucker, was mir neu war, doch ich liebte es. Es verging kein Tag an dem ich nicht mein Kaffeehaus besuchte und mit einigen Aristokraten in ein Gespräch kam. Das holländische Bankenwesen war zu starkem internationalem Einfluss gelangt. Und bot mir vielleicht die Möglichkeit neue Wege zu gehen, alles im angemessenen Rahmen natürlich, ich wollte ja nicht in Ungnade fallen, doch was die meisten hinter vorgehaltener Hand als Geheimnis preisgaben, war eher ein Zurschaustellen ihrer Naivität. Das Studium nicht nur der europäischen Sprachen kam mir wieder einmal zugute, nicht nur, da viele Bücher, die ich in der Vergangenheit studierte in den unterschiedlichsten Sprachen geschrieben waren. Gerade die interessanten Schriften waren zumeist in Sanskrit oder in arabischer Schrift verfasst. Sie erschlossen sich nur wenigen Europäern und ich meine nicht die Bücher, die auf dem römischen Index standen, auch Index Librorum Prohibitorum genannt. Mit kleinen Randbemerkungen löste ich dann doch den einen oder anderen Geistesblitz aus, der mich mit einer gewissen Aura umgab, zu einem gern gesehenen Gast machte und mir die eine oder andere Tür öffnete, sodann auch zu einem neuen Passierschein, den ich brauchen würde um weiter reisen zu können. Und so entsann ich mich meiner Herkunft und entschied mich spontan, erstmal dorthin, in meine ursprüngliche Heimat zurück zukehren.
Als ich die niederländische Grenze in das Reich deutscher Länder passierte, suchte ich erfreut ein größeres Wirtshaus auf und hielt Ausschau nach dem einen mittellosen Gast, der schon aus jedem Becher getrunken hatte, um ihm sein Lebenselixier in ausreichender Menge zur Verfügung zu stellen, man erfährt dann so einiges über jeden Besucher dieser Lokalität und meinem Gast wäre jede Besonderheit aufgefallen, die sich in der letzten Zeit ereignete, da er seine Ohren überall hatte.
Wieder seine Muttersprache zu sprechen, fühlte sich für mich nach so langer Zeit schon ein bisschen sonderbar und doch auch nach Heimat an. Jetzt war ich nicht mehr so viele Tage von meinem Elternaus entfernt, wie die, die ich brauchte um hierher zu gelangen. Ich wusste nicht was mich erwartete, zwanzig Jahre nach meinem Fortgang. Doch mit einem Mal spürte ich eine große Sehnsucht, längst vergessene Erinnerungen kamen hoch, Bilder die ich lange nicht mehr vor Augen hatte, Bilder meiner Jugend, Bilder als junger Mann, Bilder meiner Familie.
Der Kölner Dom zeigte mir, dass nicht nur die Franzosen in Paris große Baumeister waren. Ich kannte ihn nur von Zeichnungen, hingegen durch Paris schlenderte ich schon entlang der Seine und hielt manch wunderschönes Weib im Arm, so wie es auch gerne der Dichter François Villon beschrieb, wenn er nicht gerade mit seinen Coquillarden wieder jemanden um seine Goldkronen brachte. Es war immer wieder ein Abenteuer gewesen sich in gewöhnliche Kleider gehüllt unter das einfache Volk zu begeben und manch verheißungsvolle Gassenblume zu pflücken, ihren Nektar zu kosten und so sich so der einen oder anderen eindringlichen Offerte mancher Burschen entgegen zustellen und zuweilen auch blutig zu beenden.
Einen Tagesritt später folgte ich nicht mehr dem Rhein, um dann am westlichen Rand des Westerwaldes auf die Lahn zu stossen und somit nach Limburg zu gelangen. Der Heimat meiner irdischen Familie in diesem Leben, was auch damals der Grund war, von hier fort zu gehen, um meine geistige Familie zu finden, da ich mich als ein geistiges Wesen, welches eine körperliche Erfahrung macht, erkannt hatte.
Das große Stadthaus, lag noch genauso prächtig und anmutig da, wie ich es verlassen hatte. Unsere Familie war durch den Tuchhandel mit Stoffen aus aller Welt zu Wohlstand gelangt und das schon in der dritten Generation. Irgendwie freute ich mich wieder heimzukehren und doch merkte ich sofort wie ich mich verändert hatte, was aus mir geworden war. Es erfüllte mich mit Stolz und Würde, die Welt bereist zu haben und all diese unglaublichen Erlebnisse und Erinnerungen mit mir zu tragen. Eine große Dankbarkeit und Demut überkam mich mir dessen gewahr zu werden.
Ich öffnete mit einem kleinem Lächeln das große schmiedeeiserne Gatter und schritt den Weg zum massiven Eichentor entlang, Pegasos hinter mir her führend.
Der Türhammer erinnerte mich daran, wie oft ich früher hier stand und um Einlass bat. Ich erkannte dann auch gleich nach mehrmaliger Betätigung des Türhammers die Stimme meines Bruders, zusammen mit seinen näher kommenden Schritten. Er würde nicht glauben was ihm widerfährt, wenn er die Luke im Tor öffnete, um zu sehen wer draußen stünde.
Ich hatte noch nie in so entgeisterte Augen geblickt wie in diesem Moment. Er stockte und stand da wie versteinert, den Mund leicht offen, starrte er mich an. Es muss ihm wohl wie eine Ewigkeit vorgekommen sein. Grinsend begrüsste ich ihn und wies ihn darauf hin mich doch bitte herein zu lassen. Es dauerte noch eine ganze Weile bis er die Fassung wieder erlangte und in der Lage war, das Tor zu öffnen. Es stand ihm auf der Stirn geschrieben, dass er nicht entscheiden konnte, was er mich zuerst fragen wollte.
Ich führte mein Pferd auf den Hof, der Knecht dem ich die Zügel in die Hand drückte, hatte die ganze Zeit diesen ungläubigen Ausdruck in den Augen, mich zu kennen, fragte des Anstandshalber aber nicht, so gab ich ihm zu verstehen, ja du warst der Stalljunge als ich fortging. Was ihn dann auch gleich erfreute und wir uns an lächelten. Bevor er mit meinem Pferd in den Stallungen verschwand strich ich Pegasos noch mal über die Nüstern und bedankte mich dafür, dass es mich wohlbehalten hierher brachte.
Wir machten es uns in der Bibliothek bequem, ich liebte sie die beiden großen Ohrensessel vor dem Kamin, dieses war immer mein Lieblingsort hier im Haus gewesen. Ich genoss es schon früher von so viel Wissen umgeben zu sein. Meinem Bruder hatte es eher die Mathematik angetan und er war sehr ordnungsliebend, daher war er es auch, der das Familienunternehmen führte. Wie ich erfuhr hatte er wohl noch immer nicht ein Weib gefunden, welches seinen Ansprüchen genügte. Unsere Eltern verstarben schon bevor ich fort ging, genauer gesagt, war das der eigentliche Grund, es war ein Drama, das ich nie wirklich überwunden hatte, eine Seuche, die nicht nur meinen Vater, dann meine Mutter heimsuchte, sie raffte unsere ganze Familie dahin.
Ich war immer mehr meiner Mutter zugetan, sie war es auch, die Bücher so sehr liebte, so wie ich. Ihre Leidenschaft galt der griechischen Antike, abendelang lauschte ich ihren Worten und liess mich von ihrer Stimme durch die Dramen und Sagen des alten Griechenlands tragen.
Es gab nichts was sie nicht wusste über den Olymp und die Machenschaften und Verwicklungen der Götter. Wie habe ich es geliebt die gleichen Abgründe auch bei uns Menschen zu beobachten. So war es auch Athen, wo es mich als erstes hinzog, als ich diesen Ort hier verliess. So viele Male wünschte ich mir meine Mutter wäre bei mir gewesen und hätte auch die Akropolis, das Orakel von Delphi, die unzähligen kleinen Bibliotheken, die ich durchstöberte, gesehen.
Manchmal wenn ich dort in ein Buch vertieft war, las ich laut vor, in der Hoffnung sie würde mir auch so lauschen, wie ich ihr all die Jahre.
Nach dem Tod meiner Mutter fühlte ich mich hier wie ein Gefangener, die mitleidvollen Blicke die einen überall anschauten, das Getuschel und die alten Männer die mir gewichtig ihre Hand auf die Schulter legten und ihre Weisheiten mitteilten, trieben mich fort von hier. Unser Haus fühlte sich an wie ein lebendiges Grabmal, überall schlich das Sterben durch die Zimmer. Es stand damals schon fest, dass er die Geschäfte weiterführen würde. Doch liess er mich nur schweren Herzens gehen mit der Befürchtung, dass mich die Welt verschlingen würde.
Doch mein Bruder war wohl glücklich so wie es war, er war schon immer ein Eigenbrötler so wie mein Vater. Er freute sich zwar mich nach so langer Zeit wieder zu sehen, aber man sah ihm an, dass er noch nicht so genau wusste, wie er mit der Situation umgehen sollte und ob es ihm gefiel, dass ich so plötzlich und ohne Ankündigung hier auftauchte. Er mochte es gar nicht, wenn er sich nicht angemessen vorbereiten konnte.
Aber was sollte er tun, ich war sein Bruder. Und da er der Ältere von uns war, liess ich ihn auch gerne in dem Gefühl irgendwie doch noch für mich verantwortlich zu sein. So konnte ich auch gut verbergen, dass ich ein Meister des Universums war und schon durch ganz andere Welten wanderte.
Von der Magd und dem Knecht mal abgesehen, mochte er kein Gesinde, lebte hier wohl immer noch ganz alleine seit meinem Fortgang. Das waren doch die besten Voraussetzungen für mich, ein bisschen Glanz und Glorie in dieses alte Gemäuer zu bringen und ihn aus seiner Einsamkeit zu reissen, auch wenn ihm das nicht wirklich gefiel. Doch gut tun würde es ihm, das wusste ich, das war schon früher immer meine Aufgabe gewesen. Und mit der richtigen Dame würde ich ihn auch noch bekannt machen.
Jetzt hatte ich aber erstmal Hunger, was ich auch kundtat, so dass es meinen Bruder veranlasste nach dem Dienstmädchen zu läuten, die dann auch gleich herbeieilte um zu erfahren, dass ich der heimgekehrte vagabundierende jüngere Bruder sei, der jetzt erst einmal das Gästezimmer bewohnen wird und nach Speis und Trank verlangt, worauf hin sie sich in der Küche nützlich machte. Sie kannte ich allerdings nicht, sie war in der Blüte ihres Lebens, wie eine Rose, die gepflückt werden wollte und darauf brannte, die Süße des Lebens zu kosten.
Als sie mit Brot, Wurst, Käse, ein wenig Obst und einer Flasche Wein, wieder vor mir stand, fragte ich sie, ob sie doch bitte alles für ein Bad vorbereiten könne, ich setzte dabei mein charmantes Lächeln ein und funkelte sie noch ein wenig mit meinem Blick an. Als sie verlegen zu Boden sah und versicherte, dass sie sofort heißes Wasser aufsetzen würde um dann danach nach frischer Bettwäsche zu schauen, entschuldigte ich mich für die Unannehmlichkeiten und bedankte mich bei ihr. Ich glaube ich war wohl der erste in diesem Haus, der ihr diese Art der Aufmerksamkeit schenkte und sie leicht errötet gehen liess.
Ich wendete mich wieder meinem Bruder zu, er schien das alles nur in groben Zügen mitbekommen zu haben. Um ihm meine Anwesenheit hier zu erklären, konnte ich ihm natürlich nicht darlegen was mich hierher brachte. So erzählte ich ihm, dass ich des Umherziehens überdrüssig war, dass ich es nicht mehr ertrug, mich nirgendwo zu Hause zu fühlen und überall immer nur der exotische Gast gewesen zu sein. Ich war jetzt in einem Alter, so sagte ich, in dem ich auch mal in einem Zuhause ankommen wollte, das Gefühl von Heimat bräuchte und dass meine Mittel erschöpft waren, worauf hin ich mich meiner Herkunft besann.
Ganz zu schweigen davon, dass ich diese Zeit geliebt hatte und nur mein geistiger Führer, mein spiritueller Meister, mich dazu brachte die Pyrenäen als Wohnsitz zu akzeptieren, durch meine Aufgabe und Herausforderung die ich damit verband. Mein suchender Geist hatte mich ihn, am Rande der Pyramiden finden lassen. Durch ihn erfuhr ich meine Einweihung in die Geheimnisse des Lebens und der Mystik, was ich meinem Bruder, verständlicherweise, nicht erzählen konnte.
Natürlich würde ich mir Arbeit suchen, erklärte ich ihm, um nicht seine finanzielle Hilfe zu benötigen.
Doch er winkte gleich ab und sagte, dass ich mir um Geld keine Sorgen machen müsste, wir Brüder seien, dass Kost und Logis für mich frei wären und wir außerdem mehr als genug Platz hätten, er den Gedanken schön fände, nicht alleine hier zu wohnen und es mir ja auch zustünde.
Außerdem liefen die Geschäfte mehr als zufriedenstellend. Er würde gerne mit mir in den nächsten Tagen zu unserem Verwalter gehen um geldliche Mittel freistellen zu lassen über die ich dann verfügen könne, das wäre doch das mindeste, versicherte er mir. Also das hatte ich mir schwieriger vorgestellt. Mein Bruder hegte also keinen Groll gegen mich und war, wie ich feststellte, eine Überraschung für mich, die ich nicht erwartet hatte. Ich glaube er freute sich wirklich, dass ich jetzt wieder zugegen war und bleiben wollte. Ich hatte wohl die richtigen Worte für sein Herz, gefunden.
So stießen wir mit dem letzten Glas aus der Flasche an, welches ich in einem Zug leerte um mich leicht beschwipst und mit gut gefülltem Bauch zu meinem Bad zu begeben.
Das Dienstmädchen war gerade dabei das heiße Wasser mit zwei großen Eimern einzugießen. Sie hatte ein Duftöl dazu gegeben wie sie gestand, um mich zu erfreuen und lächelte mich aus dem Augenwinkel an. Ich lächelte ganz ungezwungen zurück. Ich sollte achtgeben sagte sie, sie hätte eine Wärmflasche zwischen die Badetücher gelegt, für ein angenehmes Gefühl beim Abtrocknen und ich solle läuten, wenn ich noch etwas wünschte. Was soll man dazu sagen, sie freute sich wohl über mich als willkommene Neuerscheinung im Hause meines Bruders.
Das Bad war eine Wohltat, der ganze Wahnsinn, der letzten Wochen fiel so langsam von mir ab, ich grinste vor mich hin, pfiff mir ein Lied und genoss das Bild in meinem Elternhaus in der Wanne zu sitzen, mit dem Gefühl von Geborgenheit und einer gelungenen Heimkehr. Als ich nur mit Hemd und Hose bekleidet in mein neues Reich kam, hatte jemand wohl schon ein Feuer im Kamin entfacht. Sogleich stand das Dienstmädchen im Türrahmen und sagte, mein Bruder ließe mir ausrichten, dass er schon zu Bett gegangen sei. Ich sagte, dass sie ja wohl kein Dienstmädchen im herkömmlichen Sinne sei und für eine Gehilfin auch etwas zu kokett erschien. Worauf sie erwiderte, dass der werte Herr, mein Bruder, sie unter seine Fittiche nahm, als sie in ihrem Leben nicht mehr weiter wusste. Seit jener Zeit kümmere sich das Weib vom Knecht um sie. Und jetzt bekäme sie auch einen Lohn und wohne oben in der Mädchenstube. Da im Gesinde-Haus wo der Knecht lebte, kein Platz wäre.
Der Herr war es der sie alles lehrte, nicht nur die Umgangsformen, auch bei Tisch, ja sogar lesen und schreiben, sprudelte es aus ihr heraus. Ich müße entschuldigen, sagte sie, sie wäre im Grunde garnicht so redselig. Es amüsierte mich, wie sie da so stand mit ihrem Herzen in der Hand und selber nicht wußte was gerade geschah. Eigentlich wollte ich sie nur fragen wo der Schlüssel zum Weinkeller hing, sie sagte mir, dass er in dem kleinen Schränkchen, bei den andern Schlüsseln, der in der Küche an der Wand sei. Ich nahm mir den Kerzenständer vom Beistelltisch neben dem Bett und bat sie noch kurz zu bleiben bis ich zurück käme, ich hätte da noch ein paar Fragen, bezüglich meines Bruders. Sie willigte ein und ich wies sie an es sich doch auf dem Kanapee bequem zu machen.
Ich ging in die Küche griff mir den Kellerschlüssel, den ich sofort wiedererkannte, eilte die Treppe hinunter, schloss die Tür auf und betrat den Weinkeller.
Und ja, er war noch da, der Champagner, oben in der Küche durchforstete ich noch die Speisekammer und entdeckte tatsächlich noch diverse Beeren in einem Schälchen, das ich gleich mit zwei passenden Gläsern aus dem Schrank an mich nahm und mich wieder in mein neues Gemach begab. Stellte den Leuchter zurück und ging zu ihr.
Sie saß wartend da, wie verlangt, die Füsse nebeneinander, mit dem Rücken nicht angelehnt, vorne auf der Kante des Kanapees, die Hände im Schoss liegend. Sehr anmutig wirkte sie im Widerschein des Kaminfeuers, so zart, so fein waren ihre Züge, einfach schön anzusehen.
Erwartungsvoll blickte sie mich an, was denn jetzt kommen möge. Als sie das zweite Glas entdeckte, rutschte sie etwas nervös auf dem Kanapee hin und her. Ich tat so als ob ich es nicht bemerken würde und stellte ein Glas von den beiden ganz selbstverständlich vor sie auf den Tisch, platzierte das Schälchen mit den Beeren davor, stellte mein Glas auf die andere Seite des Tisches, wo der Sessel stand, öffnete den Champagner, ganz diskret, goss ihr zuerst, dann mir ein Schlückchen ein, stellte die Flasche ab und pflanzte mich ihr gegenüber in den Sessel.
Ich fragte sie, ob es für sie in Ordnung wäre, über meinen Bruder zu sprechen, was sie bejahte. Da ich ihn zehn Jahre nicht gesehen hatte, war sie die bessere Alternative, um mehr über meinen Bruder Claudius zu erfahren. Sie sagte, dass er es immer sehr schade fand, das ich weggegangen sei. Er sprach nicht oft von mir, doch bewunderte er meinen Mut, in ein fremdes Land zu gehen, auch wenn er gar nicht wusste wo ich lebte und er nur selten einen Brief von mir erhalten hatte. Ich konnte ihm nur dann schreiben, wenn ich für die Bruderschaft auf Reisen war, um unsere Loge in den Pyrenäen nicht zu gefährden.
Das würde ich ihr, verständlicherweise, nicht erzählen und liess die Briefe einfach unkommentiert im Raum stehen.
Sie gestand, dass sie gerne viel mehr von ihm über mich erfahren hätte, da ich, als mysteriöser Bruder, der exotische Länder bereiste, auf sie immer eine große Anziehung ausübte. Und als sie erfuhr wer der heutige Gast sei, war das schon sehr aufregend für sie. Das sagte sie zwar nicht so, doch sah ich es ihr an.
Jetzt verstand ich auch, warum sie meine Aufmerksamkeit suchte und sich so viel Mühe gab mir, durch die kleinen Nettigkeiten von ihr, zu gefallen. Und sie ohne Widerstand einwilligte hier zu bleiben und über meinen Bruder zu reden.
Während ich schon mein zweites Glas leerte, nippte sie immer noch an dem ersten Schluck in ihrem Glas. Also forderte ich sie auf, doch ein paar Beeren zu kosten, sie würden den feinen Geschmack des Champagners unterstützen. Das wollte sie natürlich nicht unversucht lassen und so befolgte sie meinen Rat umgehend und nickte dann auch zustimmend. Der Champagner entkrampfte sie zusehends und mit jedem weiteren Schluck aus ihrem Glas, öffnete sie sich mehr und mehr, ich spürte sofort, wie sie Vertrauen fasste und in mir wohl jemanden sah, dem sie sich zuwenden konnte, so dass sie fragte, ob sie mir ein Geheimnis anvertrauen könne. Ich nickte ihr wohlwollend zu und lächelte sie an. Sie wirkte selbst überrascht mich das zu fragen und stockte. Doch gab ich ihr zu verstehen, dass ich durchaus in der Lage war, ein Geheimnis für mich zu behalten und sie sich nicht zu scheuen bräuchte, mir zu erzählen, was ihr auf der Seele brannte. Ich goss noch etwas Champagner in ihr Glas, worauf sie es nahm und in einem Zug leerte. Sie atmete tief durch, sah mir kurz in die Augen, um sich meiner zu vergewissern und begann mir zu erzählen welcher Weg sie in dieses Haus geführt hatte. Mit fünf Jahren musste sie mit ihrem Vater, durch die Intrigen seines Bruders, aus ihrem Heimatdorf fliehen, ihre Mutter sei wohl bei ihrer Geburt gestorben, wie ihr Vater ihr später erzählte, er war Weinbauer in der Champagne gewesen, sagte sie und starrte auf ihr Glas, hob wieder ihren Blick und erzählte weiter, dass in einem Wald weit weg von Zuhause sie von Räubern überfallen wurden, die ihn ermordeten, sie verschleppten und sie dann später an einen Wanderzirkus verkauften. Jahre später, sie war sehr unglücklich dort, weckte sie ungewollt Begehrlichkeiten bei einem Mann in der Zirkustruppe und als sie dann durch diese Stadt zogen, ergriff sie die Gelegenheit, lief fort und versteckte sich im Stofflager meines Bruders.
Da saßen wir nun, zwei Vertriebene, beide durch eine grausame Begebenheit hierher geführt, sie unfreiwillig aus ihrer Heimat vertrieben, ich unfreiwillig in meine zurückgekehrt. Schweigend blickte sie in das Feuer des Kamins und betrachtete die züngelnden Flammen wie sie vor sich hin loderten. Ich durchbrach die Stille in dem ich ihr auf französisch erzählte, dass ich die letzte Zeit in den Pyrenäen verbrachte und sie mein tiefstes Mitgefühl für ihr Schicksal habe, dass ich wisse wie es sich anfühlt seine Eltern zu verlieren und nicht mehr zu wissen, wie es ist, sich Zuhause zu fühlen, doch ich aus diesem Grund hierher zurück gekehrt bin, um diesem Gefühl wieder gewahr zu werden. Sie sah mich überrascht an und wusste nicht, ob ihr gleich die Tränen kamen und wie sie mir dankbar sein sollte, für meine tröstenden Worte.
„Cercis“: sagte ich, „und wie ist Euer Name“: fragte ich sie, “Garance“: erwiderte sie.
„Garance“: wiederholte ich, anmutig, “ein wunderschöner Name“: fügte ich lächelnd hinzu.
Für mich war es ihre Unschuld, zum Trotz dessen was sie erlebt hatte, ihre Unvoreingenommenheit und Neugierde die sie ausstrahlte, ich mochte ihre französische Art, hatte eine Vorliebe für ihre Herkunft, all das zog mich zu ihr hin.
Ich überließ die Situation sich selbst und betrachtete Garance einfach nur, liess den Augenblick einfach wirken, vermittelte ihr aber das Gefühl dass alles gut und entspannt sei. Doch sie wusste nicht so ganz, wie sie damit umgehen sollte. Als ich merkte, dass sie gerade aus dem Moment ausbrechen wollte, um kund zu tun, dass es für sie Zeit würde, erhob ich mich aus meinem Sessel, setzte mich neben sie auf das Kanapee strich ihr mit der Handfläche über die Wange, küsste sie auf diese und bat sie doch zu bleiben, nahm ihre Hand, stand auf, zog sie zu mir hoch und ging langsam auf das Bett zu, sie folgte mir am langen Arm, wie hypnotisiert. Das war gerade ein ganz großer Augenblick für sie, sie hatte keine Wahl, sie ergab sich mir und ich liebte sie schon jetzt dafür.
Ich setzte sie sanft auf die Bettkante, der Raum war wie mit kleinen Funken übersät, öffnete die obersten drei Knöpfe ihres Kleides und küsste ihr Dekolleté, ohne sie zu entblössen. Sie wagte kaum zu atmen, es war ihr Moment und ich schenkte ihr all mein Können, um ihr zu zeigen dass es gerade nur um sie ging. Ich glitt mit meinem Kopf langsam nach unten, kniete mich vor sie, schob vorsichtig ihr Kleid nach oben und versank mit meinem Kopf tief in ihrem Schoss. Sie vergrub ihre Hände in meinen Haaren, sie drückte meinen Kopf immer wieder etwas weg, oder zog ihn noch stärker an sich heran, je nachdem wie wild ich sie mit meinem Mund und meiner Zunge liebkoste. Ich wusste genau wo ihre Knospe war und machte sie zu meinem Mittelpunkt. Sie fing an ihre Beine immer weiter zu öffnen, so wurden unser beider Bewegungen immer rhythmischer. Sie legte den Kopf in den Nacken, ihr erstes Stöhnen platzte aus ihr heraus, als ob sie ein jahrelanges Schweigen durchbrechen wollte.
Mit einem Mal brach alles aus ihr heraus, es war wie ein Befreiungsschlag. Sie wollte mit diesem Augenblick alles hinter sich lassen, sich von allem was sie die ganzen Jahre mit sich trug befreien. Ich schenkte ihr in dieser Sekunde ein neues Leben, es erhöhte mich, dass sie erblühte, dass sie mir, ohne es zu wissen, ihr Herz schenkte. Ich schwebte mit ihr dahin. Wir waren nicht mehr auf dieser Welt, als ihr Orgasmus sie überwältigte. Nach einer gefühlten Ewigkeit durfte ich meinen Kopf aus ihrem Schoss befreien, sie sank einfach nach hinten streckte die Arme aus und schaute ins Leere, vor Erfüllung. Ich drehte mich um, lehnte mich mit dem Rücken gegen das Bett und streichelte ihr das Bein. Ich hatte sie zum Weib gemacht.
Nach einer Weile stand ich auf, beugte mich über sie, blickte ihr in die Augen und fragte sie: „sparen wir uns unseren ersten Kuss auf“? Als sie näher kam richtete ich mich auf schlenderte zum Tisch, leerte den Rest des Champagners in unsere Gläser, entließ je eine Heidelbeere in jedes, kam zu ihr zurück, setzte mich neben sie, reichte ihr ihr Glas, grinste sie an und prostete ihr zu.
„Was meinst du“: sagte ich zu ihr, „gehen wir zu Bett“. Sie sah mich ganz erschrocken an, entgegnete dann, dass sie lieber in ihrer Kammer schlafen würde, da sie sich nicht sicher sei was mein Bruder davon halten würde.
Ich fragte, ob sie Gefühle für ihn hegte, das verneinte sie, gab aber zu verstehen, dass sie ihm viel verdanke und ihn nicht gegen sich aufbringen wolle. Wir sollten es vielleicht dabei belassen, wenn ich überhaupt verstünde, in welche Situation ich sie brächte. Dumm war sie nicht, sie hatte natürlich Recht, ich versicherte ihr, dass es für mich kein Spiel sei und ich mich wirklich zu ihr hingezogen fühlte. Diesmal war sie es die ihr Glas mit einem Schluck leerte, aufstand, zur Tür eilte, sie aufriss, sich noch mal umwand, verstohlen lächelte, mir einen Kuss zu warf und sie hinter sich schloss. Schön, dachte ich mir, sie entdeckte gerade ihre Weiblichkeit in sich. Dann habe ich wohl alles richtig gemacht.
Am nächsten Morgen, als ich erwachte, war ich etwas unsicher darüber, was mich erwartete. Doch schon klopfte es an der Tür, ich rief herein, Sie öffnete sich, und, es war Claudius der nur den Kopf hereinstreckte und sagte, dass er baldmöglichst mit mir zur unserem Verwalter wolle und unser Schneider mich erwarte, da ich ja, nicht wirklich mit Gepäck, anreiste. So war mein Bruder, er mochte es garnicht, Dinge unerledigt zu wissen und hatte sich wohl auch Sorgen um meine Garderobe gemacht.
Meine restlichen Sachen lagen über der Lehne des Sessels, zusammen mit meinen Stiefeln die davor standen und so aussahen als würden sie sich langweilen. In dem Krug, der in der Waschschüssel stand, fand ich frisches Wasser, die Seife lag daneben.
Garance war früh am Morgen hier gewesen, das war klar, ob sie mich beim Schlafen beobachtet hatte?
Ich wusch mich, reinigte mir die Zähne, zog mich an und fand meinen Bruder im Arbeitszimmer vor, wie er gerade den Lagermeister instruierte was heute noch anstand.
Ich wurde ihm vorgestellt, so dass er sich respektvoll verneigte und mir noch einen schönen Tag wünschte, bevor er verschwand. Sogleich machten wir uns auch auf den Weg, nachdem ich meinen Gehrock an der Garderobe wiederfand. Es war ein milder Tag, die Sonne schien, so gingen wir zu Fuss, da unsere Ziele schnell erreichbar waren. Wir schlenderten die Straße entlang, Claudius erkundigte sich, ob ich gut geschlafen hätte, und, ob alles zu meiner Zufriedenheit gewesen sei. Und wieder eine Frage, die ich nicht ausführlich beantworten konnte, doch selbst wenn, zog ich es vor über das zu schweigen, was letzte Nacht vorgefallen war. Obwohl es mich etwas beschämte, dass ich ohne, dass er es wusste, sein Leben durcheinander brachte.
Das Gesicht der Stadt hatte sich nicht groß verändert, alles war immer noch genauso langweilig und verschlafen wie damals und doch glaubte ich, dass es mir hier gefallen könnte. Als wir vom Verwalter kamen, brachte Claudius mich noch zur Schneiderei. Ich war noch nicht mal einen Tag hier und fühlte mich schon wieder wie der Landgraf von früher. Dann verabschiedete er sich, ich könne ja später noch zum Lager kommen und mir die, für mich, neuen Verkaufsräume anschauen. Unsern Schneider kannte ich noch aus meiner Kindheit, nur seinen Gehilfen nicht, der Mass nahm. Ich entschied mich für einen Gehrock aus Tuch, einen Gehrock aus Leder, ein Dutzend weiße Hemden, zwei Hosen und was man noch so an Wäsche brauchte.
Nach dem Besuch beim Schuhmacher, steuerte ich erst mal die nächste Schänke an, bestellte einen Krug Wein, Brot und Käse, hockte mich in eine Ecke und überdachte meine gegenwärtige Situation.
Jetzt war ich also hier in dieser gutbürgerlichen Kleinstadt, mein einziger Lichtblick gerade war Garance. Ich hätte nicht gedacht, dass ich hier so ein Juwel finden würde. Und selbst wenn es nur bei dieser einen Nacht bleiben würde, wäre das schon mehr als ich in meiner Lage erwarten konnte. Vor allen Dingen durfte ich meinen Bruder nicht in Verlegenheit bringen, er hatte mich mit offenen Armen empfangen und war sehr einflussreich in dieser Stadt, unsere Familie war hier alt eingesessen, sein gesellschaftlicher Stand hatte Gewicht, sowohl im Rathaus als auch beim Bischof, der vom Kölner Kardinal berufen wurde, auf Anweisung des Vatikans in Rom, wie es die Statuten forderten. So tänzelte ich direkt vor den Augen der Schlange herum, ohne dass sie mich sah und von mir wusste. Ich hatte in meinem Leben schon so manches Abenteuer erlebt, so manche ausweglose Situation überlebt, doch die Einfältigkeit der Menschen kann ganz leicht die falsche Aufmerksamkeit der wichtigen Bürger, in diesem idyllischen Städtchen, auf sich ziehen. Das war mir klar, als ich das Treiben hier so beobachtete. Später machte ich mich auf den Rückweg zu unserm Haus, ich wollte noch mal ausreiten, mir war jetzt nicht nach Stoffballen. Unser Knecht öffnete mir das Tor, so konnte ich ihm gleich sagen, dass er mein Pferd satteln möge. Pegasos war mir, in den vergangen Wochen, sehr ans Herz gewachsen. Mein geflügeltes Pferd aus der griechischen Sagenwelt, was mit seinem Hufschlag den „helikonischen Quell“ erschuf, aus dem alle Dichter tranken.
Es war noch früh am Tag, ich suchte Garance und fand sie ausgerechnet in meinem Zimmer, wie sie gerade das Bett herrichtete. Als sie mich reinkommen sah, zuckte sie leicht zusammen und sagte: „Oh, Sie sind schon wieder zurück werter Herr“.“ Wie ihr seht“, erwiderte ich und grinste. Ich erzählte ihr von meinem Vorhaben mich zu begleiten, sie sagte, dass der Herr Claudius bald wiederkäme und sie hätte noch so viel zu tun. Ich entgegnete, dass ich sie ihm gegenüber entschuldigen werde, wenn wir zurück kommen. Wir könnten doch auf den Markt gehen, ein paar leckere Zutaten kaufen, denn ich würde heute Abend gerne französisch kochen.
Der Knecht, fügte ich noch hinzu, sattelte gerade mein Pferd und wir könnten auch ausreiten, sie erwiderte, sie könne nicht, ihre Pflichten im Haus, ich sagte, ich nähme sie auf meinem Pferd mit, das würde ihr bestimmt gefallen, ich sah das Wanken und die Vorfreude in ihren Augen, sie zierte sich noch, doch es klang verlockend und damit hatte ich sie schon überzeugt.
Ich nahm mein Pferd an den Zügeln, begrüsste es in dem ich mein Gesicht an seinem rieb, informierte den Knecht, dass er meinem Bruder sagen solle, wenn er heim komme, dass ich mich heute um das Essen kümmern würde und er bitte seinem Weib sage, das sie nicht zu kochen bräuchte. In der Zwischenzeit zog Garance sich um und kam mit einem Korb für den Marktgang in den Hof. Sie sah einfach bezaubernd aus in ihrem geblümten Kleid.
Und schon zogen wir los wie die Löwenbändiger, kauften die Zutaten für eine Quiche Lorraine und gaben einem Laufburschen den Korb, der ihn zurück zum Haus bringen sollte.
Ich schwang mich auf mein Pferd zog Garance zu mir herauf, drückte sie mit meinem Arm, fest an mich, während ich mit der anderen Hand die Zügel hielt. Als der Weg frei war, gab ich dem Pferd die Sporen und Pegasos galoppierte los, Garance lachte auf und ihr dunkles Haar wehte im Wind, wie die Mähne meines Pferdes.
Es war mir eine Freude, sie so glücklich zu sehen, sie war es für uns beide und zeigte mir damit, dass jeder Tag ein neues Leben sein kann. Ihre Lebensfreude, ihre Dynamik und Kraft, die sie gerade ausstrahlte, erinnerte mich an die Zeit, wo ich fort ging von hier und alles hinter mir ließ. Nach einiger Zeit, die ich dann in Griechenland verbrachte und einfach nur das Leben genoss, fühlte ich mich zum ersten mal wirklich Frei, ich saugte alles auf, ich war voller Tatendrang, wissbegierig, immer hungrig nach mehr, ich hob die Welt aus den Angeln und überschritt immer wieder meine Grenzen. Garance hatte diesen Lebensfunken auch, das Leben schickte sie mir, damit ich wieder einmal neu beginnen konnte. Jeder der nicht diese unbändige Kraft, im Garten der grausamen Pracht, empfand, diese Schönheit, diese bedingungslose Liebe, die unsere Erde ausstrahlte und in jedem Wesen der Natur sich zeigte, war ein Narr für mich. Solche Augenblicke gaben mir meinen Lebenswillen, sie waren der Beweis für meine Zeitlosigkeit. Dieses tiefe Gefühl, diese Gewissheit war so schön, dass ich sie fast nicht ertragen konnte.
Wir kamen an eine Lichtung in dem nahe gelegenen Wald, den wir durchritten. Es war eine Wildwiese mit duftenden Blumen, hohem Gras und jede Menge Getier, welches durch die Luft surrte und am Boden umherkräuchte. Wir schauten uns an und es war sofort klar, hier zu verweilen. Ich liess sie sachte herunter, rutschte behänd aus dem Sattel und überliess Pegasos sich selbst, der sogleich anfing, an irgendwelchen Halmen herum zu kauen. Wir gingen ein paar Schritte und ließen uns ins Gras sinken. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter, zog die Beine an und sagte: “und schöner Mann was nun“: sie fing an mit meinen Fingern zu spielen, fuhr fort, „wie soll das mit uns beiden weiter gehen“?
Ich gab ihr einen Handkuss und erwiderte: “Aber Mademoiselle, sagen Sie es mir doch bitte“. Sie legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel und konterte: „Monsieur, das ist doch ihre Aufgabe“. „Natürlich, nur ein Scherz“: sagte ich und fuhr fort, „soll ich Ihnen noch weiter den Hof machen, oder wollen Sie ein Versprechen von mir, Verehrteste“?
Schweigen, dann kniff sie mich in den Arm und sagte: “Das wissen Sie ganz genau, Monsieur“. Ich drehte mich zu ihr, nahm ihren Kopf in meine Hände, kam ganz langsam näher, blickte ihr tief in die Augen. Sie erwiderte meinen Blick und streckte mir ihren Kopf entgegen. Ihr Mund wanderte zu meinem Mund, sie schloss ihre Augen und wartete sehnsüchtig darauf, dass unsere Lippen sich berührten. Ihr Mund war leicht geöffnet, als er auf meinen traf und wir küssten uns so leidenschaftlich und doch auch so sanft, dass ich das Gefühl hatte es wäre nicht nur „ihr“ erster Kuss. Ich fühlte wie sie erzitterte und so nahm ich sie in den Arm, drückte sie an mich und küsste sie wieder.