Inhalt (Alphabetisch sortiert):
Alcest
Amynt
Calliste
Chloris
Cleant
Cotill
Damokles
Damötas und Phyllis
Das Füllen
Das Gespenst
Das Heupferd, oder der Grashüpfer
Das Hospital
Das junge Mädchen
Das Kartenhaus
Das Kutschpferd
Das Land der Hinkenden
Das neue Ehepaar
Das Pferd und der Esel
Das Pferd und die Bremse
Das Schicksal
Das Testament
Das Unglück der Weiber
Das Vermächtnis
Der Affe
Der arme Greis
Der arme Schiffer
Der Arme und der Reiche
Der baronisierte Bürger
Der Bauer und sein Sohn
Der beherzte Entschluß
Der betrübte Witwer
Der Bettler
Der Blinde und der Lahme
Der erhörte Liebhaber
Der Freier
Der Freigeist
Der Fuchs und die Elster
Der glücklich gewordene Ehemann
Der glückliche Dichter
Der Greis
Der grüne Esel
Der gute Rat
Der gütige Besuch
Der Hund
Der junge Drescher
Der junge Gelehrte
Der junge Prinz
Der Jüngling
Der Kandidat
Der Knabe
Der Kranke
Der Kuckuck
Der Lügner
Der Maler
Der Polyhistor
Der Prozeß
Der Reisende
Der Schatz
Der Selbstmord
Der sterbende Vater
Der süße Traum
Der Tanzbär
Der Tartarfürst
Der Tod der Fliege und der Mücke
Der unsterbliche Autor
Der Wuchrer
Der wunderbare Traum
Der zärtliche Mann
Der Zeisig
Die Bauern und der Amtmann
Die beiden Hunde
Die beiden Knaben
Die beiden Mädchen
Die beiden Schwalben
Die beiden Wächter
Die Betschwester
Die Biene und die Henne
Die Ente
Die Fliege
Die Frau und der Geist
Die Geschichte von dem Hute
Die glückliche Ehe
Die Guttat
Die junge Ente
Die kranke Frau
Die Mißgeburt
Die Nachtigall und der Kuckuck
Die Nachtigall und die Lerche
Die Reise
Die schlauen Mädchen
Die Spinne
Die Verschwiegenheit
Die Widersprecherin
Die zärtliche Frau
Elpin
Emil
Epiktet
Erast
Herodes und Herodias
Inkle und Yariko
Lisette
Monime
Philinde
Selinde
Semnon und das Orakel
Till
Alcest, den mancher Kummer drückte,
Der, weil er sich nicht zu dem Laster schickte,
Noch sich vor reichen Toren bückte,
Bei Fleiß und Kunst sich elend sah,
Stund neulich traurig auf. Freund, geht dir dies nicht nah,
Daß viele Kluge darben müssen,
Bloß weil sie mehr als andre wissen,
Und, zu Betrug und List zu blind,
Zu groß zu Prahlerei und Wind,
Nicht knechtisch gnug zu Schmeichlern sind?
O Freund, bedaure doch Alcesten,
Ihn, den itzt schwere Sorgen preßten;
Ihn, der von einem Buch beschämt zum andern schlich,
Und doch dem Kummer nicht entwich;
Ihn, der sich laut durch manchen Trostgrund lehrte,
Und doch sein Herz viel lauter seufzen hörte;
Der herzhaft zu sich selber sprach:
Gott lebt, Gott herrscht und hört dein Ach;
Er hört, so groß er ist, der jungen Raben Flehen;
Drum ist er nicht zu groß, auch dir mit beizustehen;
Und der, indem er dieses sprach,
Doch noch im Herzen rief: Wie wird dirs künftig gehen?
Der beste Trostgrund blieb noch schwach;
Denn welch bekümmert Herz besiegt man gleich mit Gründen?
Es fühlt der starken Gründe Kraft,
Und flieht zurück in seine Leidenschaft,
Um jener Macht nicht zu empfinden.
Alcest beschloß zu seinem Freund zu gehn,
Den er zween Tage nicht gesehn.
Er, sprach er, ist es wert, und fing schon an zu gehn,
Daß ich zu ihm mit meinem Kummer eile,
Und meinen Kummer mit ihm teile;
In Damons Arm, wenn Damon mit mir spricht,
Wird die Geduld, die sonst so schwere Pflicht,
Mir lange so beschwerlich nicht.
Er eilt mit sehnsuchtsvollem Herzen,
Wie nach dem Arzt ein Siecher, der sonst schleicht,
In Hoffnung schneller geht, und hoffend seine Schmerzen
Nicht fühlt, noch merkt, wie sehr er keucht,
Bis er des Arztes Haus erreicht.
In diesem brennenden Verlangen,
Den treuen Damon zu umfangen,
Tritt er ins Haus und eilt die Treppe schnell hinauf.
Der Vorsaal wimmelte von Leuten,
Alcest erschrickt. "Gott! was soll das bedeuten?"
Er tritt herein; und seht, man bahrt den Damon auf.
Er kehrte von dem toten Freunde
Nach einem letzten Kuß zurück.
Die Sorgen, seiner Ruhe Feinde,
Entwichen in dem Augenblick.
Was, sprach er, will ich mich denn quälen?
Kann mich der Tod so bald entseelen,
Was nützt mir alles Glück der Welt?
Um froh zu sterben, will ich leben.
Der Herr, der alles Fleisch erhält,
Wird mir, soviel ich brauche, geben.
Ihm wert zu sein, der Tugend nachzustreben,
Dies sei mein Kummer auf der Welt!
Amynt, der sich in großer Not befand,
Und, wenn er nicht die Hütte meiden wollte,
Die hart verpfändet war, zehn Taler schaffen sollte,
Bat einen reichen Mann, in dessen Dienst er stand,
Doch dieses Mal sein Herz vor ihm nicht zu verschließen;
Und ihm zehn Taler vorzuschießen.
Der Reiche ging des Armen Bitten ein.
Denn gleich aufs erste Wort? Ach nein!
Er ließ ihm Zeit, erst Tränen zu vergießen;
Er ließ ihn lange trostlos stehn,
Und oft um Gottes Willen flehn,
Und zweimal nach der Türe gehn.
Er warf ihm erst mit manchem harten Fluche
Die Armut vor, und schlug hierauf
Ihm in dem dicken Rechnungsbuche
Die Menge böser Schuldner auf,
Und fuhr ihn, denn dafür war er ein reicher Mann,
Bei jeder Post gebietrisch schnaubend an.
Dann fing er an sich zu entschließen,
Dem redlichen Amynt, der ihm die Handschrift gab,
Auf sechs Prozent zehn Taler vorzuschießen,
Und dies Prozent zog er gleich ab.
Indem daß noch der Reiche zählte:
So trat sein Handwerksmann herein
Und bat, weils ihm an Gelde fehlte,
Er sollte doch so gütig sein
Und ihm den kleinen Rest bezahlen.
"Ihr kriegt itzt nichts!" fuhr ihn der Schuldherr an;
Allein der arme Handwerksmann
Bat ihn zu wiederholten Malen,
Ihm die paar Taler auszuzahlen.
Der Reiche, dem der Mann zu lange stehenblieb,
Fuhr endlich auf: "Geht fort, Ihr Schelm, Ihr Dieb!"
"Ein Schelm? Dies wäre mir nicht lieb.
Ich werde gehn und Sie verklagen;
Amynt dort hats gehört."—Und eilends ging der Mann.
"Amynt!" fing drauf der Wuchrer an,
"Wenn sie Euch vor Gerichte fragen:
So könnt Ihr ja mir zu Gefallen sagen,
Ihr hättet nichts gehört. Ich will auch dankbar sein;
Und Euch, statt zehn, gleich zwanzig Taler leihn.
Denn diesen Schimpf, den er von mir erlitten,
Ihm auf dem Rathaus abzubitten,
Dies würde mir ein ewger Vorwurf sein.
Kurz, wollet Ihr mich nicht, als ein Zeuge, kränken:
So will ich Euch die zwanzig Taler schenken:
So kommt Ihr gleich aus aller Eurer Not."
"Herr", sprach Amynt, "ich habe seit zween Tagen
Für meine Kinder nicht satt Brot.
Sie werden über Hunger klagen,
Sobald sie mich nur wiedersehn.
Es wird mir an die Seele gehn.
Die Schuldner werden mich aus meiner Hütte jagen;
Allein ich wills mit Gott ertragen.
Streicht Euer Geld, das Ihr mir bietet, ein,
Und lernt von mir die Pflicht, gewissenhaft zu sein."
O Leser! stelle dir mit zärtlichem Gemüte
Einmal die größte Schönheit vor,
Auf deren Stirn der Frühling lächelnd blühte,
Um deren Herz sich längst ein edelmütig Chor
Entzückter Jünglinge bemühte,
Die stell itzt deinem Geiste dar,
Und fühl es recht, wie schön sie war.
Die, deren Schicksal ich erzähle,
Calliste, groß durch ihren Stand,
Und edler noch durch ihre Seele,
Ließ, weil sie sich nicht wohl befand,
Und weil der Doktor ihr den Aderlaß befohlen,
Des Königs ersten Wundarzt holen.
Er, dieser so berühmte Mann,
Der schmachtend ingeheim Callistens Reiz verehrte,
Weil ihm ihr hoher Stand ein größer Glück verwehrte,
Nahm die Gelegenheit mit tausend Freuden an.
Er kam. O wär er nie gekommen!
Er nimmt den weißen Arm, und streift ihn ängstlich auf,
Und forscht, von Lieb und Ahndung eingenommen,
Mit Zittern nach der Adern Lauf,
Und streift in trunkner Angst den Arm noch vielmal auf.
Callistens Freundin sieht ihn zagen,
Und sagts ihr (heimlich sagt sies ihr).
"O", spricht sie: "Lassen Sie den Herrn nur ruhig schlagen,
Und schlüg er zweimal fehl: so werd ich doch nichts sagen,
Ich weiß, er meint es gut mit mir."
Der Arzt sprach noch: "Das wollen wir nicht hoffen!"
Und schlug, und rief: "O unglückselger Schlag!
Ich habe ja den Puls getroffen!"
Und taumelte, bis er daniederlag.
Sie, noch für den besorgt (kann man was Edlers denken?),
Der so gefährlich sie verletzt,
Verbot ihm oft, sich nicht um sie zu kränken,
Und blieb zween Tage lang bei allem Schmerz gesetzt.
Doch dies war nur geringes Leiden.
Die Ärzte sahn nunmehr die tödliche Gefahr,
Und wurden grausam eins, den Arm ihr abzuschneiden,
Weil sonsten keine Rettung war.
Und ohne sich darüber zu beklagen,
Reicht sie den Arm, den schönen Arm, schon dar,
Und bittet nur, den ja um Rat zu fragen,
Der schuld an diesem Unglück war.
So ward der Schönen denn das Leben
Für den Verlust des Arms gegeben?
So war das Leben denn für so viel Schmerz der Lohn?
Sieh nur den Doktor an, sein Schrecken sagt dirs schon.
Er sieht den Brand, und spricht mit bangem Ton:
"Sie können länger nicht, als noch drei Tage leben!"
O Gott, wie kurz ist diese Frist!
Ihr Ärzte, helft ihr doch, wenn ihr zu helfen ist!
Auch hier blieb noch das große Herz gelassen.
"So", sprach sie, "sterb ich denn? Wohlan! Er ist nicht schuld,
Er würde gern für mich erblassen.
Gott hats verhängt; Gott ehr ich durch Geduld,
Und bin bereit, den Augenblick zu sterben"
(Der Wundarzt trat indem herein);
"Sie aber", fuhr sie fort, "setz ich hiemit zum Erben
Von allen meinen Gütern ein,
Sie möchten sonst unglücklich sein."
Sie sprachs, und schlief großmütig ein.
Aus Eifersucht des Lebens satt,
Warf Chloris sich betrübt auf ihre Lagerstatt;
Und ihren Buhler recht zu kränken,
Der einen Blick nach Sylvien getan,
Rief sie die Venus brünstig an,
Ihr einen leichten Tod zu schenken.
Vielleicht war dies Gebet so eifrig nicht gemeint.
Verliebt und jung zu sein, und um den Tod zu flehen,
Wem dies nicht widersprechend scheint,
Der muß die Liebe schlecht verstehen.
Doch mitten in der größten Pein
Sieht Chloris ihren Freund geputzt ins Zimmer treten,
Und plötzlich hört sie auf zu beten,
Und wünscht nicht mehr entseelt zu sein.
Er sagt ihr tausend Schmeicheleien,
Er seufzt, er fleht, er schwört, er küßt.
O Chloris! laß dichs nicht gereuen,
Daß du noch nicht gestorben bist;
Dein Damon schwört, dich ewig treu zu lieben,
Wie könntest du ihn doch durch deinen Tod betrüben!
Der meisten Schönen Zorn gleicht ihrer Zärtlichkeit,
Sie dauern beide kurze Zeit:
Und Chloris ließ sich bald versöhnt von dem umfangen,
Den sie vor kurzem noch des Hasses würdig fand.
Sie klopft ihn auf die braunen Wangen,
Und streichelt ihn mit buhlerischer Hand.
Doch schnell erstarren ihre Hände.
Wie, Venus! Nähert sich ihr Ende?
Sie fällt in sanfter Ohnmacht hin;
Ein kleiner Schnabel wird aus ihrem kleinen Kinn;
Zu Flügeln werden ihre Hände;
Ihr Busen wird mit einem Kropf verbaut;
Und Federn überziehn die Haut.
Ists möglich, daß ich dieses glaube?
Ja! Chloris wird zu einer Taube.
Wie zittert ihr Geliebter nicht!
Hier sieht er seine Schöne fliegen.
Sie fliegt ihm dreimal ums Gesicht,
Als wollte sie sich noch durch einen Kuß vergnügen.
Worzu sie sonst die Neigung angetrieben,
Das scheint sie auch, als Taube, noch zu lieben.
Das Putzen war ihr Zeitvertreib.
O seht, wie putzt sie ihren Leib!
Sie rupft die Federn aus, um sich recht glatt zu machen;
Sie fliegt ans Waschfaß hin, tut, was sie sonst getan;
Fängt Hals und Brust zu baden an.
Wie schön hör ich die Taube lachen!
Fragt nicht, was sie zu lachen macht!
Sie hat, als Chloris, schon oft über nichts gelacht.
Itzt naht sie sich dem großen Spiegel,
Vor dem sie manchen Tag in Mienen sich geübt,
Besieht den weißen Hals, bewundert ihre Flügel,
Und fängt schon an, in sich verliebt,
Mit jüngferlichem Stolz sich kostbar zu gebärden.
Ach Götter! ruft ihr Freund betrübt,
Laßt diese Taube doch zur Chloris wieder werden.
Umsonst, spricht Venus, ist dein Flehn;
Zur Taube schicket sie sich schön,
Und niemals werd ich ihr die Menschheit wiedergeben.
Sie hat geseufzt, gebuhlt, gelacht,
Sich stets geputzt, und nie gedacht;
Als Taube kann sie recht nach ihrer Neigung leben.
O wenn sich nur die Göttin nicht entschließt,
Die Schönen alle zu verwandeln,
Die ebenso, wie Chloris, handeln!
Man sagt, daß sie es willens ist.
Ach, Göttin, ach! wie zahlreich wird auf Erden
Alsdann das Volk der Tauben werden!
Mit einer Frau wird man zu Bette gehn,
Und früh auf seiner Brust ein Täubchen sitzen sehn.
Mich dauert im voraus manch reizendes Gesicht.
O liebe Venus, tu es nicht!
Cleant, ein lieber Advokat,
Der, wie es ihm nach seinem Eid gebührte,
Der Unterdrückten Sache führte,
Und manchen armen Schelm vom Galgen und vom Rad
Durch seinen Witz losprozessierte,
Half, weil man ihn um seinen Beistand bat,
Die Unschuld zweener Diebe retten,
Und brachte sie, weil er geschickt verfuhr,
Bald von der Marter zu dem Schwur,
Und durch den Schwur aus ihren Ketten.
Das arme Volk! Da sieht mans nun,
Wie man der Welt kann Unrecht tun!
Denn wär er nicht so treu die Sache durchgegangen:
So hätte man das arme Paar,
Das seiner Tat fast überwiesen war,
In aller Unschuld aufgehangen.
Itzt waren sie nun beide frei,
Und dankten ihrem Advokaten
Auf ihren Knien für seine Treu,
Und zahlten ihm, was die Gebühren taten,
Und gaben ihm, von Dankbarkeit gerührt,
Ob er gleich nicht zu wenig liquidiert,
Noch einen Beutel mit Dukaten;
Und schwuren ihm bei ihrer Ehrlichkeit,
Wenn beßre Zeiten kommen sollten,
Daß sie für diesen Dienst, durch den er sie befreit,
Ihn reichlicher belohnen wollten.
Allein die Nacht war vor der Tür.
Sie sahn nun, daß sie nicht nach Hause kommen könnten;
Drum gab der Advokat den redlichen Klienten
Aus Dankbarkeit ein Nachtquartier,
Weil sie so gut bezahlet hatten.
Dies kam den Herren gut zustatten;
Denn sie bedienten sich der Nacht,
Und knebelten den lieben Wirt im Bette,
Und stahlen das, was sie gebracht,
Und suchten fleißig nach, ob er nichts weiter hätte.
Drauf gingen sie zu ihm vors Bette,
Und nahmen höflich gute Nacht.
Cotill, der, wie es vielen geht,
Nicht wußte, was er machen sollte,
Und doch nicht müßig bleiben wollte;
Denn müßig gehn, wenn mans nicht recht versteht,
Ist schwerer, als man denken sollte;
Cotill ging also vor die Stadt,
Und machte sich etwas zu schaffen.
Er ging, und schlug im Gehen oft ein Rad.
"O", schrie man, "seht den jungen Laffen,
Der den Verstand verloren hat!
Er macht die Hände gar zu Füßen.
Ihr Kinder, zischt den Narren aus!"
Allein Cotill ließ sich dies alles nicht verdrüßen.
Kurz, es gefiel ihm so, er ging vors Tor hinaus.
Man mochte, was man wollte, sagen,
Er fuhr doch fort, im Gehn sein Rad zu schlagen.
"Der Teufel! Seht, das war ein rechtes Rad!"
Fing endlich einer an zu fluchen.
"Ich möcht es doch bald selbst versuchen."
Er sagt es kaum, als ers schon tat.
"Nun", sprach er, "seh ich wohl, wieviel man Vorteil hat.
Es ist ganz hübsch um so ein Rad,
Denn man erspart sich viele Schritte.
Der Mann ist nicht so dumm, der es erfunden hat."
Den Tag darauf kam schon der dritte,
Und tat es nach. Die Zahl vermehrte sich.
In kurzem sprach man schon gelinder;
Man fragte stark nach dem Erfinder,
Und lobt ihn endlich öffentlich.
——
Nimm alles vor, es sei so toll es will.
Heiß anfangs närrisch wie Cotill;
Dein Beifall ist drum nicht verloren.
Sei nur beherzt, und spare keinen Fleiß,
Ein Tor findt allemal noch einen größern Toren,
Der seinen Wert zu schätzen weiß.
Damokles
Gaubt nicht, daß bei dem größten Glücke
Ein Wütrich jemals glücklich ist.
Er zittert in dem Augenblicke,
Da er der Hoheit Frucht genießt.
Bei aller Herrlichkeit stört ihn des Todes Schrecken,
Und läßt ihn nichts, als teures Elend, schmecken.
——
Als den Tyrannen Dionys
Ein Schmeichler einstens glücklich pries,
Und aus dem Glanz der äußerlichen Ehre,
Aus reichem Überfluß an Volk und Gold erwies,
Daß sein Tyrann unendlich glücklich wäre;
Als dies Damokles einst getan;
Fing Dionys zu diesem Schmeichler an:
"So sehr mein Glück dich eingenommen,
So kennst du es doch unvollkommen;
Doch schmecktest du es selbst, wie würde dichs erfreun!
Willst du einmal an meiner Stelle sein?"
"Von Herzen gern!" fällt ihm Damokles ein.
Ein goldner Stuhl wird schnell für ihn herbeigebracht.
Er sitzt, und sieht auf beiden Seiten
Der Hohen größte Herrlichkeiten,
Die Stolz und Wollust ausgedacht.
Von Purpur prangen alle Wände,
Gold schmückt die Tafel aus, im Golde perlt der Wein.
Ein Wink! so eilen zwanzig Hände,
Des hohen Winkes wert zu sein.
Ein Wort! so fliegt die Menge schöner Knaben,
Und sucht den Ruhm, dies Wort vollstreckt zu haben.
Von Wollust süß berauscht, von Herrlichkeit entzückt,
Schätzt sich Damokles für beglückt.
"O Hoheit!" ruft er aus, "könnt ich dich ewig schmecken!"
Doch ach! was nimmt er plötzlich wahr?
Ein scharfes Schwert an einem Pferdehaar,
Das an der Decke hängt, erfüllt sein Herz mit Schrecken;
Er sieht die drohende Gefahr
Nah über seinem Haupte schweben.
Der Glückliche fängt an zu beben;
Er sieht nicht mehr auf seines Zimmers Pracht,
Nicht auf den Wein, der aus dem Golde lacht;
Er langt nicht mehr nach den schmackhaften Speisen,
Er hört nicht mehr der Sänger sanfte Weisen.
"Ach!" fängt er zitternd an zu schrein,
"Laß mich, o Dionys, nicht länger glücklich sein!"
Damötas war schon lange Zeit
Der jungen Phyllis nachgegangen;
Noch konnte seine Zärtlichkeit
Nicht einen Kuß von ihr erlangen.
Er bat, er gab sich alle Müh;
Doch seine Spröde hört ihn nie.
Er sprach: "Zwei Bänder geb ich dir.
Auch soll kein Warten mich verdrüßen,
Versprich nur, schöne Phyllis, mir,
Mich diesen Sommer noch zu küssen."
Sie sieht sie an, er hofft sein Glück,
Sie lobt sie, und gibt sie zurück.
Er bot ein Lamm, noch zwei darauf,
Dann zehn, dann alle seine Herden.
So viel? Dies ist ein teurer Kauf.
Nun wird sie doch gewonnen werden.
Doch nichts nahm unsre Phyllis ein;
Mit finstrer Stirne sprach sie: "Nein!"
"Wie?" rief Damötas ganz erhitzt,
"So willst du ewig widerstreben?
Gut, ich verbiete dir anitzt,
Mir jemals einen Kuß zu geben."
"O!" rief sie, "fürchte nichts von mir,
Ich bin dir ewig gut dafür."
Die Spröde lacht; der Schäfer geht,
Schleicht ungeküßt zu seinen Schafen.
Am andern Morgen war Damöt
Bei seinen Herden eingeschlafen;
Er schlief, und im Vorübergehn
Blieb Phyllis bei dem Schäfer stehn.
Wie rot, spricht Phyllis, ist sein Mund!
Bald dürft ich mich zu was entschließen.