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Dr. Rainer Wohlfarth, Psychologischer Psychotherapeut, ist leitender Psychologe an der Max-Grundig Klinik und leitet auch Ani.Motion, das Institut für tiergestützte Therapie in der Anima Tierwelt in Sasbachwalden. Er ist außerdem Präsident der European Society for Animal Assisted Therapy (ESAAT).

Bettina Mutschler ist erfahrene Hundeerziehungsberaterin, Natural Dogmanship Instruktorin, Coach und Fachkraft für tiergestützte Therapie. Sie ist als Dozentin für Hundeerziehung und in Aus- und Weiterbildungen in tiergestützten Interventionen mit Schwerpunkt Hund tätig. Weitere Informationen unter: www.tiere-begleiten-leben.de und www.bindungsgeleitete-hundeerziehung.de.

Hinweis: Soweit in diesem Werk eine Dosierung, Applikation oder Behandlungsweise sowie Angaben zu Versicherungen oder rechtlichen Aspekten erwähnt werden, darf der Leser zwar darauf vertrauen, dass die Autoren große Sorgfalt darauf verwandt haben, dass diese Angabe dem Wissensstand bei Fertigstellung des Werkes entspricht. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen oder sonstige Behandlungsempfehlungen kann der Verlag jedoch ebensowenig eine Gewähr übernehmen wie für die dargestellten rechtlichen Aussagen. – Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnungen nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

 ISBN 978-3-497-02915-0 (Print)
 ISBN 978-3-497-61276-5 (PDF-E-Book)
 ISBN 978-3-497-61260-4 (EPUB)

3., durchgesehene Auflage

© 2020 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München
Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: info@reinhardt-verlag.de

Inhalt

Vorwort

1  Einleitung

2  Geschichte tiergestützter Therapie mit Hunden

3  Begriffe und Definitionen

3.1 IAHAIO-Definitionen

3.2 Eine erweiterte Definition nach ESAAT

3.3 Weitere Definitionen

Therapiebegleithund – Stationshund – Besuchshund – Assistenzhunde oder Servicehunde

4  Merkmale tiergestützter Therapie

4.1 Keine eigenständige Therapiemethode

4.2 Notwendigkeit spezifischer Weiterbildung

4.3 Der Hund als aktiver Arbeitspartner

4.4 Zielorientierung tiergestützter Therapie

4.5 Die Triade Therapeut – Hund – Klient

4.6 Qualität der Mensch-Hund-Beziehung

4.7 Interaktionsformen tiergestützter Therapie

4.8 Salutogenese

5  Sonderstellung Hund

5.1 Unterschiedliche Funktionen des Hundes

5.2 Gemeinsame Evolution von Hund und Mensch

5.3 Verbale Welt – Erfahrungswelt

6  Grundlagen der Mensch- Hund-Beziehung

6.1 Biophilie

6.2 Du-Evidenz

6.3 Evolutionäre Aspekte

6.4 Spiegelneurone

6.5 Hormonelle Aspekte

6.6 Bindungstheorie

6.7 Aspekte der Kommunikation

6.8 Emotionstheoretische Aspekte

7  Wirkfaktoren und Wirkungen tiergestützter Therapie

7.1 Hunde als Angst- und Spannungsminderer

7.2 Hunde als Bindungsfigur

7.3 Hunde als soziales Medium

7.4 Hunde als Motivatoren

7.5 Hunde arbeiten „klienten-zentriert“

7.6 Hunde als Kommunikationsförderer

7.7 Hunde als Projektionsfläche

7.8 Hunde als Förderer der Selbstwirksamkeit

8  Tierschutz und Tierethik

8.1 Anthropomorphisierende Sichtweise

8.2 Tierschutzgesetz als grundlegende Leitlinie

8.3 Spezifische tierethische Aspekte

8.4 Die Verantwortung des Menschen

9  Grundvoraussetzungen für das Mensch-Hund-Team

9.1 Grundvoraussetzungen beim Menschen

9.2 Grundvoraussetzungen beim Hund

10  Kriterien für die Auswahl des Hundes

Instinkt und Bedürfnisse – Der Biotonustest – Der 6-Wochen-Test

11  Sozialisierung

11.1 Beim Züchter

Die Auswahl der Elterntiere – Wo Welpen aufwachsen sollten – Was die Welpen kennenlernen sollten

11.2 Der Besuch, der lange bleibt

12  Verhaltensbeobachtung vor der Ausbildung

13  Die Aus- und Weiterbildung des Menschen

14  Die Ausbildung des Mensch-Hund-Teams

14.1 Die Voraussetzungen

14.2 Die Grundlage

Baustein 1: Kommunikation Mensch und Hund – Baustein 2: Beziehungsorientierte Erziehung – Baustein 3: Aufbau von Signalen – Baustein 4: Alltagssituationen meistern – Baustein 5: Talente erkennen und fördern – Baustein 6: Gemeinsame Aktivitäten

14.3 Der Weg

Baustein 7: Das zukünftige „Arbeitsumfeld“ – Baustein 8: Gelerntes abrufen – Baustein 9: Spaß – Baustein 10: Ruhephasen – Baustein 11: Gezielte Übungen

14.4 Das Ziel: Eine sichere Bindung

15  Konzepte tiergestützter Therapie

15.1 Die Interaktionen in der Triade

15.2 Konzept Nähe – Distanz

15.3 Aktive und passive Rolle des Hundes

15.4 Formen der Interaktion

15.5 Funktionen des Hundes

15.6 Unser konzeptionelles Vorgehen

16  Organisation, Durchführung und Evaluation hundegestützter Therapie

16.1 Planung

16.2 Die Einrichtung erkunden

16.3 Vorbereitende Fortbildungen

16.4 Abstimmung und Festlegung des Procedere

16.5 Aufklärungsgespräch und Einwilligungserklärung

16.6 Schnupperbesuch des Hundes

16.7 Auswahl der Räumlichkeiten

16.8 Screening zum Verhältnis zu Hunden

16.9 Basisdokumentation

16.10 Zielformulierung

16.11 Verlaufsdokumentation

16.12 Ergebnisevaluation

16.13 Das leidige Thema „Bezahlung“

16.14 Der konkrete Einsatz des Hundes

17  Übungselemente

18  Qualitätsmanagement

18.1 Warum Qualitätsleitlinien?

18.2 Wie definiert sich Qualität?

18.3 Qualitätsdimensionen

18.4 Checkliste zu Qualitätsdimensionen

19  Rechtliche Grundlagen

19.1 Gefährdungsmanagement

19.2 Hygienemanagement

19.3 Weitere rechtliche Aspekte

Heilpraktikergesetz – Tierschutzgesetz – Bürgerliches Gesetzbuch: Haftpflicht – Landeshundegesetze

20  Ausblick

Literatur

Bildnachweis

Sachregister

Vorwort

In dieses Buch sind eigene wissenschaftliche Erkenntnisse und praktische Erfahrungen eingeflossen. Aber nicht nur: Wir haben von interessanten Diskussionen mit den Teilnehmenden und Referierenden unserer Fortbildungen profitiert. Wir konnten durch zahlreiche Supervisionen tiergestützter Arbeit vielfältige Einblicke in sehr unterschiedliche Arbeitsfelder gewinnen. Die Mitarbeit in europäischen Projekten zu tiergestützten Interventionen hat unseren Blick geweitet und neue Sichtweisen vermittelt.

In diesem Buch haben wir unsere Erfahrungen, unsere Einsichten und Ideen sowie unsere Haltung beschrieben. Manches an unserer Haltung mag ungewöhnlich sein, manches irritieren und manches unbequem erscheinen. Aber lassen Sie sich nicht abschrecken. Der Neurobiologe Gerald Hüther (2014) spricht davon, dass immer die Irritation, das Verstörende, das Unbequeme der Ausgangspunkt, der Motor und die Triebfeder für jede neue Entdeckung, jede neue Erkenntnis und für jede neue Sicht auf die Dinge sind.

Wir möchten Sie daher einladen, unsere Haltung kennenzulernen, kritisch zu hinterfragen und eine eigene Haltung dazu zu entwickeln. Über tiergestützte Therapie mit Hunden kann man manches lesen und man kann sich vieles aneignen. Das Wichtigste aus unserer Sicht ist jedoch, eine eigene Haltung zu seiner Arbeit, seinen Klienten und seinem Hund sowie der gemeinsamen Arbeit zu entwickeln.

Viele wichtige Ideen, Hinweise und Anregungen – ohne diese im Buch jeweils kenntlich gemacht zu haben – stammen von: Andrea Beetz, Karin Hediger, Susanna Haitzer, Antigone Kiefner, Diana Ladner, Jan Nijboer, Erhard Olbrich, Lisa Rupp, Wedigo von Wedel, Karin Jansen sowie unseren norwegischen Kolleginnen Line Sandstedt und Mari-Louise Asp. Herzlichen Dank!

Wir danken auch den vielen Anderen, die uns auf unserem Weg – wissenschaftlich wie praktisch – bisher begleitet haben.

Dieses Buch wäre ohne unsere verstorbene Schafpudelhündin Ayla nie geschrieben worden. Ihre kreative Persönlichkeit hat uns erst dazu gebracht, uns mit dem Verhalten von Hunden intensiv auseinanderzusetzen.

Seit einiger Zeit tobt nun Thimba durch unser Leben, noch ist sie ein kleiner, neugieriger, der Welt gegenüber offener, verspielter Welpe. Bald wird aus ihr – so hoffen wir – eine selbstsichere Barbethündin, die vielleicht Talent und Lust hat, mit uns therapeutisch zu arbeiten.

Das Buch konnte bereits in mehreren Auflagen veröffentlicht werden. Über den breiten Anklang sind wir sehr erfreut, zeigt dies doch, dass wir eine bestehende Lücke in dem Angebot an Büchern zum Thema tiergestützte Interventionen haben füllen können.

Somit waren anlässlich der Überarbeitung des Textes keine tiefgreifenden Eingriffe in die Struktur des Buches notwendig. Wohl aber gab es Gründe für Veränderungen im Detail. Außerdem wurde die Sammlung der zusätzlichen Online-Materialien erweitert.

Wir freuen uns über Anregungen und Kritik, damit dieses Buch auch in Zukunft verbessert und aktualisiert werden kann. Ebenso hoffen wir, dass es auch weiterhin Inspiration sein kann für einen kreativen, ehrlichen und reflektierten Umgang mit unseren Hunden, welche einen großen Schatz als therapeutisches Medium darstellen.

1 Einleitung

Tiergestützte Therapie ist „IN“. In zahlreichen Zeitschriften wird darüber berichtet, in vielen Internetforen darüber diskutiert. Für Therapeuten werden vielfältigste Kurse, Aus- und Weiterbildungen zwischen günstig und unbezahlbar, von einem Wochenende bis zur Dauer von zwei Jahren, angeboten. Viele fragen sich, ein Hund als Begleiter in der Therapie: Ist das Traumtänzerei, Tierquälerei oder tatsächlich ein sinnvoller Einsatz?

Mit diesem Buch möchten wir das Interesse von Therapeuten und interessierten Laien an diesem spannenden Thema wecken und gleichzeitig ein solides Basiswissen vermitteln.

Inzwischen werden Hunde bei der Therapie, Betreuung und Behandlung in Ergotherapie, Physiotherapie, Logopädie, Psychotherapie, Sozialarbeit und Pflege eingesetzt. Dass Hunde durch ihr spezifisches Wesen und Verhalten oft Therapie erst möglich machen und die Wirkung von Therapie unterstützten, bestreitet heute fast niemand mehr.

Im Kontext des Begriffs „tiergestützte Therapie mit Hunden“ wird häufig der Begriff „Therapiehund“ verwendet. Obwohl dieser Begriff in Deutschland wie auch international schon lange benutzt wird, gibt es keine eindeutige Definition. Vielmehr wird „Therapiehund“ in verschiedenen Kontexten von den jeweiligen Anbietern wie auch in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich verwendet. Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Begriffe. Doch die jeweilige Bezeichnung sagt zunächst nichts Definitives aus über die Aufgaben, den Ausbildungsbedarf oder den Aufgabenbereich.

Was ist nun der beste Begriff für einen Hund, der in Therapien eingesetzt wird? Aus unserer Sicht sollte abgeleitet aus dem englischen Begriff „animal assisted therapy“ die Bezeichnung „Therapiebegleithund“ verwendet werden. Was wir damit meinen, ist ein auf seine Gesundheit, sein allgemeines Verhalten wie auf seine spezifischen Fähigkeiten überprüfter Hund, der dafür ausgebildet wurde, therapeutische Prozesse zu unterstützen.

Die allgemeinen Ziele des Einsatzes eines Hundes in der Therapie können sehr vielfältig sein. Es kann um Hilfe bei der Wiederherstellung und Erhaltung der körperlichen, kognitiven und emotionalen Funktionen gehen oder um die Unterstützung von Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche für Alltagsaktivitäten wichtig sind. Er kann in der Physiotherapie helfen, behinderte Kinder zu motivieren, sich zu bewegen. In der Psychotherapie kann er Stress mindern und so helfen, dass Klienten offener werden und leichter über ihre Schwierigkeiten sprechen. In der Sprachtherapie fällt es Kindern leichter, einem Hund etwas vorzulesen. In der Ergotherapie kann durch Bürsten oder Streicheln die Feinmotorik geübt werden.

Abb. 1: Das Wissen, mit Thimba kuscheln zu dürfen, motiviert, in die Therapie zu kommen.

Die tiergestützte Therapie mit Hunden fördert auch das Einbezogensein in die jeweilige Lebenssituation. Aufgabe ist es also, im Berufsfeld des Therapeuten mitzuhelfen, Menschen in ihrem Bedürfnis nach Linderung der Beschwerden, nach Autonomie und personaler und sozialer Integration zu unterstützen.

Diese Beispiele verdeutlichen, dass der Einsatz eines Hundes sehr vielfältig sein kann. Man kann sagen, er begleitet die Therapie. Daher sprechen wir von einem „Therapiebegleithund“.

Leider hat jeder Trend, so auch die tiergestützte Therapie, seine Schattenseiten. In Deutschland hat sich in den letzten Jahren ein „Unwesen“ entwickelt: Mehr und mehr Menschen fühlen sich dazu berufen, mit ihren Hunden loszuziehen und „therapeutisch“ tätig zu werden, oft ohne berufliche Grundausbildung in therapeutischer oder medizinischer Hinsicht oder ohne vertieftes Wissen um das Verhalten ihres Hundes.

Auch sehen mehr und mehr Menschen Hunde als „Wundermittel“ und jede Aktivität mit Vierbeinern wird als „Therapie“ verkauft. Besonders gravierend ist der Missbrauch, wenn Welpen oder auch erwachsene Hunde zu hohen Preisen als „Therapiehunde“ verkauft werden.

Tiergestützte Therapie mit Hunden ist ohne Zweifel eine wirksame Methode, Therapien zu unterstützen. Doch erst eine qualifizierte Ausbildung und laufende Fortbildungen machen aus einer Aktivität mit einem Hund eine wirklich gelungene Therapie.

Abb. 2: Hier wird Nikan „versorgt“. Dies fördert beim Klienten die Feinmotorik sowie das Gefühl, etwas Gutes für den Hund zu tun. Dabei wird der Hund so positioniert, dass der Kopf „ausgespart“ bleibt, da viele Hunde dies nicht mögen.

Wie gut und wie erfolgreich Ihre Arbeit sein wird, hängt weitgehend von Ihrem Wissen und Ihrer Ausbildung ab. Als menschliches Teammitglied müssen Sie lernen, Ihren Hund „zu lesen“, die therapeutischen Sitzungen gut zu planen, so dass Hund und Klient ein gutes Gefühl entwickeln und mögliche Risiken für Mensch und Hund minimiert werden können. Die Fähigkeit eines Hundes, Therapeuten in ihrer therapeutischen Arbeit zu unterstützen, ist nicht angeboren, sondern es ist eine solide Ausbildung für den Hund und den Menschen notwendig, bevor man mit tiergestützter Therapie starten kann. Im Netz sind viele Videos von unterschiedlichsten Einsätzen von Hunden zu finden. Viele Videos sind sehr lehrreich und es sieht einfach und spielerisch aus, doch dahinter steckt eine Menge an Training von Hund und Mensch.

Es ist auch zu bedenken, dass man als Therapeut eine große Verantwortung übernimmt, wenn man seinen Hund in seine Arbeit integriert. Die Therapie wird in vielen Fällen zunächst nicht einfacher, sondern komplexer, da ein Dritter in den therapeutischen Prozess involviert ist. Integriert man einen Hund in seine Arbeit, wird aus einer Zweierbeziehung zwischen Therapeut und Klient eine Dreierbeziehung aus Therapeut – Hund – Klient. Fachspezifisch gesprochen wird aus einer Dyade eine Triade. Diese bietet einerseits vielfältige Möglichkeiten für den therapeutischen Prozess, andererseits muss der Therapeut dann Klient und Hund im Auge behalten.

Daneben darf nicht vergessen werden, dass der Therapeut auch die Haftung für alle Schäden übernehmen muss, die sein Hund anrichtet, unabhängig davon, ob dies unbeabsichtigt geschehen ist. Schon ein heftiges Schwanzwedeln kann zur Folge haben, dass eine teure Vase von einem Beistelltisch fällt.

Therapiebegleithunde werden zum Beispiel in Pflegeheimen oder Krankenhäusern mit einer Vielzahl von Gerüchen, Geräuschen oder Gegenständen konfrontiert, welche im Alltag normalerweise nicht vorkommen oder viel ausgeprägter sind als in ihrer normalen Umgebung. Auch das Verhalten mancher Klienten kann „kreativer“ sein, als das Verhalten von Menschen, die der Hund normalerweise gewohnt ist. Diese ungewohnten Umgebungsbedingungen können dazu führen, dass Hunde ihre Unsicherheit in ihrem Verhalten ausdrücken. Sie zeigen plötzlich ganz andere Verhaltensweisen, als wir es normalerweise aus dem Alltag mit ihnen gewohnt sind. Manche Hunde werden plötzlich fordernd und springen Menschen sogar an, damit sie ein Leckerli bekommen oder um einer Situation zu entkommen. Andere werden vorsichtig und weichen zurück. Und wenn man sie zum Kontakt drängt, fangen sie an zu knurren oder gar zu schnappen. Manche Hunde reagieren auf ungewohntes Verhalten der Klienten mit intensivem Bellen oder Jammern.

Eine gute und fundierte Ausbildung kann helfen, Sie und Ihren Hund auf die Herausforderungen, welche an eine hundegestützte Therapie gestellt werden, allmählich vorzubereiten. Die Anforderungen bezüglich der Mensch-Hund-Beziehung sind für dieses Arbeitsgebiet besonders hoch, da es gilt,

die Potentiale, die der Umgang mit Hunden Menschen bieten kann, optimal zu nutzen,

möglichen Schaden oder negative Folgen für den Klienten und den Hund möglichst abzuwenden.

Eine positive Wirkung eines Tieres ergibt sich nur dann, wenn eine konstante, intensive, positive und partnerschaftliche Beziehung zwischen Hund und Bezugsperson vorliegt. Die bloße Anwesenheit eines Tieres hat aus unserer Sicht noch keinen Vorhersagewert für den Verlauf einer Therapie. Vielmehr verändern Hunde die Atmosphäre im Therapieraum so, dass Vertrauen, Sicherheit, Mitteilungs- und Geselligkeitsbedürfnis sowie Motivation und Kooperation positiv beeinflusst werden. Daher wird auch von einer „Vorfeldfunktion“ gesprochen (Prothmann, 2012). Dies bedeutet, wie gut eine Intervention abläuft, hängt gleichermaßen mit der Fachkraft, dem Tier und deren Beziehung zusammen.

Im Folgenden wird aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung nur die männliche Form verwendet. Es sind jedoch stets Personen männlichen und weiblichen Geschlechts gleichermaßen gemeint.

Den Begriff „Therapie“ verwenden wir umfassend für alle Maßnahmen wie „Behandlung“, „Förderung“, „Training“, „Rehabilitation“, „Coaching“, „Hilfe“, Unterstützung“, „Initiierung von Lernprozessen“ oder „Pflege“.

Der Begriff „Klient“ meint u. a. Patienten, Klienten, Bewohner, Coachees, Kunden.

Der Begriff „Therapeut“ umfasst alle Berufsgruppen, welche ihre Patienten oder Klienten therapieren, behandeln, fördern, unterstützen, trainieren, coachen oder pflegen. Es sind daher u. a. gemeint: Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Pflegekräfte, Sozialpädagogen, Coaches, Psychotherapeuten, Psychologen u. a.m.

2 Geschichte tiergestützter Therapie mit Hunden

Die Anfänge

Die Ursprünge des therapeutischen Einsatzes von Tieren lassen sich bis weit in die prähistorische Zeit zurückverfolgen, in denen Tiere oftmals als Inkarnationen von Geistern begriffen wurden, die heilende und magische Fähigkeiten haben. Von den primitiven Anfängen hat sich diese Figur in frühen Hochkulturen weiter entwickelt und gipfelte etwa in der akkadischen Hochkultur (3. Jahrtausend v. Chr.) im Glauben an die Göttin Gula. Sie galt als Göttin der Heilkunst, deren Symboltier der Hund war.

Der Beginn der modernen tiergestützten Therapie kann auf das Jahr 1962 datiert werden. Damals erschien der erste wissenschaftliche Artikel „The Dog as a Co-Therapist“ („Der Hund als Co-Therapeut“) des amerikanischen Kinderpsychotherapeuten Boris Levinson (Levinson, 1962). Einige Jahre später erschien sein wegweisendes Buch „Pet-Oriented Child Psychotherapy“ (Levinson, 1969).

Levinson, der heute als Pionier der tiergestützten Therapie gilt, entdeckte durch Zufall, dass ein Tier ein Katalysator für menschliche Interaktionen sein kann. Die folgende Schlüsselgeschichte von Boris Levinson verdeutlicht, wie ein Tier einen Therapieprozess unterstützen kann:

Die Eltern eines Jungen, der lange Zeit erfolglos behandelt wurde, baten Levinson, die Behandlung ihres Sohnes zu übernehmen. Daraufhin lud er sie zu einem Gespräch in seine Praxis ein. Die völlig verzweifelten Eltern erschienen bereits eine Stunde vor dem verabredeten Termin. Zu dieser Zeit war zufällig Levinsons Hund Jingles in der Praxis. Auf die stürmische Begrüßung durch Jingles reagierte der Junge nicht ängstlich, sondern drückte und streichelte das Tier. Nach einer Weile fragte das Kind, ob wohl alle Kinder, die in die Praxis kamen, mit dem Hund spielen dürften. Auf die zustimmende Antwort des Psychologen erklärte der Junge, dann auch wiederkommen zu wollen, um mit dem Hund zu spielen. Dies tat er dann einige Sitzungen lang, ohne Levinson selbst Beachtung zu schenken. Allmählich wurde dieser aber in das Spiel mit einbezogen. Langsam entwickelten die beiden eine gute Arbeitsbeziehung, an deren Ende die erfolgreiche Behandlung des Jungen stand.

Nach dieser Erfahrung setzte Levinson nun auch bei seinen anderen Patienten Jingles als „Eisbrecher“ ein und erreichte so, dass sich die psychisch auffälligen Kinder ihm mehr als je zuvor öffneten und ihre Reserviertheit und Feindseligkeit ihm als Therapeuten gegenüber aufgaben.

In den 1970er Jahren bauten Sam und Elizabeth O’Leary Corson an der Psychiatrischen Klinik der Ohio State University ein Tierversuchslabor auf, in dem sie das Verhalten von Hunden in unterschiedlichen Settings beobachten wollten. Sie hatten die Vorstellung, dass das Verhalten der Hunde ihnen einen Einblick in das Verhalten von Kindern und Jugendlichen erlauben würde. Da der Zwinger, in dem die Hunde gehalten wurden, nicht lärmgeschützt war, hörten die Patienten in der Abteilung für Jugendliche die Hunde bellen. Schon bald fragten Jugendliche, die bisher schweigsam waren und sich in sich zurückgezogen hatten, ob sie bei der Versorgung der Hunde mithelfen könnten und ob sie sich nicht intensiver um die Hunde kümmern dürften.

Die Reaktion der Jugendlichen auf die Hunde regte die Corsons an, ein Forschungsprojekt zu starten, das zeigen sollte, welche Effekte Hunde auf psychiatrische Patienten haben können. Ausgewählt wurden vor allem solche Patienten, die bisher nicht auf die herkömmlichen Behandlungsmethoden angesprochen hatten. Das fast unglaubliche Ergebnis dieser Pilotstudie war eine Verbesserung bei 28 von 47 Patienten.

Sie schlussfolgerten, dass es den Jugendlichen aufgrund der Anwesenheit der Hunde auf der Station leichter falle, soziale Kontakte zu knüpfen. Auch breite sich durch die Interaktion zwischen Patienten, Hunden und Therapeuten ein „erweiternder Kreis aus Wärme und Zustimmung“ aus. Die Verbesserungen, die durch den Umgang mit den Hunden erzielt wurden, erklärten Elisabeth und Samuel Corson auch damit, dass sich Kinder und Jugendliche zu Tieren hingezogen fühlen, unabhängig davon, ob sie in der Lage sind, zu Erwachsenen eine Beziehung aufzubauen. Jugendliche seien bereit, so die Corsons, Tieren Vertrauen entgegenzubringen, da sie entweder noch keine Erfahrungen mit ihnen gemacht haben oder sogar positive. Viele Kinder und Jugendliche fühlten beim Umgang mit den Hunden Sicherheit, da die Tiere einen untergeordneten Status hatten (Corson et al., 1977).

Später wechselte das Ehepaar Corson mit seinem Projekt zur tiergestützten Therapie in ein Altenpflegeheim. Auch dort konnten sie Tiere erfolgreich einsetzen. Erst in dieser Zeit begannen die Corsons, systematisch die körperlichen, psychologischen und sozialen Wirkungen von Tieren zu beschreiben.

Die Vorstellung, dass tiergestützte Therapie als therapeutische Intervention, ähnlich der Musik- oder Kunsttherapie, eingesetzt werden könnte, fasste langsam Fuß.

Die wissenschaftliche Erforschung

Bei einer Untersuchung darüber, welche Faktoren die Prognose bei Herzinfarktpatienten positiv beeinflussen, stellte die Soziologin Erika Friedmann in den 1980er Jahren zu ihrem eigenen Erstaunen fest, dass den entschieden günstigsten Einfluss der Besitz eines Haustieres darstellte (Friedmann et al., 1980).

Auch Alan Beck und Aaron Katcher trugen maßgeblich zum Verständnis der Mensch-Tier-Beziehung bei. So postulierten Beck und Katcher schon 1983, dass Tiere die körperliche und psychische Gesundheit fördern, soziale Unterstützung bieten und auch therapeutisch wirken können (Beck & Katcher, 1983). In der zweiten Auflage ihres Buches im Jahr 1996 belegten sie mit zahlreichen Forschungsarbeiten ihre Vorstellung, dass Tiere für uns nicht nur Begleiter im Alltag sein können, sondern dass sie auch relativ einfach und sinnvoll in die therapeutische Arbeit mit Menschen integriert werden können (Beck & Katcher, 1996).

Abb. 3: Mit einem tierischen Begleiter kommt man schnell mit Passanten ins Gespräch.

In Deutschland waren Prof. Bergler und die Forschungsgruppe „Psychologie der Mensch-Tier-Beziehung“ der Universität Köln wesentlich an der wissenschaftlichen Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung beteiligt. Die bisherigen theoretischen wie empirischen Forschungsergebnisse wurden seit 1986 in zahlreichen Monographien, Zeitschriftenartikeln und Kongressbeiträgen publiziert. So erschien zum Beispiel 1986 das Buch „Mensch und Hund“ (Bergler, 1986).

Eine wissenschaftliche Weiterentwicklung dieser ersten Forschungsarbeiten zur tiergestützter Therapie blieb in der Folge jedoch aus. Es kam zu keiner systematischen evidenzbasierten Praxis der tiergestützten Therapie. Die meisten Praktiker traten kaum an die Öffentlichkeit und systematische Forschung, die wissenschaftlichen Standards genügt, entstand in keinem nennenswerten Umfang.

Erste Organisationen entstehen

Ende der 1970er Jahre gründeten Mediziner, Psychologen, Gerontologen, Psychotherapeuten und Verhaltensforscher aus den USA und England eine Organisation, die „Human Animal Companion Bond“, welche sich die Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung zur Aufgabe gemacht hatte. Aus diesen Anfängen entstand im Laufe der Jahrzehnte eine große Anzahl von Institutionen, die sich mit der Mensch-Tier-Beziehung befassen:

1977 gründete sich in Portland / Oregon die Stiftung „Delta Socitey“, die mit ihrem sogenannten „Pet Partner Programm“ die „Pet facilitated Therapy“ flächendeckend in den USA verbreitete. Nach über 35 Jahren änderte die Delta Society 2012 ihren Namen in „Pet Partners“, um direkt im Namen der Organisation ihre Ziele deutlich zu machen. Wichtigstes dieser Ziele ist die Verbesserung der Gesundheit von Menschen durch die positive Interaktion mit Therapie-, Service- und Haustieren (englisch: therapy, service and companion animals).

1990 wurde die internationale Dachorganisation „International Association of Human-Animal Interaction Organizations“ (IAHAIO) gegründet. Als Folge des internationalen Zusammenschlusses aller Institutionen, die sich mit dem Thema der Mensch-Tier-Beziehung beschäftigen, ist die IAHAIO in Organisationen weltweit untergliedert, z. B. in Großbritannien (z. B. „Society für Companion Animal Studies“), in Deutschland (z. B. „Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft“, Hamburg), in Japan (z. B. „Society for the Study of Human Animal Relations“).

Der von der „Delta Society“ ausgelöste Boom, vor allem Hunde in Therapien und im Rahmen von Besuchsdiensten, in den USA einzusetzen, führte auch im deutschsprachigen Raum zur Gründung unterschiedlichster Organisationen. Angelehnt an die Vorgaben und das Vorgehen der „Delta Society“ organisierten sich zunächst kleine Gruppen von Interessierten.

In Österreich organisierte 1985 die Biologin Gerda Wittmann erste Initiativen zur tiergestützten Therapie. Gerda Wittmann hatte während ihres Aufenthaltes in Australien die Gelegenheit gehabt, die tiergestützte Therapie kennenzulernen. Nach ihrer Rückkehr setzte sie es sich zum Ziel, diese auch in Österreich einzuführen. Wittmann und einige freiwillige Helferinnen, die von ihrer Idee überzeugt waren, gelang es, ein Tierbesuchsprogramm im Gartenareal des Pflegeheims Lainz, dem heutigen Geriatriezentrum am Wienerwald, einzuführen. 1991 wurde dann der Verein „Tiere als Therapie“ gegründet.

Eine ähnliche Entwicklung war in der Schweiz zu beobachten. Ursula Sissener reiste oft zur Weiterbildung in die USA. Sie lernte dort durch die „Delta Society“ die Arbeit von Therapiehunden kennen. Sie führte das Konzept dann 1992 in der Schweiz ein – als Präsidentin des Vereins „Therapiehunde Schweiz“. 1993 bestand dann die erste Pioniergruppe einen Eignungstest nach den Kriterien der „Delta Society“. Aus diesen Anfängen entwickelte sich eine große ehrenamtliche Organisation, die heute mehr als 1300 Mitglieder und über 600 aktive Therapiehunde-Teams umfasst.

Wer sich in der Schweiz mit der Beziehung von Mensch und Haustier beschäftigt, stößt unweigerlich auf Dennis C. Turner. Seit 1991 führt er in Hirzel ZH sein Institut für angewandte Ethologie und Tierpsychologie. Sein Name ist auch eng mit dem IEMT (Institut für interdisziplinäre Erforschung der Mensch-Tier-Beziehung) Schweiz verbunden, einer gemeinnützig anerkannten Organisation, welche seit 1990 die Forschung der Mensch-Heimtier Beziehung unterstützt.

In Deutschland wurde 1987 der Verein „Tiere helfen Menschen e. V.“ gegründet. Initiatorin war die Tierärztin Brigitte von Rechenberg. Sie hatte die Idee aus den Vereinigten Staaten von Amerika mitgebracht. Nachfolgend entstanden vielfältige Organisationen, Vereine und Initiativen, die sich mit tiergestützter Therapie im weitesten Sinne beschäftigten. Während die Initiativen zunächst den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit in der praktischen Umsetzung sahen, zeigte sich bald, dass ohne die Entwicklung von systematischen Aus- und Weiterbildungen sowie der Einführung von zumindest minimalen Qualitätsstandards eine Weiterentwicklung nicht möglich sein würde. Daher wurden nach und nach Ausbildungsinstitute geschaffen, welche eine fundierte Aus- und Weiterbildung gewährleisten sollten. Aber auch hier findet sich heute eine kaum durchschaubare Vielfalt mit unterschiedlichsten Ausbildungsstandards und Qualitätsansprüchen.

Im Oktober 2004 wurde die ESAAT, die „European Society for Animal Assisted Therapy“, d. h. der Verein zur Erforschung und Förderung der therapeutischen, pädagogischen und salutogenetischen Wirkung der Mensch-Tier-Beziehung an der Veterinärmedizinischen Universität Wien gegründet. Die Hauptaufgaben der ESAAT sind die Erforschung und Förderung der tiergestützten Therapie sowie die Gestaltung und europaweite Vereinheitlichung der Ausbildung auf diesem Gebiet.

Jedoch kam es bald zu Unstimmigkeiten über die Qualitätsstandards und vor allem über die Ausbildung der Therapiebegleittiere. Daraufhin spaltete sich die „International Society of Animal Assisted Therapy“ (ISAAT) ab, so dass derzeit zwei (konkurrierende) Organisationen existieren.

Der aktuelle Stand

Es kann festhalten werden, dass das Feld der tiergestützten Interventionen aus der Praxis heraus entstanden ist und durch sie wesentlich geprägt wurde. Die bisherige Entwicklung zeigt den typischen Verlauf einer sogenannten ‚Graswurzelbewegung‘. Dies hat dazu geführt, dass das Feld der tiergestützten Interventionen – zumindest in Deutschland – durch eine ausgeprägte Heterogenität der Angebote, der Strukturen und der Akteure gekennzeichnet ist. Zunächst waren es vor allem Menschen, die mit ihrem Hund alte oder kranke Menschen besuchten. Später integrierten mehr und mehr Therapeuten ihre eigenen Tiere, insbesondere Hunde, in ihre therapeutische Arbeit.

Es darf dabei nicht vergessen werden, dass die ersten Jahrzehnte tiergestützter Therapie häufig aus wenig professionellen Versuchen bestanden, Tiere bei meist sonst als „untherapierbar“ geltenden Patienten einzusetzen. So verweist Gabriele Niepel in ihrem wegweisenden Buch „Mein Hund hält mich gesund: Der Hund als Therapeut für Körper und Seele“ schon 1998 darauf hin, dass im Mittelpunkt stets die Menschen standen, denen es zu helfen galt (Niepel, 1998). Die Tiere dagegen waren allein ein Mittel zum Zweck, das ausgetauscht werden konnte, wenn es eben diesen Zweck nicht zufriedenstellend erfüllte. Die Entscheidung darüber, welche Tiere man einsetzte, beruhte häufig weniger auf gezielten Überlegungen hinsichtlich einer Passung zwischen Tier und Klient, sondern vielmehr auf räumlichen, organisatorischen, finanziellen und/ oder personellen Gegebenheiten. Leider hat sich daran in den Jahren seit 1998 nur wenig geändert.

In den Anfangsjahren der tiergestützten Therapie wurden Tiere noch häufig funktionalisiert und instrumentalisiert. Sie wurden gleichsam als Pille oder Therapiematerial betrachtet. Erst nach und nach setzte sich sowohl bei Praktikern wie Wissenschaftlern die Erkenntnis durch, dass Tiere in der Therapie als Arbeitspartner angesehen werden müssen und nicht als Werkzeug, das nur ausgebeutet wird. Ebenso wurde erkannt, dass trotz aller Euphorie über die Wirkungen tiergestützter Interventionen, tierethische Überlegungen nicht zu kurz kommen dürfen (Wohlfarth & Olbrich, 2014).

Die aktuelle Praxis ist der Theorie weit voraus, was dazu führt, dass der therapeutische Einsatz von Tieren nicht empirisch fundiert ist. Dadurch werden Tiere häufig als „Wundermittel“ angesehen und die Möglichkeiten und Chancen, wie auch die allgemeine Wirksamkeit, von vielen sehr enthusiastischen Praktikern wahrscheinlich überschätzt. Die Verbreitung der tiergestützten Therapie steht in einem eklatanten Missverhältnis zu den wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen über ihre Wirkung und ihre Wirkungsweise. Es gibt eine Vielzahl enthusiastischer Verfechter der tiergestützten Therapie sowie unzählige Erfahrungsberichte, aber es existieren kaum systematische Studien.

Auch heute gilt, dass trotz aller Versuche immer noch keine ausreichende wissenschaftliche Basis und praktische Grundlage für tiergestützte Therapie geschaffen wurde. Wissenschaftlich betrachtet, handelt es sich hier um ein nahezu unbestelltes Feld. Die empirische Basis hat sich in den letzten Jahren durch die Veröffentlichung zahlreicher Studien und auch von sogenannten Metaanalysen (systematische Übersichtsarbeiten) zumindest verbessert.

Um dies zu verdeutlichen, möchten wir hier auf einige Übersichtsarbeiten, sogenannte Reviews, hinweisen: So fanden Filan und Llewellyn-Jones (2006) nur 15 Studien, welche sich mit der Mensch-Tier Interaktion bei dementen Menschen befassten. 2008 listeten dann Perkins, Bartlett, Travers et al. (2008) neun empirische Studien zur hundegestützten Therapie bei dementen Menschen auf. Steed und Smith (2002) konnten für eine Übersichtsarbeit nur zwölf Programme finden, welche sich mit tiergestützten Aktivitäten bei geriatrischen Patienten befassten. Halm (2008) führte eine Meta-Analyse zur tiergestützten Therapie in Krankenhäusern durch. Hier konnte er nur elf Untersuchungen finden, welche wissenschaftlichen Kriterien entsprachen. Marino (2012) fand bei einer Recherche 30 Studien, welche im weitesten Sinne über Erfahrungen mit tiergestützten Interventionen berichteten. Souter und Miller (2007) führten eine Metaanalyse zu tiergestützter Therapie bei Depression durch, für die sie nur fünf Studien heranziehen konnten, da alle anderen wissenschaftlichen Kriterien nicht entsprachen.

Diese Auflistung zeigt, dass es immer noch an empirischen Studien im Bereich der tiergestützten Therapie mangelt und dass die meisten Studien eine nur geringe methodische Stringenz aufweisen. Auch werden die häufig in englischer Sprache veröffentlichten Arbeiten im deutschen Sprachraum von den praktisch Tätigen kaum rezipiert.

Neben der fehlenden wissenschaftlichen Grundlage sind vier weitere wesentliche Grundprobleme in der praktischen Arbeit festzuhalten: Erstens herrscht weiterhin ein Mangel an klar durchstrukturierten Arbeitskonzepten, in denen das Fachwissen verschiedenster Professionen zu eindeutigen Handlungsanleitungen für den Einsatz von Hunden gebündelt wird. Zweitens werden ethische und tierschutzrechtliche Fragen kaum beantwortet, was auch daran liegt, dass sie meist erst gar nicht gestellt werden. Drittens gibt es in Deutschland und der Schweiz kaum rechtliche Vorgaben.

In Deutschland ist nur das Tierschutzgesetz eine wesentliche Grundlage und hier vor allem § 11, welcher den Einsatz von Hunden in tiergestützter Therapie regelt. Viertens gibt es keinen Konsens darüber, wer tiergestützte Therapie anbieten darf und welche Voraussetzungen hierfür gegeben sein müssen.

In Bezug auf Hunde machen das Tierschutzgesetz und die Tierschutzverordnung in der Schweiz zwar viele Vorschriften, jedoch sieht es keine spezifische Bestimmung über tiergestützte Interventionen oder gar für die Ausbildung von Hunden bzw. Haltern von Therapiebegleithunden vor.

In Österreich wurden die Begriffe „Assistenzhund“ und „Therapiehund“ erstmals 2014 im § 39a Bundesbehindertengesetz gesetzlich geregelt. Hier heißt es im Abschnitt 8a: „Voraussetzung für die Bezeichnung als „Therapiehund“ ist eine Ausbildung und die positive Beurteilung durch ein Gutachten von Sachverständigen. Bei dieser Beurteilung ist vor allem auf Gesundheit, Sozial- und Umweltverhalten, Unterordnung, Kontrollierbarkeit und auf das funktionierende Zusammenspiel mit Menschen mit Behinderung sowie mit dem eigenen Halter oder der eigenen Halterin Bedacht zu nehmen.“ Damit gibt es hier erstmals eine gesetzliche Definition von Therapiebegleithunden. Vom österreichischen Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz wurde das Messerli Forschungsinstitut der Veterinärmedizinischen Universität Vienna mit der Durchführung der Therapiebegleithundeprüfung beauftragt.

Dennoch sind in den letzten Jahren erste wichtige Bestrebungen zu erkennen, Qualitätsstandards sowohl in der Aus- und Weiterbildung als auch in der praktischen Durchführung tiergestützter Therapie zu implementieren. Hierzu gehören die Gründung eines „Berufsverbandes für tiergestützte Therapie, Pädagogik und Fördermaßnahmen“ in Deutschland. In der Schweiz firmiert die „Gesellschaft für tiergestützte Therapie und Aktivitäten“ (GTTA) seit einiger Zeit zusätzlich als Berufsverband für tiergestützte Interventionen. Auch die Veröffentlichung gemeinsamer Qualitätsstandards durch die ISAAT und ESAAT stellen hier einen Meilenstein dar. Trotzdem bleibt es schwierig, in einem heterogenen Feld wie der tiergestützten Therapie, allgemeingültige Leitlinien für die Ausbildung und den Einsatz von Tieren zu entwickeln. Und so kann jeder – ohne jegliche Ausbildung weder des Menschen noch des Hundes – von sich behaupten, tiergestützt therapeutisch tätig zu sein.

Weiterführende Literatur

Serpell, J. A. (2015). Animal-assisted interventions in historical perspective. In H. A. Fine (Ed.). Handbook of animal-assisted therapy: Theoretical foundations and guidelines for practice (4rd Ed.) (pp. 11–19). London: Academic Press.

3 Begriffe und Definitionen

Sicherlich haben Sie schon in der Einleitung dieses Buches bemerkt, wie schwierig es ist, eine griffige Bezeichnung oder eine gute Definition für Hunde als therapeutische Begleiter zu finden. Dies ist vor allem darin begründet, dass die therapeutischen Felder, in denen Hunde eingesetzt werden, sehr heterogen und oft kaum miteinander vergleichbar sind. Da keine rechtlichen Vorgaben in Deutschland bestehen, gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Begriffe, Ausbildungen und Vorgehensweisen.

Ausgehend von der aktuellen Definition der „International Association of Human Animal Interaction Organizations“ (IAHAIO) soll versucht werden, einige Begriffe näher zu beleuchten und zu spezifizieren.

3.1 IAHAIO-Definitionen

Eine Arbeitsgruppe der „International Association of Human Animal Interaction Organizations“ (IAHAIO) hat international anerkannte Definitionen von Formen der Tiergestützten Intervention erarbeitet (IAHAIO, 2014).

DEFINITION