Meriwether Lewis
William Clark
Die Tagebücher der Lewis und Clark Expedition
Herausgegeben von Hartmut Wasser
Titel der amerikanischen Originalausgabe:
The Lewis and Clark Journals – An American Epic of Discovery (abridged version)
Herausgegeben von Gary E. Moulton, The Board of Regents of the University of Nebraska, USA, 2003
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Es ist nicht gestattet, Texte dieses Buches zu scannen, in PCs oder auf CDs zu speichern oder mit Computern zu verändern oder einzeln oder zusammen mit anderen Bildvorlagen zu manipulieren, es sei denn mit schriftlicher Genehmigung des Verlages.
Alle Rechte vorbehalten
© by Edition Erdmann in der Verlagshaus Römerweg GmbH, Wiesbaden 2020
Cover & Umschlag: Anja Carrà, Weimar; Karina Bertagnolli, Wiesbaden
Bildnachweis: Christopher Zariello by Unsplash
Gesamtherstellung: CPI books GmbH, Leck – Germany
eISBN: 978-3-8438-0642-8
Mehr über Ideen, Autoren und Programm des Verlags finden Sie auf www.verlagshausroemerweg.de und in Ihrer Buchhandlung.
Geleitwort
Vorwort
Einführung
1.Die Expedition rückt vor
14. Mai – 24. August 1804
2.Der Mittlere Missouri
25. August – 26. Oktober 1804
3.Winter am Knife River
27. Oktober 1804 – 6. April 1805
4.Ins Unbekannte
7. April – 2. Juni 1805
5.Die Überwindung der Wasserfälle
3. Juni – 14. Juli 1805
6.Im Schatten der Rocky Mountains
15. Juli – 9. August 1805
7.Diese gewaltigen Berge
10. August – 10. Oktober 1805
8.Auf dem Columbia stromab
11. Oktober – 14. November 1805
9.Pazifischer Küstenwinter
15. November 1805 – 22. März 1806
10.Auf der Heimreise
23. März – 2. Juli 1806
11.Trennung und Wiedervereinigung
3. Juli – 12. August 1806
12.Auf nach Hause
13. August – 23. September 1806
Editorische Notiz
Literaturhinweis
Aktuelle Wegmarken der Lewis & Clark-Expedition von St. Louis zum Pazifik
Zwei Jahre lang, von 2004–2006, wurde in den Vereinigten Staaten von Amerika an das zweihundertjährige Jubiläum der Lewis und Clark-Expedition erinnert. Das Corps of Discovery unter dem Kommando der Captains Meriwether Lewis und William Clark war beauftragt, »den direktesten und brauchbarsten transnationalen Wasserweg für Handelszwecke« zu erkunden. Diese Mission ist vom dritten Präsidenten der USA, Thomas Jefferson, konzipiert und politisch durchgesetzt worden. Er hat auch die vielfältigen Aufgaben formuliert, die im Kontext dieser Mission erfüllt werden sollten. Die gefahrvolle Expedition von St. Louis den Missouri aufwärts und über die Rocky Mountains zum Pazifik ist ein Ereignis von nationaler, mehr noch: von weltgeschichtlicher Dimension gewesen, hat es doch den Aufstieg der jungen USA zur regionalen Vormacht und späteren Weltmacht angekündigt. Freilich hat das Jubiläum dieses großen Unternehmens hierzulande nicht die ihm zukommende Beachtung gefunden. Vor allem deshalb hat das Deutsch-Amerikanische Zentrum/James-F.-Byrnes-Institut gerne der Bitte des Erdmann Verlages entsprochen, die deutschsprachige Edition der Tagebücher von Lewis und Clark, einer kulturhistorischen Quelle von höchster Bedeutung, zu unterstützen. Dies umso mehr, als mit dem Politikwissenschaftler und Amerikanisten Hartmut Wasser ein ausgewiesener Kenner der Jefferson-Ära das vorliegende Projekt entwickelt und als Herausgeber die Verantwortung für seine Umsetzung übernommen hat. Es bleibt zu hoffen, dass das Buch eine breite Leserschaft findet – das wäre der schönste Dank an alle, die zu seiner Verwirklichung beigetragen haben.
Ulrich Bachteler, Deutsch-Amerikanisches Zentrum Stuttgart – James-F.-Byrnes Institut e.V.
Thomas Jefferson
Zum zweihundertjährigen Jubiläum jenes kühnen Unterfangens, das als Lewis Clark-Expedition Eingang in die Geschichtsbücher gefunden hat, legt die Edition Erdmann die Aufzeichnungen der beiden Captains Meriwether Lewis und William Clark vor, die das »Corps of Discovery« in den Jahren 1804–1806 von St. Louis den Missouri aufwärts zum Pazifik und wieder zurückgeführt haben. Damit wird nicht nur einem der großen Menschheitsabenteuer der Neuzeit Reverenz erwiesen, sondern auch eine kulturgeschichtliche Quelle in deutscher Sprache zugänglich gemacht, die in den schriftlichen Zeugnissen der Entdeckungsfahrten kaum ihresgleichen findet und als fester Bestandteil der amerikanischen Nationalliteratur gelten darf. Der Übersetzung liegt die auf lange Sicht gültige Kompilation der »Lewis and Clark Journals« zugrunde, die der Herausgeber der wissenschaftlichen Gesamtausgabe des Schrifttums aus den Reihen der Expeditionsmitglieder, Gary E. Moulton von der University of Nebraska, im Jahr 2003 vorgelegt hat. Sie enthält die Essenz der Tagebücher von Meriwether Lewis und William Clark, da und dort ergänzt um Aufzeichnungen anderer Teilnehmer an der »Tour der Leiden«. Mit der Rechtschreibung, gelegentlich mit der Grammatik, taten sich die Autoren schwer, Clark mehr als Lewis. Verlag, Herausgeber und Übersetzer haben der Versuchung widerstanden, die Eigentümlichkeiten ihrer Sprachgestaltung im Deutschen nachzuahmen oder produktiv fortzuspinnen; sie sind der Auffassung, dass der Inhalt der Tagebücher im Vordergrund des Interesses steht.
Seit 2003 zelebrieren die Amerikaner die zweieinhalb Jahre dauernde, zwölftausenddreihundert Kilometer umfassende Reise des »Corps of Discovery« mit Lewis und Clark – Festivals, Ausstellungen und Fernsehserien; seit 2003 nehmen Lewis und Clark-Publikationen Spitzenpositionen auf den Bestsellerlisten ein, haben sich Zehntausende auf den Weg gemacht, um die Lewis- und Clark-Route zu bereisen, mit dem Auto, dem Schiff, zuweilen auf Schusters Rappen. Sie alle beschwören bewusst oder unbewusst im Gedenken an die Captains und deren Truppe den Mythos des Westens, der auch der Mythos Amerikas ist: Pioniergeist, Wagemut, Flexibilität – Tugenden, auf denen die Nation gründet, Tugenden, die eine Gesellschaft »on the road«, stets auf der Suche nach neuen Grenzen, hervorgebracht haben. Die Jubiläumsfeierlichkeiten sind am 18. Januar 2003 im virginischen Monticello, dem Lebensmittelpunkt von Thomas Jefferson, dritter Präsident der USA und Spiritus Rector der Pazifikunternehmung, eingeläutet worden – auf den Tag genau zweihundert Jahre, seit er in einem vertraulichen Schreiben an den amerikanischen Kongress um die Bewilligung von zweitausendfünfhundert Dollar für eine Expedition »den Missouri hinauf und weiter zum Pazifik« ersuchte. Wenngleich der Aufbruch in die unbekannten Weiten des Westens erst am 14. Mai 1804 von Camp Dubois, oberhalb von St. Louis am Ostufer des Mississippi gelegen, erfolgt, werden die notwendigen Vorkehrungen für das große Abenteuer schon 1803 getroffen, könnte man seinen Beginn etwa auch auf den 26. Oktober 1803 datieren, als Lewis und Clark mit einigen Männern des »Corps of Discovery« zum ersten Mal gemeinsam das »keelboat« bei Louisville, Kentucky, besteigen und den Ohio abwärts zum Winterlager in Camp Dubois reisen. Zwar liegen für Teile des Jahres 1803 schon erste Aufzeichnungen von Lewis und Notizen von Clark vor; recht eigentlich beginnen aber die »Journals« als durchgängige Reisebegleitung mit dem 14. Mai 1804.
Der Herausgeber dankt der Verlegerin, Frau Kolb-Rothermel, für die spontane Bereitschaft, die Tagebücher der Captains Lewis und Clark im Rahmen der Edition Erdmann einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Dass das Projekt verwirklicht werden konnte, ist auch der finanziellen Unterstützung durch das Deutsch-Amerikanische Zentrum in Stuttgart und seinem Direktor, Ulrich Bachteler, geschuldet.
Der Herausgeber
»Das Ziel ihrer Mission ist es, den Missouri und einen mit ihm zusammenhängenden Fluss zu erkunden, der durch seinen Lauf und seine Verbindung zum Pazifischen Ozean, sei es der Columbia, Oregon oder Colorado … den direktesten und brauchbarsten transkontinentalen Wasserweg für Handelszwecke bietet …«, schreibt der amerikanische Präsident Thomas Jefferson am 20. Juni 1803 an seinen Privatsekretär Meriwether Lewis. Er hat kurz zuvor den neunundzwanzigjährigen Virginier, Captain des 1. US-Infanterie-Regiments, für die Leitung einer Expedition ausgewählt, die dem Missouri stromaufwärts folgen, die »Stony Mountains« überqueren und zum Pazifik führen soll. Seit vielen Jahren treiben den Autor der Unabhängigkeitserklärung, den Privatmann auf seinem Herrensitz Monticello und das Mitglied der »Amerikanischen Philosophischen Gesellschaft« mit Sitz in Philadelphia Pläne zur Erforschung der westlichen Regionen des nordamerikanischen Kontinents jenseits des Mississippi um, immer wieder versucht er, freilich lange Zeit ohne Erfolg, sie in die Tat umzusetzen. Als Delegierter Virginias im Kontinentalkongress hatte Jefferson im Winter 1783 bei seinem langjährigen Freund und hochdekorierten General des Unabhängigkeitskrieges, George Rogers Clark angefragt, ob er gegebenenfalls eine Expedition »zur Erforschung des Landes vom Mississippi bis nach Kalifornien« leiten würde. Drei Jahre später, inzwischen »Minister Plenipotentiary« (Gesandter) der USA am Hof Ludwigs XVI, unterstützte Jefferson das abenteuerliche – bald darauf fehlgeschlagene – Projekt eines jungen Landsmannes, John Ledyard, der an der dritten Weltumseglung James Cooks teilgenommen hatte, und jetzt auf dem Landweg quer durch das Russische Reich zum nördlichen Pazifik zu gelangen hoffte, um dann, auf welcher Route auch immer, vom äußersten Westen Amerikas her dessen Osten zu erreichen. Während seiner Amtszeit als »Secretary of State« im ersten Kabinett George Washingtons überzeugte er die philadelphische Philosophengesellschaft vom Nutzen einer Überlandexpedition in westlicher Richtung und schien am Ziel seines Wunsches angekommen, als der französische Botaniker André Michaux, der bislang im Auftrag seines Königs die »neue Welt« auf nützliches Pflanzen- und Saatgut durchsucht hatte, 1791 an die Sozietät mit der Idee eben einer solchen Expedition zum Pazifik herantrat. Auch dieses Unternehmen kam bloß unwesentlich über das Planungsstadium hinaus, ohne dass Jefferson deshalb der Resignation verfallen wäre.
Jetzt aber, 1803, als dritter Präsident der USA, kann der »Herr von Monticello« seine »West«-Visionen nachdrücklich verfolgen. Dass sich mitten in den Vorbereitungen der Glücksfall des »Louisiana Purchase« ereignet, vertraglich am 2. Mai fixiert und auf den 30. April vordatiert, der den USA die Verdoppelung ihres Staatsgebiets – 2,1 Millionen Quadratkilometer zwischen Mississippi und Rocky Mountains – für den Schnäppchenpreis von 15 Millionen Dollar beschert, ist keinesfalls, wie gelegentlich vermutet, ursächlich für die Realisierung des Projekts gewesen, hat es aber nach Kräften befördert und vielschichtiger dimensioniert. Ein komplexes Motivbündel lässt den Virginier die Promotion seines Lieblingsprojekts mit stupender Hartnäckigkeit verfolgen. Machtpolitische und wirtschaftliche Überlegungen spielen dabei eine zentrale Rolle. Die dreizehn Kolonien, seit 1776 Kern der späteren Weltmacht USA, fühlen sich nach ihrer gemeinsamen Staatsgründung fürs Erste eingekreist von der »Alten Welt«, von den Großmächten der Zeit, von England, Frankreich und Spanien. Mit den Briten im Norden des Kontinents, dem imperialen Ambitionen nachhängenden Napoleon Bonaparte, seit 1800 im Wiederbesitz des vorübergehend spanischen Territoriums »Louisiana« im Westen, und Spanien im Süden und Südwesten, blieb die Existenz der jungen USA fragil, tat macht- und territorialpolitischer Zuwachs not, um der vielfach beschworenen Gefahr der Strangulierung zu entgehen. Vor allem die Mississippi-Region galt es, im Auge zu behalten. Thomas Jefferson hat um die ökonomische Bedeutung des großen Flusses gewusst, auf dem erste Pionier- und Siedlerscharen Felle, Getreide, Holz und Vieh in die geschäftige Handelsmetropole New Orleans oder weiter zur Mündung des Mississippi in den Golf von Mexiko verschifften. Wenn Spanien oder Frankreich die freie Schifffahrt sperrten, wenn sie amerikanische Handelsrechte in und um New Orleans herum aufkündigten oder verweigerten, würde der Separatismus in Staaten wie Kentucky oder Tennessee um sich greifen, war der Bestand der Union gefährdet. Amerikanische Präsenz in der Region schien deshalb geboten, Flagge zeigen auch in Form einer Expedition angesagt.
Ideologische Triebkräfte verstärken Jeffersons Drang nach Westen. Obwohl in seiner kulturellen Lebensart überzeugter Atlantiker, bleibt er als Virginier auch einem »Südstaatlertum« verhaftet, das sich im Drang nach Westen manifestiert, den Aufbruch in das Unbekannte als Chance für eine sich erweiternde Union versteht – im Gegensatz zu den »Neuengländern« des Nordostens, die darin Risiken für Überkommenes erblicken. Der »Herr von Monticello« predigt den Segen des Republikanismus, der solange bewahrt werden kann, wie freie Farmer auf eigenem Grund und Boden als eigenverantwortliche Individuen politische Bürgertugenden entfalten können: territoriale Expansion, Erkundung der »Terra incognita« diesseits und jenseits des Mississippi auch unter landwirtschaftlichem Aspekt geraten zu programmatischen Fixpunkten des Botschafters, Außenministers und Präsidenten Thomas Jefferson. So kräftig nährt die Ideologie des »Empire of Liberty« den Landhunger ihres Advokaten, dass selbst indianisches Schicksal in der Vision vom Westen »aufgehoben« ist: Eine vorläufige Lösung für die anhaltenden Konflikte zwischen »Rot« und »Weiß« mag in der Umsiedlung der im Osten lebenden und auf ihre Eigenständigkeit bedachten »red brethren« – später als »red children« apostrophiert – in Transmississippi-Regionen zu finden sein; östlich des großen Stromes neuer Siedlungsraum für die Weißen, westlich davon eine garantierte Schutzzone für indianische Stämme, jedenfalls solange die embryonale US-Armee den Ansturm von Abenteurern und Landsuchenden an der Trennlinie aufhalten kann. Nicht zuletzt beflügeln aber auch genuin wissenschaftliche Motive die einschlägigen Intentionen Jeffersons. Der »Aufklärer« und produktive Dilettant auf fast allen Feldern der Wissenschaften offenbart ein unbändiges Interesse an Erweiterung und Vertiefung gesicherter Kenntnisse von der Beschaffenheit »Louisianas«, umso mehr, als man mit Blick auf das jüngst erworbene Territorium vorerst auf schiere Vermutungen angewiesen war. Er will seine Vision vom »Westen« – ein »Garten Eden«, eine Region, die im Wesentlichen die Gegebenheiten der östlichen Hälfte des Kontinents widerspiegelte – von den Realitäten bestätigen lassen, hofft, nicht bloß den geistigen Horizont seiner Landsleute weiten zu können, sondern mit der Expedition dem Menschheitswissen zu dienen. Nicht zufällig lesen sich seine Instruktionen an Meriwether Lewis wie das Inhaltsverzeichnis einer Enzyklopädie des amerikanischen Westens. Jefferson legt großen Wert auf ethnografische Erkundungen; die einschlägigen Nachforschungen des »Corps of Discovery« dürfen auf Jahrzehnte hinaus als umfassendste Bestandsaufnahme der »Native Americans« westlich des Mississippi, ihrer Sprachen, Traditionen und Lebensformen gelten. Geografische und geologische Kenntnisse gilt es über »Louisiana« zu erlangen, Flüsse und Berge sind zu kartografieren, mineralogische Vorkommen festzuhalten, astronomische und meteorologische Beobachtungen aufzuzeichnen, das Wissen um Fauna und Flora zu mehren – und manches andere dazu.
Verwundert es da nicht, dass der Präsident mit Meriwether Lewis, der bis dato gewiss keine wissenschaftlichen Meriten zu verzeichnen hatte, im unfertig-unwirtlichen Weißen Haus nicht bloß an langen Abenden einschlägige Pläne schmiedet, sondern ihn auch mit Leitung und Durchführung der Expedition beauftragt? Einem Briefpartner vertraut Jefferson die Aussichtslosigkeit an, »eine Persönlichkeit zu finden, die neben einer völligen Beherrschung der Botanik, Naturgeschichte, Mineralogie und Astronomie über eine kräftige Konstitution, Charakterstärke, Umsicht, geeignete Verhaltensweisen für das Leben in der Wildnis und Vertrautheit mit Sitten und Wesensart der Indianer verfügt, die für dieses Unternehmen erforderlich sind.« Während der Ausersehene die letzteren Eigenschaften uneingeschränkt besitze, eigne ihm, obwohl kein ausgebildeter Naturwissenschaftler, darüber hinaus eine scharfe Beobachtungsgabe, die es ihm gestatte, bislang Unbekanntes im Reich der Natur zu erkennen und zu beschreiben. Junge, leidensfähige Männer, keine Schreibtischgelehrten waren bei der Expedition gefragt, und was Lewis fehlte, würde ihm so gründlich, wie es die Kürze der Zeit erlaubte, von Wissenschaftlern in Philadelphia privatim eingetrichtert. »Er hat sich«, so der Briefschreiber, »für jene Ermittlungen von Längen- und Breitengraden qualifiziert, die notwendig sind, um die Geografie der eingeschlagenen Route zu fixieren«; es fehlt nicht viel, und Lewis wäre der amerikanische Alexander von Humboldt geworden.
Unterweisung durch Gelehrte und Experten war eines; da gab der Übervater Jefferson ganz selbstverständlich die Richtung vor. Die organisatorische Vorbereitung des kühnen Projekts war ein anderes; da hatte Lewis selbst die wesentlichen Entscheidungen zu treffen. Auf seinen Rat hin wurde ein Kokommandeur ernannt; William Clark, vier Jahre älter als Lewis, erfahrener »Grenzer«, Soldat und Captain einer Kompanie, in welcher der Jüngere 1795/96 als Fähnrich gedient hatte, wird sich durch sein ausgeglichenes Wesen, seine soldatischen Tugenden und kartografischen Fertigkeiten sowohl als Stützpfeiler des »Corps of Discovery« erweisen, als auch zum wissenschaftlichen Ertrag des Unternehmens beitragen. Die beiden Captains haben ein kongeniales Team gebildet, sich in ihren Stärken und Schwächen vollkommen ergänzt; ohne solche Harmonie wäre die Expedition schon frühzeitig gescheitert.
Nach mehrmonatigen Vorbereitungen im Jahre 1803 und dem Transport lebenswichtiger Expeditionsgüter den Ohio hinab bezieht die Truppe ein Winterlager am Ostufer des Mississippi nahe St. Louis. Am 14. Mai 1804 bricht das »Corps of Discovery« zur Reise in unbekannte Territorien auf. William Clark schreibt in sein Tagebuch: »Ich ließ 4 Uhr nachmittags im Beisein vieler Leute aus der Umgebung ablegen. Wir fuhren unter einer sanften Brise vier Meilen den Missouri hoch bis zum oberen Ende der ersten Insel …« Die Expeditionsmitglieder, vermutlich 50 an der Zahl, zeitweilig dienende Hilfskräfte eingeschlossen, ahnten an jenem 14. Mai, dass sie eine gefahrenträchtige Reise antraten. Einer von ihnen, der spätere Sergeant Patrick Gass vertraute seinen Reiseaufzeichnungen ihre Stimmung an. »Es war uns aus sicheren Nachrichten bekannt, dass das Land, das wir durchreisen sollten, von zahlreichen mächtigen und kriegerischen Völkern bewohnt wurde … Wenn wir dem Gerücht und einer allgemeinen Tradition Glauben beimessen wollten, so würden wir auch auf unserem Marsch durch völlig unübersteigliche Berge aufgehalten. Allein dagegen war die gesamte Truppe von Mut und Entschlossenheit beseelt. Es herrschte allgemein ein festes Vertrauen in die beiden Anführer, und wir selbst waren von dem Gefühl der Ehre und der Pflicht so lebendig durchdrungen, dass auch nicht die geringste Furcht oder Besorgnis Zugang in unsere Herzen fand.« Nur ein Einziger aus der bunten Truppe, die im Frühjahr 1805 zur »permanent party« reduziert wird – 34 Personen, die den gesamten Weg zum Pazifik und zurück bestehen, die zwei Captains, drei Sergeants, Soldaten, französische Bootsleute, Waldläufer und Dolmetscher, eine junge Indianerin, Sacagawea mit Mann und Baby, die im Winter 1804/05 zum Corps stoßen, der schwarze Yorck, Sklave William Clarks – ist nicht zurückgekehrt; am 20. August 1804 stirbt Sergeant Charles Floyd, wahrscheinlich an einer Bauchfellentzündung.
Schwer beladen setzen sich an jenem 14. Mai 1804 ein »keelboat« (Flussbarke) und zwei Pirogen flussaufwärts in Bewegung, transportieren Handelswaren und Geschenkartikel (für die zu erwartenden Begegnungen mit indianischen Völkern), Nahrungsmittel, Waffen, Schießpulver, Arzneien, wissenschaftliches Gerät, Schreibutensilien, Whiskey und Tabak nicht zu vergessen, zehn Tonnen wohl alles in allem – drei Boote, die durch Rudern, Staken, Ziehen, günstigenfalls durch Segeln in Fahrt gehalten werden, wobei die Besatzungen, Tag und Nacht von Moskitoschwärmen bis aufs Blut gequält, angesichts von Sandbänken, Treibholz, Unwettern, tückischen Winden und widrigen Strömungsverhältnissen Schwerstarbeit verrichten müssen. Da verwundert die Disziplin der Truppe, die sich im Fortgang der Expedition stetig verfestigt. Vereinzelte Desertionsversuche, aufrührerisches Verhalten oder die Vernachlässigung von Dienstpflichten in der Frühphase des Unternehmens werden von den Captains und ad hoc einberufenen Standgerichten streng bestraft; die Abschreckung wirkt ebenso wie das Vorbild der beiden Befehlshaber und die sich ausbreitende Erkenntnis der Notwendigkeit verlässlicher Loyalität und opferbereiter Pflichterfüllung als Voraussetzung für das Gelingen des Projekts.
Mit kaum zu erschütterndem Optimismus bestehen Lewis und Clark selbst äußerste Widrigkeiten; und bis zum Sommer 1805 wähnen sie sich auf einer Tour, die in einer halbwegs exakt kalkulierten Zeitspanne zu bewältigen sei. Man würde auf der ersten Etappe bis zu den Dörfern der Hidatsa- und Mandan-Indianer reisen, dem äußersten Punkt in »Louisianas« Nordwesten (beim heutigen Bismarck, der Hauptstadt von North Dakota gelegen), der wenigstens einer Handvoll französischer Händler und Trapper noch halbwegs bekannt war; dort würde man den Winter verbringen – wie es denn in der Tat im selbst erbauten »Fort Mandan« geschehen ist. Im Frühjahr 1805 sollte das »keelboat« mit der naturwissenschaftlichen Ausbeute der vergangenen Monate, den bis dahin gefertigten Landkarten und Tagebuchaufzeichnungen nach St. Louis zurückgeschickt werden. Die »permanent party« würde mit den Pirogen und selbst gefertigten Kanus weiter stromaufwärts in absolute »Terra incognita« möglichst bis zum Ursprung des Missouris vorstoßen, dann entweder die Boote in ein oder zwei Tagesmärschen über die kontinentale Wasserscheide der »Stony Mountains«, einem bescheidenen Bergrücken vom Höhenmaß der Appalachen, tragen oder für die Überquerung Pferde von den dort beheimateten Indianern vom Stamm der Shoshonen erwerben. An der Westflanke der »Stony Mountains« fände sich jener Fluss, vermutlich der Columbia, auf dem das »Corps« spätestens im Sommer 1805 den Pazifik erreichen könnte. Anschließend wäre rasch die Rückreise zur neuerlichen Überwinterung in »Fort Mandan« anzutreten, um schließlich im Frühjahr 1806 wieder St. Louis zu erreichen.
Es ist viel passiert zwischen 1804 und 1806, was die Fragwürdigkeit, mehr noch: den illusionären Charakter dieser und anderer Annahmen und Vermutungen offenbart hat. Die Tücken des Missouris und Naturgewalten haben ein viel bescheideneres Vorankommen erzwungen, als es die Planungen vorsahen. Einige »Indian nations«, besonders die von allen Missouri-Indianern gefürchteten Sioux, betrachteten das »Corps of Discovery« als unerwünschten Eindringling – die Botschaft ließ die Sioux kalt, die Meriwether Lewis ihnen verkündete. »Der weiße Vater hat uns Kriegshäuptlingen aufgetragen, diese lange Reise zu unternehmen …, um mit euch und seinen anderen roten Kindern an diesen trüben Wassern (dem Missouri, der Verf.) Rat zu halten, euch seine guten Ratschläge zu übermitteln und jenen Weg zu weisen, den ihr gehen müsst, um glücklich zu werden …« Auch die anschließenden Drohungen – die roten Kinder sollten den Einflüsterungen schlechter Menschen widerstehen, »damit sie nicht durch einen falschen Schritt das Missfallen des Großen Vaters« auf sich zögen, »der sie zerstören könnte, wie Feuer das Gras der Plains vernichtet« – beeindruckten den kriegerischen Stamm nicht. Die Konfrontation nahm Ende September 1804 bedrohliche Ausmaße an, verzögerte die Weiterfahrt und hätte ohne das mutige Agieren der beiden Captains zum gewaltsamen Konfliktaustrag mit unvorhersehbarem Ausgang geführt. Die Kunde vom energischen Auftreten des »Corps of Discovery« verbreitete sich wie ein Lauffeuer stromaufwärts; von Indianern hatte die Expedition fürs Erste nichts mehr zu befürchten.
Mit nahezu fünfzig Indianerstämmen ist die Truppe während ihrer Reise in Berührung gekommen; Sprachbarrieren zwischen diesen »sovereign nations« (Jefferson) wie zwischen den Indianern und dem »Corps« haben alle Verständigungsbemühungen erschwert. Entbehrungen und Strapazen nehmen in den Wintermonaten 1804/05 zu, die man im selbst gezimmerten »Fort Mandan« in Nachbarschaft zu den fünf Mandan- und Hidatsa-Dörfern verbringt. Ohne die Maislieferungen der ansässigen Indianer, mit denen sich ein freundschaftlicher Verkehr anbahnte, hätte der Hunger die Truppe im Fort noch stärker geschwächt, deren Kräfte in Eiseskälte und Winterstürmen ohnehin rapide schwanden.
Dass sie sich nicht hat unterkriegen lassen, sondern sich in verringerter Zahl – ein Teil der Truppe kehrt mit dem »keelboat« nach St. Louis zurück – und voller Zuversicht im April 1805 mit den zwei Pirogen und sechs selbst gefertigten Kanus wieder dem Fluss anvertraut, signalisiert ein Tagebucheintrag von Meriwether Lewis: »Diese kleine Flotte, obzwar nicht ganz so eindrucksvoll wie die von Columbus oder Kapitän Cook, wurde von uns dennoch mit ebenso großem Vergnügen betrachtet, wie die zu Recht berühmten Abenteurer die ihrigen gesehen haben … Wir schickten uns jetzt an, ein Gebiet zu durchdringen, mindestens zweitausend Meilen weit, das noch kein Fuß eines zivilisierten Menschen je betreten hatte. Welches Gut oder Übel es für uns enthalten würde, musste sich im Fortgang unserer Reise erweisen …«
Bald aber muss die Hochstimmung wieder stärkste Belastungsproben ertragen. Verborgene Sandbänke, gefährliche Flusswirbel und tückische Winde treiben einzelne Boote an den Rand des Kenterns, Begegnungen mit Grizzlybären machen aus den Jägern rasch Gejagte; der Oberlauf des Missouris erweist sich als kaum noch schiffbar, die »Great Falls« des Stroms sind majestätisch schön, aber von solchen Ausmaßen, dass ihre Umgehung viele Tage verschlingt und die Männer bis zur totalen Entkräftung fordert. Spätestens im August 1805, als Meriwether Lewis auf der kontinentalen Wasserscheide am Lemhi-Pass, an der Grenze zwischen den künftigen Staaten Montana und Idaho, steht, »von wo aus ich immense Ketten hoher Berge, immer noch weiter westlich von uns, sah, deren Spitzen teilweise mit Schnee bedeckt waren«, muss das »Corps of Discovery« der Hoffnung Valet sagen, es gebe eine direkte Wasserstraße über den Kontinent via Missouri und Columbia. Die Begegnung mit den Shoshonen verläuft positiv und ermöglicht den Kauf von Pferden; aber Marsch und Ritt durch die Bitterroot Mountains, einer endlos erscheinenden Häufung von winterlichen Schluchten und Bergrücken, erweisen sich als wahres Martyrium. Erst nach Wochen erreicht die Truppe halb erfroren, fast verhungert, von Krankheit und Entbehrungen ausgezehrt, die Ebenen Idahos und verdankt ihr Überleben indianischer Hilfsbereitschaft, dem Wohlwollen der Nez Percé. Der Columbia – da und dort mit den rasch gefertigten Kanus nur unter Mühen passierbar, sein Mündungsgebiet, Anfang November 1805 erreicht, ganz und gar unwirtlich. »Fort Clatsop«, das improvisierte Winterlager, beim heutigen Astoria in Oregon gelegen, ersäuft fast im Regen; grassierende Krankheiten, die Monotonie des Lagerlebens und die unzulängliche Nahrung machen dem »Corps« schwer zu schaffen. Ende März 1806 tritt die Truppe den Heimweg an; vom Umstand abgesehen, dass kein Schiff gesichtet worden war, verboten auch die Fährnisse der Landroute ihre ursprünglich geplante Aufteilung. Wieder erweist sich die »Bitterroot«-Kette als nahezu unüberwindbares Hindernis; erst Ende Juni gelingt mit indianischer Hilfe die Überquerung. Die zeitweilige Trennung der Captains samt Truppe – Clark folgt dem Lauf des Yellowstone, Lewis erforscht den Marias River zur britisch-kanadischen Grenze hin, – beschwört neue Krisen herauf. So gerät Lewis mit einigen Soldaten an eine Gruppe von Blackfeet und muss Fersengeld geben, nachdem zwei Indianer beim Diebstahl ertappt und getötet worden sind. Die Wiedervereinigung der Truppe am Zusammenfluss von Yellowstone und Missouri setzt noch einmal ausreichend Kräfte frei, um schließlich am 23. September 1806 wieder St. Louis zu erreichen, wo die Verschollenen oder Totgeglaubten mit Jubel empfangen werden.
Ungefähr 8000 Meilen hatte die Truppe bei der Rückkehr nach St. Louis zurückgelegt, William Clark die Wegstrecke mit schlichter Technik und indianischer Mithilfe erstaunlich genau ermittelt. Die Kosten des Unternehmens hatten sich über die Jahre hinweg vervielfacht. Wo Jefferson beim amerikanischen Kongress ursprünglich um die Bewilligung von 2500 Dollar nachgesucht hatte, beliefen sich die Gesamtausgaben schließlich auf 38 000 Dollar. Ob dieses Geld gut angelegt war, ist noch einige Jahre lang zwischen den »Jeffersonians« und der oppositionellen »Föderalisten«-Partei umstritten geblieben.
Für die beiden Captains und ihren Auftraggeber bestanden am Erfolg der Reise wenig Zweifel. Zwar mussten Lewis und Clark einräumen, dass die erhoffte transkontinentale Wasserstraße, die »Nordwest-Passage«, nicht gefunden worden war, vermutlich auch gar nicht existierte; dass sich die erkundeten Regionen nicht durchweg als der imaginierte »Garten Eden« präsentiert und die Kontaktbemühungen zu den Missouri-Indianern schwierig gestaltet hatten.
Dafür verwiesen die Captains vor allem auf die wissenschaftliche Ausbeute des glücklich bestandenen Abenteuers. Ein halber Kontinent war erkundet, kartografiert und halbwegs vermessen worden. Lewis hatte 178 neue Pflanzen entdeckt und beschrieben, mehr als zwei Drittel davon westlich der kontinentalen Wasserscheide beheimatet, hatte 122 Tierarten aufgelistet und vorgestellt, und gemeinsam mit William Clark fremde »Indian nations« in all jenen Bereichen untersucht, die zu erkunden der Präsident aufgetragen hatte. Thomas Jeffersons Glück hätte fast vollkommen genannt zu werden verdient, wäre es gelungen, das neue Wissen möglichst rasch und vollkommen einer breiteren Öffentlichkeit in der »Neuen« und »Alten Welt« zugänglich zu machen. Dieses Vorhaben ist gescheitert (vgl. Literaturhinweis). Vermutlich ist Meriwether Lewis, vom Präsidenten als Lohn für seine Verdienste zum Gouverneur im »Louisiana Territory« ernannt, mit der editorischen Aufgabe überfordert gewesen, auch mit dem schnelllebigen Ruhm des Nationalheros nicht zurechtgekommen; wie anders wäre sein früher Tod von eigener Hand am 11. Oktober 1809 zu erklären. William Clark fehlten die Voraussetzungen für die literarische Aufbereitung der »Journals«; er hat sich als Agent für indianische Angelegenheiten im »Louisiana Territory«, seit 1813 als Gouverneur des neu eingerichteten »Missouri Territory« politisch bewährt und starb im Jahr 1838 nach einem rundum erfüllten Leben. Freilich haben Briefe der Captains an Freunde und Verwandte mit ausführlichen Schilderungen der Expeditionserlebnisse, die auch zur Veröffentlichung in Zeitungen und Magazinen bestimmt waren, ebenso wie mündlich Tradiertes oder die rasche Verbreitung der Aufzeichnungen von Sergeant Patrick Gass (vgl. Literaturhinweis) nicht allein Thomas Jeffersons Fantasien vom »Westen« als Zukunftsgaranten für die jungen USA bestärkt, sondern auch die imperialen Träume vieler Amerikaner beflügelt. Bald nach der Rückkehr des »Corps of Discovery« beginnt die gelegentlich schleichende, zumeist aber unverhohlene Inbesitznahme des riesigen Raums zwischen dem Mississippi und Pazifischen Ozean; sie wird Ende des 19. Jahrhunderts abgeschlossen sein.
Der Herausgeber
14. Mai – 24. August 1804
14. Mai [CLARK] Ich brach um vier Uhr nachmittags in Anwesenheit vieler benachbarter Einwohner auf und steuerte unter einer sanften Brise vier Meilen den Missouri hinauf bis zur oberen Landspitze der ersten Insel, wo wir lagerten. Die Insel liegt nahe an der rechten (oder Steuerbord-) Seite, gegenüber einem kleinen, Coldwater Creek genannten Bach. Heftiger Regen heute Nachmittag.
15. Mai [CLARK] Es regnete den größten Teil der letzten Nacht und auch noch an diesem Morgen bis sieben Uhr. Um neun Uhr brachen wir auf und reisten neun Meilen weiter. Wir kamen an zwei Inseln vorbei und schlugen unser Lager auf der Steuerbordseite am Landeplatz eines Mr. Pipers gegenüber einer Insel auf. Das Boot lief heute drei Mal auf Baumstämme auf, weil sein Heck zu schwer beladen war.
16. Mai [CLARK] Wir kamen um zwölf Uhr in St. Charles an. Eine Reihe französischer und indianischer Zuschauer scharte sich am Ufer, um das Expeditionskorps zu sehen … Ich wurde eingeladen, mit einem Mr. Ducett zu speisen. Dieser Herr war einst ein Händler aus Kanada. Aufgrund eines Missgeschicks, das zum Verlust einer dem verstorbenen Richter Turner verkauften Ladung führte, geriet besagter Herr in erhebliche Geldnöte.
17. Mai [CLARK] Ein feiner Tag. Drei Männer wurden wegen schlechten Benehmens eingesperrt, ich ließ ein Kriegsgericht zusammentreten und das Vergehen bestrafen. Mehrere Indianer informierten mich, dass die Saukees kürzlich aufgekreuzt waren, um gegen die Osage-Nation Krieg zu führen.
[CLARK] George Drewyer kommt an.
18. Mai [CLARK] Ich ließ die Ladung im Boot und der Piroge untersuchen und so verändern, dass der Bug schwerer beladen werden kann als das Heck … Ich schickte George Drewyer mit einem Brief zu Captain Lewis. Zwei mit Whisky, Hüten etc. beladene Kielboote kamen heute aus Kentucky an.
[WHITEHOUSE] Ich verbrachte den Abend sehr angenehm, da ich mit den französischen Damen tanzte.
19. Mai [CLARK] Ich hörte heute von der Krankheit meines Bruders, die mir viel Sorge bereitet.
[CLARK] Ein heftiger Wind wehte letzte Nacht aus WSW, von Regen begleitet, der ungefähr drei Stunden dauerte. Diesen Morgen klarte es um acht Uhr auf, ich quittierte für die Bezahlung der Männer bis zum 1. Dezember. Danach … erhielt ich eine Einladung zu einem Ball, leider war ich verhindert, sie anzunehmen. George Drewyer kehrte aus St. Louis zurück und brachte 99 Dollar, er verlor einen Brief von Captain Lewis an mich, sieben Damen besuchten mich heute.
20. Mai [LEWIS] Der Morgen war schön und das Wetter freundlich. Um zehn Uhr vormittags entsprechend einer Festlegung des vorangegangenen Tages wurde ich von Captain Stoddard, den Lieutenants Milford und Worrell zusammen mit den Herren A. Chouteau, C. Gratiot und vielen anderen ehrbaren Bewohnern von St. Louis zur Ortschaft St. Charles begleitet, nachdem ich meinen Gastgebern und der vortrefflichen Gattin von Mr. Peter Chouteau und einigen meiner aufrichtigen Freunde aus St. Louis ein herzliches Adieu entboten hatte, um meinen Freund, Reisegefährten und gleichberechtigten Mitarbeiter Captain William Clark zu treffen, der mit der für die Entdeckung des Inneren des nordamerikanischen Kontinents bestimmten Truppe früher an diesem Ort angekommen war.
21. Mai [CLARK] Den ganzen ersten Teil des Tages ordnete und besorgte unsere Truppe die verschiedenen für sie an diesem Ort notwendigen Artikel. Ich speiste mit Mr. Ducett und brach um halb vier Uhr unter einem dreifachen Hoch der Herren am Ufer auf und zog weiter.
22. Mai [CLARK] Verzögerung von einer Stunde wegen vier französischer Männer, die Erlaubnis erhielten zurückzukehren, um etwas Geschäftliches zu regeln, das sie in der Stadt vergessen hatten. Um sechs Uhr rückten wir weiter vor, passierten mehrere kleine Farmen am Ufer und einen großen, Bonom genannten Wasserlauf auf der Backbordseite sowie ein Lager der Kickapoos auf der Steuerbordseite. Diese Indianer erzählten mir vor mehreren Tagen, dass sie herkommen würden, um zu jagen. Bis ich ihr Lager erreichte, hätten sie einige Vorräte für uns … Bald nachdem wir vor Anker gegangen waren, kamen auch die Indianer mit vier Hirschen als Geschenk an, für welche wir ihnen zwei Quarts Whisky gaben.
23. Mai [CLARK] Wir liefen auf einen Baumstamm auf und wurden eine Stunde aufgehalten, setzten den Kurs von letzter Nacht zwei Meilen weit zur Mündung eines 30 Yards breiten, Osage Woman River genannten Wasserlaufes auf der Steuerbordseite fort … (an diesem Wasserlauf sind 30 oder 40 Familien sesshaft). Wir setzten zur Siedlung über und nahmen R. und Jo. Fields auf, die geschickt worden waren, um Getreide, Butter etc. zu kaufen. Viele Leute kamen, um uns zu sehen, wir passierten eine große, etwa 120 Fuß breite, 40 Fuß tiefe und 20 Fuß hohe Höhle auf der linken Bordseite. Viele verschiedene Bildnisse und Namen sind an diesem Ort auf den Fels gemalt und geschrieben. Indianer und Franzosen huldigen hier. Hielten ungefähr eine Meile oberhalb wegen Captain Lewis, der die Felskuppen bestiegen hatte, die an der besagten Höhle 300 Fuß hoch sind und über dem Wasser hängen … Captain Lewis fiel beinahe die 300 Fuß den Steilhang hinab, konnte sich aber nach 20 Fuß festhalten.
[WHITEHOUSE] Wir kamen an einigen Plantagen vorbei, die Boones Siedlung heißen und auf der Nordseite des Flusses liegen. Diese Ortschaft wurde von Colonel Daniel Boone, dem Entdecker Kentuckys, gegründet, der mit einer Reihe Angehöriger und Freunde an diesem Ort hier lebte.
24. Mai [CLARK] Wir passierten einen sehr schlechten Teil des Flusses, der Teufels Renngrund genannt wird. Dort fließt die Strömung eine halbe Meile weit gegen einige hervorspringende Felsen auf der linken Bordseite … Wir versuchten, unterhalb des linken Bordufers stromaufwärts zu gelangen, aber die Strömung war so heftig, dass die offensichtliche Gefahr uns zwang, zwischen der Steuerbordseite und einer Sandbank in der Mitte des Flusses hindurchzufahren. Sandbewegung und Schräglage des Bootes ließen es auf dem Sand auflaufen. Die Schnelligkeit der Strömung drehte das Boot im Kreis, zerriss unser Schlepptau und war beinahe so weit, das Boot zu überfluten. Jeder Mann sprang auf die obere Seite hinaus und hielt es dort fest, bis der Sand unter dem Boot weggewaschen wurde und es auf die nächste Sandbank drehte. Bei der dritten Drehung gelang es uns, ein Tau an seinem Heck festzumachen. Schwimmer zogen es zum Ufer. Später kehrten wir wieder zu der Insel zurück, auf der wir zuletzt gelagert hatten, alle in gehobener Stimmung.
25. Mai [CLARK] Wir lagerten an der Mündung eines River »à Chauritte« genannten Wasserlaufs, oberhalb eines kleinen französischen Dorfes, das nur aus sieben Häusern und genauso vielen Familien bestand, die sich an diesem günstig gelegenen Ort niedergelassen haben, um zu jagen und mit den Indianern zu handeln. Hier trafen wir mit Mr. Louiselle zusammen, der direkt von der im Land der Suxex1 400 Seemeilen flussaufwärts gelegenen Zederninsel heruntergekommen war. Er gab uns ziemlich viele Informationen und einige Briefe. Er informierte uns, dass er keinen Indianer auf dem Fluss unterhalb der Poncaras gesehen habe. Die Häuser in diesem Dorf sind klein, die Leute arm. Sie schickten uns Milch und Eier.
26. Mai [LEWIS und CLARK, Truppenbefehle] Die befehlshabenden Offiziere legen fest, dass die drei Abteilungen unter dem Befehl der Sergeants Floyd, Ordway und Pryor, die bislang in jeweils zwei Gruppen organisiert waren, bis auf Weiteres nur noch insgesamt drei Gruppen bilden werden, wie folgt verändert und organisiert:
1 Sergeant | 9 Sergeant | 18 Sergeant |
Charles Floyd | John Ordway | Nathaniel Pryor |
Gefreite: | Gefreite: | Gefreite: |
2 Hugh McNeal | 10 William Bratton | 19 George Gibson |
3 Patrick Gass | 11 John Colter | 20 George Shannon |
4 Reuben Fields | 12 Moses B. Reed | 21 John Shields |
5 John B. Thompson | 13 Alexander Willard | 22 John Collins |
6 John Newman | 14 William Werner | 23 Joseph Whitehouse |
7 Richard Windsor | 15 Silas Goodrich | 24 Peter Wiser |
+ François Rivet | 16 John Potts | F 25 Pierre Cruzatte |
8 Joseph Fields | 17 Hugh Hall | F 26 François Labiche |
Die befehlshabenden Offiziere ordnen des Weiteren an, dass der Rest der Truppe zwei Gruppen bilden wird; und dass dieselben folgendermaßen zusammengesetzt werden:
Patron Baptiste Dechamps | 1 Corporal Richard Warfington |
Dienstverpflichtete: | Gefreite: |
Etienne Malbœuf | 2 Robert Frazier |
Paul Primeau | 3 John Boley |
Charles Hebert | 4 John Dame |
Baptiste La Jeunesse | 5 Ebenezer Tuttle und |
Peter Pinaut | 6 Isaac White |
Peter Roi | |
und Joseph Collins |
Die befehlshabenden Offiziere ordnen des Weiteren an, dass die Gruppen der Sergeants Floyd, Ordway und Pryor bis auf weitere Befehle die Truppe des Bateaus bilden werden; die Gruppe des Patrons La Jeunesse wird die ständige Truppe der roten Piroge bilden; Korporal Warfingtons Gruppe bildet diejenige der weißen Piroge …
Die Aufgaben und Pflichten der Sergeants werden folgendermaßen festgesetzt: Wenn das Bateau unterwegs ist, wird ein Sergeant am Ruder stationiert werden, einer im Zentrum auf der Rückseite des Steuerbordkabuffs und einer am Bug. Der Sergeant am Ruder wird das Boot steuern und darauf sehen, dass das Gepäck auf dem Achterdeck richtig angeordnet und in der vorteilhaftesten Art und Weise verstaut ist; darauf schauen, dass keine Kochgerätschaften oder loses Gerümpel auf dem Deck herumliegt, die den Durchgang zwischen den einzelnen Teilen der Ladung blockieren können; er wird sich auch um den Kompass kümmern, wenn notwendig.
Der Sergeant im Zentrum wird die Wache befehlen, die Segel handhaben, darauf sehen, dass die Männer an den Rudern ihre Pflicht tun; dass sie zur richtigen Zeit am Morgen an Bord kommen und dass das Boot wie geplant unterwegs ist; er wird eine aufmerksame Ausschau nach den Mündungen aller Flüsse, Wasserläufe, Inseln und anderen bemerkenswerten Orten halten und wird über dieselben sofort den befehlshabenden Offizieren berichten; er wird sich um die Ausgabe von Spirituosen kümmern; er wird die Halts des Bateaus während des Tages regeln, um den Männern Erfrischungen zukommen zu lassen, und wird auch die Zeit des Aufbruchs festlegen, wobei er darauf achtet, dass nicht mehr Zeit als notwendig bei jedem Halt aufgewendet wird – es soll auch seine Pflicht sein, eine Wache am Ufer in der Nähe des Bootes zu postieren, wann immer wir im Verlauf des Tages anlegen und halten. Zur selben Zeit wird er (begleitet durch zwei seiner Wachen) den Wald rund um den Landeplatz im Umkreis von wenigstens hundert Schritten auskundschaften. Wenn wir zum Zweck des Lagerns bei Nacht anlegen, soll der Sergeant der Wache zwei Wachposten unmittelbar an unserer Landestelle aufstellen; einer von ihnen soll in der Nähe des Bootes postiert werden und der andere in einer zweckmäßigen Entfernung hinter dem Feldlager. Bei Nacht hat der Sergeant immer für seine Wache erreichbar zu sein, und ihm wird ausdrücklich verboten, irgendeinem Mann seiner Wache zu erlauben, unter welchem Vorwand auch immer sich zu entfernen. Er wird bei jeder Ablösung während der Nacht, begleitet von den zwei abgelösten Männern, in jeder Richtung um das Zeltlager bis zur Entfernung von wenigstens hundertfünfzig Schritten absichern und auch den Zustand des Bootes und der Pirogen untersuchen und sich vergewissern, ob sie sicher am Ufer liegen.
Es soll die Pflicht des Sergeants am Bug sein, wachsam nach jeder Gefahr Ausschau zu halten, die sich nähern könnte, entweder in Form eines Gegners oder von Behinderungen, die die Durchfahrt des Bootes erschweren könnten; von der Erstgenannten wird er den Sergeant im Bootsinneren benachrichtigen, der die Informationen an die befehlshabenden Offiziere weiterleiten wird, und von der zweiten, der Behinderungen für das Boot, wird er den Sergeant am Ruder benachrichtigen, er wird auch den befehlshabenden Offizieren durch den Sergeant im Bootsinneren alle Pirogen, Boote, Kanus oder anderen Fahrzeuge berichten, welche er im Fluss entdecken kann, ferner alle Jagdlager oder Indianertrupps melden, die während der Fahrt in unser Gesichtsfeld rücken. Er wird zu jeder Zeit mit einer Schifferstange ausgerüstet sein und dem Bugmann helfen, den Bug des Bootes zu staken und zu lenken. Es wird auch seine Pflicht sein, alle Signale zu geben und zu beantworten, welche nachher für die Abstimmung zwischen den Pirogen und den Trupps am Ufer festgelegt werden.
Die Sergeants werden an jedem Morgen vor unserer Abreise einander in der folgenden Art ablösen, (nämlich): Der Sergeant am Ruder wird mit der neuen Wache paradieren, den Sergeant und die alte Wache ablösen und die mittlere Station im Boot einnehmen; der Sergeant der alten Wache wird den Platz am Bug einnehmen, und der Sergeant, der am vorangegangenen Tag am Bug stationiert war, wird sich an das Ruder stellen. Über diese Pflichten hinaus sind die Sergeants beauftragt, ein gesondertes Reisetagebuch Tag für Tag mit allen Vorkommnissen zu führen und sämtliche Beobachtungen über das Land etc., die ihnen als notierenswert erscheinen, aufzuzeichnen.
Die Sergeants sind von der Arbeit des Feuermachens, des Zelte Aufschlagens oder Kochens befreit und werden die Männer ihrer eigenen Gruppen so einteilen, dass sie einen gleichen Anteil an der Erfüllung dieser Aufgaben haben.
Die Wache soll aus einem Sergeant und sechs Gefreiten und Dienstverpflichteten bestehen.
Patron Dechamps, Korporal Warfington und George Drewyer sind von der Wachtpflicht befreit; die zwei Erstgenannten werden sich zu jeder Zeit insbesondere um ihre Pirogen kümmern und dafür sorgen, dass ihre Ladung in guter Ordnung ist, und dass dieselbe vor Regen oder anderer Feuchtigkeit geschützt wird; der Letztere wird bestimmte Pflichten am Ufer durchführen, welche ihm von Zeit zu Zeit übertragen werden: Alle anderen Soldaten und verpflichteten Männer, welchen Dienstgrades auch immer, müssen ihren regulären Anteil an der Wachtpflicht leisten.
Sergeant John Ordway wird fortfahren, die Vorräte auszugeben und die Details der Abkommandierungen zur Wache oder anderen Pflichten regeln. Übermorgen werden Getreide und Schmalz an die Truppe ausgegeben, darauf Schweinefleisch und Mehl, dann Maismehl und Schweinefleisch; gemäß den mitgeführten Vorräten bleibt es bei dieser Nahrungsausgabe an die Truppe. Sollte irgendeine Gruppe Mais dem Mehl vorziehen, können sie diesen bekommen. Wenn wir frisches Fleisch zur Verfügung haben, ist kein Schweinefleisch auszugeben.
Labiche und Cruzatte werden das Backbord-Bugruder abwechselnd bemannen, und der am Ruder nicht Beschäftigte wird wie der Bugmann Wache halten, und falls die Aufmerksamkeit beider dieser Personen am Bug notwendig sein wird, ist ihr Ruder durch irgendeine müßige Person an Bord zu besetzen.
27. Mai [CLARK] Als wir heute Morgen ablegten, legten zwei mit Pelzen etc. beladene Kanus von der Mahar-Nation an, am Ort, den sie vor zwei Monaten verlassen hatten. Gegen zehn Uhr gingen vier mit Pelzen und Häuten beladene Cajaux oder Flöße vor Anker, eines von den Paunees, das andere aus Großosage; sie hatten nichts Wichtiges mitzuteilen.
29. Mai [ORDWAY] Einen Mann, Whitehouse, beim Jagen verloren, die Piroge des Franzosen liegt für ihn bereit.
1. Juni [CLARK] Dieser Osage River steht sehr hoch, alle Bäume an dem Ort gefällt, um Beobachtungen zu machen. Blieb bis zwölf Uhr wegen der in dieser Nacht gemachten Beobachtungen wach.
[GASS] Die zwei Männer, die zu Lande mit den Pferden unterwegs waren, stießen hier zu uns: Sie stellten das von ihnen durchquerte Land als das beste dar, das sie je gesehen hatten, und befanden das Nutzholz, welches hauptsächlich aus Eiche, Esche, Hickory und schwarzer Walnuss bestand, für gut …
2. Juni [CLARK] Von diesem Ort, der auf beide Flüsse Aussicht gewährt, hatte ich einen herrlichen Ausblick den Missouri aufwärts und hinunter, auch den Osage Fluss hinauf. George Drewyer und John Shields, die wir auf dem Landweg mit den Pferden die Nordseite entlanggeschickt hatten, schlossen sich uns an diesem Abend völlig erschöpft an, da sie während ihrer siebentägigen Abwesenheit allein auf sich selbst gestellt waren. Den größeren Teil der Zeit regnete es, sie waren gezwungen, viele Wasserläufe mit einem Floß zu befahren oder zu schwimmen. Diese Männer gaben einen begeisterten Bericht von dem Land, das unterhalb des ersten Hügels auf der Nordseite beginnt und sich parallel mit dem Fluss auf 30 oder 40 Meilen ausdehnt.
3. Juni [CLARK] Wir machten am Abend nach der Rückkehr von Captain Lewis von einem drei oder vier Meilen betragenden Marsch weitere Beobachtungen … An der Mündung des Murrow Creeks sah ich viele Anzeichen von Indianerkriegstrupps, die an der Mündung dieses Flüsschens übergesetzt hatten. Ich habe eine schlimme Erkältung mit Halsschmerzen.
4. Juni