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Samuel de Champlain

Samuel de Champlain

DIE ERFORSCHUNG DER OSTKÜSTE NORDAMERIKAS

Übersetzt und eingeleitet von Udo Sautter

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»Die Entdeckung Nordamerikas wird nirgends großartiger anschaulich als in der epischen Schilderung der Abenteuer Samuel de Champlains.«

Joe C. W. Armstrong, Champlain.

INHALT

Einleitung

BEMERKUNG ZU DEN LÄNGENMASSEN IM TEXT

BEMERKUNG ZU DEN ABBILDUNGEN

Erste Reise

ERSTES BUCH

ZWEITES BUCH

Zweite Reise des Sieur de Champlain

Dritte Reise des Sieur de Champlain

Vierte Reise des Sieur de Champlain

EINLEITUNG

I. GEDANKEN ZU BEGINN

Von den Entdeckungen Christoph Kolumbus’ Ende des 15. Jahrhunderts an kontrollierten Spanier und Portugiesen jahrzehntelang die amerikanische Atlantikküste. Gelegentliche Versuche anderer europäischer Mächte, sich einen Stützpunkt zu sichern, erfolgten nur halbherzig und ohne dauerhaften Erfolg. Der Franzose Jacques Cartier segelte zwischen 1534 und 1542 dreimal zum Sankt-Lorenz-Golf und den Strom hinauf bis zum Ort des späteren Montreal, doch zu guter Siedlung kam es nicht. Die hugenottischen Versuche Nicolas Durand de Villegaignons in Brasilien in den 1550er Jahren blieben ebenso ergebnislos wie etwa die zaghaften englischen Bemühungen auf Roanoke Island vor der Küste Virginias in den 1580er Jahren. Erst der britische Sieg über die Spanier 1588 und das Ende der französischen Religionskriege gegen die Jahrhundertwende hin machten den Weg frei für ernsthaftere Bestrebungen. Die erste französische, die dauerhaften Erfolg hatte, war diejenige Samuel de Champlains. Auf eigene Initiative hin und bald auch mit staatlicher Unterstützung legte er den Grundstein für die Entwicklung der neufranzösischen Kolonie.

Wir wüssten heute nicht viel über die Einzelheiten dieses Beginns ohne Champlains Berichte. Obwohl selbst eher ein Mann des Astrolabs und der Hakenbüchse, hat er uns jedoch offensichtlich aufgrund eigener oft minutiöser Aufzeichnungen recht ausführliche Erzählungen über vielerlei Einzelheiten dieser Anfangsjahre hinterlassen. Dafür gebührt ihm der uneingeschränkte Dank des Historikers. Natürlich ist die Darstellung durchgehend subjektiv gefärbt und verlangt, wie neuere Untersuchungen ergeben haben, in nicht wenigen Fällen hinsichtlich mancherlei Fakten nach Korrektur. Aber gleichwohl ist sie in vielem unersetzlich in ihrer Frische. Nirgends sonst finden wir eine solche Fülle von Beschreibungen der Fauna und Flora, der Sitten der Ureinwohner und der Mühsal der Erkundungsbemühung zu Beginn des 17. Jahrhunderts wie bei ihm. In den hier vorgelegten Schilderungen seiner Reisen zwischen 1604 und 1613, die das Kernstück seines schriftstellerischen Schreibens bilden, besitzen wir eine zeitgenössische Quelle erster Güte. Sie wird hier erstmals auch deutschsprachigen Lesern vorgelegt.

Bei der Übersetzung des im Französisch des frühen 17. Jahrhunderts verfassten Textes mussten natürlich hin und wieder im deutschen Sprachgebrauch nicht zu findende Wendungen adaptiert werden. Grundsätzlich wurde jedoch Wert gelegt auf möglichst große Textnähe, um dem Leser wenigstens so weit wie angängig das Flair des Originals zu vermitteln. Auf die Verwendung heute bei Manchen beliebter, ideologisch inspirierter Modernismen (»Erste-Nation-Leute« für Ureinwohner) wurde verzichtet. So schreibt Champlain zwar durchgehend von »Wilden«; diese werden in der vorliegenden Übersetzung aber, wohl sachgerechter, »Indianer« genannt. Absätze wurden grundsätzlich beibehalten. Für Ortsnamen wurde, falls heute üblich, die englische Form gewählt, sonst die französische.

II. SAMUEL DE CHAMPLAIN

Wenig ist bekannt über Champlains Abstammung. Seinem Ehevertrag zufolge wurde er als Sohn von Anthoine de Champlain, einem »Kapitän der Marine« und dessen Ehefrau Marguerite Le Roy geboren. Unbezweifelt ist, dass er seine Jugend in Brouage in der Saintonge (heutiges Département Charente-Maritime) an der französischen Atlantikküste verbrachte. Aber viele Fragen sind ungeklärt. Wurde er in Brouage geboren? Dies war damals ein vorwiegend katholischer Platz in einer hugenottischen, also protestantisch-calvinistischen Umgebung. Wurde er katholisch getauft? Sein für Katholiken unüblicher, alttestamentarischer Vorname Samuel deutet eher auf eine protestantische Familienabstammung hin. Andererseits verhielt er sich in späteren Jahren unzweideutig katholisch, doch dies in der Nähe des selbst vom Calvinismus zum römischen Glauben konvertierten Königs Heinrich IV. Ist Champlain diesem auch in Glaubenssachen gefolgt?

Sehr unsicher ist gleichfalls das genaue Jahr der Geburt. Das Taufregister jener Jahre in der Kirche von Brouage ist nicht erhalten. Lange Zeit schwankten diesbezügliche Annahmen zwischen etwa 1567 und 1580. Kürzlich fand man einen möglicherweise passenden Taufeintrag in einer Kirche der nahegelegenen Stadt La Rochelle aus dem Jahr 1574; doch sofort vorgebrachte Zweifel konnten bislang nicht überzeugend widerlegt werden.

Eine andere Frage ist diejenige nach der Zugehörigkeit zum Adel. Den Namen des Vaters ziert, wie oben erwähnt, in Champlains Eheurkunde die adlige Partikel »de«. Doch Champlain hat diese bis 1610 nicht verwendet. Auch war es damals nicht unüblich, dass sich arrivierte Leute auf diese Weise schmückten, ohne formell in den Adelsstand erhoben worden zu sein. Von solcher Erhebung wissen wir jedoch nichts. Der Umstand, dass Champlain trotz aller Verdienste um Neufrankreich nie mit dem dortigen Gouverneursposten ausgezeichnet wurde – was eine adlige Stellung vorausgesetzt hätte – deutet eher darauf hin, daß er in bürgerlichem Stand verblieb.

Nicht von Adel zu sein, bedeutete für Champlain freilich vor allem, dass er sich offen zeigen musste für die Möglichkeiten, die sich für sein Fortkommen boten. Gute Voraussetzungen für Letzteres waren durchaus vorhanden. Er besuchte wohl einige Jahre lang eine der in Brouage tätigen privaten Elementarschulen, wo ihm eine solide Grundausbildung in Grammatik und Rechnen vermittelt wurde. Seine späteren Schriften sind durchweg frei von den damals zum höheren Bildungsgut zählenden Bezügen zu antiker Mythologie und Philosophie, was gewiss darauf hinweist, dass er mit solchem Wissen nicht konfrontiert wurde. Vielmehr erhielt er seine weitere Ausbildung in der Praxis des Lebens, und dieses war für ein Kind der Seefestung Brouage fast notwendig mit dem Meer verbunden.

III. JUGENDJAHRE

Sowohl Champlains Vater als auch ein Onkel waren Seeleute. Bevor er sich allerdings auf See begab, lernte er das Metier eines Landsoldaten. Er diente wohl zwischen 1595 und 1598, also in den späten Jahren der französischen Religionskriege, in der Armee König Heinrichs IV. in der Bretagne. Erst Hilfsquartiermeister, beendete er sein Engagement schließlich als »maréchal de logis«, das heißt Verantwortlicher für die Versorgung der Pferde.

Nach der Beendigung der Kämpfe in der Bretagne erfuhr Champlain, dass ein Onkel mütterlicherseits sein Schiff zum Transport spanischer Truppen nach Cádiz vermietet hatte. Champlain wurde zum Sicherheits-Chef auf der Saint-Julien bestellt. Anschließend erhielt er einen Schiffsplatz auf einer zweijährigen Reise zu den spanischen Besitzungen in der Karibik. Champlain machte unterwegs, wie es seine Gewohnheit wurde, viele Notizen. Einen bebilderten Bericht über das während dieser Jahre Erfahrene übergab er dann nach seiner Rückkehr an Heinrich IV., der ihm daraufhin eine lebenslängliche Pension gewährte. Dieser Bericht, bekannt als Brief Discours …, wurde erst 1870 veröffentlicht. Gelegentlich ist wegen einiger Ungenauigkeiten und textlicher Diskrepanzen Champlains Autorenschaft infrage gestellt worden, doch wird diese neuerdings nicht eigentlich mehr bezweifelt.

Beim Tod des Onkels 1600 erbte Champlain dessen erheblichen Besitz einschließlich eines Gutes bei La Rochelle, Grundstücken in Spanien und eines Handelsschiffes von 150 Tonnen. Diese Erbschaft gewährte ihm, zusammen mit der königlichen Pension, eine finanzielle Unabhängigkeit, die ihn für vielerlei Unternehmungen frei machte. Sie gestattete ihm insbesondere auch, den Handelskreisen in Saint-Malo, Rouen und La Rochelle gegenüber forscher aufzutreten, als es sonst denkbar gewesen wäre.

Die nächsten zweieinhalb Jahre lang arbeitete Champlain am Hof Heinrichs IV. als Geograf, wobei es zu seinen Aufgaben gehörte, die Anlagen französischer Häfen zu besichtigen. Er erfuhr viel über Nordamerika von den Fischern, die jährlich über den Atlantik fuhren und die reichen Fischgründe vor der Küste von Massachusetts bis Neufundland ausbeuteten. Hierbei informierte er sich auch über die kürzlich erfolgten französischen Kolonisierungsversuche, etwa des 1600 in Tadoussac am Sankt-Lorenz-Strom unternommenen, und die Gründe für deren Scheitern.

IV. AKADIEN

1602 erhielt der Gouverneur von Dieppe, Aymar de Chaste, das Pelzhandelsmonopol für Nordamerika zugesprochen. Champlain sah die Möglichkeit einer weiteren Transatlantikreise und bat de Chaste erfolgreich um einen Platz auf dessen erstem nach Westen segelndem Schiff. Im März 1603 fuhr er von Honfleur in der Normandie auf der unter dem Kommando von François du Pont-Gravé stehenden Bonne-Renommée ab. Champlain hatte als eine Art Gentleman-Fahrgast keine eigentlichen Mannschaftsaufgaben auf dem Schiff. Er verstand sich aber offensichtlich gut mit dem älteren und erfahrenen Pont-Gravé, der ihm mancherlei Navigationswissen vermittelte und mit dem ihn danach eine feste, lebenslange Freundschaft verband. Das Schiff erreichte gegen Ende Mai Tadoussac am Unterlauf des Sankt-Lorenz-Stromes, das schon seit Jahrzehnten als jahreszeitlich aktive Pelzhandelsstation für die aus Europa kommenden Schiffe die erste Anlaufstation auf dem Festland war. Drei Tage später überquerten Champlain und Pont-Gravé in einem Boot die Mündung des von Norden kommenden Flusses Saguenay und trafen sich mit Häuptlingen der hier ansässigen Indianer, der Montagnais, der Maliseet und der Algonkin, die mit vielen Stammesgenossen zu einem Fest versammelt waren. Die Franzosen sprachen vom Wunsch ihres Königs nach guter Zusammenarbeit, und man schloss eine Art Allianz. Diese frühe Festlegung beeinflusste die Beziehungen zwischen Franzosen und Ureinwohnern dann auf Jahrzehnte hinaus.

Ab dem 18. Juni fuhren Champlain und Pont-Gravé, die Spuren des zwei Generationen zuvor hier gewesenen Jacques Cartier suchend, den Strom weiter hinauf bis zum heute Richelieu genannten Fluss und erkundeten dessen Unterlauf bis Saint-Ours; anschließend folgten sie dem Sankt-Lorenz weiter, bis die Stromschnellen bei Lachine in der Nähe des heutigen Montreal ihnen die Weiterfahrt verwehrten. Zurück in Frankreich, veröffentlichte Champlain den Reisebericht Des Sauvages, der eine detaillierte Beschreibung des Sankt-Lorenz mit schönen Skizzen und Karten enthielt.

In Paris erfuhr Champlain, dass das Pelzhandelsmonopol inzwischen nach dem Tod von de Chaste auf Pierre Dugua de Monts übergegangen war. Als dieser 1604 eine Expedition nach Kanada schickte, schloss sich Champlain wiederum an. Diesmal war nicht der Sankt-Lorenz-Strom das Ziel, sondern vielmehr die Akadien (Acadie) genannte Gegend am Atlantik. Das Tal des Sankt-Lorenz-Stromes war den Expeditionsteilnehmern 1603 als ziemlich unwirtlich und rau erschienen, und so hatte man sich entschlossen, vorerst näher am Atlantik zu bleiben. Der Auftrag 1604 war ohnehin weniger, eine kräftige Siedlung zu errichten, als vielmehr mineralischen Reichtum zu entdecken und nach Möglichkeit die schon lange ersehnte Durchfahrt zum Westmeer zu finden, auf dem man zu den Schätzen und Attraktionen Ostasiens kommen würde. Vorerst würden Fische und Pelze genügend Gewinn bringen.

Nach der Ankunft vor der Küste Neuschottlands im Mai 1604 erhielt Champlain von de Monts den Auftrag, nach einem passenden Ort für ein Winterquartier zu suchen. Nach eingehender Erkundung der Bay of Fundy wählte er schließlich Saint Croix Island (heute Dochet Island), eine kleine Insel in der Mündung des Saint-Croix-Flusses. Das umgebende Wasser verhieß gute Verteidigungsmöglichkeiten und konnte wohl auch durch seinen Fischreichtum zur Ernährung der Belegschaft beitragen. Doch letztere erwies sich als recht ungenügend auf den strengen Winter vorbereitet. Bis Anbruch des Frühjahrs starb fast die Hälfte der Überwinterer an Skorbut. Das in den 1530er Jahren von Cartier benutzte Heilmittel gegen diese Mangelkrankheit war offenbar völlig in Vergessenheit geraten. Im Jahre 1605 erkundete Champlain die Atlantikküste nach Süden bis zum heutigen Cape Cod. (Die britischen Pilgrim Fathers kamen dort erst 1620 an.) Nach seiner Rückkunft zum Saint Croix Island entschloss man sich, die Wohnstätte aufs südliche Festland zu verlegen, da sich der vorige Winter mitten im Wasser als zu streng erwiesen hatte.

Die nächsten zwei Winter waren in der neuen Siedlung Port Royal (heute Annapolis Royal) etwas erträglicher. Um die Langeweile zu unterbrechen und die Ernährung sicherer zu stellen, gründete Champlain hier den noch heute in allen kanadischen Schulbüchern vorgestellten Jagdorden Ordre du Bon Temps. Die mildere Jahreszeit nutzte er für weitere Erkundungen, die ihn im Süden über Cape Cod hinaus bis Martha’s Vineyard führten. Auseinandersetzungen mit Indianerstämmen ließen jedoch eine permanente Siedlung in dieser klimatisch begünstigteren Region als unratsam erscheinen.

V. GRÜNDUNG NEUFRANKREICHS

Freilich war man nun auch von den akadischen Möglichkeiten einigermaßen enttäuscht, und somit richtete sich künftig das von Champlain personifizierte französische Pelzhandelsinteresse wieder auf die Region des Sankt-Lorenz-Stromes. Im Mai 1607 kam die Nachricht, dass de Monts’ Handelsprivileg widerrufen worden war. Zurück in Frankreich, gelang es Champlain, diesen zu einer erneuten Anstrengung, diesmal am Sankt-Lorenz, zu ermuntern. De Monts erhielt ein neues Privileg und ernannte Champlain zu seinem offiziellen Statthalter (»lieutenant«) in Kanada. Drei Schiffe wurden ausgerüstet, die Anfang Juni 1608 in Tadoussac ankerten. Die Besatzung fuhr in Booten weiter stromaufwärts, und am 3. Juli gründete Champlain am Cap Diamant, unweit der Mündung des Saint-Charles-Flusses, den festen Platz Quebec. Ein Holzgebäude (die sogenannte Habitation), umgeben von einem Verteidigungsgraben und einer Palisade, diente von da an als Wohnstätte, Handelsposten und Festung; weitere Bauten schlossen sich an. Es war die erste permanente französische Siedlung in Nordamerika. Bald wurde der Name Neufrankreich gängig, und jahrzehntelang dehnte sich die Kolonie vor allem nach Westen hin aus. Auch nach der britischen Eroberung im 18. Jahrhundert bewahrte sie ihren französischen Charakter.

Die Siedlungsanfänge, ohnehin schwierig und kraftaufwendig, wurden noch lästigerweise gestört durch eine Art Meuterei. Champlain gelang es, die Rädelsführer dingfest zu machen. Der Winter war wieder sehr streng, und von den 25 in Quebec Anwesenden überlebten nur acht Skorbut und Ruhr. Doch unter ihnen war Champlain, und nach Eintreffen einer Unterstützungsflottille unter Pont-Gravé fühlte er sich 1609 zu tatkräftigem Handeln bereit. Vor allem galt es, gute Beziehungen zu den lokalen Indianern zu etablieren und zu halten, vor allem den Huronen, den Algonkin und den Montagnais. Diese Stämme verlangten unter anderem, dass Champlain sie unterstütze in ihren Auseinandersetzungen mit den weiter im Süden lebenden Irokesen. Im Sommer begab er sich demgemäß auf den Kriegspfad den heute Richelieu genannten Fluss hinauf. Ende Juli stieß Champlain mit zwei Franzosen und 60 Ureinwohnern in der Gegend von Ticonderoga im heutigen Staat New York auf die Gegner. Seinem Bericht nach feuerte er mit seiner Hakenbüchse auf sie und tötete zwei der Häuptlinge mit einem einzigen Schuss; einer seiner Leute tötete einen dritten. Die Irokesen flohen. Freilich bestimmte diese unmittelbar erfolgreiche Aktion auch den Ton für die schlechten Beziehungen zwischen Franzosen und Irokesen während der folgenden Jahrzehnte. Konsolidiert wurde dieser Gegensatz noch im Juni nächsten Jahres durch ein Gefecht an der Mündung des Richelieu. Champlain, wiederum unterstützt durch französisches Militär sowie Krieger der Wyandot, Algonkin und Innu, kämpfte gegen die irokesischen Mohawk. Die französischen Hakenbüchsen töteten fast alle der feindlichen Krieger.

Im gleichen Jahr 1610 wurde König Heinrich IV. ermordet. Um die Interessen seines Unternehmens zu wahren, kehrte Champlain nach Frankreich zurück. Dort nutzte er die Gelegenheit unter anderem zur Eheschließung im Dezember mit einer jungen Hugenottin aus vermögender Familie. Hélène Boullé war freilich erst zwölf Jahre alt, und der körperliche Vollzug der Ehe hatte zu warten. Aber die beträchtliche Mitgift war für Champlains Unternehmungen finanzieller Balsam. Im Frühjahr 1611 zurück in Kanada, fuhr er den Sankt-Lorenz hinauf auf der Suche nach einem günstigeren Siedlungsplatz als dem engen Quebec. Er fasste die Insel im Sankt-Lorenz-Strom ins Auge, auf der Jacques Cartier 1535 das nun freilich nicht mehr vorhandene Dorf Hochelaga besucht hatte und wo später die Stadt Montreal entstand.

VI. ERKUNDUNG AM SANKT-LORENZ

Champlain wusste, dass die regierende Königinmutter Marie de Medici wenig Sympathie für Neufrankreich empfand; und nicht ohne Zusammenhang damit war das Pelzhandelsmonopol, das Quebecs Existenz sicherte, sehr umstritten. Er verbrachte deshalb das ganze folgende Jahr 1612 in Frankreich. Seine Bemühungen um Bestandssicherung wurden schließlich von Erfolg gekrönt. Als er im März 1613 erneut in Quebec landete, war er wiederum »Leutnant«, also Statthalter, aber diesmal eines der vornehmsten Adligen des Königreichs, nämlich des neuen Monopolisten Henri de Bourbon, Prince de Condé.

Solchermaßen gestärkt, machte sich Champlain daran, das Hinterland Neufrankreichs ernsthaft zu erkunden und nunmehr vor allem den von ihm schon lange ersehnten Zugang, wo nicht zum Westmeer, so doch zumindest zu einem Meer im Norden zu finden, von dem er immer wieder hatte munkeln hören. Von diesem Nordmeer konnte sich durchaus ja auch ein Weg in den Pazifik ergeben. Gegen Ende Mai 1613 brach er auf und reiste den Ottawa-Fluss hinauf; später verfasste er eine erste Beschreibung dieses Gebiets. Im Juni traf er Tessoüat, den Häuptling der Algonkin auf der Allumettes-Insel, den er schon in Tadoussac kennengelernt hatte. Champlain wollte, angespornt durch die Behauptung eines französischen Dolmetschers, dass das Nordmeer in nur wenigen Tagesreisen zu erreichen sei, von Tessoüat Boote und Führer erhalten. Doch dieser fürchtete um seine Stellung als Zwischenhändler im Verkehr mit den nördlichen Stämmen und half, den Dolmetscher als Lügner zu entlarven. Champlain blieb nichts übrig als umzukehren. Zurück in Frankreich, veröffentlichte er die hier im Folgenden übersetzten Voyages.

Der Stoff dieser Reiseberichte sind die Aktivitäten Champlains in Nordamerika zwischen 1604 und 1613. Er hatte zwar, wie oben erwähnt, Amerika gelegentlich schon vor 1604 besucht, und er war auch nach 1613 noch als Forschungsreisender und Verwalter tätig. Aber die mittleren Jahre waren besonders ertragreich. Die ersten hier vorgestellten Berichte sind Beschreibungen seiner Reisen entlang der Küste Neuenglands und seines Vordringens nach Süden bis zum Cape Cod und zu Martha’s Vineyard im späteren Massachusetts. Hierauf folgt die Darstellung der Reisen ab 1608 den Sankt-Lorenz-Strom hinauf mit der Gründung von Quebec, dem dort verbrachten grausamen Winter und der Entdeckung des Lake Champlain. Kurz zurück in Frankreich gewesen, beschreibt Champlain dann die Rückkehr nach Neufrankreich im Jahre 1610 und die Begegnung mit den feindlichen Irokesen. Die »Dritte Reise« berichtet über die Fahrt 1611 den Sankt-Lorenz-Strom hinauf und durch die Stromschnellen bei Lachine. Champlain fügte dann noch eine Beschreibung seiner »Vierten Reise« zum Auffinden des Nordmeers an.

Zweifellos beabsichtigte Champlain mit der ausführlichen Darstellung des bisher Unternommenen, die neufranzösische Unternehmung in Frankreich besser bekannt zu machen und weitere Mittel zu ihrer Fortsetzung zu erschließen. Und diese Bemühung trug durchaus gute Frucht. Zu Beginn 1614 weilte er in Fontainebleau am Hofe und konnte die zuvor recht gegnerischen, konkurrierenden Pelzhändler in einer Compagnie des Marchands de Rouen et de Saint-Malo zusammenschließen. Bei seiner nächsten Überfahrt nach Quebec im Mai 1615 nahm er dann auch vier Missionare mit, nämlich franziskanische Rekollekten.

Möglicherweise in Begleitung des Einzelerkunders Étienne Brûlé folgte er im Juli 1615 der Route seiner vorhergehenden Expedition bis zur Allumettes-Insel und zog anschließend weiter über den Lake Nipissing und den French River. Am 1. August erreichte er den Huronsee. Einen Monat später schloss er sich am Lake Simcoe einem Kriegszug der Huronen gegen die Irokesen an. Im Oktober erreichten die Krieger eine befestigte Siedlung am Onondaga Lake nahe des heutigen Syracuse. Der geplante Überraschungsangriff scheiterte jedoch, und Champlain wurde durch zwei Pfeile am Bein verletzt. Er überwinterte bei den Huronen. Ende Mai 1616 kehrte er nach Quebec zurück, und im September kam er nach ereignisarmer Überfahrt in Honfleur an.

VII. SICHERUNG NEUFRANKREICHS

Das Jahr 1617 war eines politischer Wirren in Frankreich. Bei seiner Ankunft hatte Champlain erfahren, dass der Prince de Condé verhaftet worden war. In den ausbrechenden Machtkämpfen gelang es ihm gleichwohl, seinen neufranzösischen Statthalterposten zu bewahren. Ob er kurzfristig während dieses Jahres wiederum über den Ozean fuhr, ist nicht zuverlässig festzustellen. Die allmähliche Stabilisierung der politischen Verhältnisse gab Champlain jedenfalls nunmehr den Mut, Anregungen für die Planung der zukünftigen Entwicklung seiner Provinz an die höheren Stellen zu geben. Im Februar 1618 sandte er je einen Bericht an den König und an die Handelskammer. Darin schrieb er, dass man über Neufrankreich leicht nach Ostindien gelangen könnte; Zölle könnten auf asiatische Handelswaren erhoben, der christliche Glaube könnte unzähligen Seelen vermittelt und die Handelssiedlung Quebec zu einer stark befestigten Hafenstadt ausgebaut werden.

Die Handelskammer zeigte sich sofort überzeugt. Im Februar 1618 verlangte sie von der Krone, dass Champlain finanzielle Mittel gewährt würden, um jährlich 300 Familien in Neufrankreich anzusiedeln, woraufhin König Ludwig XIII. Champlains Gesellschaft jegliche Unterstützung bei etwaigen Kolonisierungsbemühungen zusagte. Noch im gleichen Jahr reiste Champlain kurz nach Quebec, um die Möglichkeiten der kommenden Entwicklung zu sondieren. Ende August war er schon wieder in Frankreich. Hier erhoben sich freilich erneut Schwierigkeiten, welchen als Ursache der alte Widerstand der freien Handel fordernden Kaufleute gegen Champlains Monopolbestrebungen zugrunde lag. Die Dinge klärten sich etwas, als der neufranzösische Vizekönigstitel im Oktober 1619 an den Herzog von Montmorency überging. Am 7. Mai 1620 schrieb der König an Champlain, dass er ihm für seine Arbeit in Neufrankreich volles Vertrauen schenke. Von da an ging dieser nicht mehr auf Erkundungstouren, sondern widmete sich ausschließlich dem Aufbau und der Verwaltung Neufrankreichs.

Als Champlain im Frühjahr 1620 wieder über den Atlantik segelte, brachte er seine nunmehr 22-jährige Ehefrau Hélène Boullé mit. In der mittlerweile heruntergekommenen Siedlung ließ er dauerhaftere Gebäude errichten. Außerdem ordnete er den Bau der ersten Festung an, nämlich das Fort Saint-Louis oberhalb der Felswand des Cap Diamant. Im Herbst 1624 kehrte er wieder nach Frankreich zurück. Seine Ehefrau, die sich nie richtig an das Leben in Nordamerika hatte gewöhnen können, verließ Quebec für immer. Jahre später trat sie in ein Kloster ein. Kinder waren der Ehe nicht beschieden gewesen.

VIII. DIE LETZTEN JAHRE

Nach einem Aufenthalt von eineinhalb Jahren kam Champlain im Juli 1626 wieder in Quebec an. Nun zeigte die Krone Interesse. Der neue Machthaber in Frankreich, Kardinal Richelieu, betrachtete Kolonien als Mittel zur Stärkung Frankreichs und zur Festigung der königlichen Macht. Er stellte daher 1627 die Verwaltung auf eine völlig neue Grundlage und gründete zu diesem Zweck die staatlich kontrollierte Handelsgesellschaft Compagnie des Cent-Associés. Diese verpflichtete sich, in den folgenden 15 Jahren 4000 Siedler nach Neufrankreich zu bringen. Auch Champlain gehörte zu den Teilhabern. Wichtiger war, dass Richelieu ihn 1629 zu seinem persönlichen Vertreter ernannte. Nie offiziell Gouverneur geworden, hatte Champlain damit den Gipfel seiner administrativen Karriere erreicht.

Die Rangerhöhung mochte Champlain schmeicheln, aber seine Tätigkeit in Neufrankreich konnte nicht eigentlich von ihr profitieren. Die europäischen Streitigkeiten zeigten bald auch spürbare Auswirkungen auf die amerikanische Kolonie. Dort wurde die Versorgungslage immer prekärer. Britische Freibeuter begannen, französische Schiffe und Kolonien in Nordamerika zu attackieren. Anfang Juli 1628 plünderten englische Händler einen Bauernhof, den Champlain zwei Jahre zuvor zur Versorgung Quebecs hatte errichten lassen. Am 10. Juli überbrachten baskische Fischer im Auftrag des Abenteurers David Kirke eine Kapitulationsforderung. Champlain zeigte sich nicht beeindruckt, doch Kirke kaperte die für Quebec bestimmte Versorgungsflotte. Im Frühjahr 1629 gingen dort die Vorräte langsam zur Neige. Im Juli erschien Kirkes Flotte direkt vor Quebec, und Champlain musste kapitulieren. Er wurde nach London transportiert, von wo er schon im Dezember nach Frankreich übersetzen konnte.

Doch erst im Frieden von Saint-Germain-en-Laye 1632 erhielt Frankreich seine Kolonie Neufrankreich zurück. Champlain, der inzwischen seine Voyages de la Nouvelle France, im Grunde eine Zusammenfassung seiner Reisebeschreibungen, veröffentlicht hatte, kehrte 1633 endlich wieder nach Quebec zurück. Er leitete den Wiederaufbau der von den Engländern verwüsteten Siedlung, bis sich im Jahre 1635 sein Gesundheitszustand sehr verschlechterte. Er starb am 25. Dezember, dem ersten Weihnachtstag. Wir kennen heute sein Grab nicht mehr.

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BEMERKUNG ZU DEN LÄNGENMASSEN IM TEXT

Im vorrevolutionären Frankreich variierten die Längenmaße je nach Zeit und Region. Für Champlains Text können wohl folgende Maßeinheiten angenommen werden:

Faden (brasse) = 1,62 m

Fuß (pied) = 0,32 m

Klafter (toise) = 1,95 m

Meile (lieue) = 4452 m

BEMERKUNG ZU DEN ABBILDUNGEN

Alle Skizzen im Text erschienen auch im Original Champlains und stammen wohl von seiner Hand.

ERSTE REISE

des Sieur de Champlain

ERSTES BUCH

Worin die Entdeckungen der Küste Akadiens und Floridas beschrieben sind.

KAPITEL I

Der Nutzen des Handels hat mehrere Fürsten dazu bestimmt, einen leichteren Weg zu finden, um mit den Orientalen Handel zu treiben. Mehrere erfolglose Reisen. Entschluss der Franzosen diesbezüglich. Die Unternehmung des Sieur de Monts: Sein Auftrag, und der Widerruf desselben. Neuer Auftrag an ebendenselben Sieur de Monts, diese Unternehmung fortzuführen.

Entsprechend der Verschiedenheit ihrer Veranlagungen unterscheiden sich die Neigungen der Menschen, und jeder hat in seinem Beruf ein bestimmtes Ziel. Die einen wollen Gewinn machen, andere streben Ruhm an, und wieder andere das Gemeinwohl. Die größte Anzahl betätigt sich im Handel, besonders dem auf dem Meer, welcher für das Volk die wichtigste Quelle von Wohlstand ist und ebenso des Reichtums und Ruhms der Staaten. Er ist es, der dem antiken Rom zur Herrschaft und Macht über die ganze Welt verholfen hat und den Venezianern zu einer Stellung, deren Stärke vergleichbar war mit derjenigen mächtiger Könige. Zu allen Zeiten hat er die Seestädte – Alexandria und Tyros sind berühmt dafür – zu Reichtum geführt und auch eine Unzahl anderer im Landesinneren, nachdem ihnen fremde Nationen zugesandt haben, was sie an Schönem und Einzigartigem besitzen. Deshalb haben mehrere Fürsten sich bemüht, im Norden einen Weg nach China zu finden in der Hoffnung auf eine kürzere und weniger gefährliche Route für den Handel mit den Orientalen.

Im Jahre 1496 beauftragte der König von England John Cabot mit dieser Suche. Einige Jahre später sandte Dom Manuel von Portugal Gaspar Corte-Real dorthin, doch kehrte dieser zurück, ohne das Gesuchte gefunden zu haben. Und im folgenden Jahr, als er die Suche wiederholte, starb er während der Unternehmung, ebenso wie sein Bruder Michael, der sie beharrlich weiterführte. In den Jahren 1534 und 1535 erhielt Jacques Cartier von König Franz I. den gleichen Auftrag, konnte ihn aber nicht zu Ende bringen. Sechs Jahre später sandte der Sieur de Roberval, bei einem erneuten Versuch, Jean Alfonse de Saintonge weiter nach Norden entlang der Labradorküste, doch dieser kehrte ebenso unwissend zurück wie die anderen. In den Jahren 1576, 1577 und 1578 machte Sir Martin Frobisher, ein Engländer, drei Reisen entlang der Nordküsten. Sieben Jahre danach segelte Humphrey Gilbert, ebenfalls ein Engländer, mit fünf Schiffen, doch wurde er auf Sable Island geworfen, wo drei seiner Fahrzeuge untergingen. Im gleichen Jahr und in den zwei folgenden unternahm John Davis, ein Engländer, drei Reisen zum gleichen Zweck und drang bis zum 72. Grad vor, überquerte aber nicht die Meerenge, die heute seinen Namen trägt. Und nach ihm machte auch Kapitän Georges1 schon eine solche im Jahre 1590, doch zwang ihn Eis umzukehren, ohne etwas entdeckt zu haben. Und die Holländer besaßen ebenfalls keine genauere Kenntnis von Nova Zembla2.

Die vielen vergeblichen Reisen und Erkundungsexpeditionen, mit viel Anstrengung und Kosten unternommen, haben unsere Franzosen in den letzten Jahren veranlasst, eine dauerhafte Siedlung zu versuchen in jenen Ländern, die wir Neufrankreich nennen. Denn sie hofften, dieses Unternehmen leichter zu einem guten Ende zu bringen, wenn die Reise von jenem Land auf der anderen Seite des Ozeans ihren Ausgang nimmt, von dessen Küste aus die Suche nach der begehrten Durchfahrt beginnen muss. Diese Überlegung veranlasste den Marquis de la Roche im Jahre 1598, einen Auftrag des Königs zur Besiedlung des Landes zu erbitten. Zu diesem Zweck brachte er Menschen und Vorräte nach Sable Island; aber da die Bedingungen, die ihm sein König gewährt hatte, widerrufen wurden, sah er sich gezwungen, sein Unternehmen aufzugeben und seine Leute dort zu lassen. Ein Jahr später erhielt der Kapitän Chauvin3 einen anderen Auftrag, wiederum um Menschen dorthin zu bringen, aber dieser wurde kurz darauf ebenfalls widerrufen, und er verfolgte die Sache nicht weiter.

Hiernach wollte der Sieur de Monts, trotz aller Wechselfälle und Unsicherheiten, etwas sehr Extremes unternehmen und erbat von Seiner Majestät einen entsprechenden Auftrag. Denn er begriff, dass der Misserfolg der früheren Unternehmen verursacht worden war durch Mangel an Unterstützung für die Unternehmer, die weder in einem Jahr noch auch nach zweien in der Lage gewesen waren, mit dem Land und seinen Bewohnern richtig bekannt zu werden oder für eine Ansiedlung geeignete Häfen zu finden. Er schlug Seiner Majestät eine Methode zur Kostenbewältigung vor, welche die königliche Kasse nicht belasten würde, nämlich, dass er ein Monopol erhalten sollte für den dortigen Pelzhandel. Als ihm dies gewährt wurde, gab er eine große Menge Geld aus und nahm eine beträchtliche Anzahl von Menschen unterschiedlicher Eignung mit und ließ dort für seine Leute die nötigen Behausungen bauen. Diese Ausgaben machte er während dreier aufeinanderfolgender Jahre, bis infolge der Missgunst und Bosheit der Basken und Bretonen die ihm gewährten Bedingungen zu seinem großen Schaden durch den königlichen Rat widerrufen wurden; der Sieur de Monts wurde infolgedessen gezwungen, alles aufzugeben, unter Verlust all des von ihm Erarbeiteten und aller Geräte, die er seiner Siedlung zur Verfügung gestellt hatte.

Aber als er dem König Bericht erstattet hatte über die Fruchtbarkeit des Landes und ich über die Möglichkeit, die Durchfahrt nach China zu finden ohne die Belästigung durch das Eis im Norden oder die Hitze der heißen Zone, welche unsere Seeleute, unter unglaublichen Mühen und Gefahren, zweimal auf dem Hinweg und zweimal auf dem Rückweg durchqueren müssen, trug Seine Majestät dem Sieur de Monts auf, eine neue Expedition vorzubereiten und wiederum Leute zu entsenden, um das Begonnene zu vollenden. De Monts unternahm dies. Wegen der Unbestimmtheit des Auftrags änderte er den Ort, um seinen Rivalen das Misstrauen zu nehmen, das er bei ihnen erweckt hatte. Außerdem beeinflusste ihn die Hoffnung auf größeren Gewinn im Landesinneren, wo die Völker zivilisiert sind und wo es leichter ist, den christlichen Glauben zu begründen und die Art Ordnung zu etablieren, die nötig ist, um die Existenz eines Landes zu garantieren, nämlich mehr als an der Küste, wo die Indianer für gewöhnlich leben. Er hoffte, dass dies dem König zu unermesslichem Gewinn gereichen würde; denn es fällt leicht zu glauben, dass die Völker Europas eher diese Möglichkeit wahrnehmen werden, als die ärgerlichen und rabiaten Launen der Menschen an den Küsten und die barbarischen Stämme dort zu ertragen.

1Nicht bestimmbar.

2Die russische Doppelinsel Nowaja Semlja.

3Pierre Chauvin de la Pierre, hugenottischer Kaufmann in Honfleur; Lebensdaten unbekannt.

KAPITEL II

Beschreibung von Sable Island; von Cape Breton; von La Have; von Port Mouton; vom Hafen von Cape Negro; vom Cape Sable und Sable Bay; von der Isle of Cormorants; von Cape Fourchu; von Long Island; von St. Mary’s Bay; von Port St. Margaret; und von allen bemerkenswerten Dingen entlang dieser Küste.

Der Sieur de Monts machte aufgrund seines Auftrags in allen Häfen unseres Königreichs das Pelzhandelsmonopol bekannt, das ihm durch Seine Majestät verliehen worden war, und versammelte ungefähr 120 Handwerker, die er an Bord zweier Schiffe brachte; eines war 120 Tonnen groß und wurde vom Sieur de Pont-Gravé befehligt; das andere, 150 Tonnen groß, bestieg er selbst mit mehreren Edelleuten.

Wir fuhren vom Havre de Grace am 7. April 1604 ab; Pont-Gravé segelte am 10., und wir sollten uns dann bei Canso treffen, 20 Meilen von Cape Breton. Aber als wir auf hoher See waren, änderte der Sieur de Monts seine Meinung und steuerte Port Mouton an, weil dieses weiter südlich liegt und auch bessere Landemöglichkeiten bietet als Canso.

Am 1. Mai sichteten wir Sable Island, wo wir fast untergegangen wären wegen eines Fehlers unserer Steuerleute, die sich in ihrer Berechnung irrten und glaubten, dass wir 40 Meilen weiter wären als wir wirklich waren.

Diese Insel liegt nach Norden und Süden 30 Meilen von der Cape-Breton-Insel entfernt und hat etwa 15 Meilen Umfang. Es gibt dort einen kleinen See. Die Insel ist sehr sandig und hat keine hochgewachsenen Bäume, sondern nur Dickicht und Grünzeug, auf dem Ochsen und Kühe weiden, welche die Portugiesen vor mehr als 60 Jahren dorthin gebracht haben. Diese Rinder waren den Leuten des Marquis de la Roche nützlich, die während mehrerer Jahre, die sie dort verbrachten, auch eine große Menge sehr schöner schwarzer Füchse fingen, deren Pelze sie sehr sorgfältig konservierten. Es gibt viele Seehunde, und in deren Felle kleideten sich die Männer, nachdem ihre eigenen Kleider aufgebraucht waren. Auf Anordnung des Parlement von Rouen wurde ein Schiff dorthin gesandt, um sie zurückzubringen. Dessen Mannschaft fischte Kabeljau an einem Ort nahe dieser von Untiefen völlig umgebenen Insel.

Am 8. desselben Monats sichteten wir Cape La Have4, in dessen Osten sich eine Bucht5 mit mehreren, von Tannen bedeckten Inseln befindet; und auf dem Festland stehen Eichen, Ulmen und Birken. Dieses Kap liegt neben der Küste Akadiens auf 44° 5' Breite und 16° 15' magnetischer Deklination, auf einer Ost-Nord-Ost-Linie 85 Meilen von Cape Breton entfernt, worüber wir gleich anschließend sprechen werden.

Am 12. Mai fuhren wir in einen anderen Hafen ein, fünf Meilen vom Cape La Have entfernt, wo wir ein Schiff aufbrachten, das Pelzhandel trieb unter Verletzung des königlichen Verbots. Der Name des Kapitäns war Rossignol, welches immer noch der Name des Hafens6 ist, der auf 44° 15' Breite liegt.

Am 13. Mai kamen wir zu einem sehr schönen Hafen, sieben Meilen vom Hafen Rossignol entfernt, der Port Mouton heißt und wo es zwei kleine Flüsse gibt. Die Erde daselbst ist sehr steinig und voller Dickicht und Heidekraut. Es gibt eine große Anzahl Hasen und viel Wild wegen der dort befindlichen Teiche.

Sobald wir gelandet waren, begannen alle, auf einer Landspitze nahe zweier Süßwasserteiche am Hafeneingang nach Gutdünken Hütten zu bauen. Gleichzeitig sandte der Sieur de Monts eine Schaluppe mit einem unserer Leute und einigen Indianern als Führer die Küste Akadiens entlang, um Pont-Gravé zu suchen und ihm Briefe zu bringen; denn dieser hatte einen Teil unserer für den Winter notwendigen Vorräte. Er fand ihn in der Bay of All Isles7 in großer Sorge unseretwegen (denn er wusste nichts von der Änderung unserer Pläne) und übergab ihm die Briefe. Sobald Pont-Gravé diese gelesen hatte, kehrte er zu seinem Schiff bei Canso zurück, wo er einige baskische Schiffe aufbrachte, die Pelzhandel trieben trotz des Verbots Seiner Majestät; er sandte die Kapitäne zum Sieur de Monts; dieser hatte mich in der Zwischenzeit beauftragt mit der Erkundung der Küste und von Häfen, die unsere Schiffe sicher aufnehmen könnten.

Um seinem Wunsch zu entsprechen, fuhr ich am 19. Mai in einem Acht-Tonnen-Boot vom Port Mouton aus los, begleitet von seinem Sekretär, dem Sieur Ralleau, und zehn Mann. Die Küste entlang fahrend gelangten wir zu einem sehr guten Hafen für die Schiffe, in den ein kleiner Fluss mündet, der ein gutes Stück ins Land hinein führt. Ich gab ihm den Namen Cape Negro, wegen eines Felsens, der einem solchen von Ferne gleicht. Dieser steigt aus dem Wasser empor nahe einem Kap, an dem wir gleichen Tags vorüber kamen und das davon vier Meilen entfernt ist und zehn von Port Mouton. Dieses Kap ist sehr gefährlich wegen einiger Felsen, die dort bis ins Meer verstreut sind. Die Küsten, die ich bis dahin sah, sind sehr niedrig und tragen die gleichen Bäume wie Cape La Have, und die Inseln sind voller Wild. Als wir weiter fuhren, verbrachten wir die Nacht in der Sable Bay8, wo die Schiffe vor Anker gehen können, ohne Gefahr fürchten zu müssen.

Am nächsten Tag fuhren wir zum Cape Sable, das ebenfalls sehr gefährlich ist wegen einiger Felsen und Untiefen, die fast eine Meile ins Meer hineinreichen. Es befindet sich zwei Meilen von der Sable Bay entfernt, wo wir die vorige Nacht verbracht hatten. Von dort fuhren wir zur Isle of Cormorants9, die eine Meile entfernt liegt und so genannt wird wegen der Unzahl von Vögeln, die es dort gibt. Wir füllten ein Fass mit ihren Eiern. Von dieser Insel aus wandten wir uns nach Westen, etwa sechs Meilen weit, und überquerten eine Bucht, die sich zwei oder drei Meilen nach Norden zieht. Dann trafen wir auf einige Inseln, die zwei oder drei Meilen weit ins Meer hinein liegen und von denen die einen zwei, die anderen drei Meilen Umfang haben mögen; andere haben wohl weniger, soweit ich schätzen konnte.10 Bei den meisten ist die Anfahrt für große Schiffe sehr gefährlich wegen der starken Gezeiten und auch wegen Felsen, die knapp an der Wasseroberfläche liegen. Diese Inseln sind mit Tannen, Fichten, Birken und Espen bewachsen. Ein Stück weiter gibt es noch vier andere. Auf einer von ihnen sahen wir eine solch große Menge Basstölpel genannter Vögel, dass wir sie leicht mit einem Stock töten konnten. Auf einer anderen fanden wir das Ufer vollkommen bedeckt mit Seehunden, von denen wir so viele nahmen wie uns geraten schien. Auf den beiden anderen gibt es einen solchen Überfluss an Vögeln unterschiedlicher Arten, dass man es sich nicht vorstellen kann, wenn man es nicht gesehen hat, wie Kormorane, drei Arten Enten, Gänse, Trottellummen, Trappen, Meerespapageien, Schnepfen, Geier und andere Raubvögel; Möwen, zwei oder drei Arten von Regenpfeifern, Fischreiher, Silbermöwen, Brachvögel, Steinwälzer, Eistaucher, Seetaucher, Eiderenten, Raben, Kraniche sowie andere Arten, die ich nicht kenne und die dort ihre Nester machen. Wir nannten diese Inseln Seal Islands. Sie liegen auf 43° 30' Breite und sind vom Festland oder Cape Sable etwa vier oder fünf Meilen entfernt. Nachdem wir dort einige Zeit mit Jagdamüsement verbracht hatten (und nicht ohne eine Menge Wild mitzunehmen), erreichten wir ein Kap, das wir Port Fourchu11 nannten, denn es hat eine Spalt-Gestalt; es ist von den Seal Islands fünf bis sechs Meilen entfernt. Dieser Hafen ist an seiner Einfahrt sehr gut für die Schiffe; aber innen trocknet er bei Ebbe fast ganz aus, und es bleibt nur der Lauf eines kleinen, von Wiesen umsäumten Flusses, die diesen Platz freilich ganz gefällig machen. Der Kabeljaufang ist in der Nähe dieses Hafens gut. Als wir von dort wegsegelten, fuhren wir zehn oder zwölf Meilen weit nach Norden, ohne einen Hafen für die Schiffe zu finden außer einer Anzahl kleiner Buchten oder sehr schöner Plätze, wo die Erde sich zur Bearbeitung anbot. Die Wälder sind dort sehr schön, aber es gibt nur wenige Fichten oder Tannen. Diese Küste ist sehr sauber, ohne Inseln, Felsen, oder Sandbänke, sodass unserer Meinung nach Schiffe dort ohne Bedenken fahren können. Eine Viertelmeile von der Küste entfernt besuchten wir eine Insel, die Long Island heißt und nach Nord-Nord-West und Süd-Süd-West liegt und eine Durchfahrt lässt in die große French Bay12, wie diese vom Sieur de Monts genannt wurde.

Diese Insel ist sechs Meilen lang und an manchen Stellen fast eine Meile breit, hier und da aber auch nur eine Viertelmeile. Auf ihr stehen eine Menge Bäume, etwa Fichten und Birken. Die ganze Küste ist gesäumt von überaus gefährlichen Felsen; für die Schiffe gibt es keinen passenden Platz außer einigen kleinen Zufluchtsorten für Schaluppen und drei oder vier kleinen Felseninseln, wo die Indianer eine große Zahl Robben fangen. Hier herrschen große Gezeitenwechsel, vor allem an der engen Durchfahrtsstelle der Insel; sie sind sehr gefährlich für die Schiffe, falls sie es wagen, hindurchzufahren.

Ab der Durchfahrt bei Long Island segelten wir zwei Meilen weit nach Nordosten und fanden dann eine kleine Bucht13 mit einem Umfang von ungefähr einer Viertelmeile, wo die Schiffe sicher vor Anker gehen können. Der Seeboden ist dort nur Sumpf, und das Ufer rundherum ist gesäumt von ziemlich hohen Felsen. Dort gibt es eine dem Urteil des mich begleitenden Bergmannes Simon nach sehr gute Silbermine. Einige Meilen weiter befindet sich auch ein kleiner Fluss, Du Boulay genannt, wo die Flut eine halbe Meile ins Land strömt; in seine Mündung14 können bis zu 100 Tonnen große Schiffe einfahren. Eine Viertelmeile von dieser Stelle entfernt gibt es einen guten Hafen15 für die Schiffe. Dort fanden wir eine Eisenerzmine, die nach Ansicht unseres Bergmannes 50 Prozent liefern würde. Drei Meilen weiter nach Nordosten sahen wir eine andere ziemlich gute Eisenerzmine, nahe welcher ein mit schönen und gefälligen Wiesen umsäumter Fluss strömt. Die Erde in der dortigen Gegend ist rot wie Blut. Einige Meilen weiter gibt es einen weiteren Fluss, der aber bei Ebbe bis auf einen kleinen Kanal trocken ist; dieser Fluss strömt nahe an Port Royal vorbei. Am inneren Ende der Bucht gibt es einen Kanal, der bei Ebbe ebenfalls austrocknet; um ihn herum befinden sich eine Anzahl Wiesen und gutes Land, das bearbeitet werden kann; auf dem letzteren steht eine gute Zahl von schönen Bäumen aller Arten, die ich weiter oben schon genannt habe. Diese Bucht mag von Long Island bis zu ihrem hinteren Ufer etwa sechs Meilen tief sein. Die ganze Minenküste besteht aus hochliegendem Land, das von Kaps unterbrochen wird, die rund aussehen und etwas ins Meer hinein stehen. Auf der anderen Seite der Bucht, nach Südosten hin, ist das Land niedrig und fruchtbar; es gibt dort einen sehr guten Hafen mit einer Bank an der Einfahrt, über die man fahren muss; sie ist bei Ebbe nur eineinhalb Faden hoch mit Wasser bedeckt, doch findet man hinter ihr drei Faden Tiefe und guten Ankergrund. Zwischen den zwei Einfahrtpunkten liegt eine Kiesinsel, die bei Flut unter Wasser steht. Dieser Hafen reicht eine halbe Meile ins Land hinein. Bei Ebbe fällt das Wasser hier drei Faden, und es gibt eine Menge Krustentiere wie Pfahlmuscheln, Sandmuscheln und Seeschnecken. Die Erde dort gehört zur besten, die ich je gesehen habe. Ich habe den Hafen Port St. Margaret16 genannt. Diese ganze Süd-Ost-Küste ist viel tiefer, als diejenige mit den Minen, die sich nur eineinhalb Meilen vom Hafen St. Margaret auf der anderen Seite der Bucht befinden. Diese ist an ihrer Einfahrt drei Meilen breit. Ich maß die Koordinaten an diesem Ort und fand ihn an etwas über 45° 30' Breite liegend, mit 17° 16' magnetischer Deklination.

Nachdem ich möglichst sorgfältig diese Küsten, Häfen und Buchten erkundet hatte, kehrte ich zu der Durchfahrt bei Long Island zurück, ohne noch weiter zu fahren. Von dort kam ich außerhalb aller Inseln zurück, um festzustellen, ob es Gefahren auf der zur See liegenden Seite gebe. Aber wir fanden keine, außer einigen Felsen, die sich etwa eine halbe Meile von den Seal Islands entfernt befinden und denen man leicht ausweichen kann, zumal die Wellen sich über ihnen brechen. Als wir unsere Fahrt fortsetzten, wurden wir von einem starken Windstoß getroffen, der uns zwang, unsere Schaluppe an der Küste auf Land zu setzen; hierbei zerschellte sie beinahe, was uns in extreme Not gebracht hätte. Als der Sturm vorüber war, stachen wir wieder in See; und am nächsten Tag kamen wir bei Port Mouton an, wo der Sieur de Monts uns seit Tagen erwartete. Er wusste nicht, was er von unserem Ausbleiben halten sollte, außer eben, dass uns ein Missgeschick passiert sein mochte. Ich berichtete ihm über unsere Reise und wo unsere Schiffe sicher ankern könnten. Inzwischen untersuchte ich jenen Ort besonders gut, der auf 44° Breite liegt.

Am nächsten Tag ließ der Sieur de Monts die Anker lichten, um zur St. Mary’s Bay zu fahren, die wir für unser Schiff geeignet erachtet hatten, während wir darauf warteten, einen passenderen Wohnplatz zu finden. Wir fuhren die Küste entlang und kamen nahe am Cape Sable und den Seal Islands vorbei. Dort beschloss der Sieur de Monts, in einer Schaluppe einige Inseln zu besichtigen, von denen und von der Unzahl der dort zu findenden Vögel wir ihm berichtet hatten. So machte er sich auf, begleitet vom Sieur de Poutrincourt und verschiedenen anderen Adligen, um nach Gannet Island zu fahren, wo wir zuvor eine große Zahl jener Vögel mit Stockschlägen getötet hatten. Doch als wir ein Stück weit von unserem Schiff entfernt waren, vermochten wir die Insel nicht zu erreichen und ebenso wenig unser Schiff; denn die Flut war so stark, dass wir uns gezwungen sahen, uns auf eine kleine Insel zu flüchten, um dort die Nacht zu verbringen. Dort gab es eine große Menge Wild. Ich erlegte einige Flussvögel, die uns sehr zugute kamen, denn wir hatten nur einigen Zwieback mitgenommen, da wir ja gleichen Tags zurückkehren wollten. Am nächsten Tag fuhren wir zum eine halbe Meile entfernten Cape Fourchu. Die Küste entlang segelnd, fanden wir unser Schiff, das sich noch in der St. Mary’s Bay befand. Unsere Leute hatten sich unseretwegen zwei Tage lang sehr geängstigt, da sie fürchteten, dass uns ein Missgeschick ereilt haben könnte; als sie uns in gutem Zustand sahen, freuten sie sich daher sehr.