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DIE 100 BEDEUTENDSTEN ENTDECKER

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Richard Francis Burton

Richard Francis Burton

DIE GOLDMINEN VON MIDIAN

Reisen und Forschungen im Biblischen Land

Herausgegeben und übersetzt von Uwe Pfullmann

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INHALT

Vorwort des Herausgebers

Kapitel I In Alexandria
Kapitel II Die Veränderungen in Kairo
Kapitel III Nach Suez und seinem Sanatorium
Kapitel IV Abreise von Suez und Ankunft in El-Muwayláh
Kapitel V Von El-Muwayláh zum Wadi ’Aynúnah
Kapitel VI Vom Wadi ’Aynúnah zum Wadi Morák im Dschebel El-Zahd
Kapitel VII Midian und die Midianiter
Kapitel VIII Von ’Ayn El-Morák zum Weißen Berg: Die Inschrift und die Nabatäer
Kapitel IX Wie das Gold in Midian gefunden wurde: Die Goldminen von Arabien
Kapitel X Die Rückkehr vom Weißen Berg nach El-Muwayláh über Wadi Scharma und Wadi Tiryam; Notizen über Botanik
Kapitel XI Die Kreuzfahrt hinunter nach Süden bis Ziba: Schwefel und Türkise, Bemerkungen zu Fischen und Muscheln
Kapitel XII Die Kreuzfahrt nordwärts nach Makná, der Hauptstadt von Madyan
Kapitel XIII Rückkehr nach Kairo Das an seine Hoheit gerichtete Schreiben
Kapitel XIV Abreise aus Ägypten

Anhang

Editorische Notiz

Weiterführende Literatur

Glossar

VORWORT DES HERAUSGEBERS

Die ganze Welt war sein Zuhause

Richard Francis Burton (1821–1890)

EINE RASTLOSE KINDHEIT

Richard Francis Burton war Entdecker, Orientalist, Gelehrter, Mitbegründer der Anthropologischen Gesellschaft in London, Linguist, Sexologe, Mystiker und Agent. Nach den Angaben in seiner Autobiographie wurde er in Barham House in Hertfordshire geboren – ein überraschender Fehler, der Burton unterlief, als er 1876 auf dem Weg nach Indien seiner Frau die Autobiographie diktierte. Denn tatsächlich erblickte er in Torquay (England) das Licht der Welt: am 19. März 1821, um 21.30 Uhr. Er war das erste Kind des Hauptmanns Josef Netterville Burton und seiner Frau Martha. Sechs Monate später zog die junge Familie nach Barham House. Bei Richards Taufe machte der amtierende Geistliche neben dem Taufeintrag eine Notiz über Geburtstag und Geburtsort.

Richard Burtons Mutter war eine wohlhabende Frau und behauptete, von einem illegitimen Sohn Ludwigs XIV., des Sonnenkönigs, abzustammen. Sein Vater, Hauptmann Josef Burton, war irischer Abstammung. Dennoch hielt sich später hartnäckig das Gerücht, dass Burton Zigeunerblut in den Adern habe. Sicher ist dies eine nachträgliche Mythenbildung, mit der Burtons Reiselust in späterer Zeit erklärt werden sollte. Denn wie viele andere Arabienreisende trug auch Burton dafür Sorge, schon zu Lebzeiten seine eigene Mystifikation und Legendenbildung um seine Person zu betreiben.

Kurz nach Richards Geburt gab sein Vater in einem Anflug von Leichtsinn seine Offizierskarriere auf. Einige Jahre lang reiste die Familie durch Europa; Burton wuchs in Frankreich, England und Italien auf. So siedelte sich die Familie 1825 im Herzen Frankreichs, in Tours, an. Es folgen als weitere Wohnorte Siena, Perugia, Florenz, Rom und Neapel. Mit der Rückkehr der Familie nach England ging auch Richards unbeschwerte Kindheit zu Ende.

Richard Burton konnte nur eine geringe Schulbildung vorweisen, was er aber durch die Beherrschung mehrerer Sprachen und der Säbelfechtkunst ausglich. Für seinen Sohn hatte Josef Burton eine Laufbahn in der anglikanischen Kirche vorgesehen. 1840 sandte er ihn nach Oxford an das Trinity-College, wo Richard es vorzog, Themen zu studieren, die ihn besonders faszinierten – beispielsweise arabische Philosophie und Mystik. Der Stoff des üblichen Lehrplans reizte ihn dagegen weniger. Die Quittung ließ nicht lange auf sich warten: Wegen Disziplinlosigkeit wurde Richard Burton (der sich noch dazu mit einem Studienkameraden duellieren wollte, der spöttisch über seinen Schnurrbart gegrinst hatte) 1842 von der Universität verwiesen. So umging er gekonnt die Ordination zum Priester.

ALS TRUPPENOFFIZIER IN INDIEN

Da sich Richard Burton tiefgründig für asiatische Lebensgewohnheiten und Sprachen interessierte, nutzte er 1842 die Gelegenheit und ging unter Mithilfe seines Vaters als Offizier zur Armee der englischen Ostindien-Kompanie. Von 1843 bis 1848 diente er als Leutnant bei der Bombay-Eingeborenen-Infantrie in einem Landstrich, der heute zu Pakistan gehört.

Schon bald bewies er auch hier seine außergewöhnliche Fähigkeit, Sprachen zu lernen. Er gab sich dabei niemals damit zufrieden, lediglich eine neue Sprache zu sprechen, sondern er hatte schon damals den Wunsch, sich als Einheimischer auszugeben. In Pakistan und Westindien wurde aus ihm ein Meister der Verkleidung. So soll er dort einen Laden gemietet und, die Beine untergeschlagen, unentdeckt feilschend unter den einheimischen Händlern gesessen haben. Diese außergewöhnliche Gabe, Sprachen zu lernen und fremde Lebensstile zu kopieren, war auch seinen Vorgesetzten nicht entgangen und führte dazu, dass er zu seinem General befohlen wurde: Er sollte über die lokalen Lasterhöhlen Bericht erstatten – eine Aufgabe, die er überaus interessant fand.

Doch trotz solcher Sonderaufgaben war der Truppendienst in Indien relativ eintönig und befriedigte Richard Burton auf die Dauer nicht. 1848, ein Jahr nach dem Sepoy-Aufstand muslimischer Soldaten, verließ er die indische Armee, um sich ganz der Erforschung unbekannter Länder zu widmen, wozu ihn seine körperlichen und geistigen Anlagen vorzüglich befähigten.

IN MEKKA UND MEDINA

Im Anschluss an seine Zeit als Offizier in Indien blieb Burton fast vier Jahre in Europa, schrieb und studierte. Zu dieser Zeit, in den Fünfzigerjahren des 19. Jahrhunderts, waren die Menschen in ganz Europa so sehr an Geographie interessiert wie heute an der Weltraumforschung. Es war daher für Burton nicht schwierig, einen Geldgeber für einen gut durchdachten Reiseplan zu gewinnen. Sein Ziel: die islamischen heiligen Städte Mekka und Medina.

Im Herbst 1852 bot Richard Burton der Royal Geographical Society seine Dienste an, um »den gewaltigen weißen Flecken, welcher in britischen Kartenwerken noch immer die östlichen und zentralen Regionen Arabiens ziert, auszutilgen«. Sein Plan war, im omanischen Maskat zu landen und das leere Viertel in Richtung Mekka und Medina zu durchqueren.

Im April 1853 verließ Burton die englische Hafenstadt Southampton in Gestalt eines vermögenden Persers. Während der ganzen Reise war er akribisch bemüht, sich an die orientalischen Sitten anzupassen. Selbst solche Details wie die muslimische Art und Weise, ein Glas Wasser zu trinken, studierte Burton: »Er ergriff den Trinkbecher, als wäre es die Kehle eines Feindes, und beendete den Vorgang mit einem befriedigten Grunzen.«

Nach einem Monat in Ägypten entschied er, die Gestalt des persischen Adligen abzulegen und in die Verkleidung eines wandernden Derwisches zu schlüpfen. Dass er sich seiner persischen Verkleidung entledigte, hatte gute Gründe, waren doch die schiitischen Perser in ganz Arabien als Häretiker ungeliebt und verachtet. Einige Zeit später nahm er seine endgültige Maskierung an: Er gab sich fortan als britischer Untertan afghanischer Herkunft aus, der in Rangun als Arzt ausgebildet worden war. Er kaufte sich die passende Reisekleidung: einen gewaltigen, breiten gelben Regenschirm, einen hölzernen Kamm, eine Ziegenhaut als Wasserbehälter, einen groben persischen Gebetsteppich, welcher außerdem als Bettstatt diente, ein baumwollenes, plüschbesetztes Kissen und ein Betttuch. Ein Dolch, ein Tintenfass aus Messing und ein Federhalter staken in seinem Gürtel, ein Rosenkranz, mehrere Nadeln und »ein erbsengrüner Behälter mit roten und gelben Blumen, der zweimal am Tag vom Kamel fiel«, vervollständigten seine Ausrüstung. Seine Geldmittel für die Reise waren fünfundzwanzig Goldmünzen in einem Gürtel unter seinen Kleidungsstücken.

Burton empfand das Milieu von Alexandria als wohltuend: Er traf dort auf das, was die Araber »Kaif« nennen: »Den Reiz einer tierischen Existenz; das passive Vergnügen des reinen Sinnes; die wohltuende Schlaffheit, die traumhafte Ruhe, das verstiegene Schlösser-Bauen, welches in Asien anstelle des kraftvollen, intensiven, passionierten Lebens in Europa stand.«

Mit einem älteren, schon etwas asthmatischen Dampfer gelangte er nach Kairo und nahm dort Unterkunft in einer Pension für Ägypter, einem sogenannten Wakalah. Er praktizierte dort als Arzt. Seine Wertschätzung unter der Bevölkerung vergrößerte sich außerordentlich, nachdem er zwei abessinische Sklavenmädchen vom Schnarchen kuriert hatte. Burton nahm auch an Disputen der theologischen Fakultät der Al-Azhar teil, denn ein religiöser Irrtum oder ein Verstoß gegen die orthodoxen Regeln in Mekka und Medina würden bei Weitem aufschlussreicher sein als irgendwelche linguistischen Fehler. Es konnte viele Erklärungen für fehlende Perfektion in der Sprache geben, aber keine für eine religiöse Handlung, die kein Muslim durchführen würde.

Burton war fast reisefertig, als er einen interessanten Besucher des Wakalah traf – einen albanischen Offizier, der gerade aus dem Hedschas abgereist war und ihm faszinierende Geschichten von Gold in den Bergen Midians erzählte. Burton lud ihn in sein Zimmer ein. Nachdem sie ihre Dolche weggelegt hatten, gingen die beiden Männer daran, sich zu betrinken. Sie riefen nach Tanzmädchen und taumelten in einen Schlafraum, wo sie von zwei alten Frauen in die Flucht geschlagen wurden. Sie beschimpften in maßlosen Worten die Ägypter, und der albanische Trinkkumpan drohte gerade das Blut des Pförtners zu vergießen, als es Burtons Diener schaffte, den Säufer ins Bett zu bringen. »Kein walisischer Student in Oxford«, schrieb Burton stolz, »hat unter ähnlichen Umständen jemals mehr Unruhe verursacht.«

Es war nach diesem Gelage kaum überraschend, dass Burton es für angebracht hielt, Kairo so schnell wie möglich zu verlassen. Er fand einen Beduinen vom Sinai, der ebenfalls zu Burtons Zwischenstation Suez unterwegs war, und mietete zwei Kamele. Danach begab er sich mit seinem indischen Diener nach Suez. Auf dem Weg dorthin traf er mehrere angesehene Händler aus Medina, die nach Hause zurückkehrten, und einen Einwohner aus Mekka, den er in Kairo getroffen hatte, einen Mann namens Muhammad al-Basyuni. Sie schlossen sich für die weitere Reise zusammen.

Von Yanbu al-Bahr, dem Hafen Medinas, aus heuerte die Reisegruppe Kamele mit Treibern an, die sie nach Medina bringen sollten. Es war eine Reise von zweihundertfünfzig Kilometern, die acht Tage dauerte, da die Kamele nur dreieinhalb Kilometer pro Stunde zurücklegten. Auf dem Weg hatte die Karawane eine tiefe Schlucht zu passieren, die als Pass der Pilger oder Teufelsschlucht bekannt war. Dort wurde sie erwartungsgemäß von Räubern überfallen. Stammesleute schwärmten wie Hornissen aus und nahmen sie unter Gewehrfeuer. Die Eskorte befand sich in großen Schwierigkeiten, da der Gegner aus eigens zu diesem Zweck errichteten Steinmauern heraus schoss, und falls einer der Beduinen getötet worden wäre, hätte sich die ganze Bevölkerung der Umgegend der Schlacht angeschlossen und die Karawane schließlich überwältigt. In einer solchen Situation musste sich die Reisegruppe glücklich schätzen, mit einem Verlust von »nur« zwölf getöteten Männern entkommen zu können.

Am 25. Juli 1853 erreichte Burton Medina, wo er über einen Monat blieb. Er widmete einen ganzen Band der Beschreibung der Stadt und der religiösen Riten, an denen er teilnahm. Doch er war nicht sonderlich beeindruckt von der Grabesmoschee des Propheten, welche er als »unbedeutend und kitschig« empfand: »Sie vermittelt den Eindruck eines zweitrangigen Museums, eines Kuriositätenladens, voll von Schmuck und mit armseligem Glanz dekoriert.« Burtons Gemüt wurde mehr durch den großen Friedhof al-Baqi‘ bewegt, welcher am Tag des Jüngsten Gerichts Zeuge der Auferstehung von hunderttausend Heiligen mit Gesichtern gleich Vollmonden sein soll.

Für die Fortsetzung der Reise nach Mekka bedurfte es einiger Vorbereitungen – so mussten etwa die Wasserschläuche, die von Ratten angenagt worden waren, repariert und Vorräte für vierzehn Tage besorgt werden. Burton marschierte mit Muhammad und seiner Eskorte hauptsächlich in der Nacht. Ein solcher Reiseabschnitt dauerte von drei Uhr nachmittags bis elf Uhr am folgenden Morgen. Es gab natürlich wieder einen Hinterhalt auf dem Weg, und nur wenige Meter von Burton entfernt wurde ein Kamel durch einen Flintenschuss getötet.

Am 11. September 1853 erreichte Burton Mekka, wo er alle Riten des Hadschs unter der Anleitung seines Reisegefährten Muhammad durchführte. Dieser arrangierte auch, dass Burton das Innere der Kaaba betreten und den Schwarzen Stein küssen konnte. Burton steinigte den Teufel an den drei vorgeschriebenen Stellen, wie es die orthodoxen Rechtsschulen forderten, und erlebte die große Predigt, die Chutba, welche die Pilgerfahrt alljährlich beschließt. »Ich habe religiöse Zeremonien in vielen Ländern gesehen«, schrieb er, »aber nie war irgendetwas so feierlich, so beeindruckend wie dieses Schauspiel.«

Die Reisegruppe ritt weiter nach Dschidda, wo im letzten Moment auch Muhammad begriff, dass er »einen Sahib aus Indien« eskortiert hatte, »der über unsere Bärte gelacht hat«.

Burtons Bericht über diese Pilgerfahrt beinhaltet, wie alle seine Bücher, eine Unmenge detaillierter Beobachtungen, gelehrte Fußnoten, dazu aber auch haarsträubende Vorurteile, das alles durchsetzt mit einem eher grimmigen Humor. Sein Bericht bereicherte das Wissen der Orientalistik über die heiligen Stätten des Islam, doch vor allem übermittelte er die Atmosphäre der Wallfahrt spannender als irgendeiner seiner Vorgänger und berichtete auch eine Reihe seltsamer Details. So beobachtete er, dass die Augenkrankheit grauer Star mit gerösteten Maultierzähnen behandelt wurde und diese in zermahlener Form den Beduinen auch als Puder dienten. Er erzählte, wie die Affen mit ihren rosaroten Hinterteilen im Hedschas Vögel fangen: Die Affen legen sich mit dem Gesicht nach unten auf die Lauer – und die Vögel stürzen sich auf das vermeintliche Stück Fleisch. Ein anderer Affe, der sich in der Nähe in einem Gebüsch versteckt hält, stürzt sich seinerseits auf den hungrigen Vogel und dreht ihm den Hals um. Burton studierte intensiv die Märkte von Medina und stellte fest, dass man frische Straußeneier kaufen und dass ein äthiopisches Sklavenmädchen mehr als zwanzig Pfund kosten konnte. Schließlich zeigte er auch großes Interesse für die Beduinen und stellte Ähnlichkeiten zwischen den Tänzen der Beduinen und denen der Indianer Amerikas fest. Es verging indes fast ein Vierteljahrhundert, bevor Burton nach Arabien zurückkehrte und sich jenes Zechkumpans entsinnen sollte, der ihm von Gold in den Bergen Midians erzählt hatte.

NACH HARAR UND ZU DEN NILQUELLEN

Im Jahr 1854 versuchte Richard Francis Burton Somalia (das sogenannte Horn von Afrika) zu erkunden. Er wollte dort geographische Daten sammeln und Kenntnisse über den Handel in diesem Gebiet erwerben. Begleitet wurde er von drei britischen Offizieren: Leutnant Stroyan, Leutnant Herne und John Hanning Speke, einem geschätzten englischen Jäger und Leutnant des 46. Regiments der Eingeborenen-Infantrie von Flare in Indien. Im gleichen Jahr trafen sich die vier Expeditionsteilnehmer in Aden, an der dem Horn von Afrika gegenüberliegenden Küste, mit der Absicht, gemeinsam nach Harar und von dort nach Sansibar zu reisen.

Nach vielen Wechselfällen gelangte Richard Francis Burton schließlich allein vor die Tore der verbotenen Stadt Harar, der Hauptstadt des alten Hadiyah-Reiches, und als Händler verkleidet war er in der Lage, sie im Januar 1855 zu betreten.

Burton versuchte anschließend, in das Innere Somalias zu reisen. Leutnant Speke verfolgte das Ziel, in das Wadi Walnut zu gelangen, aber aufgrund der Raubgier seines Führers konnte er nicht wie geplant mit Burton zusammentreffen und kehrte drei Monate nach seiner Abreise nach Aden zurück. Burton war somit der erste Europäer, der Harar in Äthiopien betrat – eine Leistung, die viel gefährlicher war als seine Reise nach Mekka und Medina.

Noch im gleichen Jahr organisierte Burton eine weitere Expedition in den Ogaden. Am 19. April 1855, nur vier Tage nach ihrer Abreise von der Küste, wurden die Reisenden von Somalis überfallen und Leutnant Stroyan getötet; Speke rannte, aus elf Wunden blutend, um sein Leben. Burton selbst erhielt eine gefährliche Speerwunde im Gesicht, ein Schnitt durch beide Wangen, der die berühmte Narbe auf seinen Porträts verursachte.

Im Jahr 1856 beauftragte die Königliche Geographische Gesellschaft Burton, eine Frage zu klären, die die Menschheit schon seit Jahrtausenden beschäftigte: Wo liegen die Quellen des Nils? Die alten Ägypter wussten bereits, dass sich der Nil mehrere Tagesreisen über Khartoum im Sudan nach Süden fortsetzt. Herodot, der griechische Historiker, beschäftigte sich 460 v. Chr. mit der Nilfrage. Ptolemäus glaubte, die Quellen des Nils lägen bei den Mondbergen. Und tatsächlich ist das Quellgebiet des Nils nicht weit von dem von Ptolemäus beschriebenen Punkt entfernt, den heutigen Ruwenzori-Bergen am Albert- und Edward-See. Später erreichten griechische Entdecker den Zusammenfluss des Weißen und Blauen Nils. Im Jahr 66 v. Chr. entsandte Kaiser Nero eine Militärexpedition auf der Suche nach den Quellen des Nils. Im 17. Jahrhundert entdeckte der jesuitische Missionar Pedro Páez den Ursprung des Blauen Nils, aber die Quelle des Weißen Nils sollte ein Geheimnis und eine faszinierende Herausforderung für Abenteurer und Forscher bleiben. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erzählten arabische Sklaven- und Elfenbeinhändler auf der Insel Sansibar Geschichten über große Seen und Berge im Inneren Afrikas und davon, dass dort ein großer Fluss entspränge. War dies vielleicht die Quelle des Nils?

Richard Burton wandte sich an seinen Freund Speke und bat ihn, sich seiner Expedition anzuschließen. Im Dezember 1856 kamen Burton und Speke in Sansibar an. Von dort setzten sie im Juni 1857 auf den afrikanischen Kontinent nach Bagamoyo über, von wo aus sie in Richtung Innerafrika aufbrachen – der Route der Sklavenhändler folgend, um einen großen See namens Udschidschi zu erreichen. Ihr Auftrag war, seine Grenzen festzulegen und darüber Aufschluss zu erhalten, ob dieser große See die Quelle des Nils war oder nicht.

Mit hundertdreißig Trägern und dreißig Lasttieren brachen sie Richtung Südwesten auf, immer darauf bedacht, die kriegerischen Hirtenstämme der Massai zu vermeiden. Doch die Expedition stand zunächst unter keinem guten Stern: Mehrere Träger desertierten, und Tropenkrankheiten nahmen Burton und Speke die Kraft.

Nachdem sie zu Beginn des Jahres 1858 einen Monat in Kazeh (dem späteren Tabora) verbracht hatten, erreichten sie nahe Udschidschi (der aus den Orten Ugoï und Kawele bestehende Hauptort dieser Region liegt am Ostufer des Tanganjika-Sees) schließlich doch den großen See. Beide Männer waren in einer bedauernswerten körperlichen Verfassung, Burton hatte kein Gefühl mehr in den Beinen und Fieberwahn. Sie kehrten bald nach Kazeh zurück.

Sklavenhändler, mit denen sie gesprochen hatten, erzählten auch von einem großen See im Norden, welchen sie Nyanza nannten. Burton hatte jedoch keine Kraft mehr und blieb in Kazeh, um über die Reise zu schreiben. Speke, der sich erholt hatte, reiste nach Norden weiter und erreichte den beschriebenen See, den er zu Ehren der britischen Königin Victoria-See nannte. Ohne ihn näher zu erkunden, kehrte er zurück und erzählte Burton, dass die Nilquellen somit entdeckt seien. Burton glaubte ihm nicht, aber er versuchte auch nicht, Spekes Entdeckung zu überprüfen. Zwischen den beiden entbrannte ein heftiger Streit um die Frage, wer Recht habe und wo der Nil nun tatsächlich seinen Ursprung hätte.

Im März 1859 trafen beide Reisende in Sansibar ein. Speke kehrte ohne den schwer kranken Burton nach England zurück, der in Aden blieb. Im Mai 1859 berichtete Speke, ohne auf Burtons Ankunft zu warten, über seine Entdeckung vor der Royal Geographical Society und wurde mit Ehren überhäuft, auf die beide Anspruch gehabt hätten.

Eine weitere Nil-Expedition führte Speke gemeinsam mit James Augustus Grant durch. Am 28. Juli 1862 erreichten die beiden den Punkt, wo der Nil den See auf seinem langen Weg zum Mittelmeer verlässt. Speke schickte sein berühmtes Telegramm »Der Lauf des Nils ist festgelegt« ab.

Doch der von Zeitungen zwischen Burton und Speke angeheizte heftige Streit schlug weitere Wellen. Der berühmte Afrikareisende David Livingstone ergriff beispielsweise Partei für Burtons Ansichten. Um die Diskussion zu beenden, organisierte die Königliche Geographische Gesellschaft für den 16. September 1864 ein öffentliches Streitgespräch zwischen beiden Entdeckern im englischen Seebad Bath. Doch zu der längst fälligen Aussprache sollte es nicht mehr kommen: Am Tag vor Burtons und Spekes Auftritt in der Öffentlichkeit starb John Hanning Speke vermutlich durch einen Jagdunfall in der Nähe von Bath. Er selbst hatte den Schuss wohl ausgelöst. Es ist jedoch niemals eindeutig geklärt worden, ob es Mord, Selbstmord oder ein bloßer Unfall war. Die nachfolgenden Forschungen bestätigten schließlich die Entdeckung Spekes, dass der Hauptstrom des Nils tatsächlich seinen Ursprung im Victoria-See hat.

AUF DER SUCHE NACH GOLD

Burtons spätere Reisen scheinen im Gegensatz zu seinen dramatischen früheren Unternehmungen fast zufällig zustande gekommen zu sein. So besuchte er 1860 die Vereinigten Staaten, ließ es sich bei dieser Gelegenheit auch nicht nehmen, die Technik des Skalpierens zu studieren, und schrieb über das Mormonen-Zentrum in Salt Lake City das Buch »Die Stadt der Heiligen« (1861).

Im Januar 1861 heiratete er die gottesfürchtige und aristokratische Isabel Arundell, die, nachdem sie Burton zehn Jahre zuvor erstmals flüchtig gesehen hatte, ihrer Schwester gesagt haben soll: »Dieser Mann wird mich heiraten.« Sie half ihm dabei, Konsularposten in Westafrika, Brasilien, Damaskus und schließlich Triest zu erhalten. Während der meisten Zeit sollte ihre Pflicht aber »Bezahlen, Packen und Mitkommen« sein, als er rund um die Welt reiste; dennoch schrieb sie eine bewundernde Biographie über ihren Mann. Sie war seine Mitarbeiterin, Herausgeberin seiner Schriften und seine vehementeste Befürworterin, förderte seine Schriftstellerei und kämpfte letztendlich erfolgreich dafür, dass er zum Ritter geschlagen wurde. Sie arrangierte sogar ein Abendessen Burtons mit Königin Victoria.

Ab dem Jahr 1861, als Folge seiner Ehe mit Isabel Arundell, nahm Burton Konsulardienste des britischen Außenministeriums an. Eine Reihe von Konsularposten folgte.

Während seiner Tätigkeit als Konsul auf Fernando Póo (1861–1865) erforschte er die Biafra-Bucht und unternahm eine Expedition nach Dahomey (Benin) auf der Suche nach Gold. Einen Konsularposten in Santos (Brasilien) nutzte er zu Reisen nach Paraguay, Argentinien und Peru und für die Arbeit an seinem Werk »In den Hochländern Brasiliens« (1869). Eine weitere Station war Damaskus in Syrien, wo er »Unerforschtes Syrien«, schrieb (1872). Ein weiterer Konsularposten führte ihn schließlich nach Triest (damals zu Österreich-Ungarn gehörend), wo er von 1872 bis zu seinem Tod im Jahr 1890 wirkte. Hier übersetzte er »Tausendundeine Nacht«, das »Kama Sutra« und »Der duftende Garten« ins Englische, was ihn heftigen Angriffen der Nationalen Wachsamkeitsgesellschaft, verbissener Tugendwächter und der »Gesellschaft zur Unterdrückung des Lasters« aussetzte.

Als sich Burton auf seinem diplomatischen Posten in Triest zu langweilen begann, hielt er Ausschau nach weiteren Abenteuern. Er erinnerte sich, dass einer seiner alten Freunde aus dem Kairo-Wakalah ihm erzählt hatte, er habe eine Stelle gefunden, die goldhaltige Sande enthielt. Diese sollte im nordwestlichsten Teil der Arabischen Halbinsel liegen, welcher vom Sinai durch den Golf von ’Akabah getrennt ist – dem alten Land Midian, dessen Nomaden durch den jüdischen Feldherrn Gideon dreitausend Jahre zuvor vertrieben worden waren und wo auch Moses Zuflucht gefunden hatte. Burton interessierte sich für Gold, seitdem er von seinen indianischen Reisen zurück war; und er wusste viel über Bergbau.

Der ägyptische Vizekönig Ismael I. hatte zu dieser Zeit die Ressourcen des Landes bei seinem gewaltigen Plan, Ägypten bildungsmäßig, kulturell und wirtschaftlich zu reformieren, über alle Maßen beansprucht. Er hatte seine finanziellen Mittel nicht nur überdehnt, der Khedive von Ägypten hatte praktisch sein Land durch seine Extravaganz und die den Ägyptern diktierten Zwänge der Schuldenverwaltung ruiniert. Unter seiner Herrschaft hatte Ägypten den Sudan annektiert, war nach Afrika vorgedrungen und hatte ein prestigeträchtiges staatliches Bauprogramm begonnen, zu dem das Kairoer Opernhaus gehörte – für das Verdi übrigens die »Aida« schrieb. Hinzu kamen Ausgaben für den persönlichen Luxus des Herrschers. So soll er fünf Millionen Pfund Sterling in seinen Harem investiert haben. Ismael war deshalb verzweifelt auf der Suche nach neuen Ressourcen.

Lord Arundell, Burtons Schwiegervater, war bereit, etwas Geld für Burtons geplante Expedition und Goldsuche zur Verfügung zu stellen, und Burton fing an, den ägyptischen Vizekönig Ismael für seine Unterstützung zu umwerben, nach Gold und anderen Mineralien in Midian forschen zu dürfen. Richard Burton war zuversichtlich, dass der Khedive annehmen würde.

Als Vizekönig Ismael Burtons Brief bekam, in welchem er durchblicken ließ, dass Midian Ägypten mit den Reichtümern der kalifornischen Goldfelder versorgen könnte, sah der Khedive eine Möglichkeit, wie er die ausufernde wirtschaftliche Krise in den Griff bekommen könnte. Eine solche Expedition zu finanzieren, wie Burton sie ihm vorgeschlagen hatte, war ein Hasardspiel, wie Ismael es liebte.

Tatsächlich reiste Burton bald darauf mit seinem alten Freund aus dem Wakalah nach Midian. Er überredete ihn, die Expedition zu begleiten, obwohl er die Geburt seines fünften Kindes erwartete. Zu Burtons Gefolge gehörten auch ein französischer Bergwerksingenieur und eine Militäreskorte. Sie segelten Ende März 1877 von Suez los. Burton betrachtete das Unternehmen als eine Fortsetzung seiner Reise zu den heiligen Stätten im Hedschas. Die Expedition verbrachte knapp drei Wochen in dem Gebiet, und Burton kehrte mit der Überzeugung zurück, dass weiter im Landesinneren Gold abgebaut werden könnte. Man entdeckte alte Inschriften, viele neue Pflanzen und Insekten, aber Gold in nennenswerten Mengen wurde vorerst nicht gefunden.

Dies hinderte Burton indes nicht daran, dem Khediven zu telegraphieren, dass die Expedition ein voller Erfolg gewesen sei, als sie nach Kairo mit ihren Gesteins-, Kies- und Sandproben zurückkehrten. Die Ergebnisse der Sechzehn-Tage-Erkundung überzeugten den Khediven Ismael, dass eine weitere, ausführlichere Expedition tatsächlich gerechtfertigt sei. Denn die Burton-Erkundung hatte viele alte Bergwerksstollen gefunden, aus denen man acht große Steinkisten, vierzehn mit Kies gefüllte Wasserkanister und zwölf Körbe mit Sand mitgebracht hatte. Bei der Analyse konnten die Mineralien als metallhaltiger Quarz, Porphyr, Grünstein und Basalt identifiziert werden, welche Spuren von Gold und Silber enthielten, aber in solch winzigen Mengen, dass ein wirtschaftlicher Bergbau nicht möglich erschien.

In einem vor der Königlichen Gesellschaft der Künste gehaltenen Vortrag behauptet Burton dennoch ausdrücklich, von seiner ersten Expedition »Proben freien Goldes, gefunden in offensichtlich eruptivem Basaltgestein« zurückgebracht zu haben: »Silber kommt in den roten Sanden und im Quarz und titanhaltigen Eisen des Dschebel el-Abyaz vor. Silikat, kohlensaures Salz und andere Kupferverbindungen wurden aus chloritischem Schiefer und Quarz extrahiert. Blei und Eisen liegen überall herum. Zink war überreichlich vorhanden; die Hälfte des Landes bestand aus Gips und Selenit, und der Schwefel konkurrierte mit dem von Neapel.« Die zweite, weit aufwendigere Expedition fügte diesen Metallen Antimon (auch Stibium) und Quecksilber hinzu.

Zwischen seinen midianitischen Reisen gab es kurzzeitig die Vorstellung, dass Burton in den Sudan gehen und unter Charles George Gordon, dem Generalgouverneur des Sudans, Darfurs, der Äquatorialprovinzen und der Küste des Roten Meeres, arbeiten solle; aber weitblickend erkannte Burton, dass sie ein zu ungleiches Paar wären, um in der täglichen Tretmühle auf Dauer zusammenarbeiten zu können.

Als Gordons Angebot am 16. September 1877 vom Khediven wiederholt wurde, erwiderte Richard Burton, dass die Entwicklung Afrikas immer seine Herzensangelegenheit bleiben würde, er aber an der Führung einer weiteren Bergbau-Expedition nach Midian interessiert sei, um die Goldfelder für Ägypten zu erschließen. Er schlug vor, nach Midian zurückzukehren, um eine dreimonatige Expedition auszuführen, »eine Erforschung, die die Macht und die Prosperität des Landes fördern wird«.

Burton rechnete anscheinend fest mit der Zustimmung des Khediven, denn noch bevor er seinen Brief an ihn nach Ägypten abschickte, hatte er an das britische Außenamt geschrieben und seinen Vorgesetzten mitgeteilt, dass der Khedive ihn eingeladen habe, drei Monate in Midian zu verbringen. Die Arbeit seines Konsulates würde davon nicht beeinflusst werden, sagte er, da ihn der fähige Vizekonsul Edward Brock in seiner Abwesenheit vertreten würde. Mit dem Einverständnis des Staatssekretärs für Indien und designierten Außenministers (ab April 1878) Lord Robert Arthur Salisbury stimmte das Foreign Office zu, legte aber fest, dass Burtons Gehalt gekürzt würde. Offensichtlich hatte Richard Burton auf seinem Posten in Triest Narrenfreiheit: Eine an Burtons Personalakte befestigte Notiz hielt, als er seine genehmigte dreimonatige Beurlaubung auf sechs Monate ausdehnte, resigniert fest: »Es hat keinen Sinn, ihn zu fragen, wann er nach Triest zurückkommen wird, Hauptmann Burton hat immer mehr das getan, was er wollte, und wo er sich gerade befindet, ist er viel besser beschäftigt als auf seinem Posten.«

Burton verfasste natürlich auch über diese zeitlich sehr begrenzte Expedition ein Buch. Voll gelehrter Fußnoten und Referenzen verbreitete er darin Optimismus. Und glücklicherweise blieb auch der Khedive hoffnungsvoll und stattete wenig später eine noch viel größere Abteilung aus. Vier Europäer, sechs ägyptische Offiziere, zweiunddreißig ägyptische Soldaten (hauptsächlich befreite schwarzafrikanische Sklaven), dreißig Steinbrecher, ein griechischer Koch und Kellner und ein Zimmermann gingen am 19. Dezember 1877 an der Küste Midians an Land. Die Gruppe war immens aktiv. Burton schätzte, dass sie in vier Monaten mehr als viertausend Kilometer zurücklegten. Sie begutachtete die Lage von achtzehn alten Siedlungen, aber auch diesmal brachten sie kein Gold mit.

Die Geographen sind sich heute darüber einig, dass Burtons Berichte über Midian sein größter Beitrag zur geographischen Kenntnis Arabiens sind, weit bedeutender als seine erste, viel spektakulärere Reise nach Medina und Mekka. Vordergründig war der Grund für Burtons Reisen nach Nordwestarabien, nach Gold und anderen ökonomisch ausbeutbaren Mineralien zu suchen. Tatsächlich standen für ihn aber immer das wissenschaftliche Studium und die Erforschung der Region im Vordergrund, wie Philip Ward in seiner Einführung zur 1979 erschienenen englischen Ausgabe »Die Goldminen von Midian und die zerstörten midianitischen Städte« wohl zu Recht betont.

Burtons Expedition erforschte, untersuchte und kartierte den tausend Kilometer langen Küstenstreifen des nördlichen Midian. Viele wichtige archäologische Orte, die Überreste von achtzehn Städten und zwanzig Siedlungen wurden identifiziert, und all die vierzig den mittelalterlichen Geographen bekannten Plätze. Sie brachten alte Artefakte und Knochen, prähistorische Muscheln, zahlreiche Exemplare der Flora und Fauna sowie Insekten mit zurück; sie bewiesen die Existenz von wertvollen Mineralien: Schwefel, Salz und Salpeter sowie »gewaltige Ansammlungen von Gips«; sie fanden Achate und Türkise – aber sie fanden kein Gold, wenigstens nicht in den Mengen, von denen Richard Burton überzeugt war, dass sie in den angespülten Sanden existierten. Die Expedition brachte fünfundzwanzig Tonnen Gesteinsproben für metallurgische Analysen mit, die von George Marie ausgewählt wurden, dem für das Projekt durch die ägyptische Regierung ernannten französischen Geologen und Bergbau-Ingenieur. Auch Marie war selbstsicher und davon überzeugt, sie würden die Existenz von Silber beweisen. Der Nachweis von wirtschaftlich ausbeutbaren Silbererzen hätte auch Burton in hohem Maße gefallen. Er hatte eine magische Leidenschaft für das Metall und nutzte es als Gichtmittel. Doch statt des erhofften Reichtums blieben Richard Burton infolge seiner midianitischen Reisen nur Schulden. Der Khedive ließ ihn auf seinen Ausgaben sitzen. Am 26. Juni 1879 musste Ismael I. auf Druck der europäischen Großmächte zugunsten seines Sohnes Taufiq abdanken. Der neue Vizekönig weigerte sich, die finanziellen Verpflichtungen seines Vaters gegenüber Burton anzuerkennen.

Nach dem Erfolg seines Werkes »Die Goldminen von Midian und die zerstörten midianitischen Städte« schuf Richard Burton ein noch substanzielleres Werk: »Das Land Midian«, welches im darauffolgenden Jahr in zwei Bänden erschien. Es beschäftigt sich ausführlich mit drei Reisen – nach Nord-, Zentral- und Südmidian. Es ist voll von sowohl praktischen als auch tiefgründigen Informationen, und es ist mit Zeichnungen, Inschriften und einer detaillierten Karte illustriert. Da Burton nun in der Lage war, die Fahnenauszüge von »Das Land Midian« selbst durchzusehen, wurden die zahllosen Irrtümer und Druckfehler vermieden, welche die ursprüngliche Ausgabe der »Goldminen von Midian« beeinträchtigt hatten.

WO LIEGT MIDIAN?1

Der geographische Ausdruck Midian ist selbst heute noch nicht eindeutig zur Zufriedenheit aller definiert worden. In der Genesis (XXXVII, 28) wurde von den Midianitern gesagt, dass sie Josef von seinen Brüdern gekauft und ihn in Ägypten verkauft hätten. In Exodus (II, 15) wird davon gesprochen, dass Moses in Midian oder dem östlichen Land (östlich, das heißt von Ägypten aus) gelebt habe und dort Zipporah heiratete, eine Tochter des Priesters Jethro. Laut Numeri (XXXI, 22, 50–54) steckten die Hebräer im Jahr 1452 v. Chr. die Städte und die Burgen Midians in Brand und trugen eine herrliche Beute an Gold, Silber, Bronze, Eisen, Zinn und Blei, mit Gefäßen aus Gold, Halsketten und Armbändern, Ringen, Ohrringen und Broschen fort. Zweihundert Jahre später, dem Buch Richter VIII, 24–27 zufolge, als die Midianiter ihre Stärke wiedergefunden hatten, erschlugen mit Gottes Hilfe jüdische Krieger unter Gideon die ismaelitischen Könige Zebah und Zalmunna mit etwa einhundertfünfunddreißigtausend Kriegern und erlangten so viel Gold, dass Gideon, der sich nur einen Goldring von jedem seiner siegreichen Soldaten erbat, siebzehnhundert Schekel Gold erhielt. Gideon schmolz das Edelmetall ein und ließ davon ein Ephod herstellen, ein religiöses Emblem, das später der Gegenstand götzendienerischer Verehrung wurde. Doch dieses Massaker erwies sich für das Königreich Midian als tödlich, und es verabschiedete sich danach alsbald aus der Geschichte.

Die klassischen griechischen und römischen Autoren kannten das Wort Midian nicht, da sie die Region als Bestandteil des Nabatäer-Reiches betrachteten. Flavius Josephus teilte das Gebiet in zwei Midians.

Burton leitete seine Definition Midians von einigen mittelalterlichen arabischen Geographen und einigen Beduinen der Region ab, und er bestätigte, dass Midian im Norden von ’Akabah am Ende des Golfes von ’Akabah begrenzt wird und im Süden von al-Muwailah und dem Wadi Surr. Die Westgrenze ist der Golf selbst, und die östliche Grenze ist die Bergkette, die allgemein als Dschebel Schar’a bekannt ist, welche die Tihama von der Hisma trennt. Nach Burtons Auffassung hat die ganze Meeresküste südlich des Forts von al-Muwailah bis zum Hedschas »absolut keinen Namen«, keinen Oberbegriff.

Er schlug deshalb eine Teilung der Nordwestregion des heutigen Saudi-Arabiens in zwei Teile vor. Das »eigentliche Midian« oder »nördliche Midian« umfasst nach dieser Definition das Gebiet nördlich al-Muwailahs mit einer Küstenlinie von einhundertacht Meilen, während der Begriff »südliches Midian« sich auf den Küstenabschnitt vom Fort von al-Muwailah südlich bis zum Wadi Hamdh (25° 55’ nördlicher Breite), eine Küstenlinie von einhundertfünf Meilen, bezieht. Burton begründet seine Definition damit, dass sein größeres Midian im Altertum von den Nabatäern beherrscht wurde und zum Zeitpunkt seiner Expedition den gleichen Herrscher hatte: den ägyptischen Vizekönig Ismael.

Der berühmte Arabist und Geograph Aloys Sprenger, mit dem Burton einen herzlichen Briefwechsel führte, lehnte übrigens die neue Definition von Midian als neumodisch und zu breit angelegt ab. Doch blieb Burton die Anerkennung seiner Definition nicht versagt, da seine Interpretation der Gebiete Midians von Einrichtungen wie dem Marine-Nachrichtendienst der britischen Admiralität benutzt wurde.

Das Alte Testament erwähnt Goldschürfungen in Saba, Ophir und Havilah (Genesis X, 28–29). Alle diese Orte liegen im südlichen Arabien, und es ist wahrscheinlicher, dass die von Moses und Gideon an sich gerissene Beute an kostbaren Metallen eher durch Handel oder Piraterie erlangt worden war als durch Bergbau. Des Weiteren sind verschiedentlich Goldsande und die Existenz von Goldklumpen überliefert. Der midianitische Bergbau in Saudi-Arabien hatte vermutlich drei Blütezeiten: das Zeitalter von Salomon (961–922 v. Chr.), die Periode des Abbasiden-Kalifats (750–1258 n. Chr.) und die Zeit des saudi-arabischen Bergbau-Syndikats (1939–1954).

ELF SCHREIBTISCHE FÜR DEN ÜBERSETZER IN TRIEST

Nach seinen midianitischen Reisen stattete Burton den Kong-Bergen Westafrikas einen kurzen Besuch ab, um dort die Möglichkeit des Goldabbaus zu überprüfen, aber sein Lebensrhythmus war etwas langsamer geworden.

Zunehmend widmete er sich seinen literarischen Aktivitäten – unter anderem der bereits erwähnten Übersetzung von »Tausendundeiner Nacht«, natürlich wieder mit Fußnoten, welche die Destillation all seines Wissens und seiner Erfahrung enthalten. Er übersetzte in Triest verschiedene hinduistische erotische Erzählungen. In seinem Herrenhaus bei Triest hatte er für jedes Projekt, an dem er arbeitete, einen eigenen Schreibtisch. Es waren insgesamt elf.

Im Jahr 1886 wurde er sehr zu seiner Überraschung durch Queen Victoria geadelt. Er starb am 20. Oktober 1890 in Triest.

Heute, mehr als ein Jahrhundert nach seinem Tod, ist Richard Francis Burton eine Legende. Den Grundstein hierfür legte er, wie geschildert, nach dem Ende seiner Armeelaufbahn: Er wurde ein überaus fruchtbarer Schriftsteller, ein ausgezeichneter Linguist, ein detailbesessener Übersetzer und ein unersättlicher Forscher, der keine Auseinandersetzung, kein noch so großes Wagnis oder Abenteuer scheute.

Von allen Forschungsreisenden war kaum einer in seinem Leben aktiver oder produktiver als Richard Francis Burton. Kein Reisender auf der arabischen Halbinsel – von Thomas Edward Lawrence abgesehen – hat mehr Biographen veranlasst, sein Leben nachzuzeichnen. Die erste Biographie über ihn erschien bereits zehn Jahre vor seinem Tod.

Die Bibliographie von Burtons eigenen Arbeiten umfasst mehr als dreihundert Seiten, darunter sechzig komplette Bücher. Er schrieb über Bajonett-Drill, Falknerei, Bergbau, Archäologie, Schlangen, Medizin, Ingenieurwissenschaft, Bergsteigen, Religion und Liebespraktiken auf allen Erdteilen, Letzteres sehr zum Unwillen seiner Gattin. Von Burton sind Reiseberichte aus allen Kontinenten (mit Ausnahme der Antarktis und Australiens) erhalten. Allein über Afrika schrieb er dreizehn Bücher mit einem Gesamtumfang von viertausendsechshundert Seiten. Die arabische Halbinsel blieb aber, wie er selbst sagte, »das Land meiner Vorliebe«. Es überrascht daher auch nicht, dass Burton zu den Gründervätern des Königlichen Ethnographischen Instituts gehört.

Burton schrieb viel und schnell, und es gibt daher einen Berg an Informationen in seinen Werken. Sein enzyklopädisches Wissen über den Orient zeigt sich am besten in seiner großen sechzehnbändigen Übersetzung der »Tausendundeinen Nacht« (1885–1888) und den dazugehörigen umfangreichen Fußnoten. »Tausendundeine Nacht« war ein perfekter Gegenstand für ihn: Burton war immer mehr am Laster als an der Tugend interessiert. Er übersetzte außerdem die Qasidah Hadschi Abd El-Yezdis, das erotische »Kama Sutra« von Vatsyayana, das »Ananda Ranga« und »Den duftenden Garten« von Scheich Nefzawi.

Sein Reisebericht »A Personal Narrative of a Pilgrimage to Mecca and Al-Medina«, in welchem er über seiner Teilnahme am Hadsch des Jahres 1853 berichtete, begründete seinen Ruhm als Schriftsteller. Sein Erfolg bei dieser nicht ungefährlichen Reise war seiner intimen Vertrautheit mit den Sprachen und Gewohnheiten der Region geschuldet. Zudem war er, seinen mystischen Neigungen folgend, in den Reihen des Derwischordens der Qadiri initiiert worden.

Die Saga berichtet, dass Burton tatsächlich alle paar Monate eine neue Sprache gelernt haben soll. Am Ende seines Lebens beherrschte er fast dreißig Sprachen und zwölf Dialekte.

Burton widmete sich auch intensiv dem Studium des Okkulten, unbekannten Einflüssen, Talismanen, Tränken und magischer Macht. Während seines ganzen Lebens suchte er leidenschaftlich nach »Gnosis«, nach Welterkenntnis, welcher er rund um die Welt in ihren unzähligen Formen nachjagte. Er studierte die Kabbala, eine mittelalterliche jüdische Geheimlehre, und die geheimnisvolle Weisheit und Kunstfertigkeit des Griechen Hermes Trismegistos (Hermetik). Er war eingeführter Nagar Brahmin (die Naga sind ein Volksstamm im indischen Assam), und er war Mitglied der ismaelitischen Sekte (Siebener-Schia), welche beanspruchte, von den im Mittelalter als Meuchelmörder gefürchteten Assassinen abzustammen. Er war zu verschiedenen Zeiten Konvertit zum Hinduismus, Tantrismus (die Tantra-Lehre verehrt Schiwa und seine Gattin Parwati als Hauptgottheiten), zum römischen Katholizismus, zu dem Glaubensbekenntnis der Sikhs und zum Islam.

Nach Burtons Tod ergriff seine Frau vor allem zwei Schritte, um sein Andenken zu bewahren: Sie baute ein außergewöhnliches Grab in der Form eines Beduinenzeltes auf dem Heiligen-Maria-Magdalenen-Friedhof in Mortlake, einem Vorort von London. Und sie verbrannte leider alle ihr obszön erscheinenden Manuskripte, denen ihr Ehemann in seinen letzten Jahren all seinen Fleiß gewidmet hatte. Der Scheiterhaufen mit dem »Kama Sutra« und anderen Manuskripten soll tagelang gebrannt haben.

Uwe Pfullmann

 

1Die Ausführungen über die geographischen Grenzen Midians stützen sich weitgehend auf Philip Wards Abhandlung in »The Gold-Mines of Midian and the Ruined Midianite Cities« (1878).

RICHARD FRANCIS BURTON

DIE GOLDMINEN VON MIDIAN

KAPITEL I

In Alexandria

Endlich! Wieder einmal ist es mein Geschick, dem Gefängnisleben eines zivilisierten Europas zu entfliehen und Körper und Geist durch das Studium der Natur in ihrer nobelsten und bewundernswertesten Form zu erquicken. Abermals sollte ich den Anblick der »herrlichen Wüste« genießen dürfen und durch einen kurzen Besuch bei den Wilden in ihrer urtümlichen Heimat Kraft schöpfen.

Dies fügte sich wie folgt: Seine Hoheit, der Vizekönig von Ägypten, hatte von einem gemeinsamen Freund erfahren, dass ich viele Jahre zuvor Kenntnis von der Stätte eines Goldfeldes erlangt hatte, und ehrte mich nun mit der Einladung, über diese Angelegenheit persönlich zu berichten. Ich beantragte einen Monat Urlaub, der mir vom Außenamt Ihrer Britannischen Majestät in Anbetracht des grimmigen Winters und meiner Erschöpfung in der »tagtäglichen Tretmühle« zu Triest zuvorkommend gewährt wurde.

So ging ich denn am 3. März 1877 ungeachtet aller weisen Ratschläge, welche die Gattin dem Ehemann ans Herz legt, an Bord der Aurora, des österreichisch-ungarischen Lloyd-Schiffes von Kapitän Markovich.

Die Reise über zwölfhundert Meilen entlang jener malerischen Küsten von Istrien und der Hochländer und Inseln von Dalmatien verlief über die Maßen angenehm. Jenseits des romantischen Bocche di Cattaro, dem Bosporus des Westens, hatten wir außer schlechtem Wetter nichts zu befürchten und konnten unbesorgt auf die eisgekrönten Gipfel und schneegepuderten Hänge der großartigen Cimariot-Bergkette blicken: Das weithin gerühmte Akrokeraunion wurde in den letzten Jahren vor allem für seinen Feuerstein-Abbau berühmt. Es war wie gewöhnlich schwarze Nacht, als wir vor der Zitadelle und den Forts von Korfu ankerten; früher einmal eine höchst bezaubernde Militärstation, liegt sie seit dem traurigen Jahr 1864 infolge des Unabhängigkeitskampfes in Ruinen.

Vorbei an jener Brandung, die bei Leukas an dem Felsen aufläuft, von dem sich Sappho stürzte, und die noch immer von ihrem Blut gefärbt ist; durch den weithin berühmten Kanal mit dem rauen Theaki (Ithaca) an Backbord und dem erhabenen Kephalonia an Steuerbord; hart an Zante vorbei, dessen liebliche Hänge und befestigte weiße Stadt sie zur Blume der Levante gemacht haben; über den Golf von Patras und zur Stadt Katakolo, mit dem alten Pondiko Kastro, dem venezianischen Fort, das hoch über johannisbeerbewachsenen Tieflanden thront; vorbei an dem von Deutschen heimgesuchten Aipheus des Jupiter Olympius; an dem felsig zerklüfteten und vom Wind gepeitschten Arkadien, das so seltsamerweise zum Geburtsort der lieblichen arkadischen Erzählung und des Gesanges wurde; vorbei auch unter den wilden Mauern des steinigen Peloponnes und über die historische Navarino-Bucht mit ihrem von Ruinen gekrönten Wellenbrecher zur Insel Sphagia … An all diesen erinnerungswürdigen Plätzen dampften wir vorüber und erwachten am Morgen des vierten Tages, als wir in Küstennähe an den südlichen Ufern von Kreta entlangfuhren.

Das lange schmale Felsmassiv, dessen Konturen und Blöcke aus silbern getupften Berggipfeln und Felsspitzen sich mitunter bis auf 8000 Fuß erheben, war das letzte für uns sichtbare Stück Land auf unserem Weg. Es bot uns all seine Schönheit dar, die auf ihre Weise sogar dem unübertroffenen alpinen Charme einer intensiv strahlenden Sonne und des funkelnden Schnees gleichkommt: Goldstaub regnete auf den reinsten Hermelinpelz, und die ganze Szenerie hob sich ab vor dem mittelländischen Blau, während das Meer zur Musik der Winde tanzte. Mit dem tief empfundenen Wunsch, dass Kreta – welches im Jahre des Herrn 1680 von Mohammed IV., dem letzten Sultan, der persönlich im Felde stand, annektiert wurde – sich am Abend seiner Tage über die Wiedervereinigung mit dem Christentum und der Fahne des heiligen Georg glücklich schätzen möge, entboten wir der Insel ein zärtliches Lebewohl und wunderten uns, den Seeweg so von Schiffen verlassen zu sehen. Am 8. März warfen wir Anker im alten Eunostos, dem neuen Hafen von Alexandria, welcher ein vortreffliches Werk und Ägyptens größter Tage würdig ist. Wir Reisende hielten jetzt Ausschau nach einer Gepäck-Anlandungsgesellschaft, die uns vor den Kasteiungen des kreischenden Bootsverleihers und des habgierigen Dragomans bewahren sollte.

Der »libysche Vorort« – die Stadt sowohl des Propheten Daniel, Alexanders des Großen und des Apostels Markus – ist nicht mehr wie im Jahre 1853 eine Stadt falscher Bezeichnungen, wo die Trockendocks immer nass und die marmornen Springbrunnen ewig trocken sind; deren »Nadel der Kleopatra« weder mit Kleopatra verbunden noch eine Nadel ist; deren »Säule des Pompeius« nie den geringsten irdischen Bezug zu Pompeius aufwies und deren »Bäder« der Kleopatra, wahrheitsliebenden Reisenden zufolge, von jeher alles andere als Bäder waren.