Inhalt

Einleitung

1 – Sinnliche Erfahrungen – die Grundlage kindlichen Handelns

1.1 Zur Bedeutung sinnlicher Wahrnehmung

1.2 Ein Blick in die Geschichte: Lernen mit Kopf, Herz und Hand

1.3 Die Bildung der Sinne in einer unsinnigen Zeit

1.4 Kinder nehmen ganzheitlich wahr

1.5 Leben und Lernen mit allen Sinnen – Ansatzpunkte für ein didaktisches Konzept

2 – Entwicklung und Verlauf der Wahrnehmung

2.1 Das Zentralnervensystem

2.1.1 Funktion und Aufbau des Gehirns

2.1.2 Die Nervenzellen und ihre Verbindungen

2.1.3 Die Entwicklung des Gehirns

2.1.4 Plastizität und Selbstorganisationsfähigkeit des Gehirns

2.2 Der Prozess der Wahrnehmung

2.2.1 Grundbegriffe der Sinneswahrnehmung

2.2.2 Der Weg vom Reiz zur Reaktion

2.2.3 Wie die Wahrnehmung beeinflusst wird

2.2.4 Die Entwicklung der Wahrnehmung

2.3 Wie viele Sinne hat der Mensch?

3 – Aufbau und Funktion der Sinnessysteme

3.1 Das visuelle System – der Sehsinn

3.1.1 Die Bedeutung der visuellen Wahrnehmung

3.1.2 Das Auge

3.1.3 Aufgaben und Leistungen des visuellen Systems

3.1.4 Die Entwicklung der visuellen Wahrnehmung

3.1.5 Vom Einblick zum Durchblick – Sehspiele

3.2 Das auditive System – der Hörsinn

3.2.1 Die Bedeutung der auditiven Wahrnehmung

3.2.2 Das Ohr

3.2.3 Bereiche der auditiven Wahrnehmung

3.2.4 Die Entwicklung der auditiven Wahrnehmung

3.2.5 Von Krachmachern und Ohrwürmern – Hörspiele

3.3 Das taktile System – der Tastsinn

3.3.1 Die Bedeutung der taktilen Wahrnehmung

3.3.2 Die Haut

3.3.3 Bereiche der taktilen Wahrnehmung

3.3.4 Die Entwicklung der taktilen Wahrnehmung

3.3.5 Wer nicht hören will, darf fühlen – Tastspiele

3.4 Das kinästhetische System – der Bewegungs-, Kraft- und Stellungssinn

3.4.1 Die Bedeutung der kinästhetischen Wahrnehmung

3.4.2 Bereiche der kinästhetischen Wahrnehmung

3.4.3 Die Propriozeptoren

3.4.4 Die Entwicklung der kinästhetischen Wahrnehmung

3.4.5 Roboter und Hampelmann – Spiele mit dem Bewegungs-, Kraft- und Stellungssinn

3.5 Das vestibuläre System – der Gleichgewichtssinn

3.5.1 Die Bedeutung des Gleichgewichtssinns

3.5.2 Der Vestibularapparat

3.5.3 Bereiche der vestibulären Wahrnehmung

3.5.4 Die Entwicklung der vestibulären Wahrnehmung

3.5.5 Bis die Welt sich um mich dreht – Spiele mit dem Gleichgewicht

3.6 Das olfaktorische System – der Geruchssinn

3.6.1 Die Bedeutung des Geruchssinns

3.6.2 Die Nase / Nasenhöhle

3.6.3 Geruchsqualitäten

3.6.4 Entwicklung des Geruchssinns

3.6.5 In alles seine Nase stecken – Riechspiele

3.7 Das gustatorische System – der Geschmackssinn

3.7.1 Die Bedeutung des Geschmackssinns

3.7.2 Die Mundhöhle

3.7.3 Geschmacksqualitäten

3.7.4 Die Entwicklung des Geschmackssinns

3.7.5 Alles Spaghetti – Schmeckspiele

3.8 Mit allen Sinnen leben und lernen –
zur Integration der Sinneswahrnehmungen

4 – Beeinträchtigungen der Wahrnehmungsfähigkeit

4.1 Ursachen von Wahrnehmungsstörungen

4.2 Typische Störungsbilder

4.3 Auswirkungen auf die kindliche Entwicklung und das schulische Lernen

4.4 Förderung von Kindern mit Wahrnehmungsstörungen

5 – Pädagogische Konzepte und Ansätze der Sinnesbildung

5.1 Die »Sinneserziehung« bei Montessori

5.2 Das Kind als »Sinnes- und Erfahrungswesen« in der Waldorf-Pädagogik

5.3 Das »Erfahrungsfeld der Sinne« (Hugo Kükelhaus)

5.4 Sinnliche Begegnungen mit der Welt in Reggio Emilia

5.5 Ästhetische Erziehung

5.6 Snoezelen – Sinnesanregung mit therapeutischer Wirkung

6 – Projekte zum Spielen und Lernen mit allen Sinnen

6.1 Spiele mit Licht und Schatten

6.2 Ein Festival der Sinne

Und wenn das Fest zu Ende ist …

Literatur

Über die Autorin

Einleitung

Kinder sind eigensinnig, können mit ihrem Frohsinn anstecken und manchmal auch leichtsinnig sein, erkennen scharfsinnig, lieben den Blödsinn und sind für jeden Unsinn zu haben. Wo Kinder sind, da sind auch die Sinne im Spiel!

Kinder sind sinnenreiche Wesen. Sie haben Spaß an körperlichen Herausforderungen und eine besondere Antenne für alles, was ihre elementaren Sinneswahrnehmungen betrifft. Auf den ersten Blick scheinbar sinnloses Tun kann zugleich sehr sinnvoll sein, wenn man sich als Erwachsener auf die Erlebnisebene der Kinder einlässt.

Aber: Kinder wachsen auf in einer sinnesfeindlichen Umwelt. In unserer »verkopften« Gesellschaft verschwindet das körperlich-sinnliche Erleben immer mehr, und so besteht schon bei Kindern die Gefahr, dass ihre sinnliche Wahrnehmung sich vorwiegend auf das Sehen und Hören reduziert. Körpernahe Wahrnehmungen geraten dagegen immer mehr in den Hintergrund. Alle Sinnesorgane brauchen jedoch Anregung, um zu funktionieren. Sie brauchen Training, um sich weiterentwickeln zu können. Sie müssen benutzt werden, um nicht zu verkümmern. Selbst das Sehen und Hören bleiben diffus, wenn nicht auch andere – körpernähere – Systeme an der Informationsgewinnung beteiligt sind. Die Sinne sind in Gefahr, aus der Übung zu kommen, und je weniger sie im Alltag gebraucht werden, umso mehr Aufmerksamkeit müssen ihnen die Einrichtungen widmen, die sich für die Erziehung und Bildung von Kindern verantwortlich fühlen.

Diesem Anliegen widmet sich das vorliegende Buch. Es will auf die Missachtung der Sinnlichkeit und der körperlichen Betätigungsbedürfnisse von Kindern in unserer – zunehmend von Medien bestimmten – Welt aufmerksam machen. Es will Wege aufzeigen, wie Kindertagespflegeeinrichtungen, Krippen, Kindergärten und Grundschulen zu Stätten sinnlicher Wahrnehmung, lust- und sinnvollen Spielens und Lernens werden können.

Mit allen Sinnen die Welt begreifen

Widersprüche

Es ist ein Widerspruch an sich, ein Buch über die Vielfalt sinnlicher Wahrnehmung zu schreiben. Ein Buch, das man nur über die Augen aufnehmen, im Kopf verarbeiten und eben nicht mit allen Sinnen erfassen kann. Bereits das Schreiben des Buches ist ein einseitiger Akt.

Wie viel geht an Sinnlichkeit verloren, wenn sinnliche Erfahrungen beschrieben, analysiert, systematisiert, korrigiert, gesetzt, gedruckt und gebunden worden sind? Wenn in die Welt der Worte gedrängt ist, was doch aus der Welt des Erlebens, Fühlens, Spürens kommt? Wenn die Sinne erst verwissenschaftlicht, kategorisiert, auf ihre Funktion hin analysiert worden sind? Es besteht die Gefahr, dass sie zu einer Sache werden, zu einem Organ, dass Rezeptoren und Sensoren in den Vordergrund rücken und der Sinn verlorengeht.

Diesen Widerspruch aufzulösen gelingt nur, wenn das hier Geschriebene als Hilfe für das Verstehen von Zusammenhängen, vor allem aber als Impuls für das Selbertun verstanden wird. Es soll Ein-sichten ermöglichen, An-stöße geben, damit Erzieher und Erzieherinnen, Lehrer und Lehrerinnen und auch Eltern die Lebenswelt ihrer Kinder in neuen Zusammenhängen wahrnehmen.

Ein weiterer Widerspruch liegt in der Aufspaltung einzelner Sinnesbereiche. Wahrnehmung ist ein ganzheitlicher Prozess – schließt dies nicht von vornherein aus, die Vorgänge des Sehens, Hörens, Tastens oder Sichbewegens getrennt zu beschreiben, ihre Funktionsfähigkeit einzeln zu erläutern?

Für das Verständnis der Sinneswahrnehmung ist es notwendig, die Besonderheiten der jeweiligen Wahrnehmungsvorgänge zu betrachten, um anschließend ihr Zusammenwirken besser nachvollziehen zu können. Die Entwicklung der kindlichen Wahrnehmung kann als Prozess zunehmender Differenzierung der Sinnesleistungen beschrieben werden, der einhergeht mit ihrer gleichzeitigen Integration. Der gleiche Weg soll auch in diesem Buch gegangen werden, indem neben der Darstellung der jeweiligen Sinnessysteme immer auch auf ihr Zusammenspiel hingewiesen wird.

Schließlich kann auch die Frage gestellt werden, ob Kinder überhaupt eine »Schulung« der Sinne brauchen. Sind angeleitete Spiele, vorbereitete Spielsituationen, Tastpfade und Riechsäckchen notwendig, um Kindern sinnliche Erfahrungen zu vermitteln?

Hierzu gilt ganz allgemein: Je mehr Entdeckungsräume den Kindern im Alltagsleben zur Verfügung stehen, umso weniger bedarf es der angeleiteten Beschäftigung. Gehen die Anregungen für vielseitige Sinneserfahrungen bereits von der räumlichen Gestaltung der Umwelt, von den »Dingen« selber aus, sind weniger Impulse durch die Erwachsenen notwendig, um Kindern ein Erproben und »Üben« ihrer Sinne zu ermöglichen. Da in der heutigen Lebenswelt diese Voraussetzungen jedoch meist nicht mehr vorhanden sind, ist es wichtig, das »Training« der Sinne anzuregen und damit die Wahrnehmungsfähigkeit der Kinder und der Erwachsenen zu erweitern.

Bei alledem ist es jedoch auch wichtig, den Kindern Freiraum für eigene Entdeckungen zu lassen und ihnen die Möglichkeit zu geben, eigene Erfahrungen zu sammeln. So können Erwachsene am ehesten den Bedürfnissen der Kinder gerecht werden, ihre Umgebung mit allen Sinnen in sich aufzunehmen, sie zu erfassen und zu begreifen.

Anliegen

Scheinbare Widersprüche aufzulösen, Gegensätze zu vereinen, gehört zu den Anliegen dieses Buches. Es verfolgt das Ziel:

Das Buch soll Anregungen geben und zum Mitmachen herausfordern. Zwar gibt es eine Vielzahl von Literatur zur Sinnesbildung und zur Förderung der sinnlichen Wahrnehmung. Meist handelt es sich hierbei allerdings um rein praktische Anleitungen und Spielesammlungen, bei denen die theoretische Grundlegung (z. T. bewusst) außer Acht gelassen wird und auch der pädagogische Zusammenhang nicht ausdrücklich Erwähnung findet.

Auf der anderen Seite gibt es auch eine Reihe meist psychologischer oder medizinischer Nachschlagewerke, die den Aufbau und die Funktionsweise der Sinnesorgane detailliert beschreiben und den Ablauf der Wahrnehmungsprozesse erklären. Für den Laien ist diese Art der Beschreibung jedoch schwer verständlich, sie zeigt auch keinerlei Konsequenzen auf für die Umsetzung der theoretischen Erkenntnisse in die Praxis frühkindlicher oder schulischer Bildung und Erziehung.

Hier versucht das vorliegende Buch eine Lücke zu schließen: Die Bedeutung der Sinne und der Prozess der Sinneswahrnehmung werden in verständlicher Sprache aufgezeigt, gleichzeitig ermöglichen konkrete Beispiele ein Sicheinlassen auf das »Reich der Sinne«.

Die praktischen Beispiele reichen von einfachen Spielvorschlägen, die im Kita- und Schulalltag leicht zu verwirklichen sind, über Übungsbeispiele, die eine gezielte Förderung spezifischer Sinnesbereiche ermöglichen, bis hin zu größeren Projekten, die auch in Zusammenarbeit mit Eltern durchgeführt werden können.

Die meisten Spielvorschläge sind für Kinder im Kindergarten- oder Grundschulalter gedacht. Mit einigen Abwandlungen können jedoch auch jüngere Kinder zum Bespiel in der Krippe oder in der Kindertagespflege und ebenso ältere Kinder begeistert werden, sich auf die Experimente und Spiele »mit allen Sinnen« einzulassen. Und auch Erwachsene haben die Chance, ihre Sinne neu zu entdecken und dabei vielleicht sogar ganz ungewohnte Erfahrungen zu machen.

Die in diesem Buch enthaltenen Spielideen können problemlos in den pädagogischen Alltag eingebaut werden – entweder geplant und vorbereitet oder indem sie sich ganz einfach aus dem alltäglichen Spiel ergeben. Keinesfalls sollen sie zum Programm, zum täglichen Muss werden. Sie sollten vielmehr dazu beitragen, dass Kinder möglichst viele Gelegenheiten haben, sich spielerisch in der sinnlichen Wahrnehmung zu üben und einen sinnenreichen Alltag zu genießen. Es geht auch darum, neue Möglichkeiten vor allem dort zu schaffen, wo ihr Lebensalltag keine entsprechenden Gelegenheiten mehr bereithält. Durch die Einbindung der Spielideen in größere Zusammenhänge (Projekte) soll den Kindern darüber hinaus aber auch sinnvolles Handeln ermöglicht werden.

Kinder sind von ihrem ersten Lebenstag an aktiv und wollen ihre Umwelt erkunden. Erwachsene können sie dabei begleiten und unterstützend wirken, indem sie eine entsprechende Umgebung schaffen, Sinneserfahrungen zulassen und sogar bewusst machen und den Kindern damit Chancen für ein Leben und Lernen mit allen Sinnen geben.

Wichtig ist, dass bei allem Üben und Ausprobieren der Spaß und die Freude am lustvollen Tun im Vordergrund bleiben, denn nur dann werden die Sinne wirklich geweckt, und nur dann wird aus den sinnreichen Handlungen ein sinnvolles Spiel. Mit allen Sinnen die Welt erfahren und genießen – dies könnte der Leitspruch sein, der diesem Buch zugrunde liegt.