»Beim Angeln geht‘s nicht nur
darum, wie man Fische fängt. Es geht vor allem
darum, wie man genießt.«

englisches Sprichwort

Markus Heine, geboren 1977, hat Jahre seines Lebens
am Wasser verbracht. Als Redakteur der Angelmagazine
FISCH&FANG und DER RAUBFISCH tauchte er
tief in die Angelszene ein und angelte an den schönsten
Revieren dieser Welt. Obwohl er bereits so viel beim Angeln
erlebt hat, wird er jedes Jahr aufs Neue von einer
bevorstehenden Angelsaison verzaubert – die reine
Vorfreude auf neue Angelabenteuer.

© 2021 Markus Heine, www.markus-heine.com
Zeichnungen: Michael Huber
Layout: Dieter Bode

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in
der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische
Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7543-8608-8

INHALT

Für Leonard

VORWORT

»Die Sonne ging tief orange auf, ihre Strahlen brachten
den See zum Dampfen. Nichts bewegte sich, es war nur eine
entrückte Welt aus Grün und Grau und Gold.«

Richard Walker, engl. Angellegende

Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als ich zu meinem schon nass gewordenen Kescher schaue – ein Hecht hat mich an diesem Morgen bereits für mein frühes Aufstehen belohnt. Ich gieße mir einen Kaffee ein und blicke entspannt über den Fluss, an dem ich schon so viele schöne Stunden erlebt habe. Ein Haubentaucher ploppt in diesem Moment mit einem erbeuteten Rotauge an meinem Angelplatz auf, was seinen Kollegen anspornt, ebenfalls abzutauchen.

Ich philosophiere vor mich hin, wie es Angler so machen, wenn sie zufrieden an ihrem Hausgewässer sitzen. Für mich hat jede Jahreszeit ihren Reiz. Ich liebe die Lebendigkeit des Frühlings genauso wie die Romantik lauer Sommernächte, die nie zu Ende gehen sollten. Mit Freunden am Wasser zu sitzen, die Knicklichter vor Augen, die Aale am Laufen – das ist Lebensqualität. Ich kann aber auch dem Winter viel abgewinnen, wenn der mit Schnee gepuderteBoden unter den Stiefeln knirscht und große Winterrotaugen bläulich-silbern in der Sonne glitzern, so hübsch wie das ganze Jahr über nicht.

Am liebsten am Wasser: Die in diesem Buch genannten
Gewässer stehen exemplarisch für die vielen Reviere, die
jeder Angler vor der Haustür hat.

Seit über 30 Jahren bin ich nun schon Angler. Das Angeln hat mein Leben so weit geprägt, dass es sogar meinen beruflichen Alltag bestimmt. Denn seit fast 20 Jahren arbeite ich als Redakteur bei den beiden Angelzeitschriften FISCH&FANG und DER RAUBFISCH. Während dieser zwei Jahrzehnte habe ich so ziemlich alles am Wasser erlebt: Ich war mit den besten Anglern unterwegs, besuchte Angelreviere auf der ganzen Welt und fing viele schöne Fische, einige in kapitalen Größen.

Zwar angle ich in meinem Beruf als Angeljournalist oft vom Boot aus, in meiner Freizeit bin ich jedoch lieber zu Fuß unterwegs. Ich bin Uferangler durch und durch. Sicherlich ärgere ich mich manchmal, wenn ich an meinem Baggersee – neben dem Fluss mein zweites Hausgewässer – nicht an die weit draußen liegenden Stellen herankomme. Zum Glück liegt das Gute aber auch beim Angeln oft sehr nah.

Meine zwei Hausgewässer haben eine überschaubare Größe. Der Fluss ist zwischen 25 und 75 Meter breit und fließt an den tieferen Stellen so schwach, dass man ihn kaum als Fließgewässer identifizieren würde. In den flachen Abschnitten schlängelt er sich dagegen umso lebendiger und laut gurgelnd durch die Wiesen. Es gibt einige Wehre und Schleusen, dazu zwei Altarme, die im Sommer stark verkrautet sind und wie idyllische Waldseen anmuten.

Mein Fluss hat einen guten Weißfischbestand. In den ruhigen Abschnitten schwimmen Rotaugen und Brassen, in den schneller fließenden Döbel und Barben. Karpfen gibt es nur wenige, sie durchwühlen am liebsten die im Sommer mit Seerosen bedeckten Altarme. Als Raubfische dominieren Hechte und Barsche, in den trüberen Schleusenbereichen kommen vereinzelt Zander vor. Die Trübung des Flusses variiert von Jahreszeit zu Jahreszeit. Im Winter hat man eine gute Sichttiefe, im Sommer ist das Wasser trüber, weil es dann vor Leben strotzt.

Der Baggersee, mein zweites Revier, ist zwölf Hektar groß und strukturreich. Flachwasserzonen wechseln sich mit tieferen Bereichen ab, manche davon liegen sogar vom Ufer aus in Wurfweite. Es gibt aber auch Freiwasserflächen, die man als Uferangler nicht erreicht. Genau dort – wo auch sonst! – vermute ich die größten Hechte des Sees. Zander kommen nur vereinzelt vor, dafür gibt es viele Barsche und besetzte Regenbogenforellen. Der Karpfenbestand kann als ausgezeichnet bezeichnet werden.

In den folgenden Kapiteln möchte ich Sie ein Jahr lang mit an meine beiden Hausgewässer nehmen, die exemplarisch für die vielen Gewässer stehen, die jeder Angler vor der Haustür hat. Es geht auf Hechte, Zander, Welse und Barsche, aber auch auf Friedfische wie Rotaugen, Döbel, Schleien, Barben und Karpfen. Wir fangen große, kleine und keine Fische, und es geht sogar in den Angelurlaub. Außerdem erleben Sie, wie ich mit allen Tricks versuche, meinen vierjährigen Sohn Leonard zum Angler zu machen.

Die Freude an unserem Hobby steht für mich bei allen Ausführungen an erster Stelle. Ich bin nämlich Genussangler durch und durch. Was das ist und wie man dazu wird, werden Sie bald erfahren. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen beim Lesen dieses Buches und immer eine gute Zeit am Wasser.

JANUAR:
NEUES JAHR, NEUE DÖBEL

»Er zeigte auf unsere Posen und Schnüre. Dies, sagte er,
ist eure Verbindung mit den unsichtbaren Kräften der Natur.
Auch wenn wir keine Fische fangen werden, verbinden
sie uns mit einer höheren Wahrheit.«

Howard Marshall, engl. Autor

Es ist Neujahr – und was für eines! Die Sonne strahlt vom blauen Himmel, und kein Wölkchen traut sich, dieses perfekte Wintergemälde anzutasten. Ich stapfe durchs gefrorene Gras, und jeder Schritt knirscht unter meinen Stiefeln. Zu meiner Freude sehe ich, dass heute noch kein anderer Angler am Wasser war. Der am Ufer entlang führende Trampelpfad zeigt keine frischen Spuren.

Mein heutiges Ziel ist eine lang gezogene Flusskurve mit einigen ins Wasser ragenden Weiden. Der Fluss ist noch leicht getrübt, da der Dezember eher mild und regnerisch war. Das trockene Winterwetter der letzten Tage hat seinen Pegel jedoch fast wieder auf Normal gedrückt, sanft strömt er durch die mit einer zarten Schneeschicht gepuderten Wiesen.

Tief atme ich die frische Winterluft ein und genieße sie umso mehr, da es gestern Nacht beim Anstoßen aufs neue Jahr doch etwas später geworden ist. Aber wer feiern kann, kann auch früh aufstehen. Für Angler das kleinste Problem. Während ich den Fluss entlang gehe, wird mein Kopf klarer und klarer und die Vorfreude auf den ersten Wurf des Jahres wächst und wächst.

Es ist windstill. Das spiegelglatte Wasser sieht so aus, als würde es von einer kristallklaren und ultradünnen Eisschicht überzogen werden. Trippelten die beiden mich seit einer Weile begleitenden Blesshühner nicht hektisch übers Wasser, fiele man nur zu leicht auf diese optische Täuschung herein. Von einer Eisschicht sind wir allerdings weit entfernt. Ich erinnere mich nicht, dass der Fluss in den letzten Jahren jemals zugefroren war. Früher kam das durchaus vor, aber richtige Winter mit monatelangen Minusgraden kennt man nicht mehr.

Viel braucht man nicht zum Döbelangeln im Winter, vor allem dann nicht, wenn man mobil sein will und mehrere Stellen befischen möchte, so wie ich es heute vor habe. Ich trage nur einen kleinen Rucksack, in den ich etwas Zubehör wie Blei, Futterkörbe, Posen und Haken gepackt habe. Eine Thermoskanne mit heißem Tee wird mir das Warten auf den Biss versüßen.

Ob mit Pose oder Grundblei – Döbel fängt man zu
jeder Jahreszeit. Im Sommer mit Kirschen, im Winter
besser mit Brot.

Es ist neun Uhr, als ich auf der Innenseite der Flusskurve ankomme. Insgesamt ist sie etwa 50 Meter lang, der Fluss an dieser Stelle knapp 25 Meter breit. Ich habe es auf zwei Stellen auf der Innenseite und eine auf der Außenseite abgesehen. An der ersten Stelle ragt eine Weide bis ins Wasser und bricht die Strömung, an der zweiten hat ein Herbststurm eine Birke umgeweht, die nun halb im Wasser liegt und vor der sich eine Rückströmung mit kleinen Wirbeln gebildet hat. Diese beiden Stellen will ich mit der Pose befischen, an der dritten werde ich dagegen eine Grundmontage einsetzen. Sie liegt nämlich an der Außenseite der Flusskurve, wo die Strömung das Ufer unterspült und einen Unterstand für Döbel geschaffen hat.

Ein weiterer Hotspot liegt stromab im Auslauf der Kurve. Der Fluss fließt dort gleichmäßig, und keine überhängenden Büsche deuten auf potenzielle Unterstände hin. Döbel lieben solche unscheinbaren Flussstrecken allerdings. Deshalb werde ich auch dort eine Stelle präparieren.

Präparieren? Ganz genau, das ist nämlich mein Plan für heute. Bevor ich meinen ersten Köder auswerfe, gehe ich die einzelnen Stellen nach und nach ab und füttere etwas an. Jedoch nur bei der Hälfte der Plätze, zwei bleiben unberührt, da das vorherige Anfüttern beim Döbelangeln nicht unbedingt die Fangchancen erhöht und manchmal sogar kontraproduktiv ist. Vor allem dann, wenn man im Winter mit einer Brotflocke angeln will, mein Lieblingsköder.

Zwei weitere Köder, auf die Spezialisten im Winter schwören, sind Leber und Frühstücksfleisch. Ich empfehle tiefgefrorene Geflügelleber, die man unter Umständen noch zerkleinern muss. Damit sie weniger glitschig ist, streut man etwas Paniermehl oder Trockenfutter darüber. Die panierten Stücke lassen sich einfacher packen und anködern. Leber fängt hervorragend. Frühstücksfleisch aber auch – und das bevorzuge ich neben der Brotflocke als Köder.

Geduckt schleiche ich das Ufer entlang. Ich versuche möglichst leicht aufzutreten, so leicht, wie man es mit knapp 90 Kilo eben schafft. Plopp, plopp, plopp – einige Kostproben meines Frühstücksfleisches plumpsen zwei Meter vor der in den Fluss ragenden Weide ins Wasser. Insgesamt füttere ich mit fünf Würfeln an, die mit der Strömung absinken und in drei Metern Tiefe auf Höhe der Weide am Grund landen dürften. Mit Brot braucht man an meinem Fluss erst gar nicht anzufüttern, da die Flocken unkontrolliert abtreiben und eher Enten als Döbel anlocken würden. Man könnte Toastbrot zu Hause in der Küchenmaschine zerschreddern, es sehr feucht anrühren und mit so einem Brotbrei anfüttern. Man kann aber auch darauf verzichten und sich am Wasser über warme Hände freuen.

Früher tickte ich anders. Da fühlte ich mich erst gut, wenn ich mir jeden Fisch mühsam erarbeitet hatte. Je anstrengender, desto besser. Meine Einstellung hat sich im Laufe der Jahre jedoch geändert. Heute bin ich nicht mehr Leistungsangler, sondern durch und durch Genussangler. Vielleicht die höchste Ebene des Anglerdaseins: Man beurteilt einen Angeltag nicht mehr nach den gefangenen Fischen, ist nicht auf ewiger Rekordjagd, sondern angelt mit der inneren Ruhe und Zufriedenheit, anderen und vor allem sich selbst nichts mehr beweisen zu müssen, ohne dabei seine Passion weniger emotional oder gar gleichgültig zu verfolgen. Als Genussangler weiß ich, dass ich bei Frost kein zerkleinertes Brot mit klirrend kaltem Flusswasser anfeuchten möchte und sich Frühstückfleischwürfel hervorragend mit warmen Handschuhen anfüttern lassen.

Die zweite Stelle mit der umgefallenen Birke lasse ich in Ruhe. Manchmal kann es beim Angeln auf Döbel, Barben oder Karpfen nämlich besser sein, aufs Anfüttern zu verzichten. Mein Aha-Erlebnis dazu hatte ich mit meinem Arbeitskollegen und Angelfreund Thomas Kalweit, der sich im Angeln wie kein Zweiter auskennt. Ob Historisches oder aktuelle Praxis, ob Fried- oder Raubfische – Thomas ist ein Mensch gewordenes Angellexikon. Ich kenne niemanden, der so viel übers Angeln weiß wie er und dabei so bescheiden geblieben ist. Ein durch und durch feiner Mensch, mit dem man gerne seine Zeit verbringt.

»Einer Pose in der Strömung
nachzuschauen, wirkt auf mich
unheimlich beruhigend. Man ist
voll und ganz im Hier und Jetzt,
absolut konzentriert auf den
Moment. Stets begleitet von
einer angenehmem Aufregung,
die nur Angler kennen, wenn
sie auf einen Biss hoffen.«

Thomas wollte mir an einem Sommertag zeigen, wie gut man Döbel mit Kirschen fangen kann. Ich war skeptisch, schließlich standen an unserem Revier, der Lahn, weit und breit keine Kirschbäume, sodass die Döbel die Früchte nicht kennen und noch nie davon gekostet haben konnten. Thomas sprach trotzdem von einem der besten Sommerköder. Als er dann zu allem Überfluss auch noch meine Frage nach dem Anfüttern verneinte, fehlten mir die Worte.

Und was passierte? Bereits bei der ersten Drift tauchte die Pose ab, ausgerechnet meine. Es landete ein 50er Döbel im Kescher, der wie zum Trotz eine angefressene Kirsche ausspuckte. Ich staute nicht schlecht und war immer noch etwas baff, als Thomas wenig später den zweiten Döbel fing. Tatsache: Man kann Friedfische fangen, ohne vorher angefüttert zu haben. Und das sogar mit Ködern, die die Fische nicht kennen. Verkehrte Angelwelt.

In den Folgejahren fing ich die meisten meiner Döbel, ohne vorher angefüttert zu haben. Deshalb präpariere ich auch heute nur die Hälfte meiner Angelplätze mit einigen Frühstücksfleischwürfeln, weiß aber eigentlich, dass auch die nicht nötig wären.

Zum Posenangeln auf Döbel benutze ich englische Schwimmer vom Typ Avon oder Loafer, zwei feststehende Modelle. Ich tariere sie mit möglichst wenigen, kompakt angeordneten Bleischroten aus, die ich im unteren Drittel der Montage ans Ende der 0,18er bis 0,22er monofilen Hauptschnur klemme. Es folgt eine kleine Schlaufe, in die ich ein dünneres, 50 Zentimeter langes Vorfach schlaufe. Es dient als Sollbruchstelle, um bei einem Hänger nicht die ganze Montage samt Pose zu verlieren. Als Haken schwöre ich auf stabile 4er bis 8er Öhrhaken, je nach Köder und Ködergröße. In 95 Prozent aller Fälle entscheide ich mich für die Größe 6.