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© 2021 Ibrahim Bekmezci, Hamburg
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
Printed in Germany
Umschlagabbildung: European Union/EP Louise WEISS building/Architecture Studio
ISBN: 9783754380895
The subject of the present study is „Characteristics and catalog of objectives of the EU system and EU foreign policy. Perspectives for the EU as an international actor“. This thesis deals with alternative models of democratically shaped, modern systems of government in a legal-institutional context. It is about the foundations, goals, central institutions, actors, structures, procedures and democratic legitimacy of the complex EU system as well as its foreign policy role as a global player in the system of international relations.
Overall, it can be stated that the EU system has a unique form of organization that is difficult to define conceptually. In its 70-year history, the EU has consistently pursued the goal of expanding geographically on the one hand and, on the other hand, parallel to political events and developments, in addition to economic integration, to deepen its legal and institutional depth accordingly.
In this context, the process of European integration is about a sui generis organization that means „of its own kind, in a class by itself“, therefore „unique“. The complex EU system contains elements of an international organization, a confederation of states or a federal state. The institutional architecture of the EU consists of a complex structure of supranational and intergovernmental organs. It is therefore an unprecedented transfer of power that can only be grasped if one is familiar with both the conceptual and historical foundations of European integration.
It can also be observed that the EU today is not only a political and economic community of interests of sovereign nation-states based on international treaties, but also a community of values and legal interests of different interests. Furthermore, It can be clearly seen here that the European integration process is rather characterized by a tension in the actions of the actors. The central actors of the EU are the independent national governments. On the one hand, they are ready to hand over power to the European level, but on the other hand they want to limit the power to the newly created level. However, one thing is certain, and that is that they always want to maintain their own political influence.
Ultimately, this results in supranational efforts to shape the EU as well as the national or international safeguarding of interests of the EU member states. As a result, the supranational and intergovernmental complexity of the EU system creates such a complicated multilevel system.
Das Thema der vorliegenden Studie lautet „Charakteristika und Zielkatalog des EU-Systems und der EU-Außenpolitik. Perspektiven für die EU als internationaler Akteur“. Die Idee für mein Thema kam während der Corona-Krise im Frühjahr 2021, um die erzwungene Corona-Auszeit sinnvoll zu nutzen sowie der Wissenschaft und Forschung beizutragen. Ich habe mich mit diesem Thema beschäftigt, weil es nach meiner Ansicht sehr interessant und vor allem auch zeitlos aktuell ist.
Die vorliegende wissenschaftliche Arbeit befasst sich mit alternativen Modellen demokratisch geprägter, moderner Regierungssysteme, in deren Zentrum die EU mit ihrer einzigartigen Form steht. Die Analyse fokussiert sich konkret auf die Charakteristika des politischen Systems der EU und der europäischen Außenpolitik im rechtlich-institutionellen Kontext. Es handelt sich dabei um die Grundlagen, Ziele, zentralen Institutionen, Akteure, Strukturen, Verfahren und demokratische Legitimität des komplexen EU-Systems. Anschließend wird die außenpolitische Rolle der EU als internationaler Akteur im System der internationalen Beziehungen untersucht.
Ich interessiere mich primär für Europa und Moderne, die Erforschung der internationalen Beziehungen sowie der modernen Konzepte der vergleichenden Politikwissenschaft und des Europarechts. Mein besonderes Interesse gilt der Recherche der politischen Architektur in Europa und der Welt, der EU-Außenbeziehungen, der internationalen Organisationen mit globaler Reichweite sowie der alternativen Modelle des Policy-Prozesses. Das Ziel dieser Forschungsarbeit ist auf diese Art und Weise Antworten für verschiedene Problembereiche in rechtlicher, institutioneller und politischer Hinsicht zu finden.
Für mich war die Erstellung dieser Studie nicht nur eine Herausforderung, sondern zugleich auch eine persönlich bereichernde Erfahrung, Erweiterung und Vertiefung meiner wissenschaftlichen Kenntnisse, Fachwissen, Fähigkeiten und Anschauungen. Den zahlreichen Personen und Institutionen, die mich sowohl während meines Studiums der Politikwissenschaft, BWL und Jura in Bamberg und Hamburg wie ebenfalls meiner Promotionszeit in der Rechtswissenschaft an der Universität Hamburg in vielfältiger Art und Weise unterstützt haben, möchte ich an dieser Stelle nochmals ganz herzlich danken.
Hamburg, Juni 2021
Ibrahim BEKMEZCI
Abschn. | Abschnitt |
AEUV | Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
Art. | Artikel |
AstV | Ausschuss der Ständigen Vertreter der |
Regierungen der Mitgliedstaaten der EU | |
Aufl. | Auflage |
BHG | Bundesgerichtshof |
BIP | Bruttoinlandsprodukt |
bpb | Bundeszentrale für politische Bildung |
BRD | Bundesrepublik Deutschland |
bspw. | beispielsweise |
BVerfG | Bundesverfassungsgericht |
d.h. | daher |
EAD | Europäischer Auswärtiger Dienst |
EAG | Europäische Atomgemeinschaft |
ebd. | ebenda |
EG | Europäische Gemeinschaft |
EGKS | Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl |
EPZ | Europäische Politische Zusammenarbeit |
ESVP | Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik |
EuGH | Europäische Gerichtshof |
EUV | Vertrag über die Europäische Union |
EWG | Europäische Wirtschaftsgemeinschaft |
f. | folgend (auf der nächsten Seite) |
ff. | folgend (auf den nächsten Seiten) |
GASP | Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik |
GG | Grundgesetz der BRD |
GSVP | Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik |
h. | hier |
Hrsg. | Herausgeber |
ibid. | ibidem (ebenda) |
insb. | insbesondere |
IWF | Internationaler Währungsfonds |
lpb | Landeszentrale für politische Bildung |
Mio. | Millionen |
Mrd. | Milliarden |
NGOs | Nichtregierungsorganisationen |
NY | New York (Oxford University Press) |
o. u. | online unter |
OECD | Organisation für wirtschaftliche |
Zusammenarbeit und Entwicklung | |
s. | siehe |
sog. | sogenannt |
u. a. | unter anderem |
UN | Vereinte Nationen |
UN-Charta | Charta der Vereinten Nationen |
UNO | Organisation der Vereinten Nationen |
US | United States |
USA | United States of America |
v. a. | vor allem |
vgl. | vergleiche |
WTO | Welthandelsorganisation |
z. B. | zum Beispiel |
ZParl | Zeitschrift für Parlamentsfragen |
Europa spielt eine zunehmende Rolle in der internationalen Zusammenarbeit und Konfliktlösung im internationalen Zusammenleben. Ihre Bevölkerung und Wirtschaftskraft verleihen der Europäischen Union (EU) ein großes Gewicht im System der internationalen Beziehungen, insb. im Rahmen der Vereinten Nationen (UN). Die EU hat nach dem Ende des Kalten Krieges ihre internationalen Kontakte sehr stark ausgebaut. So unterhält sie Partnerschaften mit den geopolitisch und strategisch relevanten internationalen Akteuren, welche die gleichen oder ähnlichen Interessen wie die EU verfolgen. Die gemeinsame Außenpolitik durch die rechtlichen und institutionellen Bestimmungen des Vertrages von Lissabon verstärkt ihre internationalen Einflussmöglichkeiten.
Der Friedensnobelpreis „für über sechs Jahrzehnte Beitrag zur Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten in Europa“ wurde 2012 der EU zuerkannt. Der Erfolg und die Einzigartigkeit des europäischen Friedensprojektes sind unbestritten. Dennoch werden die rechtlich-institutionelle Konstellation und die demokratische Legitimität des EU-Systems sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene oftmals kritisiert. Man hört in unzähligen tagespolitischen Medien und politischen Zentren oder bei Umfragen wiederholt kritische Töne – manchmal berechtigt, manchmal weniger: Zu undemokratisch, zu bürokratisch, zu liberal, zu konservativ, zu machtvoll oder zu schwach, also kompliziert und unmöglich zu verstehen sei die EU. Je greifbarer das „Projekt Europa“ oder die Perspektiven der europäischen Idee wurden und werden, umso höher wurden und werden die Ansprüche ebenfalls und heftiger und intensiver die geführten Diskussionen. Insbesondere ist die EUDebatte seit Beginn der andauernden Euro-Krise im Herbst 2009 innerhalb der EU beinahe ein ständiger Begleiter bei sämtlichen Themen, die Europa betreffen. Seit 2016, mit dem Brexit-Prozess und dem Ausbruch der globalen COVID-19-Pandemie-Krise im Frühjahr 2020, zieht die europäische Frage alle Gesellschaftsschichten innerhalb der EU-Zone durch.
In dieser Konstellation handelt es sich im Kern dieser Studie um die folgenden zentralen Inhalte und Fragen, um das EU-System und die EU-Außenpolitik besser zu erfassen:
Im Lichte dieser Ausgangsfragen wird im Rahmen dieser Forschungsarbeit versucht, die rechtlich-institutionelle Struktur, Verfahren und Prozesse sowie die Außenpolitik des EU-Systems zu erörtern, um die komplexen Zusammenhänge und die kontroverse Position besser zu verstehen sowie Antworten für wichtige Problembereiche zu finden. Zielsetzung ist es dabei, einen möglichst objektiven, wissenschaftlichen Beitrag zum Diskurs über das Projekt Europa, dessen Finalität unbekannt ist, zu leisten.
Zunächst erfolgt ein allgemeiner Überblick über das EU-System, um die komplexen Zusammenhänge der Thematik optimal zu verstehen. Die Europäische Union ist ein komplexes politisches System, das Macht und Kompetenzen mit ihren Mitgliedsstaaten teilt. Wie genau diese Aufteilung zwischen der europäischen und der nationalen Ebene erfolgt, ist jedoch schwer zu erfassen.1
Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Bevölkerung der EU nach dem Brexit, dem EU-Austritt Großbritanniens 2020, etwa 450 Millionen Einwohner umfasst. Der EU-Binnenmarkt kennt keine Grenzen und ist der am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen größte gemeinsame Wirtschaftsraum der Welt. Das gesamte BIP der EU-27 betrug im Jahr 2020 rund 13,33 Billionen Euro.2 Damit erwirtschaftete die Union auch nach dem Brexit noch ein höheres BIP als China (etwa 12,14 Billionen Euro 2020), während das BIP der USA im Jahr 2020 rund 20,93 Billionen USDollar erreichte.3 An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass die USA weiterhin mit deutlichem Abstand zur EU und China die größte Volkswirtschaft der Welt ist. Hingegen ist die EU jedoch nach wie vor der weltgrößte Geber humanitärer Hilfe.
Zum einen erscheint die EU zunehmend als ein den Nationalstaaten übergeordnetes politisches System. Zum anderen verfügt die Union keinesfalls über Weisungsbefugnisse gegenüber ihren Mitgliedstaaten, sondern ist vielmehr von ihnen abhängig. Einerseits besitzt die EU auffällige charakteristische Merkmale einer internationalen Organisation, eines Bundesstaates, eines Staatenverbundes oder eines Staatenbundes, andererseits Eigenschaften eines internationalen Regimes, eines Mehrebenensystems.4 Fest steht jedoch, dass die EU primär ein kontinentales Einigungswerk von nie dagewesenem, weltgeschichtlichem Ausmaß zwischen Tradition und Moderne darstellt.5
Als Nächstes zeigt sich, dass die europäische Einigung durch zwei different erstellte Konzeptionen der Zusammenarbeit der europäischen Staaten, die Kooperation und Integration, geprägt wird.6 Die EU-Staaten mit gemeinsamen Zielen, Traditionen, jedoch differenten Entwicklungen und mit einer teils anderen historischen Herkunft entscheiden in signifikanten Politikbereichen gemeinschaftlich.7 Auf diese Art und Weise soll in Europa ein moderner Menschheitsraum der Einigkeit, Freiheit, dauerhaften Friedens, sozialer Gerechtigkeit und Sicherheit wachsen.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die EU ein integraler Bestandteil Europas ist. Schließlich ist Europa ein Mosaik differenter, reicher Kulturen und bildet dadurch eine Brücke zwischen Tradition und Moderne sowie der westlichen und der übrigen Welt. Europa bringt damit ein offenes Projekt zum Ausdruck, nämlich „die EU“, deren Finalität unbekannt ist.
1 Vgl. Tömmel, I. (2014): Das politische System der EU, 4. Auflage, Oldenbourg, S. 1.
2 Vgl. EU: BIP der EU im Jahr 2020, in: Statista: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/188776/umfrage/bruttoinlandsprodukt-bip-in-den-eulaendern/ [06.06.2021].
3 Vgl. USA: Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1980 bis 2020 und Prognosen bis 2026, in: Statista: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/14418/umfrage/bruttoinlandsprodukt-in-den-usa/ [06.06.2021].
4 Vgl. Furtak, F. (2005): Nichtregierungsorganisationen (NGOs) im politischen System der Europäischen Union – Strukturen, Beteiligungsmöglichkeiten, Einfluss, 2. Aufl., München, S. 52.
5 Vgl. Craig, P./Búrca, G. (2015): EU Law – Text, Cases and Materials, 6th edn., Oxford University Press, New York, S. 2 f.
6 Vgl. Borchardt, K. (2015): Die rechtlichen Grundlagen der EU, Stuttgart, § 1, Rn. 69 (S. 66).
7 Vgl. Foster, N. (2015): Foster on EU Law, 5th edn., Oxford University Press, New York, S. 3.
Zu Beginn der ersten Hälfte des 21. Jahrhunderts stehen Staaten und Gesellschaften immer mehr komplexen grenzüberschreitenden Herausforderungen und globalen Problemen wie Finanzkrisen, Gewaltkonflikte, Energie- und Umweltfragen, Klimawandel oder der aktuellen Pandemie-Krise weltweit gegenüber. Einseitig oder durch bloße Ad-hoc-Kooperation kann man diese Probleme kaum bewältigen.8
Global Governance9