couverture
Sandra Grimm
Die Knallerbsenbande
Mit Illustrationen von Meike Haberstock
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Alle deutschen Rechte bei © 2016 CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg
Umschlag- und Innenillustrationen © 2016 Meike Haberstock
Umschlagtypografie: formlabor
Lektorat: Franziska Leuchtenberger
Satz und E-Book-Umsetzung: Zeilenwert GmbH
ISBN: 978-3-646-92717-7
5
Dienstag, sechstletzter Ferientag
In einer supermarktüblichen Tüte getrockneter Erbsen
stecken ziemlich genau 2000 Erbsen. Meistens. Bei un-
seren Schießübungen gehen leider die meisten davon
verloren, was bedeutet, dass der Vorrat rasch zur Neige
geht.
Heute haben wir wieder viel geübt. Wir haben den
alten Topf beschossen, dass es nur so knallte (deshalb
nennen wir uns auch die Knallerbsenbande, was man
sich ja denken kann). Nun sind nur noch 411 Erbsen
übrig. Da Mattis und Jolles Mamas sich weigern, uns
weiter Erbsen zu besorgen, müs-
sen wir demnächst selbst welche
kaufen. Eine Tüte Erbsen kostet
einen Euro und neunundvierzig
Cent. Wenn jeder von uns je-
den Tag 100 Erbsen verschießt,
brauchen wir jeden sechsten Tag eine neue Tüte. Also
brauchen wir im Monat … äh … Ich frag mal Matti.
Matti sagt, wir brauchen pro Monat sechs Tüten, also
acht Euro vierundneunzig. Die müssen wir uns irgend-
wie verdienen, sonst ist ja schon wieder Schluss mit der
Bande.
Natürlich schießen wir nicht auf Menschen. Sonst
wär's ja auch gleich wieder vorbei mit der Bande. Wir
haben schließlich schon Hausarrest bekommen, als wir
damals die Wasserbomben auf den Postboten geschmis-
sen haben – und dabei hat er sich noch nicht mal verletzt.
Wir schießen auch nicht auf Tiere – normalerweise. Al-
so nicht so, dass sie totgehen oder sich verletzen. Heute
allerdings hat Muckel (unser Zwerg, eigentlich heißt er
Jonathan) eine tote Maus entdeckt. »Die ist mausetot«,
hat Matti gesagt. Muckel wollte sie auseinandernehmen,
um hineinzugucken. Aber das geht ja mal gar nicht, finde
ich, das ist doch Totenbeleidigung oder so.
Allerdings hat Matti vorgeschlagen, mit der Maus
schießen zu üben. Nur, damit wir mal ein echtes Ziel-
objekt vor uns haben, hat er gesagt. Er hat die Maus auf
den Waldboden gelegt und wir haben mit den Flitschen
Erbsen draufgeschossen. Matti, Muckel und ich haben
vorbeigeflitscht, aber Jolle hat getroffen. Und wie! Die
Maus ist mindestens zwei Zentimeter weitergeschossen.
Doch Jolle hat geschrien und ist kreidebleich geworden.
»Es tut mir leid, es tut mir leid«, hat er gerufen und dar-
auf bestanden, dass wir die Maus als Wiedergutmachung
ordentlich begraben. Mit Sarg und so.
Einen Sarg hatten wir im Wald nicht, aber es lag ein
alter Schuh im Graben. Da haben wir die Maus hinein-
gelegt. Jolle hat sich noch dreimal entschuldigt und sie
dann zusammen mit dem Schuh vergraben. Er wollte
unbedingt noch einen kleinen Grabstein bemalen, aber
das muss er allein machen, meinte Matti. »Das Mause-
vieh ist doch sowieso schon tot«, hat er gemault. Doch
da hat Jolle ihm die Faust vors Gesicht gehalten und ge-
meint, er solle mal schön die Klappe halten, sonst würde
er ihn mit 'ner Knallerbse abknallen. Da haben Muckel
und ich gelacht, weil das so lustig klingt: mit 'ner
Knallerbse abknallen. Zum Glück haben
Matti und Jolle auch gelacht und dann
hat Matti tatsächlich noch ein Beerdi-
gungslied gesungen: »Der Hahn ist
tot, der Hahn ist tot.« Das passte
nicht so ganz, aber was soll's.
Gerade als wir zurück auf den Waldweg sprangen, kam
der alte Henker uns entgegen. Eigentlich heißt der Alfred
Henk, doch er ist irgendwie gruselig. Auch jetzt guckte
er schon wieder so zornig, als hätten wir auf seinen kläf-
fenden Dackel geschossen. »Was wollt ihr hier?«, hat er
gebrummt und mit dem Finger zur Straße gezeigt. »Das
ist kein Spielplatz. Ab nach Hause.« Matti wollte sich
von dem überhaupt nichts sagen lassen, deshalb rief er:
»Der Wald ist frei, hier darf jeder sein, wann er will.« Das
fand ich cool und die anderen auch und wir stellten uns
nebeneinander und verschränkten die Arme und sahen
ganz bestimmt sehr einschüchternd aus. Das fand der
alte Henker scheinbar auch, denn er drehte sich um. »Ich
hol jetzt meine Knarre, und wenn ich zurückkomme,
seid ihr weg oder es setzt was«, brummte er und ging
davon.
»Der holt seine Knarre«, flüsterte Jolle. »Nichts wie
weg hier!«
Matti schüttelte den Kopf. »Ach Quatsch. Der hat Kar-
re gesagt, du Depp! Der meint seine Schubkarre. Du hast
doch wohl keine Angst vor 'ner Schubkarre?« Aber uns
anderen war auch mulmig geworden und deshalb liefen
wir doch lieber zur Straße.
Dort kam uns prompt der kleine Laster vom Super-
markt entgegen, was toll war, weil doch Mattis großer
Bruder Gringo den fährt. Gringo hielt grinsend an und
kurbelte die Scheibe runter. »Achtung, Achtung, Zwer-
ge auf der Landstraße!«, brüllte er. Matti streckte ihm
die Zunge raus und kletterte ruck, zuck auf die kleine
Ladefläche. Ich krabbelte hinterher und auch Jolle und
Muckel sprangen auf. Gringo gab Gas. Er drehte die
Lautstärke hoch und wir brüllten das Lied mit: »36 Grad
und es wird noch heißer!«, obwohl es gar nicht so warm
war und wir im Fahrtwind richtig froren. Ich hatte eine
irre Gänsehaut und ließ mir von Matti auf die Arme bo-
xen, damit sie warm wurden. Danach hatte ich immer
noch Gänsehaut, aber jetzt schimmerten die Pünktchen
schön rot, das war doch mal was anderes.
Gringo parkte den Wagen hinterm Supermarkt. Lei-
der kam gerade Herr Heinze heraus, dem der Super-
markt gehört, und brüllte: »Gero, du sollst keine Kinder
auf der Ladefläche mitnehmen! Und jetzt komm rein,
da warten noch Auslieferungen.« Gringo grinste uns an,
tippte sich grüßend an die Mütze und lief pfeifend ins
Lager.
In einer Ecke des Parkplatzes standen jede Menge
leerer Holzpaletten und natürlich haben wir uns daraus
eine Bude gebaut. Nach einer halben Stunde hatte Mu-
ckel vier Holzsplitter in der Hand und Jolle eine Beule,
weil ich ihm eine Palette gegen den Kopf geknallt hat-
te. Aus Versehen natürlich. Dafür hatten wir jetzt eine
kleine Butze, in die wir gleich krochen. Matti suchte die
besten Löcher zum Erbsenflitschen, falls uns jemand
angreifen sollte. »So 'n Quatsch, wer soll uns denn hier
angreifen?«, fragte Jolle. Aber ich fand's lustig und schoss
mit Matti ein paar Erbsen gegen Gringos Kleinlaster.
»Wer die Scheibe trifft, gewinnt!«
»Ihr müsst die Dinger nachher wieder einsammeln,
wir haben kaum noch welche«, meckerte Jolle.
»Kann dein Bruder nicht mal welche im Laden mitge-
hen lassen?«, fragte Muckel, der immer noch versuchte,
die Splitter aus seiner Hand zu ziehen.
»Klauen?«, fuhr Matti ihn an. »Du willst, dass mein
Bruder für dich klaut? Du hast ja nicht alle Latten am
Zaun. Die schmeißen den raus, wenn die das merken,
und dann? Dann kannst du das Geld für sein Studium
besorgen, du Blödmuckel. Kannste ja irgendwo klauen,
wa?«
Muckel runzelte die Stirn. »Jetzt reg dich nicht auf.
Man wird ja wohl noch fragen dürfen.«
»Darfste eben nicht«, grummelte Matti.
Danach fing Jolle wieder von dem alten Henker und
seiner Knarre an und ob der damit schießen würde. Wir
stritten uns gerade so richtig schön, als Matti plötzlich
meinte: »Ich hör irgendwas.« Ich grinste. »Da parkt ein
Laster. Hast du Angst vor Lastern?« Matti boxte mir in
die Rippen. »Nee, da stimmt was nicht. Ich hab das im
Gefühl.« Jolle, Muckel und ich kriegten einen Lachanfall,