Ein Räderwerk gehorcht seinem Aufbau.
(Oliver Tietze)
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© 2018 Reinders / Thönißen
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7448-9181-3
3. Auflage
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Daniela Reinders
Daniela Reinders absolvierte ein Studium der Rechtswissenschaften (Master of Laws) mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht, sowie ein wirtschaftswissenschaftliches Studium im Schwerpunkt Handel. Nach Tätigkeiten in der freien Wirtschaft ist sie seit 2004 als Dozentin im kaufmännischen Bereich in der Erwachsenenbildung tätig.
Frank Thönißen
Frank Thönißen absolvierte ein Studium der Wirtschaftswissenschaften mit dem Schwerpunkt Sozialpolitik, sowie eine kaufmännische und technische Ausbildung. Es folgten Tätigkeiten in der freien Wirtschaft im In- und Ausland. Seit 2001 ist er als Dozent im kaufmännischen Bereich in der Erwachsenenbildung tätig.
Ziel der Aufstiegsfortbildung zum geprüften Personalfachkaufmann bzw. des Studienganges Bachelor Professional of Human Resources Management CCI ist gemäß Prüfungsordnung:
„Durch die Prüfung ist festzustellen, ob der Prüfungsteilnehmer/die Prüfungsteilnehmerin die notwendigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen besitzt, um verantwortliche Funktionen in der Personalwirtschaft eines Unternehmens, in der Personalberatung sowie bei Projekten der Personal- und Organisationsentwicklung wahrzunehmen. Der Personalfachkaufmann/die Personalfachkauffrau soll qualifiziert beraten und Prozesse begleiten können. Insbesondere soll er/sie die operativen und administrativen Aufgaben der Personalarbeit beherrschen und die Entscheidungen in den Bereichen Personalpolitik, Personalplanung und Personalmarketing verantwortlich mitgestalten. Er/sie übernimmt verantwortliche Funktionen in der Aus- und Weiterbildung und zeichnet sich durch fachspezifische Kommunikations- und Managementkompetenzen aus.“1
Der Umfang der Aufstiegsfortbildung / des Studienganges umfasst in der Regel ca. 500 Unterrichtseinheiten.
Inhalt sind die Handlungsfelder:
Die Abschlussprüfung erfolgt schriftlich und mündlich vor der jeweiligen Industrie- und Handelskammer. Bei bestehen der Prüfung darf der Titel „Geprüfter Personalfachkaufmann / frau“ geführt werden.
Ihre Autoren
Daniela Reinders und Frank Thönißen
1 § 1 Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Abschluss Geprüfter Personalfachkaufmann/ Geprüfte Personalfachkauffrau
Um eine professionelle Personalarbeit sicherzustellen bedarf es einer entsprechenden Organisation. Diese ist u. a. abhängig von der Unternehmensgröße. Kleinere Unternehmen verfügen in der Regel über keine eigene Personalabteilung, vielmehr werden die Aufgaben von der Geschäftsleitung, bzw. den Leitungsorganen übernommen. Ab einer bestimmten Anzahl von Mitarbeitern benötigt man aber zur Bewältigung der anfallenden Aufgaben eigene Mitarbeiter. Für die Bemessung des Personalbedarfs einer Personalabteilung gilt als Faustformel, dass etwa 3% der Gesamtmitarbeiterzahl die notwendige Anzahl an Personal in der Personalarbeit ausmacht. Besteht also ein Unternehmen aus 800 Mitarbeitern würde dies eine Anzahl von 24 Mitarbeitern in der Personalabteilung ergeben.
Um die Struktur der Personalarbeit festlegen zu können müssen zuerst im Rahmen der Ablauforganisation die einzelnen anfallenden Prozesse betrachtet werden. Dazu werden in der Aufgabenanalyse alle einzelnen anfallenden Aufgaben identifiziert und aufgelistet. Die Aufgaben werden dann sachlogisch im Rahmen der Aufgabensynthese zu Aufgabenkomplexen zusammengefasst. Durch die Zusammenfassung der einzelnen Aufgaben entsteht die Stelle, also der konkrete Aufgabenbereich für einen Mitarbeiter. Die Stelle ist die kleinste organisatorische Einheit in einem Unternehmen.
Wie sich die Personalarbeit dann konkret auf die einzelnen Stellen verteilt kann unterschiedlich organsiert werden. Bei der mitarbeiterorientierten Variante werden dem Mitarbeiter in der Personalabteilung konkrete Mitarbeiter des Unternehmens zugeordnet, für die er in allen Fragen der Personalarbeit zuständig ist. Somit hat jeder Mitarbeiter im Unternehmen einen konkreten Ansprechpartner in der Personalabteilung. Bei der funktionalen Variante werden Funktionsbereiche in der Personalabteilung gebildet. So werden die Aufgaben z. B. in Personalbeschaffung, Personalentwicklung, Personalbetreuung und Personalfreisetzung aufgeteilt. Jeder Mitarbeiter im Unternehmen hat dadurch mehrere Ansprechpartner in der Personalabteilung. Für die Lohn- und Gehaltsbearbeitung gilt meist, dass diese von separaten Mitarbeitern durchgeführt wird.
Nachdem die einzelnen Stellen gebildet wurden, werden solche mit gleichen oder ähnlichen Arbeiten zu einem Verantwortungsbereich unter einheitlicher Leitung zusammengefasst. Dies nennt man Abteilung. Abteilungen können nach dem Verrichtungsprinzip (Funktion der Tätigkeit) oder nach dem Objektprinzip (z. B. Produkten) gegliedert werden.
Beim Verrichtungsprinzip würde eine Abteilung aufgrund der anfallenden Aufgaben in der Personalarbeit als „Personalabteilung“ gebildet werden. Gliedert man die Abteilungen nach Objekt würde z.B. jeder Produktgruppe des Unternehmens eine Stelle mit Personalaufgaben zugeordnet werden (vgl. Spartenorganisation).
Die Stelle mit Leitungs- und Weisungsbefugnis nennt man Instanz. Dies ist die Leitungsstelle einer Abteilung, in diesem Fall die Personalleitung.
Unter dem Begriff Aufbauorganisation versteht man die formale Struktur, d. h. die Festlegung des hierarchischen Aufbaus im Unternehmen. Das bekannteste Beispiel zur Darstellung der Aufbauorganisation ist das Organigramm. Hier werden Stellen und Instanzen aufgeführt, welche durch Linien miteinander verbunden sind. Diese Linien zeigen, welche Stellen über- bzw. untergeordnet sind.
Für die eigentliche hierarchische Gestaltung innerhalb der Personalabteilung eines Unternehmens gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Diese nennt man Leitungssysteme.
Leitungssysteme beschreiben die Weisungs-, Unterstellungs- und Informationssysteme zwischen den einzelnen Stellen in einem Unternehmen. Man unterscheidet hier zwischen Einliniensystem, Stabliniensystem, Spartenorganisation, Mehrliniensystem und Matrixorganisation.
Das Einliniensystem zeichnet sich dadurch aus, das die Weisungsbefugnisse „auf einer Linie“ angeordnet sind, d. h. jede Stelle nur einen Vorgesetzen hat. Eine Personalabteilung kann als eigene Linie in die Unternehmenshierarchie eingegliedert werden:
Das System zeigt, dass Frau Berg als Personalleitung direkt der Geschäftsführung unterstellt ist. Ihre Mitarbeiter (Frau Wolf, Frau Hering und Herr Anders) sind ihr unterstellt, sie ist ihnen gegenüber weisungsberechtigt. Informationen gehen von der Geschäftsführung über Frau Berg an den einzelnen Mitarbeiter und umgekehrt vom einzelnen Mitarbeiter über Frau Berg an die Geschäftsführung.
Eine weitere Möglichkeit in der Organisation ist das sogenannte Stabliniensystem.
Beim Stabliniensystem werden zur Entlastung der einzelnen Instanzen sogenannte Stabstellen eingerichtet:
Diese Stabsstellen haben keine Weisungsbefugnis und sind ausschließlich beratend tätig. So kann eine Personalabteilung als Stabstelle z. B. unterhalb der Geschäftsleitung angesiedelt werden. Das hat zur Folge, dass alle Personalentscheidungen von der Geschäftsführung getroffen werden müssen. Die Personalabteilung ist hier lediglich Berater. Die Kommunikation und Umsetzung in Personalangelegenheiten erfolgt dabei immer zwischen der Geschäftsführung und den einzelnen Abteilungen. Eine direkte Anweisung von Frau Berg z. B. an die Mitarbeiter der Logistik kann somit nicht erfolgen.
Eine weitere Form des Einliniensystems ist die Spartenorganisation. Hier werden die Hierarchieebenen nicht nach Funktion, sondern nach Objekten gegliedert.
So können zum Beispiel die Abteilungen nach den Produktgruppen des Unternehmens gebildet werden. Jeder Abteilung werden dann die einzelnen Funktionen zugeordnet:
Die Spartenorganisation wird gewählt, wenn Spezialisierungen auf einzelne Produktgruppen sinnvoll sind. Hierbei sind aber auch Zentralbereiche möglich. Jede Sparte arbeitet weitestgehend wirtschaftlich selbständig. Durch die mehrfach vorkommenden Abteilungen entstehen allerdings Doppelarbeiten, welche unnötige Kosten zur Folge haben. Zudem ist mit einem Kommunikationsverlust innerhalb der gleichen Aufgabenstellung zu rechnen.
Eine weitere Organisationsform ist das Mehrliniensystem. Hier hat jede Stelle mehr als einen Vorgesetzten. Da in diesem Modell die Zuständigkeiten unklar sind ist es in der Praxis kaum zu finden.
Ein solches System könnte wie folgt aussehen:
Die Personalabteilung ist hier also der Abteilung Reifen, Ersatzteile und Lacke unterstellt und würde von allen Leitungsstellen entsprechende Anweisungen erhalten. Dies kann zu Interessenskonflikten und unklaren Weisungen führen.
Eine weitere Organisationsform ist die Matrixorganisation. Hier ist das Unternehmen beispielsweise horizontal nach Objekt und vertikal nach Verrichtung gegliedert. Die so geschaffenen sich überschneidenden Hierarchien bewirken, dass Entscheidungen immer das Verhandlungsergebnis zwischen den Vertretern beider Hierarchien sind. Dies soll die Geschäftsleitung entlasten, da Entscheidungen ohne sie getroffen werden können. Die Geschäftsleitung greift nur ein, wenn keine Einigung möglich ist. Vorteil in dieser Organisationsform sind die kurzen Kommunikationswege. Allerdings sind durch die verschiedenen Beteiligten Kompetenzkonflikte möglich.
In der Praxis wird die Matrix meist nur in Teilbereichen eines Unternehmens eingesetzt.
Neben der Festlegung der Organisationsstruktur im Gesamtunternehmen muss für die Personalabteilung festgelegt werden, wie die Arbeit organsiert werden soll. Neben der Einzelarbeit kann eine Teamstruktur festgelegt werden. Es ist aber auch die Bildung von Arbeits- und Projektgruppen zur Bearbeitung bestimmter Fragestellungen denkbar.
Bei Schaffung einer Teamstruktur sollte zusätzlich eine Kommunikationsstruktur vereinbart werden, um Konflikte zu vermeiden und den Kommunikationsfluss sicherzustellen. Hier ist besonders die Personalleitung gefordert, diese Prozesse ständig zu überwachen und ggfs. einzugreifen.
Die Organisationsstruktur der Personalabteilung muss also so gewählt werden, dass die professionelle Personalarbeit hinsichtlich interner und externer „Kunden“ sichergestellt wird und die Abläufe und Verantwortlichkeiten eindeutig sind. Zudem sollte die Struktur so gewählt werden, dass die Kosten im Verhältnis zum Nutzen stehen.
Personalabteilungen sind für die Organisation und die Entwicklung der Mitarbeiter in einem Unternehmen zuständig. Sie übernehmen dabei für die Geschäftsführung eine Mittlerfunktion zwischen Mitarbeitern und Führungskräften. Sie sind Ansprechpartner für betriebsinterne Anliegen der Mitarbeiter und pflegen in der Regel ein enges Verhältnis zu den Kollegen.
Zu den Aufgaben der Personalabteilung gehören:
Alle Angebote der Personalabteilung beziehen sich auf Fragen zum Personal eines Unternehmens. Unter Personal versteht man dabei die Gesamtheit aller Arbeitnehmer in einem Unternehmen, d. h. alle Arbeiter, Angestellte, leitende Angestellte, Auszubildende und Praktikanten. Bei der Gestaltung der einzelnen Angebote durch die Personalabteilung müssen die Unternehmensziele berücksichtigt werden.
Innerhalb des Personals ist die Management- oder Leitungsebene als eigene Einheit abgegrenzt. Diese Gruppe von Personen ist mit Weisungsbefugnissen ausgestattet und nimmt Steuerungshandlungen im Unternehmen vor. Zu den klassischen Führungsaufgaben gehören dabei die Organisation, die Planung, die Festlegung des Personaleinsatzes, die Kontrolle und die Führung von Mitarbeitern.
Die Personalplanung ist für ein gut funktionierendes Unternehmen das grundlegende Element. Da es dabei zahlreiche Faktoren zu berücksichtigen gibt, unterstützt die Personalabteilung die einzelnen Bereiche.
Die einzelnen Bestandteile der Personalplanung sind:
Die Personalabteilung liefert für die Personalplanung die entsprechenden Kennzahlen. Sie unterstützt bei der Wahl der organisatorischen Methoden (z. B. dem Stellenbedarfsplan) und berät die Führungskräfte in Fragen der Personalbeschaffung.
Jedes Arbeitsverhältnis beginnt mit der Personalbeschaffung. Der Arbeitgeber versucht hierbei für eine vakante Stelle unter Einsatz unterschiedlicher Mittel den passenden Bewerber zu finden.
Zur Besetzung freier Stellen im Betrieb gibt es unterschiedliche Möglichkeiten der Personalbeschaffung. Dabei unterscheidet man grundsätzlich zwischen interner und externer Personalbeschaffung.
Bei der internen Personalbeschaffung wird innerhalb des Unternehmens nach geeigneten Bewerbern gesucht. Diese Methode bietet den Vorteil, dass der Arbeitnehmer bereits bekannt ist und dieser das Unternehmen, die Abläufe und Schnittstellen bereits kennt. Der Mitarbeiter muss daher weniger umfangreich eingearbeitet werden. Nachteil dieser Variante ist, dass durch die Umsetzung des Mitarbeiters an einer anderen Stelle im Unternehmen ein entsprechender Personalbedarf entsteht. Zudem kann kein frischer „Input“ (z. B. in Form neuer Qualifikationen oder Erfahrungen) ins Unternehmen einfließen.
Die Suche innerhalb des Unternehmens kann durch interne Stellenausschreibungen in Form eines Aushanges, im Intranet oder durch gezielte Ansprache des einzelnen Mitarbeiters erfolgen.
Bei der externen Personalbeschaffung werden Mitarbeiter außerhalb des Unternehmens gesucht. Dies kann durch eigene Stellenausschreibungen in unterschiedlichen Medien (Zeitung, Internet usw.), Beauftragung eines Personaldienstleisters oder Anfragen bei der Agentur für Arbeit erfolgen. Soll die Stelle durch externe Mitarbeiter besetzt werden ist zu beachten, dass die vakante Stelle gegebenenfalls intern ausgeschrieben werden muss (vgl. § 93 BetrVG).
Vorteil einer Besetzung mit externen Bewerbern ist, dass innerhalb des Unternehmens keine Stellen wegfallen, neue Kenntnisse und Fähigkeiten ins Unternehmen eingebracht werden und dadurch neue Impulse möglich sind.
Grundsätzlich muss vom Arbeitgeber bei Stellenausschreibungen und dem anschließenden Auswahlverfahren neben dem Datenschutz die Einhaltung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes beachtet werden, d. h. kein Bewerber darf ohne Grund benachteiligt werden.
Zum Schutz von Arbeitnehmern vor Mobbing, Diskriminierungen und Ungleichbehandlungen wurde das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) geschaffen. Ziel ist es eine Benachteiligung wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion, Behinderung, Alter oder sexueller Identität zu verhindern oder zu beseitigen. Dies bezieht sich sowohl auf die Bewerbersuche und Bewerberauswahl, als auch die Vermeidung von Diskriminierung im allgemeinen Arbeitsleben (u. anderer Geschäftsbereiche).
Das AGG selber gliedert sich in die allgemeinen Vorschriften (§§ 1-5, 22, 23 AGG), den arbeitsrechtlichen Teil (§§ 6-18 AGG), den zivilrechtlichen Teil (§§ 19-21 AGG) und den Vorschriften der Antidiskriminierungsstelle (§§ 25-30 AGG).
Der Gesetzgeber unterscheidet in Fragen der Ungleichbehandlung zwischen mittelbarer und unmittelbarer Benachteiligung.
Eine mittelbare Benachteiligung, d. h. indirekte Benachteiligung, liegt vor, wenn scheinbar neutrale Vorschriften sich benachteiligend auf eine bestimmte Personengruppe auswirken.
Beispiel: zur Bewerberauswahl bei der Besetzung einer Stelle als Küchenhelfer wird ein Deutschtest eingesetzt, wobei für diese Tätigkeit nachweislich keine Deutschkenntnisse erforderlich sind
Unmittelbare oder direkte Benachteiligung ist, wenn unter Bezugnahme auf ein (benanntes) Diskriminierungsmerkmal eine Ungleichbehandlung erfolgt.
Beispiel: ein schwarzer Deutscher wird aufgrund seiner Hautfarbe nicht im Vertrieb eingestellt
Es gibt aber auch Ausnahmen, bei denen das Gesetz eine Ungleichbehandlung erlaubt. In §§ 8 – 10 AGG sind die zulässigen unterschiedlichen Behandlungen genannt:
Ergeben sich durch die Art der Tätigkeit besondere Anforderungen oder besondere Bedingungen in der Ausübung dieser Tätigkeit, darf ein Arbeitgeber von dem Verbot der Ungleichbehandlung abweichen.
Beispiele:
In einem reinen Mädcheninternat kommen als Betreuer nur weibliche Bewerber in Frage (vgl. BAG vom 28.05.2009 – 8 AZR 536/08).
Ein weiteres denkbares Beispiel wäre, wenn die zu besetzende Stelle eine Beratungstätigkeit von bestimmten ethnischen Gruppen (Menschen mit Migrationshintergrund) ist. Hier würde ein Bewerber mit eben dieser ethnischen Herkunft bevorzugt werden, da ein solcher Arbeitnehmer schneller ein Vertrauensverhältnis zu den Beratenden entwickeln könnte und Konflikte innerhalb dieser Tätigkeit mit den Beratenden vermieden werden können.
Eine Altersgrenze für Piloten ist nach dem Gesetz ebenfalls gerechtfertigt, da dies der Sicherheit des Flugverkehrs dient. Mit zunehmendem Lebensalter kann nachgewiesenermaßen das Risiko unerwarteter Fehlreaktionen und Ausfallerscheinungen zunehmen.
Durch das garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen können diese unter Beachtung ihres Selbstverständnisses oder nach Art der Tätigkeit eine entsprechende zulässige berufliche Anforderung stellen. Diese Anforderung kann sich auch auf spezifische Verhaltensanforderungen an die Mitarbeiter beziehen (§ 9 Abs. 2 AGG). So kann der Arbeitgeber neben der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft verlangen, dass sich der Arbeitnehmer an konkrete Verhaltensweisen hält.
Beispiel: Die katholische Kirche darf für die Besetzung der Stelle in einer Kindertageseinrichtung nur Bewerber berücksichtigen, die der katholischen Kirche angehören.
Erlaubt ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Der Sinn dieser Regelung liegt darin, den Arbeitnehmer möglichst lange und früh in Arbeit zu bringen, um so den Staat zu entlasten.
In § 10 AGG sind sechs Fallbeispiele aufgeführt, die jedoch nicht abschließend sind und grundsätzlich weitere Ausnahmen zulassen.
So ist zum Beispiel eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zulässig wenn es um die Festlegung von Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung oder beruflicher Bildung geht mit dem Ziel, Jugendliche in den Arbeitsmarkt einzugliedern. Auch können in Sozialplänen Regelungen bezüglich möglicher Abfindungen nach Alter gestaffelt werden.
Darüber hinaus ist eine Ungleichbehandlung erlaubt, wenn diese dem Nachteil einer bestimmten Personengruppe entgegengewirkt.
Beispiele:
Auch hier passt das Beispiel, in Sozialplänen eine nach Lebensalter gestaffelte Abfindungsregelung vorzusehen.
Bei der Einstellung werden schwerbehinderte Personen bevorzugt berücksichtigt.
Während des laufenden Arbeitsverhältnisses hat der Arbeitgeber die Pflicht, alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung seiner Arbeitnehmer zu ergreifen (vgl. § 12 AGG). Um diesen Schutz durchzusetzen, könnte der Arbeitgeber bei Zuwiderhandlung Abmahnungen oder Kündigungen aussprechen, oder die betreffenden Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens versetzen. Vorbeugend könnten den Mitarbeitern entsprechende Fortbildungen und Schulungen angeboten werden. Die Schutzpflicht des Arbeitgebers umfasst auch die Bewahrung der Mitarbeiter vor Diskriminierung durch Dritte.
Kommt es dennoch zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung, haben die Beschäftigten gemäß den §§ 13 – 16 AGG unterschiedliche Rechte, die sie geltend machen können.
Der Arbeitgeber muss zur Aufnahme von möglichen Benachteiligungen eine entsprechende Stelle im Betrieb einrichten, bei welcher betroffene Arbeitnehmer dies anzeigen können. Eine Form- oder Fristvorgabe für eine solche Beschwerde gibt es nicht. Liegt eine Beschwerde vor, ist diese vom Arbeitgeber zu prüfen und das Ergebnis dem Arbeitnehmer mitzuteilen.
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, eine (sexuelle) Belästigung gegenüber einem Arbeitnehmer zu unterbinden. Ergreift der Arbeitgeber trotz der ihm bekannten Belästigung keine entsprechenden Maßnahmen, kann der Arbeitnehmer unter Fortzahlung seines Arbeitsentgeltes die Arbeitsleistung verweigern. Die Dauer der Verweigerung ist dabei abhängig von der Zeitspanne, die der Arbeitgeber benötigt, um die Belästigung zu beseitigen. Eine solche Leistungsverweigerung setzt allerdings die Verhältnismäßigkeit zwischen der Schwere der Belästigung und der Verweigerung voraus. Daher sollten sich Arbeitnehmer in einem solchen Fall vorab juristisch beraten lassen, um ihren Anspruch auf Zahlung des Entgelts nicht zu verlieren.
Trifft für eine Benachteiligung den Arbeitgeber ein Verschulden, ohne dass hierfür ein Rechtfertigungsgrund vorliegt, kann der Arbeitnehmer gegen ihn Schadensersatzansprüche geltend machen (§ 249 BGB). Der Anspruch berechnet sich nach der Höhe des entstandenen Schadens.
Neben dem Schadensersatz hat der Arbeitnehmer auch einen verschuldensunabhängigen Anspruch auf Entschädigung. Dies gilt für den Schaden, der kein Vermögensschaden ist (sog. Schaden wegen Verletzung der Ehre).
Bisher ist von der Rechtsprechung keine Höchstgrenze für Schadensersatz oder Entschädigung definiert worden. Nähere Konkretisierungen gibt es bisher nur durch die bereits getroffenen Urteile. So haben die Gerichte entschieden, dass es bei nachgewiesener Benachteiligung im Bewerbungsprozess keinen Schadensersatz in Höhe des entgangenen Lohnes bis zum Renteneintritt gibt, sondern ein Betrag in Höhe von maximal drei Monatsgehältern als üblich angesehen wird. Der Anspruch auf Beschäftigung kann dagegen nicht eingeklagt werden.
Um Ansprüche auf Schadensersatz oder Entschädigung geltend zu machen gilt für den Arbeitnehmer eine Frist von zwei Wochen. Zudem muss der Anspruch schriftlich erhoben werden.
Nimmt ein Arbeitnehmer eines der genannten Rechte in Anspruch ist es dem Arbeitgeber verboten, diesen aus diesem Grund zu benachteiligen.
Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 1BvR 2019/16 vom 10.10.2017) sind die bisherigen Regelungen im Personenstandsrecht mit den grundgesetzlichen Anforderungen nicht vereinbar. Dies begründet das Gericht damit, dass neben dem Eintrag „weiblich“ oder „männlich“ keine dritte Möglichkeit besteht, ein Geschlecht eintragen zu lassen. Nach Auffassung der Richter schützt das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) aber auch die geschlechtliche Identität derjenigen, die sich dauerhaft weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen lassen. Zudem verstößt das geltende Personenstandsrecht gegen das Diskriminierungsverbot (Art. 3 Abs. 3 GG), wenn die Eintragung eines anderen Geschlechts als „männlich“ oder „weiblich“ nicht möglich ist. Daher muss bis zum 31.12.2018 eine Neuregelung hierzu geschaffen werden. Aus diesem Grund hat das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf beschlossen, der neben den Möglichkeiten „männlich“ oder „weiblich“ als dritte Geschlechtsoption „divers“ vorsieht. Diese Gesetzesänderung muss bis Ende 2018 in Kraft gesetzt werden.
Das Urteil hat erhebliche Auswirkungen auf das Arbeitsrecht. So muss in Stellenausschreibungen nun ebenfalls ein drittes Geschlecht ergänzt werden. Die bisher übliche Formulierung des Jobtitels mit der Ergänzung „(m/w)“ reicht nicht mehr aus. Vielmehr muss das dritte Geschlecht mit aufgeführt werden.