Markus Garbe
Filialleiter bei einer deutschen Nischenbank – der führenden Bank im Gesundheitswesen. Markus Garbe ist seit 2010 in der Finanzbranche tätig. Neben seiner Begeisterung für den Vertrieb und die Finanzwelt, schlägt sein Herz für die Automobilwelt. Bereits in der Kindheit haben ihn Automobile verzaubert und seine Automotive-Leidenschaft begründet.
Von der Leidenschaft angetrieben, konnte er im Rahmen seines berufsbegleitenden Master-Studiums seinen Dozenten Herrn Stefan Wiesmann als Betreuer für seine Master-Thesis gewinnen. Die Master-Thesis untersucht den Nischenmarkt der automobilen Klein- und Kleinstserienhersteller, die mit großer Leidenschaft, Energie und Enthusiasmus automobile Träume - teilweise in Handarbeit - wahr werden lassen. Die Untersuchungsergebnisse bilden die Basis für dieses Fachbuch.
Lieblingsautomobile: Porsche 918 Spyder, Wiesmann MF5 und Aston Martin Vantage
Stefan Wiesmann
Dipl.-Kfm. Stefan Wiesmann ist seit 1996 im Automotive- und IT-Markt tätig und seit 1999 als Unternehmensberater, Managementtrainer und FH-Dozent mit dem Fokus auf Marketing, Finanzmanagement und M&A. Seit mehr als 20 Jahren fasziniert ihn die automobile Kleinserie, die bis heute innovative Impulse für etablierte Marken liefert.
Lieblingsautomobile: Wiesmann MF4, Lamborghini Miura und Karmann Ghia
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
© 2019 Markus Garbe & Stefan Wiesmann
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7494-1232-7
„David und Goliath oder unserer Vorliebe für die Kleinen“
Liebe Leserin,
lieber Leser.
versuchen Sie doch einmal die Zahl aller automobilen Marken zu schätzen, die seit Erfindung des Automobils weltweit auf dem Markt waren. Und das unter der Berücksichtigung, dass heute etwa 20 Marken die Mehrheit des Marktes dominieren. Die Zahl überrascht sogar manchen Automobilexperten: es wurden zeitweise schätzungsweise über 9.000 Automobilhersteller gezählt.
Dies zeigt die gewaltige Konzentration auf dem globalen Automobil-Massenmarkt und führt zwangsläufig zu effizienten Standards bei Design und Technik. Immer wieder gibt es jedoch kleine Hersteller, die sich eigensinnig und mutig gegen den Mainstream stemmen und ihre eigene Vision vom Automobil verwirklichen. Viele darunter beschäftigen sich mit puristischen Sportwagen und neuen Antriebstechnologien.
Im Sommersemester 2016 befassten wir uns im Rahmen der BWL-Vorlesungen an der FOM und an der Hochschule Düsseldorf im Teilgebiet Automotive Marketing unter anderem mit diesem interessanten Nischen-Markt und stellten fest, dass es über die Welt der Kleinserienhersteller bisher keine wissenschaftliche Untersuchung gab. Zudem gibt es kein aktuelles Lehrwerk für Hochschulstudenten und Praktiker zum Thema KMU Nischenmarketing.
Dies ist umso erstaunlicher, da „Marktlückenmarketing“ genau das ist, was mehr als 80 % der KMUs umsetzen müssen, um langfristig erfolgreich zu sein. Die Anzahl aktueller Fachliteratur ist überschaubar oder veraltet.
So reifte der Entschluss, aus einer aufwändigen und sehr guten Masterthesis ein Fachbuch für Praxis und Studium zu verfassen, um diese beiden Lücken zu schließen.
Wir wissen gleichwohl, dass einige Inhalte - vor allem des Digitalen Marketings - schon bei Erscheinen bereits nicht mehr aktuell sind, aber dieses Buch soll dem interessierten Leser einen Überblick über den Kleinserienmarkt geben und das KMU Nischenmarketing beleuchten. Bei der Analyse stellten wir fest, dass die meisten Instrumente und Wirkungsweisen des Automotive Nischenmarketings auch eine wesentliche Rolle bei anderen Marken-Nischenanbietern spielen. Im Kapitel 5.3 finden sich daher Ratschläge und eine Checkliste für erfolgreiches Nischenmarketing.
Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern eine kurzweilige und auch spannende Lektüre. Dabei bedanken wir uns ausdrücklich bei allen Mitwirkenden, ohne die das Buch nur graue Theorie geblieben wäre. Unser besonderer Dank gilt den Herren Dr. Padberg, Kurek, Wiesmann, Bovensiepen, Dr. Knapp, Donkervoort, Fatthauer, Bitter, Zimmer und Fröhlich für Ihre tiefen Einblicke in einen besonderen Markt.
Markus Garbe & Stefan Wiesmann
Die größte Veränderung im Marketing und die große Chance für Nischenmarken
Für viele Marken- und Markenverantwortliche sind die zwei größten Veränderungen im 21. Jahrhundert Big Data und Social-Media. Auf operativer Ebene mag dies stimmen, aber auf strategischer Ebene ist die mit Abstand größte Veränderung die fortschreitende Globalisierung und Standardisierung.
Im 20. Jahrhundert war der Platz an der Sonne die Mitte des Marktes. Nur heute im globalen Wettbewerb ist die sogenannte Mitte entweder bereits besetzt oder sie ist aufgrund der Einkommensstruktur in der Bevölkerung nicht vorhanden. Deshalb gibt es im 21. Jahrhundert zwei Plätze an der Sonne, nämlich eine am oberen Ende des Marktes und eine am unteren Ende des Marktes.
Genau hier liegt auch die große Chance für Nischen- und vor allem auch für Supernischenmarken. Speziell im Automobilbereich könnten zudem Supernischenanbieter massiv von der Abkehr vom Verbrennungsmotor profitieren. Denn genau diese wird dazu führen, dass es lukrative Nischen genau für diesen Verbrennungsmotor speziell bei den Reichen und Superreichen geben wird. Nur wird man dazu zwei Grundbedingungen aus Markensicht erfüllen müssen:
Michael Brandtner
Positioning-Consultant
Rohrbach, im Sommer 2017
Markenstratege Michael Brandtner ist der Spezialist für strategische Marken- und Unternehmenspositionierung in Rohrbach, OÖ, seit 2001 Associate of Ries & Ries und Autor des Buches „Brandtner on Branding“. Sein Blog: www.brandtneronbranding.com
Gefühl ist alles - oder Liebe geht durch den Wagen
Warum geben Menschen überproportional viel Geld dafür aus, ein Fahrzeug zu besitzen, das im Wesentlichen nicht zweckdienlich ist? Und dies, obwohl sie wahrscheinlich schon ein zweckdienliches Automobil ihr Eigen nennen können?
Mit rationalen Gründen kann das aus psychologischer Sicht kaum etwas zu tun haben. Vielmehr geht es wohl darum, emotionale Bedürfnisse zu erfüllen – zumal bei einem Nischenprodukt. Hierzu gehören Besitzerstolz, „Anders-sein-wollen“, mit allen Sinnen wahrnehmen, Beherrschung von Technik (und nicht von ihr beherrscht werden), Tradition, Rennsport-Faszination, Spirit. Diese Motivationswolke ließe sich leicht fortsetzen.
Der Mensch allerdings ist kein rationales Wesen, sondern ein rationalisierendes, d.h. er benötigt für sein Handeln oder Nicht-Handeln „gute“ Gründe. In der Erwartung, dass sich diese – ausgesprochen subjektiven Gründe – auch in Zukunft finden lassen, wird gerade in einer solchen Marktnische ein wachsender Raum für das Begehren automobiler Schätze vorhanden sein.
Seien es Klassiker, Kleinserien, Restaurationen, liebenswerte Kleinode oder auch Schrulligkeiten, die automobile Träume Gestalt werden lassen. Insbesondere exotische, leistungsstarke und hochpreisige Fahrzeuge fordern geradezu markante Fahrerprofile und ebensolche Persönlichkeiten, die genau dies mit einem entsprechenden Modell unterstreichen wollen.
Von Seiten der Anbieter von Nischenfahrzeugen wird es nach Lage der Dinge stets Enthusiasten geben, die ihren persönlichen Traum von der Produktion eines solchen Manufaktur-Automobils auf die Beine stellen: Der Erfolg sei ihnen gewünscht!
Prof. Dr. Rüdiger Hossiep
Ruhr-Universität Bochum
Bochum, im Dezember 2017
Die Freiheit des Autofahrers
Das Auto der Zukunft soll Autofahrer mit dem neuesten Stand der Technik, insbesondere in den Punkten Fahrdynamik, Lifestyle und Komfort, überzeugen. Dafür setzen Automobilhersteller ihren Schwerpunkt auf Software gestützte Systeme, die dem Kunden ein Höchstmaß an Komfort und Sicherheit mithilfe von Fahrzeugassistenzsystemen bieten. Dass solche Systeme nur mittels Erhebung und Austausch großer Datenmengen bestehen können, versteht sich von selbst. Und obwohl die Vorteile der Connected Cars keinesfalls von der Hand zu weisen sind und konsequent weiterentwickelt werden sollten, muss der Datenschutz als Individualinteresse des Autofahrers dabei ausreichend Berücksichtigung finden.
Fahrzeugassistenzsysteme sollen dem Fahrer dienen. Sie dürfen nicht zum Spion auf dem Beifahrersitz werden, der womöglich ohne explizite Einwilligung des Fahrers private Informationen an Dritte (Hersteller, Ordnungsbehörden, Versicherungen u.a.) weitergibt. Denn es ist bekannt, dass das Bewusstsein permanenter Beobachtung das Freiheitsgefühl des Autofahrers stört. Automobilhersteller sollten daher der Beeinträchtigung des Lebensgefühls „Freude am Fahren“ durch die selbstverständliche Beachtung elementarer Grundrechte jedes einzelnen Kunden entgegenwirken.
Prof. Dr. Julius Reiter
FOM / Kanzlei Baum, Reiter & Collegen Düsseldorf
Düsseldorf, im Dezember 2017
Rainer Kurek,
gf. Gesellschafter der AUTOMOTIVE MANAGEMENT CONSULTING GmbH
Das letzte Auto, sagte einst Ferry Porsche, werde ein Sportwagen sein. Dies ist die klarste Aussage, die jemals getroffen wurde über das Wesen des Automobils und die Rolle, die es in unserer hochstehenden technischen Gesellschaft spielt. Der SPIEGEL-Redakteur Christian Wüst, verantwortlich für das Ressort „Wissenschaft und Technik“, bezeichnet Sportwagen als puren Ausdruck der Beziehung des Menschen zum Automobil, das dem zentralen Zweck dient, Emotionen freizusetzen.
Klein- und Kleinstserienhersteller widmen sich oftmals und sehr bewusst der Konzeption, Entwicklung und Herstellung solcher emotionalen, faszinierenden Sportwagen, die nicht nur sie selbst, sondern auch viele andere begeistern, die von diesen hochindividuellen Produkten träumen. Einen richtigen Sportwagen zu besitzen – das ist für viele noch immer Kindheitstraum und Vision zugleich. Sportwagen sind die ausdrucksstärksten Gradmesser für die industrielle Kultur eines Unternehmens, eines Landes, ja einer ganzen Epoche. Sportwagen verkörpern Automobilbau und Gesamtfahrzeugkompetenz in Reinkultur. Sportwagen emotionalisieren.
Die laufende Transformation von einer Industrie- hin zu einer höherentwickelten Wissensgesellschaft – im Rahmen einer stetig zunehmenden Internationalisierung – ist für alle Industrienationen dieser Welt zu einer unabwendbaren Herausforderung geworden. Dies gilt insbesondere auch für Deutschland, dem ein gravierender gesellschaftlicher, strategischer, struktureller und demografischer Wandel bevorsteht. Erste Auswirkungen für die Automobilindustrie lassen sich derzeit am Beispiel des „Dieselgates“ und anderen Entwicklungen in der Branche gut studieren.
Wertschöpfung findet bereits heute, verstärkt aber noch in Zukunft, in einer wirksamen Überleitung unseres bestehenden technischen (Erfahrungs-)Wissens in neue, bessere Problemlösungen statt. Nicht nur Produktivitätsstrategien und Effizienzsteigerungsprogramme werden die internationale Wettbewerbsfähigkeit der hiesigen Unternehmen in Zukunft sichern, sondern vor allem Innovationen, die auf einer gezielten (Weiter-) Entwicklung unseres bestehenden (Erfahrungs-)Wissens basieren. Nur echte Innovationen ermöglichen die Beibehaltung und Verbesserung der aktuellen Wettbewerbsposition hiesiger Unternehmungen im (inter-)nationalen Vergleich. Die Grundlage für den Erfolg aller westlichen Industrienationen stützt sich seit jeher und verstärkt noch in Zukunft auf die technischen Errungenschaften einer funktionierenden, innovativen und freien Wirtschaft. Dabei ist es eine Irrmeinung, zu glauben, nur große Unternehmen könnten innovativ sein, da sie über die erforderliche Finanzkraft verfügen. Das Gegenteil ist der Fall, wie viele kleine, meist hochqualifizierte Manufakturen beweisen.
Dies gilt insbesondere auch für die aktuelle Marktsituation, die zu Beginn dieses 21. Jahrhunderts von einem noch nie da gewesenen Wettlauf um Innovationen geprägt ist. Dieser Innovationswettlauf birgt allerdings auch die Gefahr in sich, den wahren Kundennutzen aus den Augen zu verlieren. Diese Entwicklung ist in vielerlei Hinsicht kritisch, da die Pkw-Neuzulassungen in den gesättigten Triademärkten (Nordamerika, Westeuropa, Japan) mittel- und langfristig kein Wachstum mehr versprechen und die Branche bis heute einen der bedeutendsten Wirtschaftszweige unserer modernen Volkswirtschaft darstellt. Aufgrund des zunehmenden Wettbewerbsdrucks in den Weltmärkten ist gutes und vor allem kundenorientiertes Innovationsmanagement zu dem entscheidenden Erfolgsfaktor aller Industrienationen geworden, von dessen professioneller Ausübung das Wohlstandsniveau künftiger Generationen abhängen wird. Innovationen sind der einzige Ausweg aus gesättigten Märkten – und diese entstehen oftmals auch bei Klein- und Kleinstserienherstellern, die im Fokus des vorliegenden Automobilfachbuchs stehen.
Im Gegensatz zur Vergangenheit reicht es heute nicht mehr aus, allein durch kreative Erfindungen den Markt »zu erobern«, da das strategische, prozessuale, strukturelle und kulturelle Fundament unserer hochentwickelten Industriegesellschaft mittlerweile eine enorm hohe Komplexität aufweist. Um unseren Kunden die richtigen Produkte in der richtigen Qualität zum richtigen Preis und richtigen Zeitpunkt anbieten zu können, ist es entscheidender denn je, neben substanziellen fachlichen Fähigkeiten auch über ein hochentwickeltes Management- und Marketingverständnis zu verfügen. Nur eine gezielte Verknüpfung von fundierter Branchenkompetenz mit bewährtem Management- und neuem Marketing-Wissen ermöglicht in den heutigen Industriestrukturen die Konzeption, Entwicklung und Realisierung von echten Innovationen, die in den (inter-)nationalen Märkten zu nachhaltig erfolgreichen Produkten und Ergebnissen führen. Dabei ist die Beherrschung der kompletten Prozesskette im Produktentstehungsprozess von vordergründiger Bedeutung.
Vor dem Hintergrund schwindender fossiler Brennstoffreserven und zunehmender Klima- und Umweltschutzanforderungen gewinnen alternative Antriebstechnologien und Leichtbau in der internationalen Automobilindustrie derzeit signifikant an Bedeutung. Und es ist davon auszugehen, dass sogenannte „Radikalinnovationen“ in diesen Technologiefeldern bereits in naher Zukunft über den Erfolg und Misserfolg von Unternehmen in der Branche entscheiden werden. Innovationen in diesen hochkomplizierten Technologiefeldern können nur von hochqualifizierten Experten realisiert werden, die ebenso gesamtfahrzeug- wie prozessfähig sind.
Deshalb steht das Thema „Leichtbau“ auch im unmittelbaren Zentrum laufender Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten vieler Automobilhersteller und wissenschaftlicher Institute, die aufgefordert sind, durch verbrauchsärmere und abgasoptimierte
Fahrzeuge einen wesentlichen Beitrag zur Einsparung von Primärenergie zu leisten. Nachdem sich die kinetische Energie aus ½ mv2 (mxa) bestimmt, kommt der Fahrzeugmasse und damit dem Leichtbau künftig eine immer größere Bedeutung zu. Neue, leichtere, innovative Konzepte und Werkstoffe werden gesucht, um die gesellschaftlich wie (umweit-) politisch geforderten Niedrigenergie- und Niedrigemissionsfahrzeuge prozesssicher „auf die Straße“ bringen zu können.
Und gerade Leichtbau-Innovationen stehen oftmals auch im Fokus unterschiedlicher, hochinnovativer Klein- und Kleinstserienhersteller, die meist diszipliniert, konsequent, willensstark und beharrlich das Ziel verfolgen, leichte, qualitativ hochwertige und fahrdynamisch begeisternde Produkte zu realisieren. Melkus, McLaren, Pagani und viele andere Sportwagen sprechen für sich – diese Fahrzeuge emotionalisieren.
Enzo Ferrari postulierte einstmals, dass das Auto erfunden worden sei, um den Freiheitsgrad des Menschen zu vergrößern, aber nicht, um den Menschen in den Wahnsinn zu treiben. Deshalb liegt die Genialität im Automobilbau doch meist auch in der Einfachheit, wie an vielen Klein- und Kleinstserienherstellern wie Artega, Wiesmann oder Donkervoort studiert werden kann. Leitbild, (Business-) Mission und strategische Ziele orientierten sich bei diesen Kleinserienherstellern an einfachen, transparenten und konsequenten Leichtbau-Lösungen.
Deshalb sollten wir gerade diesen Klein- und Kleinstserienherstellem in großer Achtsamkeit, Dankbarkeit und mit dem entsprechenden Respekt begegnen. Markus Garbe, der auf diesem Wege seinen Master of Science erlangte, und Stefan Wiesmann, der die wissenschaftliche Arbeit in vorbildlicher Art und Weise betreute und unterstützte, haben den Klein- und Kleinstserienherstellem jene Achtung und Aufmerksamkeit entgegengebracht, die diese mutigen, zivilcouragierten und oftmals auch sehr bescheidenen Unternehmungen verdienen. Deshalb gilt Herrn Markus Garbe und Herrn Stefan Wiesmann unser aller Dank. Die monatelange Forschung und Entwicklung für das vorliegende Werk haben sich wahrlich gelohnt – von den Ergebnissen, insbesondere im Bereich des strategischen und digitalen Marketings, können nicht nur die Klein- und Kleinstserienhersteller, sondern alle Leser profitieren. Die ernsthafte, professionelle und verantwortungsbewusste Analyse hat Vorbildcharakter, sodass ich allen Lesern des vorliegenden Werkes viel Freude bei der weiteren Lektüre wünsche.
Rainer Kurek, Penzberg, Im August 2017
Abbildung 1. Fragestellungen
Abbildung 2. Unternehmen in der Konzernstruktur
Abbildung 3. Kurzprofil Alpina
Abbildung 4. Modellübersicht Alpina
Abbildung 5. Kurzprofil Bitter
Abbildung 6. Modellübersicht Bitter
Abbildung 7. Kurzprofil Fröhlich
Abbildung 8. Kurzprofil Donkervoort
Abbildung 9. Modellübersicht Donkervoort
Abbildung 10. Kurzprofil Kurek
Abbildung 11. Kurzprofil Sono Motors GmbH
Abbildung 12. Kurzprofil Wiesmann
Abbildung 13. Modellübersicht Wiesmann
Abbildung 14. Kurzprofil 9FF
Abbildung 15. Prognostizierte Umsatzentwicklung
Abbildung 16. Entwicklung der weltweiten Automobilproduktion
Abbildung 17. Bestandteile des Marketingkonzeptes
Abbildung 18. Voraussetzung für Dialogmarketing
Abbildung 19. Medien im Dialogmarketing
Abbildung 20. „Touchpoint Hopping“
Abbildung 21. Inhalte einer Website
Abbildung 22. Anteil der Smartphone-Nutzer in Deutschland
Abbildung 23. Ziele von Mobile Marketing
Abbildung 24. Kommunikationsmaßnahmen Mobile Marketing
Abbildung 25. Zielsetzungen von Social-Media-Marketing
Abbildung 26. Social-Media-Plattformen
Abbildung 27. Prozessmodell induktiver Kategorienbildung
Abbildung 28. Gütekriterien
Abbildung 29. Zielgruppe
Abbildung 30. Chancen von Digitalem Marketing
Abbildung 31. Erfolgsfaktoren
Abbildung 32. Lernfelder
Tabelle 1. Rekorde von 9FF
Tabelle 2. Aktuelle Herausforderungen
Tabelle 3. E-Mail-Marketing
Tabelle 4. Inhalt des Interviewleitfadens
Tabelle 5. Spezialisierung der selektierten Hersteller
Tabelle 6. Unternehmensdiversifikationen
Tabelle 7. Faszination für die eigene Marke
Tabelle 8. Preisspannen der Klein-und Kleinstserienhersteller
Tabelle 9. Ursachen für die betriebswirtschaftliche Problematik von automobilen Klein-und Kleinstserienherstellern
Tabelle 10. Marketingaktivitäten
Tabelle 11. Kostenschätzung: Aufbau und Pflege von Digitalem Marketing
Tabelle 12. Checkliste für Klein-und Kleinstserienhersteller
Tabelle 13. Interviewleitfaden: Automotive-Unternehmensberater
Tabelle 14. Interviewleitfaden: Käuferklientel
Tabelle 15. Interviewleitfaden: Unternehmensberater – Digitales Marketing
B2C | Business-to-Consumer |
Bitter CD | Bitter Coupé Diplomat |
BVDW | Bundesverband Digitale Wirtschaft |
CRM | Customer-Relationship-Management |
CC | Connected Car |
CFK | Carbonfaserverstärkter Kunststoff |
DSGVO | Datenschutz-Grundverordnung |
ECSSTA | European Community Small Series Type Approval |
GFK | Glasfaserverstärkter Kunststoff |
KBA | Kraftfahrt-Bundesamt |
OEM | Original Equipment Manufacturer |
ROMI | Return-on-Marketing-Investment |
RWTH | Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule |
SEC | United States Securities and Exchange Commission |
USP | Unique Selling Proposition |
VDA | Verband der Automobilindustrie |
„Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden: einen kleinen, leichten Sportwagen, der die Energie effizient nutzt. Also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen.“ (F.A.E. Porsche).
Seit der Erfindung des Automobils im Jahr 1886 durch Gottlieb Daimler und Carl Benz hat die Automobilgeschichte schon viele Automobilmarken hervorgebracht, deren Gründer von dem gleichen Wunsch getrieben waren wie dem Schöpfer des ersten Porsche-Sportwagens, Ferdinand Anton Ernst Porsche (Daimler, n.d.). Wie viele Automarken es weltweit tatsächlich gab, ist auch von Automobilhistorikern kaum zu bestimmen. Schätzungsweise wurden zeitweise weltweit insgesamt über 9.000 Automobilhersteller gezählt (Köhnlechner, 2014). Viele Hersteller sind innerhalb von wenigen Jahren wieder vom Automobilmarkt verschwunden. Im Rahmen dieser Marktbereinigung wird die Automobilindustrie immer mehr von wenigen großen Automobilkonzernen dominiert, die eine Vielzahl von Automarken unter dem Konzerndach vereinen. Die weltweite Produktion von Personenkraftfahrzeugen belief sich im Jahr 2018 auf rund 70,5 Millionen Stück (OICA, 2019).
Dennoch gab und gibt es immer wieder Neugründungen von Automobilherstellern in verschiedenen Marktsegmenten. Die automobilen Neugründungen beziehen sich in der Regel auf Klein- und Kleinstserienhersteller, die mit ihrer Nischenstrategie die vielseitigen Ansprüche bestimmter Kundengruppen bedienen und mit großer Leidenschaft und Enthusiasmus automobile Träume wahr werden lassen. Seit der Erfindung gehört das Automobil zu den emotionalsten Produkterlebnissen der Menschheit. Gleichzeitig gehören Automobile zu den technisch anspruchsvollsten Produkten unserer Zeit. Zu Beginn der Erfindung waren Autos nur wenigen Menschen zugänglich und galten in der Gesellschaft als Prestigeobjekt. Die Einführung der Fließbandfertigung machte Autos auch für die breiten Bevölkerungsmassen erschwinglich. Das Auto entwickelte sich im Laufe der Zeit zum dominierenden Verkehrsmittel. Heute versuchen die Hersteller, sich durch Individualisierung und Differenzierung von der Konkurrenz abzuheben. Das steigende Produktangebot und die Ausdehnung der Modellpaletten von den Großserienherstellern wecken bei einigen Kunden aus bestimmten Gründen den Wunsch nach einem besonderen Fahrzeug. Diese Kunden schätzen es, dass ihr Auto nicht von einem Großkonzern stammt und in der Regel in aufwändiger Handarbeit in einer handwerklichen Manufaktur mit viel Hingabe und Leidenschaft gefertigt wird. Die Klein- und Kleinstserienhersteller bedienen mit ihren hochemotionalen Produkten also einen Nischenmarkt, wo Exklusivität, Luxus, Emotionalität, Unabhängigkeit und Individualität für die Zielgruppe Kaufkriterien sind. Auf den Straßen bleiben die Fahrzeuge der Nischenanbieter aufgrund der begrenzten Stückzahlen eine rare Ausnahmeerscheinung. Auf den verschiedenen internationalen Automobil-Messen sind traditionell viele der automobilen Exoten zu bestaunen. Die Supersportwagen von bekannten Kleinserienherstellern wie Pagani, Koenigsegg oder McLaren gehören zu den derzeit teuersten Automobilen der Welt.
Der Firmensitz automobiler Klein- und Kleinstserienhersteller wird aufgrund der ausgeprägten Automobilkultur oftmals in Ländern wie Großbritannien oder Italien vermutet, wo es eine ganze Reihe von kleinen Sportwagenherstellern, Tunern und Karosseriebauern mit einer motorsportlichen Vita und langer Markentradition gibt. Aber auch in Deutschland und in den Niederlanden gab und gibt es Klein- und Kleinstserienhersteller, die mit unterschiedlichen Fahrzeugkonzepten und Strategien Marktnischen besetzen möchten. Dazu zählen beispielsweise die Hersteller Alpina, Artega, Bitter, e-Wolf, Gumpert, Melkus, Roding Automobile, Veritas, Wiesmann, YES!, 9FF, Donkervoort, Spyker Cars oder Vencer. Doch die wenigsten Hersteller haben es geschafft, bekannt zu werden, die eigene Marke erfolgreich aufzubauen und auf Dauer mit der Klein- und Kleinstserienherstellung profitabel zu sein. Die Mehrzahl der kleinen Hersteller hatte finanzielle Krisen, eine hohe Anzahl an Eigentümerwechseln, stellte Insolvenzanträge oder musste ihre Unabhängigkeit aufgeben. Einige sind vom Markt verschwunden, einige wenige sprechen von einem Comeback.
In der wissenschaftlichen Fachliteratur ließen sich keine Forschungsarbeiten über den Nischenmarkt der Klein- und Kleinstserienhersteller recherchieren. Bisherige mediale Berichterstattungen skizzieren die Welt der automobilen Klein- und Kleinstserienhersteller nur oberflächlich. Damit stellt der automobile Nischenmarkt und sein Marketing ein bisher noch unerforschtes Themengebiet dar.
Derzeit können nur Vermutungen über die möglichen Ursachen für die betriebswirtschaftliche Problematik und Zukunftsperspektiven der Klein- und Kleinstserienhersteller angestellt werden.
Exkurs: Nischenmarketing als Reaktion auf Marktveränderungen
Das Markenprodukt Automobil wird rasant weiterentwickelt. Der Wettbewerbsdruck aus der VR China und Indien wird forciert und digitalisiert. Alternative Mobilitätskonzepte benötigen immer mehr externes Knowhow. Der Internet-Riese Google dringt schon jetzt machtvoll mit selbstfahrenden Autos in den Automarkt ein. Weitsichtige Hersteller und Zulieferer richten ihr Produktionsprogramm auf die zunehmende E-Mobilität, Batterie- sowie Digitalisierungsentwicklung aus. Noch sind diese in der Minderheit und der Verbrennungsmotor ist in Deutschland das Maß aller Dinge. In Ländern wie Schweden oder der VR China verändert sich die Sichtweise rasant. Das US-Unternehmen Tesla zeigte als erstes, dass ein E-Automobil ansehnlich und preislich erschwinglich sein kann.
Im bisherigen Analog-Bereich wird die kooperative Fertigung von Automobilen oder Zubehör und die Reduzierung von Überkapazitäten in den deutschen Unternehmen mit Weitblick zu einer Konzentration des Angebots und zu mehr Kapitaleffizienz und Rendite führen. Wer weiterhin allein auf den Verbrennungsmotor setzt, wird künftig globale Märkte verlieren. Es sei denn, er bedient als Nischenanbieter einen Teilmarkt. Hier liegt die Verantwortung bei den Managements, nicht bei der Politik.
Der Autohaus-Vertrieb und Service werden sich konsequent verändern. Bei etablierten Autohausgruppen werden sich künftig für Konzentrationen und Mergers & Acquisitions weitere Optionen ergeben. Mehr als 70 % der Autohausumsätze liegen noch im fossilen V-Motorbereich. Künftig wird es aber eher um Software Updates, Bordnetzentwicklung, die Batteriewartung und Digital-Reparaturen gehen. Führende Hersteller, wie BMW, VW, Volvo und Porsche, haben das längst erkannt.
Wie reagieren die Automobilhersteller auf den rapiden Wandel?
Autohersteller und Zulieferer kaufen sich digitales oder technisches Knowhow ein, gleichzeitig etablieren sich globale Technologieanbieter aus Nordamerika, Israel und Indien als automobile Zulieferer für Sicherheitssysteme, autonomes Fahren, Digitalisierung und Konnektivität sowie Batteriemanagement Systeme. Investitionen in dem digitalen Sektor sind schon im Gründungsstadium keine „Schnäppchen“ und CEOs aus der Startup-Branche müssen nach der Transaktion beim traditionellen, analogen Automobilhersteller langfristig und konkret zur digital-analogen Wertschöpfung beitragen. Das Fahrzeug wird immer mehr zum „rollenden PC“, sodass die bisherige Expertise der Automobilkonzerne, beispielsweise bei Motoren oder Bremsen, immer mehr an Bedeutung verliert. Die größte Wertschöpfung wird zukünftig aus dem
Datencenter der Autos entstehen. Der wirtschaftliche Effekt solcher gravierenden Innovationen ist für die bisherige Automobilbranche dramatisch.
Konzentrationen wird es zudem bei der Erfassung der Umwelt und Verarbeitung der Daten geben, bei der Telekommunikation und bei der Infrastruktur für E-Mobilität. Hersteller und Zulieferer werden sich einen harten Wettbewerb um die Startups und bereits erfolgreichen IT-Unternehmen in der Seed-Phase liefern, die strategisch und produkttechnisch in das Produkt-Portfolio passen und Automobilen einen konkreten Mehrwert geben.
Die operativen Margen großer und kleiner Hersteller geraten verstärkt unter Druck.
Insbesondere Nischenhersteller müssen genau kalkulieren, da die Entwicklungs- und Vorlauf- sowie Zulassungskosten nahezu identisch sind mit denen der Konzerne. Der europäische Zulieferermarkt ist noch fragmentiert. Trotz eines hohen Grades an Professionalisierung bei der Wartung und Instandhaltung der Fahrzeuge wird der technische und digitale Anspruch an die Teile weiter zunehmen. Somit wächst der Druck, digitalisierte Geschäftsprozesse zu implementieren. Es ist mehr als fraglich, ob die klassischen KMUs bis zu einer Jahresumsatzklasse von 50 Mio. Euro dauerhaft diesem Konkurrenz- und Margendruck standhalten können. Das wissen die Nischen-Unternehmer und sind zumindest gesprächsbereit bezüglich einer Beteiligung oder Fusion. Große Unternehmen sind hier grundsätzlich kooperativ, da sie Massenanbieter sind und vom Knowhow und Image des kleinen Herstellers profitieren. Hier seien nur die Beispiele der langjährigen Zusammenarbeit von BMW und Wiesmann sowie BMW und Alpina genannt. Und dennoch wissen die kleinen Anbieter: Es wird auch künftig einen Markt geben für Kunden, die das Geräusch des Verbrennungsmotors schätzen und sich nicht mit dezent integrierten Außen-Lautsprechern zufriedengeben, die dem Fahrer und der Umwelt ein Motorgeräusch vortäuschen. Das Seltene ist das Besondere und daher wird der Nischenmarkt immer Bestand haben. Genau da liegt die Nische für Hersteller von Alpina bis Wiesmann. Wie die einzelnen Anbieter mit ihrem Nischenmarketing und Automotive Management darauf reagieren, zeigen die einzelnen Kapitel.
Anknüpfend an die beschriebene Ausgangslage ist ein Ziel dieser Markt-Analyse, das Defizit der bisher fehlenden wissenschaftlichen Betrachtung zu mindern. Hierfür wird eine umfassende qualitative Untersuchung mit selektierten deutschen und niederländischen Klein- und Kleinstserienherstellern durchgeführt, die den automobilen Nischenmarkt und dessen Vielseitigkeit repräsentieren. Für die Untersuchung konnten unter anderem die ehemaligen oder aktuellen Geschäftsführer, die in den meisten Fällen auch die Gründer der selektierten Klein- und Kleinstserienhersteller waren, im Rahmen von Experteninterviews gewonnen werden. Die authentischen, individuellen Erfahrungen, Einschätzungen, Meinungen und Sichtweisen der verschiedenen Interviewpartner ermöglichen wertvolle Einblicke in das reale Kleinserien-Unternehmertum und die speziellen Marktgegebenheiten.
Aufgrund der Komplexität in der Automobilbranche, die als eine der komplexesten Industriezweige weltweit gilt, werden inhaltliche Schwerpunkte gesetzt, die das Thema eingrenzen. Ein Ziel ist es, dem Leser einen Einblick in die Unternehmensgeschichte der selektierten Automobilhersteller zu geben, um den besonderen Charakter der Nischenanbieter zu verdeutlichen. Da sich nur wenige Kleinserienhersteller in Deutschland und in den Niederlanden mit einer wettbewerbsfähigen Kleinserienfertigung etabliert haben, ist ein grundlegendes Anliegen dieses Buches, Aufschlüsse über die Ursachen der betriebswirtschaftlichen Problematik und finanziellen Krisen der Automobilunternehmen zu bekommen.
Weitere Ziele sind, Erfolgsfaktoren des Nischenmarketings herauszukristallisieren und denkbare zukünftige Entwicklungen dieses Marktsegmentes darzustellen. Verschiedene Aspekte des Marketings und die Bedeutung sowie Effizienz von Digitalem Marketing finden dabei besondere Berücksichtigung. Der Erkenntnisgewinn aus den genannten Schwerpunkten ermöglicht die Entwicklung von Handlungsempfehlungen, die als Impulsgeber helfen können, als Automobilmarke in einer speziellen Nische, insbesondere betriebswirtschaftlich und markentechnisch, erfolgreich zu sein.
Für die Fragestellungen wurde ein exploratives Vorgehen mit qualitativen Experteninterviews gewählt. Aus der beschriebenen Zielsetzung leiten sich die folgenden Fragestellungen ab:
In diesem Kapitel wird zum Einstieg ein kurzer Überblick über das Begriffsverständnis der automobilen Klein- und Kleinstserienhersteller gegeben und eine Definitionsgrundlage für diese Untersuchung festgelegt (Kapitel 2.1). Im nächsten Schritt wird eine kurze Charakterisierung des automobilen Nischenmarktes vorgenommen (Kapitel 2.2). Anschließend werden die acht ausgewählten Automobilunternehmen für das weitere Verständnis dieser Arbeit mit ihrer Unternehmenshistorie vorgestellt (Kapitel 2.3). Im Anschluss werden die aktuellen Herausforderungen der Automobilbranche dargestellt, um das dynamische und komplexe Branchenumfeld der Klein- und Kleinstserienhersteller zu verdeutlichen (Kapitel 2.4). Um die Spezialisierung und Schwerpunktlegung einiger Klein- und Kleinstserienhersteller in einer bestimmten Nische nachvollziehen zu können, werden im Kapitel 2.5 die aktuellen Technologie- und Mobilitätstrends der Automobilindustrie aufgezeigt. Im letzten Teil des 2. Kapitels werden die für diese Arbeit wichtigen Grundlagen des strategischen Marketings (Kapitel 2.6) skizziert. Dabei finden das Dialogmarketing, Customer-Relationship-Management und einzelne Instrumente des Digitalen Marketings besondere Berücksichtigung.
Sowohl Groß-, Mittel- oder Kleinserien benutzen den Produktionstyp der Serienfertigung. Je nach Seriengröße lassen sich beispielsweise Automobilunternehmen den drei Begrifflichkeiten zuordnen. Allgemein werden derartige Automobilhersteller als Kleinserienhersteller bezeichnet, die Autos nur in geringer Stückzahl herstellen und deren Absatz um ein Vielfaches kleiner ist als der Absatz der Großserienhersteller (Adam, 1998). Unternehmen, die Fahrzeuge in Klein- oder Kleinstserie bauen, gleichen meist einer Manufaktur und scheinen oft im Übergangsstadium von der Handarbeit zur halbindustriellen Produktion zu stehen. Dabei geht es bewusst nicht um die Fertigung großer Mengen und gleichartiger Produkte, sondern um die Spezialisierung und Individualisierung. Für die Abgrenzung durch die genaue Seriengröße gibt es bislang keine einheitliche Definition. Nochmals von der Kleinserie abzugrenzen, ist die Kleinstserie, die oftmals auch als Einzelanfertigung bezeichnet werden kann. Die Abgrenzung zur Mittel- und Großserie ist weitaus schwieriger. Hier kann keine allgemeingültige Stückzahl festgelegt werden, vielmehr sollte nach branchenüblichen Maßstäben differenziert werden.
Für die verwaltungsrechtliche Anerkennung durch das Kraftfahrtbundesamt (KBA) wird nicht zwischen Kleinserienhersteller und Großserienhersteller unterschieden. Laut dem KBA erfolgt die Genehmigungserteilung für Kleinserienfahrzeuge, sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene nach der Rahmenrichtlinie 2007/46/EG (insbesondere Artikel 22 und 23). Demnach ist die Zahl der Einheiten eines Fahrzeugtyps, die in der EU zugelassen wird, in der Fahrzeugklasse M1 auf 1.000 Einheiten jährlich begrenzt. Für nationale Kleinserien (NKS) gelten geringere Stückzahlen, je nach Mitgliedsstaat. Für die Kleinserienfahrzeuge gelten grundsätzlich erleichterte Bedingungen in der Durchführung von Aufprallprüfungen, wie Frontal- und Seitencrash (KBA, 2016).
Für diese Untersuchung wird unter Berücksichtigung der selektierten Automobilunternehmen eine produzierte Stückzahl pro Jahr von mindestens fünf bis maximal 2.000 Autos zu Grunde gelegt, um für das Begriffsverständnis der automobilen Kleinserienhersteller eine Orientierung zu geben. Unternehmen mit Stückzahlen von maximal fünf Autos pro Jahr werden für diese Untersuchung als Kleinstserienhersteller definiert. Die Daimler AG konnte beispielsweise im Jahr 2015 rund 2 Millionen Fahrzeuge (Mercedes-Benz und Smart) verkaufen (Daimler, 2015). Durch den Vergleich der betrachteten Stückzahl sollte die definitorische Abgrenzung der Kleinserie zur Mittel- und Großserie deutlich werden.
Nach Michael E. Porters Konzept der strategischen Hauptrichtung gibt es drei grundlegende Strategie-Typen, um sich als Unternehmen klar am relevanten Markt zu positionieren. Neben der Kostenführerschaft und der Differenzierungsstrategie kann sich ein Unternehmen mit einer Nischenstrategie (Fokussierung) durch seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen auf bestimmte Kunden- und Produktgruppen, Segmente oder Märkte konzentrieren (Porter, 1998). Die betrachteten Klein- und Kleinstserienhersteller bedienen mit ihren hochemotionalen Produkten jeweils einen Nischenmarkt, wo Exklusivität und Individualität für die Zielgruppe eine große Rolle spielen. Die Exklusivität der Hersteller ist durch den minimalen Marktanteil am gesamten automobilen Weltmarkt gesichert. Der Erwerb eines Kleinserienfahrzeuges verkörpert oftmals auch die Lebenseinstellung der Kundschaft. Die Käufer möchten ein Auto, welches nicht „von der Stange kommt“, sondern weitgehend in akribischer Handarbeit gebaut wird. Das betont die eigene Unabhängigkeit und Individualität. Im Vergleich zur Massenfertigung mit großen Mengen eines Produktes haben Klein- und
Kleinstserienhersteller in der Regel sehr hohe Stückkosten, wodurch sich viele der Hersteller im Hochpreissegment und damit im Luxussegment positionieren. Damit wird der potentielle Käuferkreis bereits eingeengt (Schurig, 2013). Dieser wird im Abschnitt 4.1.4 thematisiert. Auf der anderen Seite können sich die Nischenanbieter mit einem hochspezialisierten Team auf die eigenen Fähigkeiten und Ressourcen konzentrieren und flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren.
Dabei ist es aufgrund der Individualität, Einzigartigkeit, Unternehmensgröße und unterschiedlichen strategischen Ausrichtung der Hersteller nicht möglich, einen bestimmten Nischenmarkt für alle Hersteller zu definieren. Aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen und Ansätze von einem Automobil fallen auch die jeweiligen Produkte unterschiedlich aus. Daraus resultiert eine natürliche Diversifikation. So bedienen beispielsweise der italienische Kleinserienhersteller Pagani oder der schwedische Kleinserienhersteller Koenigsegg mit rennstreckentauglichen „Hypersportwagen“ ein anderes Nischensegment als der deutsche Kleinserienhersteller Wiesmann. Trotz der unterschiedlichen Ausgestaltung des Nischen-Marktsegmentes sollen die für den Marktsektor der Kleinserienhersteller dominierenden Erfolgsfaktoren, Risiken und Perspektiven im weiteren Verlauf der einzelnen Betrachtungen erarbeitet werden.
Bei der allgemeinen Betrachtung des Marktsegmentes der Klein- und Kleinstserienhersteller lassen sich zwei Bereiche unterscheiden. Die Unternehmen, die im Konzernverbund agieren und die Unternehmen, die sich als unabhängige Hersteller in dem Nischenmarkt bewegen. Bei den kleinen unabhängigen Unternehmen können noch Unterscheidungen hinsichtlich der Unternehmensgröße gemacht werden (Schurig, 2013). In der folgenden Abbildung sind beispielhaft drei Automobilunternehmen aufgeführt, die in Kleinserie produzieren, aber in einem großen Konzernverbund agieren:
Für diese Untersuchung sind die drei dargestellten Hersteller aufgrund des Konzernverbundes und der damit verbundenen Synergieeffekte und möglichen Kompensation von negativen betriebswirtschaftlichen Entwicklungen innerhalb des Konzerns nicht repräsentativ und daher auch kein weiterer Bestandteil dieses Buchs.
In diesem Kapitel werden die acht Unternehmen vorgestellt, die in dieser Untersuchung beispielhaft für den Nischenmarkt der Klein- und Kleinstserienhersteller betrachtet werden. Als Titel wurde in der jeweiligen Kurzvorstellung für diese Untersuchung aus Gründen der Aktualität der aktuelle Name bzw. die Markenbezeichnung gewählt, da sich einige der Unternehmen während ihrer Unternehmensgeschichte mehrfach umfirmiert haben. Da die Automobilbranche schnelllebig und dynamisch ist. wurde aus Gründen der Nachvollziehbarkeit und Praktikabilität eine zeitliche Befristung für die inhaltliche Literaturrecherche zu den Automobilunternehmen gesetzt.
Der deutsche Fahrzeughersteller Alpina (Eigenschreibweise: ALPINA) wurde 1965 von Burkard Bovensiepen (*1936) gegründet. Im Jahr 1962 erkannte der junge Maschinenbau- und Betriebswirtschafts-Student Bovensiepen für den damals vorgestellten BMW 1500 mit 80 PS das Potential einer möglichen Leistungssteigerung. In Zusammenarbeit mit dem Institut für Motorenbau von Eugen W. Huber in München entwickelte er in der väterlichen Alpina-Büromaschinenfabrik eine Weber-Doppelvergaseranlage für den BMW 1500, die eine Leistung von 90 PS ermöglichte. Die qualitativ hochwertigen Alpina Motoren mit Doppelvergaseranlagen wurden gut verkauft und fanden Anerkennung bei der Fachpresse und Öffentlichkeit, sodass BMW mit dem damaligen Verkaufschef Paul G. Hahnemann den Alpina-Modellen die volle Werksgarantie gewährte. Diese vertrauensvolle Zusammenarbeit und Kooperation mit der BMW AG ist auch heute noch ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Alpina (Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG, 2016; Günther, 2015).
1965 wird die Alpina Burkard Bovensiepen KG mit acht Mitarbeitern gegründet. Das ursprüngliche Firmenlogo beinhaltete die Ansaugtrichter und eine Kurbelwelle jener Doppelvergaseranlage. Alpina entwickelte in Folge für die neuen BMW-Modelle ein breites Spektrum an sportlichem Zubehör, Tuningaktivitäten und entwickelte weiterhin Benzin-Motoren, die zugleich sparsam und leistungsstark waren. Ab 1968 nahm Alpina auch am Tourenwagen-Rennsport teil und konnte viele Siege im Europapokal und bei vielen Meisterschaften feiern. Alpina fungierte praktisch als externe Motorsportabteilung für BMW. Neben den Motorsportaktivitäten begann parallel mit BMW der Aufbau eines deutschen Händlernetzes, um die Alpina-Modelle auf die Straße zu bringen. 1977 zog sich Alpina vorläufig vom Motorsport zurück. 1978 präsentierte Alpina drei komplette Eigenentwicklungen mit einer vollelektronischen Computerzündung, den BMW Alpina B6, den Alpina B7-Turbo Coupé und den BMW Alpina B7-Turbo, der mit 300 PS zu dieser Zeit die schnellste Limousine der Welt war. 1983 wird Alpina offiziell vom KBA als Automobilhersteller anerkannt. 1988 zog sich Alpina aus dem Rennsport zurück und fokussierte sich auf die Entwicklung und Produktion von neuen Alpina Straßenfahrzeugen. Dabei gab es im Vergleich zu den Anfängen auch neue Produktionsabläufe. Im Rahmen einer Zug-um-Zug Integration werden die Alpina Komponenten, wie Kolben und Kühler, Instrumente oder Felgen, in täglichen Logistiktransporten direkt in die BMW-Werke geliefert und dort montiert, sodass rund 75 -80 % eines Alpina-Fahrzeuges im BMW-Werk gebaut werden. Anschließend erfolgt in der Alpina Manufaktur die Umsetzung der exklusiven Kundenwünsche. Dazu gehören beispielsweise der Anbau von Aerodynamikteilen, die Abgasanlage oder die Gestaltung eines individuellen Interieurs mit hochwertigem Lavalina-Leder und Sonderanfertigungen, die jeden Alpina zu einem Unikat machen. Insbesondere für eine individuell gestaltete Lederausstattung investiert Alpina in Summe viele Arbeitsstunden, um den hohen Ansprüchen der Zielgruppe gerecht zu werden (Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG, 2016; Bovensiepen, 2016; Günther, 2015).
In den folgenden Jahren expandierte Alpina immer weiter. 1990 hat Alpina bereits 120 Mitarbeiter, das Firmengelände in Buchloe wird mit einem Neubau für Verwaltung und Produktion ausgebaut. Es folgten eigene technische Entwicklungen, wie das elektronische Kupplungsmanagement „Switch-Tronic“ oder der elektrisch beheizte Metallkatalysator „E-Kat“. 1999 entwickelte Alpina in Zusammenarbeit mit BMW den ersten Dieselmotor für Alpina-Fahrzeuge. Im Jahr 2008 vollzieht Alpina die größte Expansion seit der Firmengründung: Der Neubau eines Versuchs-, Ingenieur-, und Entwicklungszentrums, um der steigenden Nachfrage nach Alpina-Modellen durch eine schnellere Produktentwicklung gerecht zu werden. 2009 engagiert sich Alpina erneut im Motorsport und gewinnt 2011 die deutsche GT-Serie mit dem BMW Alpina B6 GT3 Evo (Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG, 2016; Günther, 2015).
Die Vermarktung der BMW Alpina-Modelle, die Sportlichkeit und eine hohe Reise- und Alltagstauglichkeit verbinden, erfolgt über ausgewählte BMW-Händler. Im Jahr 2014 konnte Alpina mit gut 200 Mitarbeitern rund 1.700 Fahrzeuge verkaufen und damit einen Umsatz von rund 95,5 Millionen Euro erzielen. Die wichtigsten Absatzmärkte bilden heute Deutschland, Europa, USA und Japan. 2015 feierte Alpina das 50-jährige Firmenjubiläum. Zusammen mit seinen beiden Söhnen Florian und Andreas leitet Burkard Bovensiepen heute das Familienunternehmen, das von betriebswirtschaftlichen Krisen in der Vergangenheit weitgehend unbeeindruckt blieb und auf eine erfolgreiche Unternehmensgeschichte zurückblicken kann (Alpina Burkard
Bovensiepen GmbH + Co. KG, 2016; Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG, 2014; Günther, 2015).
Die folgende Abbildung zeigt die aktuellen Alpina-Modelle:
Neben der Automobilentwicklung und Produktion ist das zweite Standbein des Familienunternehmens der Weinhandel. Burkard Bovensiepen entdeckte auf vielen seiner Reisen die Liebe zum Wein und gründete 1979 mit dem Weinimport einen weiteren Geschäftszweig von Alpina. Als Weinimporteur und -distributor handelt Alpina heute mit exklusiven Weinen aus Frankreich, Italien, Kalifornien und Deutschland (Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG, 2016; Bovensiepen, 2016).
Laut Andreas Bovensiepen (2016) macht der Weinhandel rund 12 % des Gesamtumsatzes aus mit einem Anteil in 2014 von rund 11,3 Millionen Euro (Alpina Burkard Bovensiepen GmbH + Co. KG, 2014).