Impressum

© 2021 Josephine Regina Schwandt

2. Auflage (1. Auflage, veröffentlicht 2020 im Eigenverlag)

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

Cover, Layout, Satz, Fotos und Illustration: Josephine Schwandt

Autorenfoto: Jana Gläser

Lektorat: Katharina Springer, Silke Fankhauser

ISBN: 978-3-7557-1821-5

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über dnb.dnb.de abrufbar.

Fernweh

Ich wusste,

wenn sich etwas ändern sollte,

musste ich etwas ändern.

Allerdings wusste ich nicht,

was ich ändern sollte.

Also änderte ich kurzerhand alles.

Ich hatte Fernweh. Sehnsucht nach Reisen ins Unbekannte; nach Begegnungen mit Menschen, die ihrerseits unsere wunderbar bunte Welt auf den unterschiedlichsten Wegen erkunden; nach einem Alltag, der keiner ist; nach einem waschechten und ausgewachsenen Abenteuer.

Lange schon blätterte mein Herz in imaginären Fotoalben, gefüllt mit Bildern von Sonnenuntergängen am Meer; von überfüllten Märkten, auf denen stramme Damen mit bunten Kopftüchern Gewürze und exotische Früchte mit unaussprechlichen Namen feilbieten; von Hängematten zwischen Palmen und von Festen, die von mir bisher fremden Kulturen gefeiert werden; Bilder von den tausend Klischees, die uns Kataloge und Dokumentationen als den ultimativen Glückszustand verkaufen. Ich begehrte das grüne Gras auf der anderen Seite des Zaunes, welches immer dann am saftigsten scheint, wenn es vermeintlich nicht erreicht werden kann. Das hiesige war welk und abgegrast. Alles schon geseh’n, alles schon erlebt.

„Da muss doch mehr drin sein!“, drängte etwas in mir. Und dann machte sich doch wieder diese unüberwindbare Regungslosigkeit breit, die sich mit ihrem vollen Gewicht auf mein Herz stützte, sodass es zwickte, drückte und Unbehagen verbreitete. Ein Teil von mir hatte Angst. Und immer wieder schaffte ich es, mich davon zu überzeugen, dass es viel zu unsicher sei, meiner inneren Stimme zu folgen und Träume wahr werden zu lassen. Träume von der unerkundeten Welt. Träume von einem neu geschriebenen Lebenslauf. Ich hatte es satt zu funktionieren und dabei zuzusehen, wie meine Zeit so ungelebt verstrich. Ich fragte mich, ob es so sein musste. War ich als Teil der Gesellschaft dazu verpflichtet, mir ihre Probleme aufzubürden, mich ins Hamsterrädchen zu hiefen und Runde um Runde abzustottern, mein „Soll“ zu erfüllen? Dieses Hamsterrädchen hatte ich mir recht hübsch eingerichtet und dekoriert. Mit einer netten Wohnung, durchtanzten Nächten in der Disco und einem interessanten Job als Grafikerin. Wunderbare Freunde begleiteten mich jeden Tag. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, irgendwie an meinen Werten vorbeizuleben. Ich hatte mir eine kleine, glitzernde Komfortzone geschaffen, die als universelle Ausrede fungierte, nichts anpacken oder gar wirklich ändern zu müssen. Ich hatte mich in Schrödingers Hamsterrad manövriert. Alles und nichts geschah gleichzeitig. Monoton. Und dann doch unvorhersehbar. Ich fühlte mich hin- und hergerissen – zerrissen. Pendelte zwischen Euphorie und Ratlosigkeit und immer, wenn ich mich in einem Zustand aus beruflicher Flut und privater Ebbe wiederfand (manchmal auch umgekehrt), hielt ich doch lange genug die Balance, um meine Universalausrede zu rechtfertigen: War doch eigentlich alles ganz nett. Ich hatte es mir doch so ausgesucht ... Oder?

Ich kann nicht mehr genau sagen, wann ich den Entschluss fasste, mein Leben gründlich auf den Kopf zu stellen und mal eben hunderte Kilometer alleine durch Spanien zu wandern. Zwei Jahre zuvor hatte ich das erste und bisher einzige Mal von dem Pilger- und Weitwanderweg, dem Camino de Santiago1, gehört. Der Gedanke, mir ein paar Wochen Auszeit zu nehmen und mich der abenteuerlichen und womöglich spirituell öffnenden Wanderschaft zu stellen, wirkte damals sehr romantisch. Ich recherchierte ein wenig, schaute mir einen bewegenden Film an und war für eine Weile sehr angetan von der Idee. Doch schnell wurde sie vom Alltag wieder verschluckt.

Im Frühling 2015 – um meinen fünfundzwanzigsten Geburtstag – stand ich, inspiriert von der Sommersonne, in der Reiseabteilung der Buchhandlung meines Vertrauens und wollte mir ein wenig Seelenfutter und ein paar neue Traumbausteine zulegen. Intuitiv zog ich nacheinander einge Reiseführer aus den Regalreihen und hatte jäh ein blaues Buch in der Hand, dessen Titel mich einlud, den Jakobsweg zu beschreiten. Ich schmunzelte und begann, darin zu blättern. Ich war doch nun wirklich nicht der Typ für eine Pilgerreise, oder? Ich hatte keine Erfahrung im Fernwandern und ich war nicht unbedingt gläubig – zumindest nicht auf die kirchliche Art und Weise. Trotzdem lagen wenig später das Büchlein und eine detaillierte Karte von Nordspanien auf dem Kassentisch. Ich ließ mich im nächsten Straßencafé nieder und begann, mit einem Glas Aperol in der Hand, meine Neuzugänge eingehender zu inspizieren. Erst Fotos gucken, dann hier und da einen Absatz lesen. Der Autor und Kabarettist Hartmut Pönitz erzählte mir humorvoll von seiner Reise auf dem Jakobsweg in Spanien.2

Von da an ließ mir das Thema keine Ruhe mehr, doch dachte ich nicht im Traum daran, dass ich bald wirklich meine Wanderschuhe schnüren würde. Denn damals war es eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, mir die kühnsten Abenteuer auszumalen und sie mit der Zeit sang- und klanglos vom Winde verwehen zu lassen. Außerdem hatte ich doch gerade erst einen netten Mann kennengelernt. Wir waren sehr voneinander angetan und es zeichnete sich Beziehungspotential ab. Und trotzdem entwickelte sich (oder: entwickelte ich) diesmal alles anders. Immer öfter fand ich mich in Internetforen wieder und sammelte Informationen über den Jakobsweg. Dann erzählte ich ein paar Freunden und meiner Familie von der Idee und bemerkte erst gar nicht, wie sich meine Ausführungen nach und nach veränderten. „Wär doch cool“ wurde erst von „Ich würde gerne“ abgelöst und dann von „Ich will“. Und bald benutzte ich die Worte „Ich werde“. Irgendwann dazwischen hatte ich unterbewusst wohl eine Entscheidung getroffen. Als mir dies klar wurde, wanderte ein überwältigendes Gefühl durch Körper, Kopf und Seele und plötzlich wusste ich, was zu tun war. Ich begann, konkrete Entscheidungen zu treffen und zu handeln. Trotz der Beförderung, die ich mir kurz zuvor erarbeitet hatte, kündigte ich meinen Job und buchte ein Flugticket nach San Sebastián an der Nordküste Spaniens. Und da ich nicht wusste, was für ein Mensch ich bei meiner Rückkehr sein würde (ich hatte so eine Ahnung, dass diese Reise mich verändern würde) und ob ich überhaupt noch in dieser Stadt wohnen wollte, verabschiedete ich mich auch von meinem WG-Zimmer und meinem lieben Mitbewohner. Ich war in meinem Leben schon einige Male umgezogen und wusste mittlerweile gar nicht mehr so recht, wo ich denn eigentlich zuhause war. Ich vermutete, dass mir Heimweh dabei helfen könnte, diese Frage zu beantworten. Meine Reise in die Ferne würde also auch zu einer Suche nach Heimat werden. Das klingt vielleicht ein wenig paradox, für mich aber ergab es Sinn.

Es war an der Zeit, meine Geschichte neu zu schreiben, das Ruder selbst und mit Bestimmtheit in die Hand zu nehmen. Einfach war das nicht, doch es gab für mich keine andere Option mehr. Und obwohl ich noch nicht wirklich verstanden hatte, was ich da gerade tat, nahm mein Plan nach und nach Gestalt an. Die Kündigungsfristen von Job und Wohnung räumten mir nun zwei Monate für die Vorbereitungen ein. Mit jedem Ausrüstungsgegenstand, den ich aus meinen Stauräumen kramte oder mir nach sorgfältiger Recherche neu zulegte, wuchs meine Vorfreude und die Gewissheit, dass ich „dieses Ding“ durchziehen würde. Ich war aufgeregt wie ein kleines Kind am Weihnachtsmorgen, wenn es nicht genau weiß, was hinter der geschlossenen Wohnzimmertür geschieht und es kaum erwarten kann, genau das herauszufinden. Die „Geschenke unterm Baum“ machte ich mir selbst. Ganz gleich, ob es nun darum ging, die richtige Wasserflasche auszusuchen oder den Flug zu buchen. Alles fühlte sich an wie der Moment, in dem man die Schleife eines geheimnisvollen Päckchens löst und den Inhalt erkennt, bei dessen Auswahl sich jemand äußerst viel Mühe gegeben hatte. Nur, dass dieser Jemand ich selbst war. Alleine dadurch, auf mein eigenes großes Ziel hinzuarbeiten, fühlte ich mich reich beschenkt.

Bis dahin hatte ich die Angewohnheit gehabt, mich erst in Beziehungen zu anderen Menschen „vollständig“ zu fühlen. Ich hatte mein Glück oft von ihnen abhängig gemacht. Seien es nun die Zuneigung eines Mannes, das Lob meines Vorgesetzten oder die Bewunderung meiner Freunde. Immer hatte ich die Bestätigung von außen gebraucht, um zufrieden sein zu können. Zumindest bildete ich mir dann für eine Weile ein, zufrieden zu sein. Ich musste hören, dass ich ein toller Mensch sei, nur dann meinte ich, etwas wert zu sein. Doch dieses Gefühl ist sehr fragiles Glück. Denn wenn die Aufmerksamkeit geht, nimmt sie die Zufriedenheit mit. Hubert von Goisern singt in einem seiner Lieder: „I lod mi selber ein auf a Stickl Tort’n und a Melange.“ Kleine Gesten der Selbstliebe sind wesentlich für Zufriedenheit und Glück oder das Glücklichsein. So schön es auch ist, jemanden an meiner Seite zu wissen, der meine Großartigkeit entdeckt hat, darf dies nicht der Grund sein, um morgens aufzustehen. Niemand kann meine Wünsche und Bedürfnisse so gut verstehen wie ich und deshalb kann sie auch niemand so treffend erfüllen. Außerdem ist es niemandes Aufgabe oder gar Verpflichtung, sich ständig um mein Seelenwohl zu kümmern. Ich selbst bin der Schöpfer meines Glücks. Alles andere ist Bonus. Da steht keiner vor meiner Tür und sagt mir, wo es lang geht, und was ich tun muss, um mein Glück zu finden. Ich hatte einen möglichen Weg für mich gefunden. Und ich war es, die losgehen musste. Ich wartete nicht mehr auf den Zuspruch meines Umfelds.

Und dann realisierte ich, dass ich gerade meine Wohnung und meinen Job gekündigt hatte und stattdessen auf dem Boden vor meinem 55-Liter-Rucksack saß und überlegte, wie zum Teufel ich mein viel zu großes Zelt daran befestigen sollte. Die Wanderlust hatte mich mit ihrer vollen Breitseite erwischt. Widerstehen konnte und wollte ich ihr nicht länger. Zu viele Jahre hatte ich das Verlangen nach den großen Reisen vor mir hergeschoben – zum Luftschloss degradiert. Schwachsinnige Ausreden gesucht – immer welche gefunden. Mal hatte ich Angst, mal keine passende Reisebegleitung, mal zu wenig Bares. Meistens alles zusammen. Und an den Voraussetzungen hatte sich auch diesmal nichts Grundlegendes geändert. Wenn ich an die nun folgenden Wochen dachte, hatte ich Bammel; mein einziger Kompagnon würde mein Rucksack sein; und im Lotto hatte ich auch noch nicht gewonnen. Was sich geändert hatte, war meine Einstellung. Mein Innerstes. Das Einzige, was wirklich zählt. Ich musste aufstehen und losgehen. Einfache Worte für die vielleicht schwierigste Sache der Welt.

Also packte ich mein kleines Leben in ein paar Kartons und verstaute diese auf dem Dachboden meines Elternhauses. Alles, was übrig blieb, waren 16 Kilo Equipment3 in einem rot-schwarzen Rucksack. Diesen geschultert und mit Tränen in den Augen verabschiedete ich meine Mama am Bahnhof

und änderte alles.


1 span.: Weg nach Santiago, Jakobsweg

2 Hartmut Pönitz: Der Jakobsweg – Das Handbuch für die Auszeit

3 Wie sich bald herausstellen würde, war das immer noch zu viel!

Inhaltsverzeichnis

Körper

Tag 0 – Dienstag, 8. September

„Packen Sie bitte das beste Päckchen Ihres Lebens“, mit diesen Worten gab ich mein Ungetüm von Rucksack bei der Packstation des Wiener Flughafens ab. Ich hatte erfahren, dass man hier beim sogenannten Wrapping sein Gepäck praktischerweise in etliche Lagen Frischhaltefolie wickeln konnte, um es vor möglicher Beschädigung zu schützen. Keine umweltfreundliche Variante, aber ich war in den nächsten Wochen auf jedes Teil angewiesen und wollte nicht riskieren, dass ich nach dem Flug meine heißgeliebte Ausrüstung in Einzelteilen wiederfinden würde. Der junge Mann, der die mit Folie bestückte Wickelmaschine bediente, grinste mich an, als er sah, wie ich jeden seiner Handgriffe genau beobachtete. „Keine Sorge, das mach ich öfter. Ist mein Job.“ merkte er an und legte den Schalter um. Der Rucksack drehte einige Runden und verwandelte sich in einen glänzenden Riesenkokon. Da ich ihn nun nicht mehr aufsetzen konnte, bugsierte ich mein unhandliches Heiligtum etwas unbeholfen zum Check-in. Ich bildete mir ein, dass jeder Mensch in der Wartehalle heimlich über mich lachte. „Dieses kleine Mädchen will diesen großen Rucksack durch die Welt tragen? Die fällt bestimmt ganz schnell auf die Nase und nimmt den nächsten Flug zurück ins heimatliche Nest.“ Ich kam mir etwas idiotisch und naiv vor, als ich meinen Rucksack auf das Förderband legte und meine Flugreservierung über den Tresen schob. Der Flughafenbeamte kontrollierte die Daten und reichte mir die Tickets. Er blickte auf das folierte Knäul und lächelte mir freundlich zu. „Spanien“, stellte er fest. „Wollen Sie den Jakobsweg gehen?“ Ich nickte verlegen. Mit strahlenden Augen beglückwünschte er mich zu meinem bevorstehenden Abenteuer, fragte, ob dies für mich die erste Reise dieser Art sei. Erneut verlegenes Nicken meinerseits. „So etwas wollte ich auch immer mal machen, aber in meinem Alter ist das nicht mehr so einfach.“ Er stand auf und reichte mir die Hand, während er mir von Herzen alles Gute für die Reise wünschte. Der Moment berührte mich. Vielleicht lachten sie ja doch nicht alle. Ich verabschiedete mich von meinem lieben Freund Andreas, der mir als Beistand und Fahrer die letzten Schritte auf bekanntem Terrain erleichterte.

Adíos. Keine Tränen – viel zu aufgeregt.

Ich schlenderte noch ein paar Minuten durch den übertrieben beleuchteten Duty-free-Shop und machte mich dann auf die Suche nach einer Bar, in der man rauchen durfte. Es gab eine kleine stickige Kammer, in der sich die nervösen Raucher vor dem Abflug ihre letzte Ladung Nikotin verabreichen konnten. Jetzt hatte ich doch Tränen in den Augen. Doch waren sie qualmbedingter Natur.

Ich kramte mein Handy aus meinem kleinen Sportbeutel, den ich für die Abende und wanderfreien Tage in Spanien dabei hatte. Ein paar letzte Anrufe bei Familie und Freunden, dann wurde mein Flug aufgerufen und ich machte den alles besiegelnden Schritt in mein neues Leben.

Das war nun also der Beginn meines großen Abenteuers. Ich kam ins Grübeln, warum ich so lange mit diesem Schritt gewartet hatte, fand aber auf die Schnelle keine klärende Antwort; nur ein paar flüchtige Mutmaßungen. Irgendwann, in der Schule, in meiner Ausbildung oder in meinen Jobs, hatte ich wohl aufgehört, an meine Träume zu glauben. Ich hatte mich einsortiert in ein System der Gleichförmigkeit und des Funktionierens. Obwohl ich doch eigentlich weiß, dass Zickzackkinder4 nicht in Systeme sortiert werden sollten. Ich blickte aus dem Flugzeugfenster und wusste, dass ich zur richtigen Zeit am richtigen Ort war (Ja, ich hatte einen Fensterplatz und ja, die Maschine startete in den Sonnenuntergang!). Ich fühlte mich wie in eine kleine, weiche rosa Wattewolke verpackt und grinste selig vor mich hin. Die unbeschreiblich herzlichen und motivierenden Nachrichten von Freunden und Familie bewegten mich sehr und es kribbelte ein wenig, als ich das Handy ausschalten musste und damit den letzten Kommunikationsfluss zu den Daheimgebliebenen unterbrach. Ich fühlte mich, als wäre ich auf einer Expedition in den Dschungel – Wiederkehr ungewiss.

Den Start untermalte die spanische Fluggesellschaft freundlicherweise mit Musik. De Pedro mit seiner Reiseballade „Como el viento (wie der Wind)“. Ein Lied, welches in den letzten Wochen immer wieder meine Vorfreude geschürt hatte. So auch jetzt. Und dazu dieser Sonnenuntergang. Kitschiger ging es kaum. Mein Sitznachbar war ein fünfzehnjähriger Schüler, der ein Auslandssemester in Spanien vor sich hatte. Wir befanden uns gegenseitig für coole Socken und tauschten Schokoriegel gegen Marzipanschnitten. Eine klassische Win-Win-Situation. Der gut gelaunte Pilot informierte uns in regelmäßigen Abständen über unsere Position. MarseilleBarcelona – und schon bald ging er über in den Landeanflug auf Madrid.

Um nicht abends in San Sebastián anzukommen, hatte ich meinen Anschlussflug erst für den nächsten Morgen gebucht. Eine Nacht am Flughafen war mir irgendwie lieber, als abends in einer unbekannten Stadt auf Hostelsuche zu gehen. Ich machte es mir also in einer der riesigen Terminalhallen mehr oder weniger gemütlich. Warum bloß machen die bei allen Bänken Armlehnen zwischen die Sitze? Also wurde der Boden vor der Fensterfront zum Rollfeld mein Nachtlager. Meinen Schlafsack hatte ich ja im Handgepäck.


4 David Grossman erzählt in seinem Roman „Zickzackkind“, dass es Kinder in verschiedenen Formen gibt. Runde Kinder und achteckige Kinder zum Beispiel. Und es gibt Zickzackkinder. Und die passen eben nicht in die herkömmlichen Muster und Raster, sondern müssen „ihrer Künstlernatur“ folgen.

Tag 1 – Mittwoch, 9. September

Der schwarze Kaffee am nächsten Morgen war wie ein Glas kaltes Wasser nach dem Sport – absolut notwendig. Ich hatte natürlich kaum ein Auge zugetan. Aber irgendwann war auch die letzte Stunde abgesessen und ich konnte meine Reise fortsetzen. Nach einer weiteren Flugstunde trat ich in San Sebastiánim