© 2021, Andreas Rheinländer

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 9783754376645

Inhaltsverzeichnis

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Andreas Rheinländer

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Kompetenznetzwerk Medizin

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Quelle des Titelbildes: Eigens erstellte Grafik.

Alle Rechte vorbehalten.

1. Auflage 01/1984

2. Auflage 01/1992

3. Auflage 12/1995

4. Auflage 10/2021

Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen sowie jedwede Form von Speicherung und Verarbeitung von elektronischen Systemen aller Art.

Vorwort zur 4. Auflage

Im Vorwort zur 3. Auflage schrieb Dr. Hackenberg 1995: „Das EKG ist nach wie vor das wichtigste diagnostische Hilfsmittel zur Beurteilung von Herzerkrankungen.“.

Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Das vorliegende Werk ist die 4. Auflage des EKG-Übungsbuch von Dr. Hackenberg, welches unter meiner Federführung, 25 Jahre später und mit freundlicher Genehmigung und Unterstützung von Dr. Hackenberg, fortgesetzt wird.

Aus diesem Grunde enthält das Werk auch die Original-EKG-Streifen der 3. Auflage.

Sie besitzen in den Goldberger-Ableitungen jeweils nur einen QRS-Komplex, was jedoch der Befundung nicht entgegensteht.

In den vergangenen 25 Jahren hat sich viel getan. Die Medizin entwickelte sich weiter und so auch das EKG. Nicht technisch, denn dahingehend hat es sich seit fast 100 Jahren kaum etwas geändert.

Wohl aber bezüglich der Informationen, die sich aus einem EKG-Streifen lesen lassen sowie der daraus folgenden Interpretation des Befundes.

Das vorliegende Werk berücksichtigt diese Entwicklung sowie Veränderungen in Diagnostik und Therapie kardialer Pathologien und soll dem Leser helfen, sich in die EKG-Befundung weiterführend einzuarbeiten.

In der Hektik des Stationsalltages bzw. des Studiums ist für die eingehende Beschäftigung mit Fragen des EKG häufig keine Zeit. Mit Hilfe dieses Buches kann somit abseits der Belastungen des Klinikbetriebes bzw. kurzer und zeitbegrenzter Seminare gezielt die EKG-Befundung geübt werden. Anschließend kann mit Hilfe der Lösung sowie der Kommentierung der eigene Befund auf Richtigkeit überprüft werden.

Das Buch ist für Studentinnen und Studenten sowie klinisch tätige Ärztinnen und Ärzte gedacht – innerhalb und außerhalb der Kardiologie.

Rückmeldungen, Fragen und Anmerkungen können über das Kontaktformular auf der unter Kontaktdaten genannten Webseite an den Autor gerichtet werden.

Mein besonderer Dank geht an Dr. Hans-Michael Hackenberg für die Möglichkeit und das entgegengebrachte Vertrauen, sein bereits drei Auflagen starkes Werk fortführen zu dürfen. Zudem danke ich ihm für die Unterstützung vor und während der Erstellung des Manuskriptes.

Berlin, Sommer 2021

Andreas Rheinländer

Original-Vorwort zur 3. Auflage

Das EKG ist nach wie vor das wichtigste diagnostische Hilfsmittel zur Beurteilung von Herzerkankungen. Die EKG-Auswertung ist zwar bei modernen EKG-Geräten weitgehend automatisiert, und der Anwender erhält mit dem EKG-Streifen bereits mehr oder weniger eindeutige Verdachtsdiagnosen präsentiert. Insbesondere aber dann, wenn die Standardbedingungen der EKG-Aufzeichnung nicht eingehalten werden, oder nicht werden können (z.B. beim Hausbesuch), sind Auswertungsfehler vorprogrammiert. Aus diesem Grund sollte die EKG-Interpretation auch heute von jedem praktizierenden Arzt beherrscht werden.

Dieses Übungsbuch ermöglicht es, sich anhand von Routine-EKGs aus Klinik und Praxis Erfahrung in der EKG-Befundung anzueignen. Es enthält vorwiegend pathologische EKGs, dennoch handelt es sich meist nicht um spezielle oder seltene EKG-Veränderungen, sondern eben um EKGs, wie man sie in Ambulanz und Praxis häufig findet.

Die EKGs wurden mit einer Papiergeschwindigkeit von 50 mm/s aufgezeichnet. Die Ableitungen sind geeicht (1 cm bzw. 10 kleinste Kästchen entsprechen 1 mV). Aus Platzgründen mußten die Aufzeichnungen verkleinert werden. Auch wurden die Eichzacken aus diesem Grund nicht dargestellt. Um eine Auswertung der EKGs zu ermöglichen, wird ein maßstabsgerecht angepaßtes EKG-Lineal mitgeliefert. Zum Umgang mit diesem Lineal: Siehe Gebrauchsanweisung für EKG-Lineal. Bei sehr bradykarden EKGs reicht das EKG-Lineal zum Messen der Frequenz nicht aus. In diesem Fall muß die Frequenz anhand der QRS-Komplexe pro Sekunde (50 kleinste Kästchen) errechnet werden. Solche Frequenzberechnungen können auch im klinischen Alltag notwendig werden, obwohl viele EKG-Automaten die Frequenz bereits ausdrucken.

Bei einigen EKG-Beispielen wird dem Leser eine Asynchronität innerhalb der jeweils zusammengefaßten drei Ableitungen auffallen. Dies erklärt sich aus der Tatsache, daß manche EKGs mit Hilfe eines Einkanalschreibers aufgenommen und die Ableitungen erst nachträglich in ein vorgegebenes Schema eingepaßt wurden!

In einer kurzen Anamnese werden zu jedem EKG Hinweise auf die klinischen Befunde des Patienten angegeben.

Unter "EKG-Analyse" sind Zeiten, Frequenz, Rhythmus und Beschreibung von Vorhofunf Kammererregung zusammengefaßt.

Die Interpretation der EKGs ist unverbindlich und soll als Kontrolle und Anregung dienen. Ich bitte dabei zu beachten, daß viele EKG-Veränderungen nicht eindeutig zu interpretieren sind. Oft ergeben sich erst gemeinsam mit den klinischen Symptomen Hinweise auf eine mögliche Diagnose. Bei vielen EKG ist es deshalb sinnvoll nur die Veränderungen zu beschreiben ohne sie zu bewerten.

Um letztlich die gewonnene Erfahrung auch an Original-EKGs anwenden zu können, wurde dem Buch zusätzlich ein Original-EKG-Lineal beigelegt.

Mundelsheim, im Mai 1995

Hans-Michael Hackenberg

Wie dieses Buch zu verwenden ist

Das Buch enthält 70 EKG-Aufzeichnungen. Es erfolgt zunächst immer die Darstellung des EKG-Streifens, die Anamnese, die gemessenen Zeiten und die Auswertung.

Die Auswertung enthält fünf Punkte: Deskriptiver Befund, Interpretation, Diagnose, Kommentar und Diagnostische Fallstricke. Zudem finden sich Literaturangaben, z.B. zu relevanten Studien.

An erster Stelle steht also der rein deskriptive Befund.

Er beschreibt, was im EKG-Streifen zu sehen ist – ohne jede Wertung.

Anschließend wird der deskriptive Befund interpretiert und diese Interpretation führt dann zur Diagnose.

Die Trennung in Beschreibung, Interpretation und Diagnose ist Standard-Methodologie in der gesamten Medizin. In der Hektik des klinischen Alltages geht sie jedoch manchmal unter.

Daher wird in diesem Buch strikt auf die Trennung dieser drei Ebenen geachtet, damit keine Auffälligkeiten verlorengehen und die Auswertung für die Leserin bzw. den Leser nachvollziehbar ist.

Jeder Diagnose folgt ein Kommentar, der weiterführende Erläuterungen zum Befund gibt.

Unter Diagnostische Fallstricke finden sich besondere Aspekte der EKG-Differentialdiagnose.

Jeder wichtige Befund wird einmal ausführlich besprochen und dann später, bei wiederkehrenden Befunden, auf das EKG verwiesen, in welchem dieser Befund schon einmal vorkam.

So schafft das Durcharbeiten der EKG-Streifen von vorne nach hinten mehr und mehr Sicherheit. Wer sich bei einem Befund oder Krankheitsbild sicher ist, braucht den Verweis auf das Vor-EKG nicht noch einmal nachlesen. Wer sich nicht sicher ist, blättert zurück.

Der Kenntnisstand wird so Stück für Stück erweitert.

Die EKG-Streifen, in denen die einmalige, ausführliche Erläuterung zu einem speziellen Thema in der Kommentierung erfolgt, werden als Referenz-EKG bezeichnet. Eine Liste aller Referenz-EKG-Streifen findet sich auf der vorletzten Seite des Buches. Auf der letzten Seite findet sich eine Liste mit allen EKG-Befunden, die im Buch vorkommen.

Es wird empfohlen die EKG-Streifen in der angegebenen Reihenfolge von 1 bis 70 durchzugehen.

Um Einheitlichkeit zu gewährleisten, muss es Normwerte geben. Diese sind durch die Physiologie des Herzens bedingt, dennoch gibt es unterschiedliche Ansichten über spezifische Normwerte.

Die folgenden Normwerte werden über das gesamte Buch hinweg verwendet:

P-Welle:

≤ 110 ms, Amplitude bis 0,25 mV

P-Dispersion:

< 30 ms: normal

> 50 ms: pathologisch

PQ-Strecke:

120 - 210 ms (frequenzabhängig)

Eine PQ-Strecke < 120 ms oder > 210 ms ist immer pathologisch.

Q-Zacke:

≤ 30 ms: normal und

≤ ¼ der Amplitude der R-Zacke

(Ist nur einer der beiden Werte bereits erhöht, ist die Q-Zacke pathologisch)

QRS-Komplex:

≤ 99 ms: normal

100 - 119 ms: inkompletter Schenkelblock

> 120 ms: kompletter Schenkelblock

S-Zacke:

≤ 60 ms: normal

QT-Dauer:

Es gibt keine fixe Normwertgrenze. Eine absolute QT-Zeit von über 500 ms ist aus physiologischen Gründen immer pathologisch.

(Tabelle nach Lepeschkin siehe Kitteltaschenübersicht)

Letzter oberer Umschlagpunkt (LOU):

≤ 30 ms: normal

Definition: Zeit vom Beginn des QRS-Komplexes bis zur letzten Spitze des gesamten QRS-Komplexes.

Sokolow-Lyon-Index:

Links: <3,5 mV

Rechts: <1,05 mV

Tp-e-Intervall:

> 85 ms: sehr wahrscheinlich pathologisch (erhöhte linksventrikuläre Masse)

Ein Tp-e-Intervall von < 80 ms ist tendenziell als unproblematisch anzusehen.

Eine Kitteltaschenkarte mit den Normwerten zum Ausdrucken kann unter

https://www.ekg-übungsbuch.de => Materialien heruntergeladen werden.

Zeiten innerhalb des EKG werden anhand der Kästchen ausgezählt: Ein großes Kästchen entspricht 200 ms (Breite) bzw. 1 mV (Höhe), d.h. ein einzelnes kleines Kästchen entspricht 20 ms.

Bevor es losgeht …

… noch eine kurze Überlegung zum EKG als diagnostischem Mittel und dem „Erfolg“ der Befundung.

In Sachen EKG fühlen sich viele Kolleginnen und Kollegen unsicher.

Eine Lehr-Studie hat gezeigt, dass von einer Gruppe von Studenten/innen, Assistenzärzten/innen und Fachärzten/innen selbst die Gruppe der Kardiolog(inn)en gerade einmal rund 75% der vorgelegten EKG-Streifen korrekt befundete [Cook et al. (2020), doi:10.1001/jamainternmed.2020.3989].

Somit besteht durch Spielraum nach oben.

Einer der zahlreichen Gründe für diesen Umstand sind sicher häufige Fehler, die sich über die Jahre und Jahrzehnte in den Köpfen „eingeschliffen“ haben und die es sogar bis in Vorlesungen und Lehrbücher schaffen.

Zu den häufigeren (in keiner besonderen Reihenfolge) gehören das Übersehen von:

Zudem gibt es häufige Missverständnisse. Zu den wichtigsten gehören:

Alle genannten Punkte und noch viel mehr werden im Rahmen der Kommentierung dieses Buches besprochen.

Ein Hinweis zum Layout: Es finden sich an mehreren Stellen „Leerseiten“. Diese sind notwendig, damit das Layout für jedes EKG identisch ist: Links der EKG-Streifen, rechts die Kommentierung.

Viel Erfolg beim Befunden und Bearbeiten. Bei Fragen, auch fachlichen, können Sie sich jederzeit an den Autor wenden.

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EKG 1

Anamnese:

24-jähriger Mann, der wegen eines M. Hodgkin mit Zytostatika behandelt wird.

Röntgenaufnahme des Thorax und Echokardiographie waren unauffällig.

Befund:

P PQ QRS QT Herzfrequenz
0,10s 0,15s 0,06 s-0,10 s 0,34-0,38s 78/min

Lagetyp: Steiltyp/Indifferenztyp

Rhythmus: Sinusrhythmus

Deskriptiver Befund:

Hinweis: Es werden nur auffällige Befunde beschrieben. Dem Grund nach ließen sich auch alle Normwerte noch beschreiben, das ist jedoch unpraktikabel.

Horizontale ST-Strecken-Senkungen knapp unter 1 mV in II, III und aVF. Überhohe T-Welle in V4. Negative T-Welle in V1.

U-Welle in V2 bis V5.

Interpretation:

ST-Strecken-Senkungen in II, III und aVF sind üblicherweise bedenklich, allerdings erst ab einer Amplitude von 1 mV. Die hier zu sehenden Senkungen sind damit nicht signifikant und können als Normvariante eingestuft werden.

Überhohe T-Wellen kommen beispielsweise bei Hyperkaliämie vor, liegen dann jedoch in mehreren Ableitungen vor. Eine isolierte T-Wellen-Überhöhung kann als Normvariante gedeutet werden. Wichtig ist, sie zu erkennen.

T-Wellen sind dann überhoch, wenn sie mehr als 2/3 der Amplitude der R-Zacke ausmachen – das gilt aber nur dann, wenn die R-Zacke eine höhere Amplitude hat als die S-Zacke.

Negative T-Wellen sprechen für Veränderungen der Repolarisation. Findet sich eine T-Welle in V1 und keiner anderen Ableitung, kann dies als Normvariante eingestuft werden.

U-Wellen in den Wilson-Ableitungen (Brustwandableitungen) sind häufig. Solange sie nicht prominent sind, gelten sie als Normvariante.

Die QT-Dispersion und QRS-Dispersion beträgt jeweils 0,04 s.

Zur Dispersion, siehe Kommentierung.

Diagnose:

Unauffälliger Stromkurvenverlauf mit Normvarianten.

Kommentar:

Die U-Welle ist nicht regelmäßig im EKG sichtbar. Sie findet sich häufig, kann aber auch fehlen. Sie spiegelt womöglich die Repolarisation der Purkinjefasern wieder, sodass im Falle ihrer Darstellung im EKG das Purkinje-System den weitaus größten Teil des Erregungsbildungs- und Leitungssystems ausmacht, denn die anderen spezifischen Myozyten sind im EKG nicht sichtbar.

QT-Dispersion bezeichnet die Differenz zwischen dem längsten und dem kürzesten QT-Intervall (im Oberflächen-EKG) und quantifiziert das Ausmaß der räumlichen Inhomogenität der Ventrikelrepolarisation. Sie ist ein unabhängiger Marker und kann prognostische Bedeutung haben sowie für die Verlaufsbeobachtung relevant sein. Sie sollte daher stets Erwähnung finden.

Die QRS-Dispersion bezeichnet die Differenz zwischen dem längsten und dem kürzesten QRS-Intervall. Sie ist weniger gebräuchlich als die QT-Dispersion, stellt jedoch auch einen unabhängigen Marker dar und kann prognostische Bedeutung haben. Auch sie kann für die Verlaufsbeobachtung relevant sein und sollte im Befund Erwähnung finden.

Eine QT-Dispersion und QRS-Dispersion von 0,04 s ist bei Vorliegen von bestimmten Erkrankungen grenzwertig, bei ansonsten unauffälligem EKG ergibt sich aus diesem Wert insoweit keine Konsequenz. Erhöhte Werte der QT-Dispersion finden sich mitunter bei gesunden Menschen, die besonders angespannt und/oder ängstlich sind.

In diesem EKG-Übungsbuch sind in allen EKG-Befundungen die QRS- und QT-Dispersion angegeben.

Um diese zu ermitteln, müssen in einem EKG immer die QRS- und QT-Zeit in mehreren Ableitungen gemessen werden. Am besten eignen sich II, aVF, V1 und V2.

Sofern Sie auf die Ermittlung der Dispersion verzichten, müssen Sie dennoch in mehreren Ableitungen die QRS- und QT-Dauer messen, um die höchste messbare Dauer im EKG zu bestimmen.

Messen Sie in den vier genannten Ableitungen die QRS- und QT-Dauer und notieren Sie im Befund den höchsten Wert. Bilden Sie keine Mittelwerte.

Verlassen Sie sich nie auf die Angabe der EKG-Software oder des EKG-Automaten. Sie können sonst Schenkelblöcke oder verlängerte QT-Zeiten übersehen!

Diagnostische Fallstricke:

Die leichte Hebung der Strecke vor dem Q in III und aVF darf nicht mit einer Delta-Welle verwechselt werden.

Im Übrigen können Betroffene, die an einem M. Hodgkin leiden, immer auch eine Herzbeteiligung aufweisen. Zudem können Zytostatika das Herz schädigen.

Literatur:

Aslanabadi N, Moghadam SV, Kazemi B, Fouladi DF, Vaseghi G, Eshraghi A1, Mahmoodian M, Tutunchi S. QT dispersion and age; independent predictors of restenosis after percutaneous coronary intervention. Rev Recent Clin Trials. 2016 Sep 16

Chávez-González E1, Rodríguez Jiménez AE2, Moreno-Martínez FL3: QRS duration and dispersion for predicting ventricular arrhythmias in early stage of acute myocardial infraction. Med Intensiva. 2017 Aug - Sep;41(6):347-355. doi: 10.1016/j.medin.2016.09.008.

Kountouris E, Korantzopoulos P, Karanikis P, Pappa E, Dimitroula V, Ntatsis A, Siogas K.: QRS dispersion: an electrocardiographic index of systolic left ventricular dysfunction in patients with left bundle branch block. Int J Cardiol. 2004 Nov;97(2):321-2.

Ma N1, Cheng H, Lu M, Jiang S, Yin G, Zhao S.: Cardiac magnetic resonance imaging in arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy: correlation to the QRS dispersion. Magn Reson Imaging. 2012 Dec;30(10):1454-60. doi: 10.1016/j.mri.2012.06.005.

Kelmanson IA1.: High anxiety in clinically healthy patients and increased QT dispersion: a metaanalysis. Eur J Prev Cardiol. 2014 Dec;21(12):1568-74.

Pentti M.Rautaharju: The riddle of the mechanism of generation of the U wave. Is the long search over? Journal of Electrocardiology. Volume 48, Issue 1, January–February 2015, Pages 33-34

Kenneth Eyer: Support for a mechanico-electrical source of the “U” wave. Journal of Electrocardiology. Volume 48, Issue 1, January–February 2015, Pages 31-32

Deirdre O'Mahony, Richard L. Piekarz, W. Patricia Bandettini, Andrew E. Arai, Wyndham H. Wilson, and Susan E. Bates: Cardiac Involvement with Lymphoma: A Review of the Literature. Clin Lymphoma Myeloma. 2008 Aug; 8(4): 249–252.

EKG 2

Anamnese:

74-jähriger Mann mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus (D.M.) und bekanntem Magenkarzinom. In der Vergangenheit hatte er häufig Schmerzen in der linken Thoraxhälfte. Die körperliche Leistungsfähigkeit ist eingeschränkt.

Befund:

P PQ QRS QT Herzfrequenz
- - 0,06-0,10s 0,30-0,34 81-102/min

Lagetyp: Überdrehter Linkstyp

Rhythmus: Absolute Arrhythmie

Deskriptiver Befund:

Vorhofflimmern als Grundrhythmus. Tiefes S in II, III und aVF. Aszendierende ST-Strecken-Hebung in II, III, aVF und V1 bis V4. Horizontale ST-Strecken-Senkung in V5 und deszendierende ST-Strecken-Hebung in V6. Verspäteter R/S-Umschlag bei V4 zu V5. U-Welle in V1 bis V6 sowie II und III.

QRS- und QT-Dispersion 40 ms.

Interpretation:

Der R/S-Umschlag ist verspätet, in Richtung links Herz (V6).

Normalerweise sollte der R/S-Umschlag bei V3 zu V4 liegen.

Die tiefen S-Zacken in II, III und aVF sind das Ergebnis einer Änderung des Summationsvektors aufzufassen, die in Verbindung mit einem überdrehten Linkstyp stehen kann.

Die ST-Strecken-Hebungen sprechen für eine ischämische Schädigung der Vordersowie der Hinterwand, die ST-Strecken-Senkungen korrespondieren mit den Hebungen.

Bei einer QRS-Dauer von 100 ms liegt formal ein inkompletter Schenkelblock vor, wenngleich der letzte obere Umschlagpunkt (LOU) in V1 nicht messbar und in V6 normal ist.

Ein Schenkelblock ist dadurch definiert, dass die QRS-Dauer zwischen 100 und 119 ms (inkomplett) oder 120 ms und darüber (kompletter) liegt und der LOU in V1 (Rechtsschenkelblock) oder V6 (Linksschenkelblock) vergrößert ist.

Der LOU ist die letzte positive R-Zacke des QRS-Komplexes. Oft gibt es nur eine R-Zacke, dann stellt diese den LOU dar.

Die Dauer des LOU wird gemessen vom Beginn des QRS-Komplexes bis zu jener (letzten) R-Zacke. ≤ 30 ms ist normal.

Die S-Persistenz (S-Zacke in allen Brustwandableitungen) ist ein typisches Zeichen eines linksanterioren Faszikelblockes. Hinzu kommt, dass die S-Zacke in III größer ist als in II (Integral unterhalb der Nulllinie). Beides zusammen macht die Diagnose eines linksanterioren Faszikelblockes wahrscheinlich. Mehr dazu in der Kommentierung.

Diagnose:

Absolute Arrhythmie bei Vorhofflimmern. Linksanteriorer Faszikelblock (LAFB).

V.a. anteroinferiore ischämische Schädigung.

V.a. Linksherzbelastung.

Inkompletter Schenkelblock ohne Seitenangabe.

Kommentar:

Der verspätete R/S-Umschlag ist ein Hinweis auf eine Linksherzbelastung, die echokardiographisch abgeklärt werden kann. Allerdings kann der verzögerte R/S-Umschlag auch Folge der Drehung der elektrischen Herzachse sein.

Ein überdrehter Linkstyp ist Folge eines LAFBes – nicht umgekehrt!

Es gibt allerdings auch weitere Ursachen für einen überdrehten Linkstyp, sodass ein überdrehter Linkstyp auch ohne LAFB vorkommt.

Es gibt bis heute keine einheitliche Definition von Diagnosekriterien für einen LAFB.

Folgende Kriterien sind jedoch wegweisend:

Bei Vorliegen weiterer Pathologien können diese jedoch fehlen. LAFBe treten häufig in Verbindung mit einem Rechtsschenkelblock (RSB) auf. Ein überdrehter Linkstyp in Verbindung mit einem RSB ist Leitbefund eines Vorhofseptumdefektes vom Primumtyp.

Ein LAFB wiederum hat ebenso verschiedene mögliche Ursachen, zu denen auch Diabetes mellitus und koronare Herzkrankheit gehören.

Im vorliegenden Fall ist unklar, ob und inwieweit ein eine ischämische Schädigung bei KHK mit Diabetes mellitus vorliegt. Anamnestisch spricht einiges dafür.

Zur Übersicht der Ursachen für einen LAFB => siehe Anhang 1.

Denkbar sind also folgende Varianten:

a) Infarkt →LAFB →überdrehter Linkstyp

b) D.M. →LAFB →überdrehter Linkstyp plus gleichzeitig D.M. →KHK →Infarkt

c) Infarkt →Linksherzhypertrophie →überdrehter Linkstyp plus gleichzeitig D.M. → LAFB

Ob und inwieweit die Klärung therapeutische Konsequenzen hat, wäre zu erörtern. Koronarangiopgraphisch kann der Stenosegrad der Koronargefäße beurteilt werden. Mit Hilfe der Myokardperfusionsszintigraphie oder der Kardio-MRT lassen sich Infarktnarben sowie die Perfusion des Arbeitsmyokards bildgebend beurteilen. Mehr zum Thema Myokardinfarkt in späteren EKG-Kommentierungen.

Vorhofflimmern ist eine der häufigsten Rhythmusstörungen, unbehandelt kann es zur Thrombusbildung mit konsekutiven extrakardialen Embolien kommen.