1. Auflage, 2019

Idee und Text:

© Daniela Landsberg, 2019

Herausgeber:

Daniela Landsberg

c/o Familie Moltrecht

Zum Thelenkreuz 22

53859 Niederkassel-Mondorf

Titel und Umschlaggestaltung:

Dr. med. Rolf Peter Hampel-Landsberg

Daniela Landsberg

Books on Demand GmbH

ISBN: 9783752649345

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis

Begegnung mit Alois

„Tick Tack, Tick Tack, Tick Tack.“ Emma sitzt im Wartebereich des Krankenhauses und schaut auf die große, runde Uhr mit ihrem großen, roten Sekundenzeiger. Über eine halbe Stunde wartet sie nun schon hier. Eigentlich wollten sie Oma besuchen, wie jeden Samstag. Oma liegt schon lange im Krankenhaus. Mama hat beim letzten Mal gesagt, dass es Oma im Moment gar nicht gut geht und sie viel Ruhe braucht.

Ein älterer Herr mit Hut betritt den Wartebereich. „Guten Tag, junge Dame“, grüßt er Emma freundlich. „Guten Tag, mein Herr“, grüßt Emma ebenfalls freundlich zurück. Der ältere Herr setzt sich Emma gegenüber. „Ganz alleine hier?“, fragt er sie. Emma schüttelt den Kopf: „Nein, dafür bin ich doch noch viel zu klein. Ich bin doch erst fünf.“ Emma hebt ihre rechte Hand nach oben und spreizt ihre Finger auseinander. „Guck, so alt bin ich!“, fordert sie den älteren Herrn auf. „Na, dann bist du wirklich noch zu klein, um alleine hier zu sein“, bestätigt der ältere Herr Emmas Aussage. „Ja, sage ich doch.“ Emma schaut wieder zur Uhr, dann sagt sie: „Meine Oma hat Krebs.“

„Krebs“, wiederholt der ältere Herr, „das ist nicht schön.“

„Nein, daran kann man sterben, hat Mama gesagt“, antwortet Emma. „Das stimmt, leider“, gibt der ältere Herr Emma recht. Emma überlegt: „Warum bist du denn hier? Hat deine Oma auch Krebs?“, fragt sie den älteren Herrn. Er schüttelt den Kopf: „Nein, nicht meine Oma… meine Frau hat Krebs“, antwortet er leise. „Und hat dich deine Mama jetzt auch hier hingesetzt?“ Emma schaut den älteren Herrn mit großen Augen an. Dieser lacht und wird dann wieder ernst. „Aber nein, kleines Mädchen. Meine Eltern sind schon lange tot. Sie sind schon gestorben, da warst du noch gar nicht auf der Welt.“ Emma zieht die Augenbrauen nach oben: „Dann bist du ja ein Waisenkind“, stellt sie erschrocken fest. Der ältere Herr muss erneut lachen: „Ja, so kann man das wohl sagen. Du bist ganz schön schlau, für so ein kleines Mädchen“, stellt er fest. „Meine Mama und mein Papa sagen auch immer, dass ich ganz schön schlau bin“, Emma zögert einen Moment, „aber sie sagen auch, dass ich manchmal ganz schön viel rede und so zappelig bin. Deswegen nennt mich Papa manchmal Wirbelwind“, ergänzt sie. „Aber sind nicht alle kleinen Mädchen in deinem Alter so wie du?“, fragt Alois nach. Emma überlegt: „Ich weiß nicht. Die Kinder in meinem Kindergarten sind manchmal ein bisschen anders. Aber das macht nichts, ich spiele trotzdem mit denen“, lacht Emma. „Hast du auch Kinder?“, möchte Emma wissen. „Nein, leider haben meine Frau und ich keine Kinder bekommen“, antwortet Alois. „Das ist bestimmt traurig, weil du dann ganz alleine bist und niemand mit dir spielt.“ Emma überlegt: „Wenn du möchtest, können wir mal zusammen spielen, du darfst auch auf meiner Schaukel im Garten schaukeln oder auf meiner Rutsche rutschen. Du musst nur ein bisschen mit deinen großen Beinen aufpassen, damit du dir nicht wehtust.“ Alois lächelt.

In diesem Moment kommt Emmas Mutter zur Tür herein, grüßt den älteren Herrn und wendet sich dann an Emma. „Kommst du mit, Kleines? Du kannst jetzt zur Oma.“ Emma hüpft von ihrem Stuhl. „Oh, prima! Geht es Oma besser?“, möchte sie von ihrer Mutter wissen. Diese schüttelt den Kopf: „Nein, Emma, leider nicht.“ Emma überlegt: „Sie wird nicht mehr gesund, oder?“ Die Mutter schüttelt erneut den Kopf: Nein, Emma, sie wird nicht wieder gesund.“ Emma schaut den älteren Herrn an: „Wie heißt du eigentlich?“, fragt sie ihn. Der ältere Herr wendet den Blick von Emmas Mutter ab und antwortet: „Ich heiße Alois.“

„Alois“, wiederholt Emma, „das ist aber ein komischer Name, den du da hast.“ Emma rümpft die Nase. Der ältere Herr lacht: „Das ist kein komischer Name, das ist ein alter Name“, versucht er Emma zu erklären. „Na gut, dann hast du eben einen komischen alten Namen.“ Emma zögert einen Moment und fügt dann hinzu: „Aber du bist trotzdem ganz nett.“

„Danke, das Kompliment gebe ich gerne zurück.“ Emma zieht die Augenbrauen zusammen und überlegt. Dann fragt sie: „Was ist ein Kompliment?“ Der ältere Herr lächelt und antwortet: „Das ist, wenn man jemandem etwas nettes sagt.“

„Dann mache ich Oma jetzt auch ein Kompliment. Vielleicht freut sie sich ja darüber?!“ Der ältere Herr nickt: „Bestimmt, Emma. Die meisten Menschen freuen sich über Komplimente.“

„Dann musst du deiner Frau aber auch ein Kompliment machen, damit sie sich auch freut, ok?!“

„Ja, das mache ich.“ Emma lächelt: „Das ist schön.“

Sie geht zur Tür, dreht sich noch einmal um und winkt. „Mach es gut, Alois.“ Der ältere Herr winkt zurück und antwortet: „Du auch, kleine Emma.“ Seufzend bleibt der ältere Herr zurück. „Ein kleines Enkelchen, das hätte Erna gefreut“, sagt er leise vor sich hin. „Erna…“

Auf dem Krankenhausflur

Aufgeregt läuft Emma über den Flur. Sie freut sich sehr, ihre Oma wiederzusehen. Durfte sie ihre Oma doch die letzten drei Mal nicht besuchen, weil sie zu schwach war. Emma überlegt: „Wenn Oma die letzten drei Mal zu schwach für Besuch war, es ihr aber heute noch schlechter geht, warum darf ich Oma dann heute sehen?“ Gerade als sie ihrer Mutter die Frage stellen möchte, fängt diese an: „Emma, wenn wir jetzt zu Oma ins Zimmer gehen, dann wird Oma etwas anders aussehen, als du es gewohnt bist.“ Emmas Mutter überlegt, wie sie ihre Tochter auf den Anblick vorbereiten kann. War es wirklich die richtige Entscheidung, Emma mit ins Krankenhaus zu nehmen? Sollte sie ihre Oma nicht lieber so in Erinnerung behalten, wie sie sie kannte? Emma bemerkt das Zögern ihrer Mutter. Vorsichtig fragt sie: „Hat Oma die Haare geschnitten?“ Emmas Mutter schüttelt den Kopf. „Hat sie vielleicht eine neue Brille?“, versucht es Emma weiter. Abermals schüttelt Emmas Mutter den Kopf. Emma überlegt ganz angestrengt nach. Dann fällt es ihr ein: „Papa hat doch mal eine Dokumation gesehen, da hatte doch auch eine Frau Krebs. Die hatte keine Haare mehr.“ Emma hält kurz inne, fährt dann aber fort: „Hat Oma auch keine Haare mehr?“

„Doch Emma, Oma hat ihre Haare noch. Die Frau in der Dokumentation hat eine Chemotherapie bekommen, deswegen sind sie ihr die Haare ausgefallen.“

„Hat Oma keine Chemo… Chemooorapie bekommen?“, möchte Emma wissen. Die Mutter schüttelt den Kopf: „Nein, Emma, Oma hat einen ganz bösen Krebs, den kann man nicht heilen. Außerdem ist Oma…“ Emmas Mutter zögert… „Oma ist schon ein bisschen älter, sie möchte keine Chemotherapie haben.“ Emma stemmt ihre kleinen Hände in die Hüften: „Oma ist noch gar nicht alt!“, schimpft sie. „Ok, nicht so alt. Dennoch möchte sie keine Chemotherapie machen, weil sie nicht leiden möchte. Außerdem ist der Krebs schon sehr weit fortgeschritten“, versucht Emmas Mutter zu erklären. Emma strahlt: „Aber das ist doch gut. Wenn der Krebs schon weit fortgeschritten ist, heißt das, dass er bald ganz weg gegangen ist.“ Die Mutter überlegt: „Nein, Emma, so ist das nicht gemeint.“

„Ja wie ist es denn dann gemeint?“, fragt Emma ungeduldig nach. „Emma, wenn der Krebs schon weit fortgeschritten ist, heißt das nicht, dass er weg geht…“

„In diesem Fall wird es leider nicht möglich sein!“,