Titel der amerikanischen Originalausgabe:
Jonathan Edwards, The Works of Jonathan Edwards,
Vol.2, „Christ`s Agony“
(Edinburgh: Banner of Truth Trust, 1995)
© 2020 deutschsprachige Ausgabe Martina Heinig
Aus dem amerikanischen übertragen von Martina Heinig
Zitate nach dem Text der Revidierten Elberfelder
Übersetzung 2003
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH,
Norderstedt
ISBN: 9783751987875
Und als Er in Angst war, betete Er heftiger. Es wurde aber Sein Schweiß wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen (Lukas 22,44)
Unser Herr Jesus Christus war, in Seiner ursprünglichen Natur, erhaben über alles Leid, denn Er war „Gott über alles, für immer gesegnet“. Aber als Er Mensch wurde, nahm Er Anteil an unserer menschlichen Natur, die sehr schwach und dem Leiden ausgesetzt ist. In der Bibel wird die menschliche Natur mit dem Gras auf dem Feld verglichen, das leicht verwelkt und vergeht. Sie wird verglichen mit einem Blatt, mit trockenen Stoppeln und mit einem Windhauch. Die Natur eines schwachen Menschen, so wird gesagt, ist wie Staub und Asche, die ihren Ursprung im Staub hat. Es war diese schwache Natur Christi, die den Leiden ausgesetzt wurde. Christus, der der allmächtige Herr und Gott ist, nahm nicht die menschliche Natur in ihrem ursprünglichen, perfekten und starken Zustand an, sondern in diesem schwachen Zustand, wie sie es seit dem Sündenfall ist. Deshalb wird Christus als „eine zarte Pflanze“ und „eine Wurzel aus einem trockenen Boden“ bezeichnet. In Jesaja 53,2 heißt es:
„Er ist wie ein Trieb vor ihm aufgeschossen und wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich. Er hatte keine Gestalt und keine Pracht. Und als wir Ihn sahen, da hatte Er kein Aussehen, dass wir Gefallen an Ihm gefunden hätten.“
Der wichtigste Auftrag Christi in der Welt war, zu leiden; deshalb kam Er in einer Natur, die für das Leiden geeignet war. Sein ganzes Leben war mit Leid gefüllt: Er begann in Seiner Kindheit zu leiden, aber Sein Leid nahm zu, je mehr Er sich dem Ende Seines Lebens näherte. Nachdem Sein öffentliches Wirken begann, war Sein Leid größer als zuvor und der spätere Zeitabschnitt Seines öffentlichen Wirkens scheint sich besonders durch Leiden ausgezeichnet zu haben. Je länger Christus in der Welt lebte, und je mehr sie von Ihm sahen und hörten, umso mehr hassten sie Ihn. Seine Feinde wurden immer wütender wegen Seinem beharrlichen Widerstand gegen ihre Begierden. Der Teufel war oft verwirrt durch Ihn, und er wurde immer wütender und verstärkte den Kampf mehr und mehr gegen Ihn. Die Wolken über dem Haupt Christi wurden dunkler und dunkler, solange Er in der Welt lebte, aber sie waren am dunkelsten, als Er am Kreuz hing und rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Bereits vor der Zeit am Kreuz, während Er im Garten Todesängste durchlebte, war es übermäßig dunkel. Ich schlage vor, dass zum Thema meines heutigen Vortrags zu machen.
Das Wort agony bedeutet „ernsthafter Wettkampf“, wie wir es beim Ringen erleben, beim Laufen oder beim Fechten. Jesus sagte in Lukas 13,24: „Ringt danach, durch die enge Pforte hineinzugehen, denn viele, sage ich euch, werden hineinzugehen suchen und werden es nicht können.“ Im Urtext bedeutet dieses Wort agwnizesqe „mit dem Tode ringen, um durch die enge Pforte zu gehen“. Dieses Wort wurde besonders bei den olympischen Spielen in jenen Tagen gebraucht, in denen Männer beim Wettlauf, beim Ringen und bei anderen Disziplinen um den Sieg kämpften. Ein Preis wurde festgesetzt und dem Sieger verliehen. Von denen, die den Sieg errungen hatten, sagte man, sie hätten mit dem Tode gerungen. Dementsprechend schrieb der Apostel in seinem Brief an die Christen von Korinth, einer Stadt in Griechenland, in der diese Spiele einmal im Jahr ausgetragen wurden, in Anspielung auf die Bestrebungen der Kämpfer: „Und jeder Mensch, der um den Sieg ringt“, im Urtext, jeder, der agonizeth, „ist gemäßigt in allen Dingen“.
Der Ort, an dem die Spiele abgehalten wurden, nannte man Agwn, oder den Ort der Qual; und das Wort wird in der Heiligen Schrift vor allem für den Kampf im ernsthaften Gebet verwendet, in dem Menschen mit Gott ringen. Man sagt, sie ringen im Gebet. Deshalb wird das Wort in Römer 15,30 benutzt: „Ich ermahne euch aber, Brüder, durch unseren Herrn Jesus Christus und durch die Liebe des Geistes, mit mir zu kämpfen in den Gebeten für mich zu Gott …“. Im Original steht sunagwnizesqai moi, das bedeutet, „mit mir zusammen ringen“. In Kolosser 4,12 schreibt Paulus: „… allezeit für euch ringt in den Gebeten, dass ihr vollkommen und völlig überzeugt in allem Willen Gottes dasteht.“ Im Urtext steht agwnizwn, und es bedeutet „für euch ringend“. Sodass, wenn es im Text heißt, dass Christus im Todeskampf war, es die Bedeutung hat, dass Seine Seele in einem großen und ernsthaften Kampf und innerem Zwiespalt war.
So war es in zweierlei Hinsicht: Seine Seele war in einem großen und schmerzhaften, inneren Zwiespalt wegen dieser schrecklichen und erstaunlichen Vorausschau, die Er dann hatte, und gleichzeitig befand Er sich in starken Geburtswehen sowie im ernsthaften Ringen mit Gott im Gebet. Ich möchte dies in meinem Vortrag über die Todesangst Christi anhand der zwei folgenden Thesen verdeutlichen:
Die Seele Christi stand, während Seiner Todesangst im Garten, in einem inneren Zwiespalt zwischen jener schrecklichen und gleichzeitig erstaunlichen Vorausschau. Um diese Behauptung zu verdeutlichen, werde ich mich bemühen, zu zeigen, was diese Vorausschau bedeutete; dass der Todeskampf, den Christus erdulden musste, durch diese Vorausschau hervorgerufen wurde; dass dieser Zwiespalt besonders stark und qualvoll war; und ich werde den besonderen Plan Gottes aufzeigen, warum er Christus diese schreckliche Vorausschau gegeben hat …
Erstens war der Grund für diese Vorausschau und die Vorahnungen, die Christus während Seines Todeskampfes im Garten bekam, der bittere Kelch, den Er kurze Zeit später am Kreuz trinken musste. Die Leiden, die Christus während Seines Todeskampfes im Garten durchlebte, waren nicht Seine schwersten Leiden, obwohl sie sehr schwer waren. Aber Seine letzten Leiden am Kreuz waren Seine bedeutendsten Leiden, und deshalb nennt man sie „den Kelch, den Er trinken musste“. Die Leiden am Kreuz, an dem Er getötet wurde, wurden in der Heiligen Schrift immer als die größten Leiden Christi bezeichnet; besonders jene, in denen es heißt „Er trug unsere Sünden an Seinem eigenen Leib“, wodurch Er Sühnung für die Sünden bewirkte. Sein Erdulden des Kreuzes, Sein „sich demütigen“ und Sein „gehorsam werden bis zum Tod“, sogar bis zum Tod am Kreuz, werden als die wichtigsten Seiner Leiden bezeichnet. Das ist der Kelch, der während Seines Todeskampfes vor Christus hingestellt wurde! Durch die Gebete, die Er danach sprach, ist belegt, dass Er zu diesem Zeitpunkt diese Vorausschau hatte.
Nach Matthäus betete Christus dreimal an jenem Abend, während Er im Garten Gethsemane war, und alle bezogen sich auf den bitteren Kelch, den Er zu trinken hatte.
Das erste Gebet finden wir in Matthäus 26,39:
„Und Er ging ein wenig weiter, fiel auf Sein Angesicht und betete und sprach: Mein Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber! Doch nicht wie ich will, sondern wie du willst.“
Das zweite Gebet steht im 42. Vers:
„Wiederum, zum zweiten Mal, ging er hin und betete und sprach: Mein Vater, wenn dieser Kelch nicht vorübergehen kann, ohne dass ich ihn trinke, so geschehe dein Wille!“
Das dritte Gebet steht im 44. Vers:
„Und Er ließ sie, ging wieder hin, betete zum dritten Mal und sprach wieder dasselbe Wort.“
Daraus geht deutlich hervor, was Christus zu diesem Zeitpunkt gesehen hat. Dass Er in seinen Gebeten darauf so sehr beharrte, zeigt auf, welche tiefe Absicht in Seinem Geist war. Es war Sein Leiden am Kreuz, das Er am nächsten Tag zu erdulden hatte. Zu dieser Zeit würde eine Finsternis über die ganze Erde kommen und eine noch tiefere Dunkelheit über die Seele Christi.
Zweitens möchte ich die Art und Weise aufzeigen, wie dieser bittere Kelch Christus vor Augen geführt wurde. Er hatte eine lebhafte Vorstellung von dem Kelch, den Er zu trinken hatte. Sein hauptsächlicher Auftrag in der Welt war es, diesen Kelch zu trinken, Er hatte ihn immer vor Augen und sprach auch sehr oft mit Seinen Jüngern darüber.
So sagt die Bibel in Matthäus 16,21:
„Von der Zeit an begann Jesus Seinen Jüngern zu zeigen, dass er nach Jerusalem gehen müsse und von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten vieles leiden und getötet und am dritten Tag auferweckt werden müsse.“
Und in Kapitel 20,17-19 heißt es:
„Und als Jesus nach Jerusalem hinaufging, nahm Er die zwölf Jünger allein zu sich und sprach auf dem Weg zu ihnen: Siehe, wir gehen hinauf nach Jerusalem, und der Sohn des Menschen wird den Hohenpriestern und Schriftgelehrten überliefert werden, und sie werden Ihn zum Tode verurteilen; und sie werden Ihn den Nationen überliefern, um Ihn zu verspotten und zu geißeln und zu kreuzigen; und am dritten Tag wird Er auferweckt werden.“
Das gleiche Thema war Gegenstand der Unterhaltung auf dem Berg mit Moses und Elia, als Er verklärt wurde. So spricht Er von Seiner blutigen Taufe in Lukas 12,50: „Ich habe aber eine Taufe, womit ich getauft werden muss, und wie bin ich bedrängt, bis sie vollbracht ist.“ Er spricht davon noch einmal zu den Kindern des Zebedäus in Matthäus 20,22: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Sie sagen zu ihm: Wir können es.“ Er sprach von Seiner Erhöhung in Johannes 8,28:
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