Barbara Zoschke

ist freie Autorin, Literaturpädagogin und Life Script Coach. Sie schreibt Kinder- und Jugendbücher, Kurzprosa für Erwachsene und Radiogeschichten für kleine Leute. Seit 1995 sind mehr als 50 Bücher und Texte von ihr erschienen, die in viele Sprachen übersetzt wurden. Mit ihren Lesungen und Workshops engagiert sie sich für Literaturvermittlung und Kreatives Schreiben.

barbara-zoschke.de

Marine Ludin

ist Französin und lebt und arbeitet als Illustratorin in Calw im Schwarzwald. Sie hat an der École Nationale Supérieure d’Art in Nancy und an der HAW in Hamburg studiert und illustriert seit 2005 Magazine sowie Kinder- und Schulbücher. marineludin.blogspot.com

SUPERCAT

ist 2009 im Sauerländer Verlag erschienen und begeistert seitdem kleine und große Katzenliebhaber*innen und Leseratten. 2020 hat die »Geschichte über Jill und ihre Katze zwischen Wunsch und Wirklichkeit« bei BoD eine neue Heimat gefunden. Mit der #digiclass-App können Schulklassen und Workshop-Gruppen auf digitale Lesereise (nicht nur zu diesem Buch) mit Barbara Zoschke gehen.

digiclass-lab.de

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

© 2020 Barbara Zoschke

Mit Illustrationen von Marine Ludin

Umschlagtypografie: Niklas Schütte

Satz: publish4you

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-7526-1742-9

Inhalt

  1. Bombay
  2. Traumklos
  3. Quark und Nachtcreme
  4. Katzengespräche
  5. Harmlos
  6. Fast pünktlich
  7. Butterwanne
  8. Bruno im Keller
  9. Kopfkissenfisch
  10. Tot und begraben
  11. Super-Test
  12. Madame
  13. Dr. Huhn
  14. Fliehende Tiere
  15. Schuga

Bombay

Um Punkt sieben Uhr haut Jill kräftig auf den Wecker. Dann dreht sie sich noch einmal um und schiebt die flache Hand unters Kopfkissen, auf der Suche nach einer kühlen Stelle auf der Matratze. Jeden Morgen bleibt sie noch so lange liegen, bis drei kalte Stellen von ihrer Hand warm geworden sind.

Aber heute wird nichts daraus, denn kaum hat sie die erste kalte Stelle ertastet, ist da ein Brennen auf ihren Lidern, ein Klopfen, das ihr sagt: Mach die Augen endlich auf.

Jill macht die Augen auf und sieht sie – die Katze.

Sie sitzt vor ihrem Fenster, ziemlich klein und jung noch, schwarz, fast blau. Sie bewegt sich nicht, so dass Jill schon glaubt, sie sei aus Stoff. Vielleicht ist sie einem Kind von weiter oben aus dem Fenster gefallen und zufälligerweise bei ihr auf dem Sims gelandet. Aber jetzt steht die nachtschwarzblaue Katze auf, stellt sich auf ihre vier Pfoten und drückt den Rücken so hoch, dass Jills Kopf darunter durchpassen würde. Dazu reißt sie ihr Maul auf und gähnt.

Jill zieht sich die Bettdecke über den Kopf. Im Dunkeln versucht sie ruhig zu atmen und ihre Gedanken zu ordnen. Wie kommt eine lebendige Katze vor ihr Fenster, auf dieses schmale Sims im achten Stockwerk? Okay, überlegt Jill, Katzen können gut klettern. Aber doch nicht so gut, dass sie an einer glatt verputzten Hausfassade hinauflaufen könnten. Vom Dach kann sie auch nicht kommen, das liegt ja noch mal acht Stockwerke über ihrer Wohnung.

Jill springt aus dem Bett, macht im Vorbeilaufen den Fernseher an, läuft zum Telefon und wählt Mamas Nummer im Büro.

»Vor meinem Fenster sitzt eine Bombay«, flüstert sie, als Mama endlich dran ist. »Du weißt schon, eine Bombay-Katze. So eine war gestern auch bei ›Tiere suchen ein Zuhause‹. Sie ist noch jung, fast blau und, Mama, sie will hier rein.«

»Jill!«

»Die Katze ist ganz blau. Sie sieht fast gar nicht aus wie eine Katze, eher wie ein …«

»Guckst du schon wieder Fernsehen?«

»Nein! Mama, was soll ich denn jetzt machen?«

Jill hört Mama mit einer Kollegin sprechen. »Mama?!«, ruft sie.

»Ja!«

»Was soll ich mit der Katze machen?«

»Jill, jetzt hör endlich auf damit«, sagt Mama. »Wir können keine Katze haben. Das haben wir doch schon hundertmal …«

Jill stöhnt. »Ja, ich weiß. Aber jetzt …«

Mama unterbricht sie. »Jetzt, Jill, ziehst du dich an, frühstückst und gehst in die Schule, verstanden? Komm bloß nicht wieder zu spät! Und mach den Fernseher aus! Wir sehen uns dann heute Nachmittag.«

»Und die Katze?«

Am anderen Ende klickt es schnell hintereinander. Es hört sich an, als würde Mama am Computer schreiben. »Geh mal gucken, ob sie überhaupt noch da ist.«

Jill lugt mit dem Hörer in der Hand in ihr Zimmer. Vor ihrem Fenster liegt der neue Tag. Eine Katze ist nicht zu sehen.

»Im Moment nicht«, sagt Jill leise in den Hörer hinein.

»Gut, mein Schatz, ich muss jetzt auch weitermachen. Hier ist heute die Hölle los. Kuss und Schluss!«

»Kuss und Schluss«, sagt Jill zum Piepen im Hörer.

Und denkt: Die Katze ist bestimmt runtergefallen. Sie schüttelt sich. Das sieht sicher nicht besonders appetitlich aus. Verletzt ist die Katze mindestens, vielleicht sogar tot und ganz platt. Jill nähert sich vorsichtig dem Fenster, öffnet es langsam, schiebt den Kopf in Zeitlupe über das Sims und blickt in die Tiefe. Aber da ist nichts. Keine tote, platte Katze. Die müsste doch da unten liegen als blauer Fleck, oder?

Sie guckt noch einmal: Da ist nichts Blaues auf dem schwarzen Pflasterweg, nichts Blaues im grauen Garagenhof und auch nichts Blaues auf dem bisschen Grün zwischen Garagenhof und Schnellstraße.

Aber es ist ja auch noch fast dunkel.

Gut möglich, dass Jill die tote, platte Katze nicht erkennen kann, so mit bloßem Auge. Jill kramt das Fernglas, das sie zu Weihnachten bekommen hat, aus der Schublade ihres Schreibtischs und drückt es sich vor die Augen. Sie sucht das Gelände mit System ab. Sie beginnt unten links und endet oben rechts. Aber es ist keine Katze zu sehen, auch keine lebendige. Überhaupt nichts, was sich bewegt.

Als Jill das Fenster wieder schließt, ist keine Zeit mehr fürs Frühstück. Nur noch zum Anziehen und Gesichtwaschen und Loslaufen. Und obwohl sie sich sehr beeilt, kommt Jill zu spät.

Traumklos

Im Stuhlkreis reden sie über den Museumsbesuch von Freitag. Sie waren im Bilderbuchmuseum gewesen und haben die Originalbilder von einem Bilderbuch gesehen, in dem es ums Pinkeln ging. Die waren eigentlich was für Erstklässler, aber eben original und deshalb etwas Besonderes. Hat die Lehrerin gesagt.

Danach durften sie alle ihr Traumklo malen. Das war witzig. Jetzt hängen die Traumklos an der Bilderleiste und jeder kann etwas zu seinem Bild sagen.

David hat ein Klo in den Vereinsfarben seines Lieblingsfußballclubs gemalt, mit Radio neben der Schüssel, damit er ja kein Spiel verpasst, wenn er mal muss. Das finden alle Jungs ganz toll.

Alessa hat ein rosa Prinzessinnen-Klo gemalt, weil bei ihr sowieso immer alles rosa und Prinzessin ist.

Fritz hat einen Baum gemalt. Einen Baum, an dem ein Junge steht, der pinkelt. Die Klasse grölt, als Fritz auf sein Bild zeigt.

»Psst!«, macht die Lehrerin und fordert Fritz auf, sein Bild zu erklären.

»Wenn ich draußen bin, geh ich doch nicht aufs Klo«, sagt Fritz. »Ich pinkle immer an einen Baum!«

Die Klasse wiehert.

Alessa quietscht.

David fällt sogar vom Stuhl vor Lachen.