Ganz herzlich danke ich Jim Brown für seine Geduld, seine Informationen und dass ich an Bord des Schleppers JAMES E. BROWN dabei sein durfte.
Dieses Buch wäre sonst nicht machbar gewesen.
Ebenso danke ich Anthony, Joe und Matt für die freundliche Unterstützung.
Texte, Fotos, Illustrationen, Grafiken, Satz, Layout, Baupläne und Modellbau: Konrad Algermissen Fotos auf den Seiten → und → oben: Tidelines (siehe Bildunterschriften)
Es wurde versucht die Dinge richtig darzustellen und Fehler zu vermeiden.
Irrtümer behalte ich mir vor.
Mitteilungen sind jederzeit willkommen an E-Mail: konradalgermissen@alice-dsl.net
oder: konradalgermissen@02mail.de
Informationen gibt es auch im Internet unter: www.schlepperbuch.de
© 2020
Herstellung und Verlag:
BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-7526-5106-5
Anthony an Deck des Schleppers THOMAS J. BROWN
Es war Ende Mai und die Sonne lugte bereits im Nordosten zwischen den Häusern von Brooklyn hindurch. Davor lag die Upper Bay, das zentrale Gewässer New Yorks, bereit für alles was dieser Tag der Stadt und dem Hafen bringen würde.
Am nördlichen Ufer von Staten Island, dem südlichsten Stadtteil der Metropole, hat das Unternehmen Thomas J. Brown and Sons seinen Liegeplatz. Die Firma betreibt derzeit drei Hafenschlepper. Es ist ein Familienuntemehmen und wird seit 1927 in dritter Generation geführt.
Wie an jedem Werktag kamen die Besatzungen der Schiffe auch an diesem Morgen hier zusammen, um ihrem Tagesgeschäft nachzugehen.
Es gab nicht viel vorzubereiten. Die Maschinen waren vorgewärmt. Joe machte die Leinen los. Er war Assistent und Decksmann an Bord des Schleppers JAMES E. BROWN, kurz JAMES genannt. Erst 2015 gebaut, war es das modernste Schiff des Unternehmens.
Jim Brown stand im Ruderhaus und manövrierte das Fahrzeug aus dem kleinen Hafenbecken heraus. Er leitete die Geschäfte, fungierte als Kapitän und organisierte die Tagesabläufe per Funk aus seinem Steuerstand heraus. Hierzu lag ein großer Notizblock über seinem Schaltpult, in den er alle Vorgänge notierte.
Schlepper JAMES E. BROWN lief aus, gefolgt vom Schlepper THOMAS J. BROWN.
Schlepper THOMAS J. BROWN wurde ebenfalls losgemacht und setzte sich in Bewegung.
Der Schiffsname war identisch mit dem Namen des Unternehmens und des Gründers. Bedingt durch die Neuzugänge war THOMAS inzwischen der kleinste und älteste Schlepper der Flotte.
1962 in Massachusetts gebaut, trug er das typische Design eines US-amerikanischen Hafenschleppers aus dieser Zeit. Im Maschinenraum tat noch die erste Originalmaschine ruhig und kraftvoll ihren Dienst. Der V12-Zylinder 4-Takt Diesel der Marke Caterpillar erbrachte satte 1000 PS bei 1300 U/min und trieb einen vierflügeligen Propeller von 1,83 m Durchmesser an.
Am Ruder stand Anthony, Jim’s Schwiegersohn. Als Technischer Assistent und Decksmann fungierte Mattew, kurz Matt genannt.
Wie sein Kollege Joe auf JAMES E. BROWN, setzte auch Matt zu Tagesbeginn die Landesflagge am achteren Flaggenstock auf dem Brückendeck.
Joe setzte die Landesflagge.
NEW YORK CITY
New York City ist mit etwa 8,6 Mill. Einwohnern die größte Stadt der USA.
Sie liegt in der südöstlichen Ecke des Bundesstaates New York, der sich bis nach Kanada erstreckt. Die Hauptstadt des Staates New York ist Albany.
New York City hat wiederum fünf Stadtteile: Manhattan, Bronx, Queens, Brooklyn und Staten Island. Die angrenzende Stadt Jersey City gehört zum Bundesstaat New Jersey.
Mit allen benachbarten Städten leben in diesem Ballungsraum etwa 20 Mill. Menschen.
Der New Yorker Hafen hat einen direkten Zugang zum Atlantischen Ozean. Es ist der größte Hafen an der Ostküste Nordamerikas.
Beide Schlepper fuhren nun auf dem Kill van Kull, einer natürlichen Durchfahrt zwischen Staten Island und Jersey zur Upper Bay in östlicher Richtung.
Auf der Upper Bay ging es darum, einen speziellen Transportponton zwischen Brooklyn und Jersey City hin- und herzubewegen. Dieser Ponton war mit Gleisen versehen und trug Güterwagen über die Bucht.
THOMAS J. BROWN folgte als Assistenzschlepper.
Auf dem Weg zur Upper Bay ging es auf dem Kill Van Kulil zunächst unter der neuen Bayonne Bridge hindurch.
Es war eine Verbindung der Long Island Railroad mit dem Festland. Dieser Job wurde von Jim Brown und seinen Leuten Tag für Tag erledigt und machte einen großen Teil des Geschäftes aus. Der Eisenbahnponton war neu und größer als der alte. Es war auch der einzige, der derzeit in Betrieb war. Zum Manövrieren des neuen Pontons musste Jim einen zweiten Schlepper hinzunehmen. Dadurch stiegen für ihn leider die Kosten.
Zwischen dem Ölhafen am östlichen Ausgang des Kill Van Kull und der Südspitze Hanhattans, dessen Gebäude sich im Hintergrund abzeichnen, lag die Upper Bay.
In der Bucht folgte THOMAS im Kielwasser von JAMES E. BROWN
Die Schlepper durchfuhren die Bucht. Am südöstlichen Ufer zeichnete sich zunehmend die Verladestation der Güterwagen, das Bay Ridge Terminal ab. Dort lag der Ponton. Er war für diese Landverbindung konstruiert worden und passte ins Terminal wie eine Schublade in eine Kommode. Auf dem Deck gab es vier Gleise. Eine Lok war gerade dabei, weitere Wagons draufzuschieben. Es passten jeweils fünf lange Güterwagen auf jedes Gleis. Insgesamt waren es also etwa 20 Stück. Die Wagen waren an diesem Tag zum Teil mit Metallschrott beladen. Für den Ponton ergab sich daraus eine Zuladung von etwa 1200 t. Jim nahm den Ponton “an die Seite”.
Das heißt, er ging mit dem Schlepper am hinteren Bereich längsseits. Dabei beobachtete er aufmerksam, wie Joe mit den Leinen hantierte. Schließlich war der Schlepper JAMES am Ponton festgemacht. Anthony und Matt hielten sich mit dem Schlepper THOMAS bereit, um beim bevorstehenden Ablege- und Drehmanöver zu assistieren. Aber noch wurden weitere Wagons auf das Deck geschoben. Eine Gelegenheit für Jim durch das Seitenfenster des Ruderhauses einige Worte mit einem Kollegen vom Bahnterminal zu wechseln. Dieses Geschäft bestand seit vielen Jahren und die Männer kannten sich. Dennoch ging der Gesprächsstoff nie aus.
Schlepper JAMES näherte sich dem Transportponton am Bahnterminal.
Vom Schlepper THOMAS stieg Matt auf den Ponton über.
Für heute war eine Springflut, die von Gewitterstürmen begleitet werden sollte, vorhergesagt worden. Das Unwetter sollte sich jedoch weiter südlich abspielen. An diesem Küstenabschnitt sorgte das Wetter oft für Überraschungen. Im Winter gab es auch mal Eisgang, periodisch etwa alle drei bis fünf Jahre. Die Arbeit war einerseits Routine, andererseits ergaben sich plötzlich Dinge und Ereignisse, mit denen die Seeleute zurechtkommen mussten. Daher war auch Joe der Ansicht, dass die eigene Aufmerksamkeit niemals zu vernachlässigen sei.
Jim Brown im Ruderhaus auf dem Schlepper JAMES
Schlepper JAMES wurde am Ponton festgemacht.
Der Ponton war nun vollständig beladen und die Wagons gesichert. Die Gleisverbindung zum Land wurde gelöst. Ein verhaltenes Wummern durchzog den Schlepper.
Der Ponton wurde gedreht.
“Hier Schleppverband JAMES BROWN”, kam Jim jetzt per Funk im allgemeinen Hafenkanal durch. “Ich gehe vom Bay Ridge Terminal ab mit Kurs auf Greenville Terminal”.
Ponton und Schlepper gerieten rückwärts in eine sanfte Bewegung. Nach etwa 100 Yards (90 Meter) galt es eine Drehung einzuleiten.
Auf dem Schlepper JAMES E. BROWN standen Jim zwei Maschinen mit insgesamt 2700 PS zur Verfügung. Zur Steigerung der Schubkraft waren die Antriebsschrauben von feststehenden Ringdüsen umschlossen. Sowohl vor als auch hinter den Düsen befand sich jeweils ein Ruderblatt, sodass bei Rückwärtsfahrt dieselbe Ruderwirkung entstand wie bei Vorwärtsfahrt. Natürlich konnten beide Maschinen unabhängig voneinander gesteuert werden, was dem Schlepper eine enorme Beweglichkeit verlieh. Allerdings hing an JAMES ein langer “Kasten” mit der Masse von tausend Elefanten. Dieser tat sich schwer der Drehung zu folgen. Hinzu kam die Tidenströmung, die sich nicht gerade als nützlich erwies. Gut, dass Schlepper THOMAS J. BROWN zur Stelle war. Er drückte jetzt mit dem Bug im vorderen Bereich gegen die Pontonflanke. Die Kraft der Maschinen überwand die Trägheit der Last. Bald zeigte das Gespann in Richtung Nordwest und die Drehbewegung ging in eine Vorausfahrt über.
Jim stand in Funkkontakt mit allen Fahrzeugen im Hafen.
Die Pontonenden waren nicht gleich. Es gab also einen Bug und ein Heck. Am Heck waren die vier Gleise mit Prellböcken abgesperrt. Am Bug liefen Rumpf und Deck schmaler werdend zusammen und die äußeren Gleise wurden in die mittleren Gleise geführt. Der Ponton wurde über den Bug be- und entladen. Es war also nicht egal, mit welchem Ende der Schwimmkörper anlegte. Daher musste er vor jeder Überfahrt gedreht werden.
Vor Anker liegende Schuten auf den Bay Ridge Fiats
Schubschlepper JANET D. war mit einem Transportponton auf dem Kill van Kull ebenfalls an diesem Morgen unterwegs. Die JANET D. wurde 2015 gebaut, verfügt über 1400 PS und fährt für die JCL Marine LLC in Elizabeth/ New Jersey.
Schubschlepper JAMES WILLIAM mit mehreren Schuten (Hopperbarges) im Koppelverband auf dem East River. JAMES WILLIAM wurde 2007 gebaut, verfügt über 2800 PS und wird von der Atlas Holding One in Norfolk/Virginia betrieben.
Nun galt es die Bucht bei einer Strecke von ca. drei nautischen Meilen (5,5 km) zu durchqueren. Escortiert von Schlepper THOMAS kam der Verband mit etwa 6 Knoten Fahrt mäßig schnell aber sicher voran. Die Überfahrt zum Greenville Eisenbahnterminal in Jersey, am westlichen Ufer der Bucht, würde also eine halbe Stunde dauern. In der östlichen Hälfte der Upper Bay gab es einen flachen Bereich, die “Bay Ridge Fiats”. Hier betrug die Wassertiefe bei Niedrigwasser etwa 4 Meter. Der Gezeitenunterschied lag bei etwa 1,5 Metern (5 Fuß). Die “Flats” wurden daher als Ankerplatz von wartenden Schubverbänden genutzt.
Die 3000 PS starke FORT SCHUYLER (Baujahr 2015) der Vane Brothers aus Baltimore fährt üblicherweise für den Bunkerservice. Auch hier gibt es keine kompletten Bunkerboote wie etwa in vielen Europäischen Häfen, sondern antriebslose Leichter, die von solchen Schubschleppem geschoben werden. Die FORT SCHUYLER wurde nicht mit Schubschultem ausgestatten. Stattdessen hat die Barge eine Einbuchtung, in die der Schlepperbug exakt hineinpasst.