Mit herzlichem Dank an:
Jörg Brückner [Wernigerode, Landesarchiv Sachsen-Anhalt], Stefan Giese-Rehm [Dessau], Udo Glathe [Quedlinburg], Marianne Günther (1935-2019) [Limbach-Oberfrohna], Christel Heppner [Roßlau, Förderverein Schifferstadt Roßlau e.V.], Klemens Maria Koschig [Roßlau], Kathleen Neubert [Stadt Dessau-Roßlau, Stadtarchiv] und Karin Weigt [Stadt Dessau-Roßlau, Museum für Stadtgeschichte].
Andreas Janek studierte an der TU Dresden Mediävistik, Politikwissenschaft und Kunstgeschichte. Derzeit lebt und arbeitet er in Quedlinburg und Dresden. Seine Forschungsgebiete sind das Hoch- und Spätmittelalter - vornehmlich in England, Schottland, Frankreich, Polen und Litauen - sowie Untersuchungen zu politischen Systemen. Die Heraldik und Vexillologie sind für ihn neben dem wissenschaftlichen Interesse auch in gestalterischer und künstlerischer Hinsicht ein praktisches Betätigungsfeld.
Bisherige Publikationen
Aufsätze:
Sachbücher:
Belletristik, Stücke, Lyrik, Kinderbücher:
Diskographie (mit der Band tauReif):
Als ich mit den Recherchen zu diesem Thema begann, war für mich das Ausmaß und die Fülle an Informationen zu den Kreiswappen in Sachsen-Anhalt keineswegs abzusehen. Deren Anzahl machte es erforderlich, das Buch in nunmehr drei Bänden erscheinen zu lassen. In diesem Auszug zeigt das Inhaltsverzeichnis alle Kapitel des Gesamten Werkes, wobei die Schrift zu dem vorliegenden, ein Kapitel umfassenden Buch schwarz und die aller anderen Kapitel grau ausgeführt ist. Sicherlich wird eine solche Arbeit nie vollständig oder gar abgeschlossen sein. Und ganz gewiß sind mir etliche Hintergründe entgangen oder bislang unbekannt. Zudem ist private Forschungsarbeit ohne den üblichen finanziellen und institutionellen Hintergrund bisweilen mühsam und mit vielen Hürden verbunden, so daß mir einige Quellen schwer oder nicht zugänglich waren. Hinzu kommt, daß in dieser Arbeit dem ausschließlich von Laien durchgeführten Lektorat hoffentlich nicht allzu viele Unkorrektheiten geschuldet sein könnten. Sollten sich also orthographische, grammatikalische oder inhaltliche Fehler und Irrtümer eingeschlichen haben, so bitte ich den geneigten Leser, mir diese mitzuteilen, um sie in den weiteren Auflagen zu korrigieren. Daneben freue ich mich jederzeit über Anregungen und Diskussionen zum Thema oder auch über Anfragen zur Erstellung eigener Wappen. Hierfür bin ich per Mail zu erreichen unter: andreas.janek@hotmail.de
Kfz-Kennzeichen: DE (Gesamtkreis), RSL (ehemals Landkreis Roßlau)
Die kreisfreie Stadt Dessau-Roßlau befindet sich im zentralen Osten von Sachsen-Anhalt und grenzt an die Landkreise Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg. Sie wurde durch die Zusammenlegung der Städte Dessau und Roßlau gebildet und trägt die Namen beider Städte.
DESSAU, Stadtkreis (1933 bis 2007): Die Stadt Dessau war mit der Gründung des
Herzogtums Anhalt am 30. August 1863 Hauptstadt dieses neuen Herzogtums, aber auch Kreisstadt des ehemaligen Kreises Dessau geworden. Am 1. Januar 1932 schloß man diesen mit dem ehemaligen Kreis Köthen zum Kreis Dessau-Köthen mit dem Kreissitz Dessau zusammen. Am 15. April 1933 wurde Dessau als kreisfreie Stadt aus dem Kreis Dessau-Köthen ausgegliedert, war aber noch bis zum 1. Mai 1933 dessen Kreissitz.
Seine erste urkundliche Erwähnung fand Dessau unter dem Namen "Dissowe" im Jahre 1213. Ob der Name eine Herleitung vom slawischen tis (Eibenbaum) ist oder aus dem Germanischen kommt und soviel wie "rauschende Aue" bedeutet, ist bislang nicht geklärt.
Das Stadtwappen von Dessau ist seit 1540 in Benutzung und wurde seitdem oftmals mit wechselnden Beizeichen belegt, meist in Form eines Herzschildes. Im Wesentlichen blieb es jedoch bis 2007 unverändert. Seine Grundlage bildet das Stammwappen der anhaltischen Askanier, der ehemaligen Landesherren, deren Herrschaft erst mit dem Ende des Herzogtums Anhalt am 12. November 1918 endete.
Dieses Stammwappen der Askanier (Abb. 650) besteht faktisch aus zwei Wappen, die in einem gespaltenen Schild miteinander vereint sind. Es gehört im deutschsprachigen Raum zu den frühen, durch eine Schildteilung entstandenen Wappen und blieb zumindest in der Anordnung der beiden Wappenbilder vom frühen 13. Jahrhundert an unverändert. Bei den beiden gezeigten Wappenbildern handelt es sich rechts um den Märkischen Adler (Abb. 2113),1 der durch sein Hervorbrechen am Spalt nur noch als halber Adler vorhanden ist und somit zu einem neuen Wappenbild wurde, sowie um das später durch einen Rautenkranz ergänzte Wappen der Grafen von Ballenstedt (Abb. 1320).2 Das Ballenstedter Wappenbild selbst war bis ins 19. Jahrhundert nicht auf die neunfache Teilung festgelegt und erscheint auch in der Kombination mit dem Märkischen Adler und dem Rautenkranz in unterschiedlicher Streifung oder mit unterschiedlicher Balkenanzahl. Gerade in der Frühzeit der Heraldik sind Mehrfachteilungen oder mehrere Balken beziehungsweise Mehrfachspaltungen oder mehrere Pfähle, bei denen die Anzahl über zwei oder drei lag, unabhängig von ihrer Menge in der Regel nicht als unterschiedliche Wappenbilder gedeutet und als mehrfach geteilt blasoniert worden. Es wurde damals auch kein Unterschied zwischen Teilungen und Balken gemacht; was heute in der traditionellen französischen und englischen Heraldik noch immer der Fall ist. Hier werden alle gestreiften Schilde als geteilt blasoniert, jeweils mit der entsprechenden Anzahl an Schnitten.3 Somit wurde in der frühen Heraldik eine neunfache Teilung durchaus mit drei Balken als identisch empfunden. So variieren auch die Teilungen im Stammwappen der sächsischen und der anhaltischen Askanier bis zu ihrer verbindlichen Festlegung auf neun im Laufe des 19. Jahrhunderts und haben nur gemein, daß es sich jeweils um Mehrfachteilungen handelt.
Während man im Siegel von Fürst Heinrich I. aus dem Jahre 1215 (Abb. 2363) wie auf dem Brakteaten von Albrecht I. den Bären (Abb. 1326) bereits eine deutlich hohe Anzahl von Teilungen beziehungsweise Balken erkennen kann,4 zeigt die Züricher Wappenrolle von 1340 (Abb. 2358) für den Herzog von Sachsen lediglich einen fünfmal von Schwarz und Gold geteilten Schild.5 Die Farbfolge Schwarz-Gold war damals bei Mehrfachteilungen keine andere als Gold-Schwarz, und beide werden ebenfalls erst in der neueren Heraldik genau definiert und als unterschiedliche Wappenbilder gewertet.
Aus dem Wappen der Grafen von Ballenstedt, dem eigentlichen Stammwappen der Askanier, sind die Stammwappen von Anhalt und von Sachsen in modifizierter Form abgeleitet worden. Die bislang früheste bekannte und zudem farbige Wappendarstellung eines Wappens des damaligen Herzogs von Sachsen in Form eines gespaltenen Schildes mit Adler und Balkenwappen, befindet sich auf dem am ehesten um 1247 angefertigten6 Quedlinburger Wappenkästchen (Abb. 2354). Dieses zeigt hier im gespaltenen Schild rechts in Silber einen am Spalt hervorbrechenden roten Adler und links ein siebzehnmal von Gold und Schwarz geteiltes Feld. Zu dieser Zeit waren gespaltene Schilde mit zwei Wappenbildern noch vergleichsweise selten und am ehesten in England anzutreffen. So wie das Wappen von dem Welfischen Kaiser Otto IV. ganz offensichtlich unter dem Einfluß seiner englischen Verwandtschaft wie auch unter dem der englischen Wappen und damaligen Wapppraxis steht,7 könnte das Wappen von Bernhard III. wiederum durch das Wappen von Kaiser Otto IV. inspiriert worden sein, welches man ebenfalls auf dem Quedlinburger Wappenkästchen findet (Abb. 249). Herzog Bernhard III. von Sachsen war zwar bei der Wahl Philipps I. von Schwaben im Jahre 1198 dessen Parteigänger gegen Otto IV. gewesen, wechselte jedoch nach der Ermordung Philipps von Schwaben im Jahre 1208 von den Staufern auf die Seite von Otto IV. und gehörte fortan wohl auch zu dessen engerem Kreis an Vertrauten.8 Somit könnte das auf dem Wappenkästchen von Quedlinburg gezeigte Wappen - egal, wann genau dieses angefertigt worden ist - das Wappen der Fürsten von Anhalt in der Form zeigen, wie sie es seit 1208 oder etwas später benutzt haben. Die Tinkturen des Wappens sind seit der Abbildung auf dem Quedlinburger Wappenkästchen unverändert und waren es wahrscheinlich auch schon vor 1247.
Für Herzog Bernhard III., den Stammvater der sächsischen und der anhaltischen Linie der Askanier, ist zwar wie für seinen Vater Albrecht I. den Bären nur das Ballenstedter Balkenwappen9 auf Siegeln belegt, doch findet man in einem seiner Reitersiegel, welches 1195 verwendet wurde (Abb. 2362), einen außergewöhnlichen möglichen Hinweis auf das Wappen der Fürsten von Anhalt. Auf diesem nicht vollständig erhaltenen Siegel ist der Wappenschild des Reiters gespalten und zeigt auf der linken Hälfte einen mehrfach schräglinks geteilten Schild. Bei diesem handelt es sich vermutlich um den Ballenstedter Balkenschild, welcher auch bei Albrecht dem Bären bisweilen in Schrägteilung zu finden ist (Abb. 1327). Die rechte Hälfte ist hingegen leer; zumindest nach dem, was heute darauf zu erkennen ist. Entweder befand sich hier womöglich ein Adler, oder es handelt sich um ein anderes Wappenbild. In seiner Anlage und Gestaltung greift dieser Wappenschild allerdings dem Stammwappen der anhaltischen Askanier vor. Daß sich an dieser leeren Stelle ein halber Adler befunden hat, ist nicht auszuschließen, denn der Märkische Adler (Abb. 2113) ist bereits seit spätestens 1184 nachweisbar.10
Egal, ob der Reiter im Siegel von Bernhard III. aus dem Jahre 1195 bereits das anhaltische Stammwappen zeigt oder nicht, bei Bernhards III. Sohn Heinrich I. von Anhalt ist dieses dann eindeutig nachzuweisen (Abb. 2363) und wurde fortan von den anhaltischen Fürsten geführt. Die Siegel verschiedener Familienmitglieder ab dem 13. Jahrhundert veranschaulichen recht gut, daß die Anzahl der Balken oder Teilungen hier noch stark variiert (Abb. 2364, 2365, 2366). Es ging um das Symbol oder Zeichen selbst und nicht um die genaue Wiedergabe der Balken oder Teilungen. Hinsichtlich der Tinkturen des Wappens der anhaltischen Askanier und somit auch der des Ballenstedter Balkenwappens ist die Abbildung auf dem wohl um 1247 angefertigten Quedlinburger Wappenkästchen die früheste bekannte.
Bei dem roten halbern Adler im rechten Feld handelt sich, wie bereits erwähnt, um den modifizierten, heute vom Land Brandenburg (Abb. 2117) geführten roten Märkischen Adler auf silbernem Feld.11 Auch die späteren Fürsten von Anhalt führten offensichtlich diesen Märkischen Adler im Schild. Zurückzuführen ist er mit ziemlicher Sicherheit auf das Wirken der Askanier als Markgrafen. Herzog Bernhards III. Neffen zeigten als Markgrafen von Brandenburg in ihren Siegeln bereits einen Adler, welcher auch von ihren Nachfolgern verwendet wurde.12 Über die Gründe der Zusammenführung des Ballenstedter Balkenwappens mit dem Märkischen Adler besteht keine Klarheit. Während der Märkische Adler für die ältere brandenburgische Linie zum alleinigen Wappenbild wurde, entwickelte sich das Balkenwappen mit seinen späteren Modifizierungen zum Wappen des Herzogs von Sachsen (Abb. 577). Diesen damals noch sehr instabilen Titel hatte Bernhards III. jüngerer Sohn Albrecht I. erhalten, während der ältere Sohn Heinrich I. die damaligen Stammlande erbte und sich als Fürst von Anhalt betiteln ließ.13 Während Herzog Albrecht I. in seinem Siegel weiterhin den einfachen Balkenschild im Wappen zeigt,14 findet man bei Fürst Heinrich I. diesen neben dem nun halben Märkischen Adler. Womöglich erhob er hiermit für sich und seine Nachkommen wie schon sein Vater im Falle eines Erlöschen der brandenburgischen Askanier, mit denen man sehr gute und enge Kontakte pflegte, Erbansprüche auf die Markgrafschaft Brandenburg wie auf das Herzogtum Sachsen15 im Falle eines Erlöschens seiner sächsischen Verwandten16 oder gar fortwährende Machtansprüche darauf. Ebenso könnte das Wappenbild mit den in ihm vereinten Wappen des Herzogs von Sachsen17 und des Markgrafen von Brandenburg18 seinem Fürstentitel einen weiteren Glanz verliehen haben. Nach allgemeiner Lesart wird das doppelte Wappenbild derzeit vor allem als Präsentation der Blutsverwandtschaft mit den beiden anderen Askanischen Linien gedeutet. Im Gegensatz zu den engen Verbindungen zwischen der sächsischen und brandenburgischen Linie, hatte sich die orlamündischen Linie der Askanier dagegen offensichtlich bereits früh von ihren Verwandten entfremdet.19
Zeitlich kurz nach dem Quedlinburger Wappenkästchen entstanden gehört die Beschreibung von Konrad von Würzburg in seinem um 1258 geschriebenen Turnier von Nantes zu den ältesten Zeugnissen über Gestalt und Tinktur des gespaltenen Wappens der Fürsten von Anhalt, wobei er sich auf das Wappen des Fürsten von Sachsen bezieht, der ebenfalls ein Herzog von Sachsen ist. Er beschreibt eine Hälfte als von Zobel und Gold20 gestreift und das andere als hermelinweiß21 mit einem pelzroten halben Adler.22 Dabei ist unklar, was er als das rechte und was als das linke Feld definiert. Die Anzahl der Streifung wird - wie damals üblich - nicht erwähnt. Gestreift war demnach wohl eine damals allgemein verständliche Beschreibung.
Im zwischen 1300 und 1340 angefertigten Codex Manesse ist Fürst Heinrich I. von Anhalt als Ritter im Kampfe zu sehen (Abb. 2355).23 Sein Wappenschild auf dem Waffenrock zeigt im gespaltenen Schild rechts in Rot einen am Spalt hervorbrechenden silbernen halben Adler und ist links fünfmal von Gold und Schwarz geteilt. In der um 1340 angefertigten Züricher Wappenrolle (Abb. 2358) wird der halbe Adler dagegen wieder Rot auf Silber und das linke Feld fünfmal von Schwarz und Gold geteilt gezeigt. Möglicherweise gab es mehrere Farbvarianten wie auch im Heidelberger Sachsenspiegel (Abb. 2357),24 deren genaue Bedeutung heute nicht mehr verstanden wird. Bisweilen sind auch Farbveränderungen in den Quellen aufgrund von Oxydation die Ursache solcher Farbvarianten.
Ausgewiesen ist das Wappen auf der Züricher Wappenrolle wie bei Konrad von Würzburg als das des Herzogs von Sachsen. Dieser Titel ist mit Bernhards III. Sohn Albrecht I. auf die sächsische Linie der Askanier übergegangen. Heinrich I. dagegen war 1218 als Graf in den Fürstenstand erhoben worden und wird fortan als Fürst von Anhalt bezeichnet. Der Codex Manesse nennt ihn allerdings "Der Herzoge von Anhalte", was aus heutiger Sicht wie ein unbewußter Vorgriff auf die anhaltische Geschichte anmutet. Einen Herzog von Anhalt hat es damals jedenfalls noch nicht gegeben, doch scheint der Titel teilweise auch willkürlich mit der Dynastie der Askanier verbunden worden zu sein.
Im zwischen 1369 und 1396 angefertigten Wapenboek Gelre (Abb. 2359)25 ist der halbe Adler ebenfalls rot auf Silber gezeigt, nun wie der Märkische Adler (Abb. 2113) belegt mit goldenen Kleestängeln, hier noch als einfache Beschläge.26 Das rechte Feld ist hingegen neunmal von Gold und Schwarz geteilt, also in umgekehrter Folge, aber mit gleicher Anzahl, wie es dann im 19. Jahrhundert verbindlich festgelegt wurde.
Bezüglich der Tinktur des Adlers offenbart sich in den zeitgenössischen Darstellungen des 13. und 14. Jahrhunderts noch immer keine Klarheit, was eher ungewöhnlich ist, zumal der Fürst von Anhalt als Reichsfürst auch überregional agierte und sein Wappen in weiten Teilen des Heiligen Römischen Reiches bekannt gewesen sein wird. Ein großer Teil von dessen Abbildungen lassen wie auch der Codex Manesse vermuten, daß die Unterscheidung der halben Adler in Rot auf Silber und Silber auf Rot einer heute nicht mehr erkennbaren Systematik folgte, die dann allerdings zugunsten nur einer sowohl von der sächsischen als auch der anhaltischen Linie verwendeten Variante verworfen wurde. Es ist aber ebenfalls oder daneben wahrscheinlich, daß die verschiedenen Versionen lediglich zeigen, wie unklar selbst den Zeitgenossen die Tinkturen der Wappen sind.
Dies betrifft auch das Wappenbild im linken Feld, welches, unabhängig von der Anzahl der Teilungen oder Balken sowie deren farblicher Reihenfolge, seine grundlegende Veränderung ab dem späten 13. Jahrhundert durch das Auflegen eines Rautenkranzes erfuhr.27 Einen ersten Beleg hierfür bietet das Vormundschaftssiegel von Herzog Albrechts I. beiden Söhnen Albrecht II. und Johann I. aus dem Jahre 1261 (Abb. 2367). Die in mittelalterlichen Wappen wenig gebräuchliche grüne Tinktur scheint der Rautenkranz von Anfang an gehabt zu haben, womit er der gängigen Darstellung dieser meist als Beizeichen vor allem in der deutschen Heraldik zu findenden Schildfigur entspricht. Sowohl der Rautenkranz als Bestandteil eines Wappens als auch sein Erscheinen auf den sächsischen und anhaltischen Wappen bietet ein weites Forschungsfeld, und sein heraldischer Ursprung ist bislang noch nicht eindeutig geklärt. Fakt ist allerdings, daß der Rautenkranz nicht nur im sächsischen Rautenkranzwappen (Abb. 2373) zu finden ist, nicht zwingend an die Teilungen wie im Rautenkranzwappen gebunden ist (Abb. 2374, 2375, 2376) und zwar Grün seine bevorzugte Tinktur ist, er aber auch in jeder anderen gezeigt werden kann (Abb. 2375, 2664).
Es handelt sich bei ihm sehr wahrscheinlich anfangs um nicht mehr als einen nicht zum Wappenschild gehörenden unwesentlichen und zufällig verwendeten Blattschmuck, welcher später lediglich durch Alter und Tradition als ein Ehrenstück und somit als ein wesentlicher Wappenbestandteil angesehen wurde. Von einigen Heraldikern wird die Schapel28, von anderen die Dornenkrone Christi als das Vorbild für den Rautenkranz vermutet. Letztere, weil es sich bei ihm nicht um ein Geflecht der Wein- oder Gartenrauten sondern um eines der Stechpalme handele. Andere, eher unwahrscheinliche Deutungen sind die als einen Seeblätterkranz oder als eine Perlenkrone. Die Gestalt des heraldischen Rautenkranzes ähnelt einem mit Lilien oder Blättern versehenen Kronensegment. Daher könnte es auch einen Zusammenhang zu mit Lilien oder Blättern geschmückten Lilienbalken geben. Dies veranschaulicht recht gut eine nachträglich in den um 1336 angefertigten Oldenburger Sachsenspiegel eingefügte Zeichnung des Wappens des Herzogs von Sachsen, in der der Rautenkranz einem mit Rosen bestückten Schrägbalken gleicht (Abb. 2369).
Wo auch immer seine Ursprünge zu suchen sind, der Rautenkranz könnte anfangs ein realer Blatt- oder Blumenkranz gewesen sein, welcher sich von einer Schildfigur zu einem Heroldsbild entwickelt hat. Ebenso könnte es sich bei ihm aber auch wie bei den Fellen - welche wie der Rautenkranz anfangs nicht gemalt waren, sondern aus den entsprechenden realen Pelzen wie Hermelin oder Feh bestanden - um eine eigene Tinktur gehandelt haben.29 Unabhängig davon tritt der Rautenkranz normalerweise nur in Verbindung mit Heroldsstücken auf. Weshalb er gerade in das sächsische und anhaltische Wappen Eingang gefunden hat, ist nicht geklärt, auch wenn es etliche, teilweise nachweislich nicht zutreffende Deutungen hierfür gibt.
Die bekannteste von ihnen ist die historische Sage, er sei von Herzog Bernhard III. infolge seiner Belehnung mit dem Herzogtum Sachsen als Zeichen von dessen dadurch erlangter Herzogswürde in sein Wappen gelegt worden. Belehnungen erfolgten allerdings nicht durch Wappen, sondern mittels Fahnen, und für Bernhard III. ist auch nach 1180 bislang einzig das Wappen ohne Rautenkranz nachweisbar. Ebenso läßt sich ein Rautenkranz für seine Söhne Heinrich I. von Anhalt und Albrecht I. von Sachsen nicht belegen. Erst das bereits erwähnte Siegel von Johann I. und Albrecht II. ist der bislang früheste bekannte Beleg für die Verwendung eines Wappens der Askanier, das mit einem Rautenkranz belegt ist. Allerdings erfolgt diese Modifizierung des Wappens nicht durch die anhaltische sondern durch die sächsische Linie, welche ja bekanntlich das Balkenwappen ohne den halben Adler verwendete.
Es gibt aber auch Thesen, die den Rautenkranz als ein Symbol für den Verlust der westlichen Gebiete des Herzogtums Sachsen nach seiner Aufteilung ab 1180 deuten. Allerdings stellte die Aufteilung des Herzogtums für die Askanier selbst, auf deren Wappen der Rautenkranz gelegt wurde, keinen Verlust, sondern einen Gewinn dar. Somit könnte er ebensogut als ein Ehrenzeichen gemeint sein.