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© 2020 Adalbert Kuhn

Julius-Motteler-Str. 4

73728 Esslingen

Layout

Olaf Brostowski, vier | kom, Esslingen am Neckar

www.vierkom.de

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt.

Printed in Germany

ISBN 9783751987899

Titelbild: Roberto Bulgrin, Esslingen

Bild Rückseite: Adalbert Kuhn, freigestellt von Eric Danzinger

Gott kommt an

Einführung oder: Wie wird man Krippensammler?

Auf dem Bild sieht man eine Lebensbaumkrippe der Makonde aus Tansania. Dies war die erste Krippe, die ich 1984 von einem Krippensammler erwarb, der seine Krippen in der Kirchengemeinde St. Petrus Canisius in Freiburg i.Br. für eine Krippenausstellung des Familienkreises zur Verfügung gestellt hatte.

Bereits als Junge durfte ich mithelfen, mit meinem Vater eine Höhle für die Weihnachtskrippe zu basteln. Für jede gute Tat in der Adventszeit sammelte ich einen Strohhalm für die Krippe des Jesuskindes. Später baute ich dann auch selbst eine Krippenlandschaft. Adventliche und weihnachtliche Lieder an der Krippe begleiteten dieses Brauchtum, wie auch das Aufstellen der drei Weisen, die dann an Dreikönig zum Kind in der Krippe kamen.

Gerade die Krippen aus Afrika und Lateinamerika haben es mir angetan, weil ich ihre Schönheit und die Kunstfertigkeit der Menschen auf diesen Kontinenten schätze. Besonders wichtig ist mir als Theologe, welche Bedeutung die Menschwerdung Gottes und seine Ablehnung („kein Platz in der Herberge“) haben. So steht Jesus in der Spannung von Krippe und Kreuz.

Seit 1984 sammle ich Krippen aus aller Welt (außer Europa) und besitze inzwischen 140 Krippen aus 22 Ländern, die in diesem Buch dokumentiert sind. Dabei gibt es viele faszinierende Beispiele von Volkskunst, von Kunsthandwerk und von künstlerisch gestalteten Krippen, die auch theologische Inhalte verdeutlichen, beispielsweise den Zusammenhang zwischen Krippe und Kreuz oder die Einbeziehung des Alltags eines Volkes in die Krippenszene. Die Geburt Jesu kann aber auch verniedlicht oder zum Gebrauchsgegenstand (Zahnstochergriffe oder Spardose) degradiert werden. Wie die Industrialisierung in Europa Krippen als Massenware allen zugänglich gemacht hat, so ist es heute die Produktion aus China, die z.B. in Ägypten immer wieder zu finden ist.

Meine Krippen habe ich über Ordensleute, wie die Schönstätter Marienschwestern oder die Benediktiner in Münsterschwarzach, die Krippen aus Afrika und Südamerika verkaufen, oder aber auch aus dem Weltladen oder von Missionsgruppen erworben. Hinzu kamen Krippen, die mir Freunde mitbrachten und Weihnachtskrippen, die ich in Guatemala und Ägypten selbst erworben habe. Asiatische Weihnachtskrippen sind in meiner Sammlung noch rar.

Zentral für mich ist die Menschwerdung Gottes, die uns Menschen herausfordert, ihn ankommen zu lassen. Daher der Titel „Gott kommt an“. In vielen der Krippen gerade aus meinen Sammelgebieten Afrika und Lateinamerika wird sichtbar, wie Jesus als einer der ihren angenommen ist. Rüdiger Vossen fasziniert als Völkerkundler der Gedanke, „dass die »Frohe Botschaft« der Geburt Christi bei ihrer Wanderung um die Welt von den verschiedenen Völkern und Regionen zumindest in der äußeren Gestalt und Gestaltung der Krippen der jeweiligen Kultur angepasst wurde.“1

Es geht mir mit meiner Sammlung und mit diesem Buch darum,

Diese Wertschätzung der Kunst fremder Kulturen ist mir ganz wichtig. Dabei geht es nicht nur um die rein künstlerische Arbeit, sondern um die Menschen selbst. Gleichermaßen darf die gesellschaftliche Realität der Menschen in Afrika und Lateinamerika nicht vergessen werden und dabei auch unser Anteil an der Kolonialisierung und an einer ungerechten Weltordnung heute.

Meine Sammlung steht interessierten Kirchengemeinden, Gruppen oder öffentlichen Institutionen zur Verfügung und kann ausgeliehen werden. Die Weihnachtskrippen sind zum Gebrauch bestimmt. Seit 1991 waren sie in zahlreichen Ausstellungen zu sehen.

In einem ersten Teil meines Buches schreibe ich grundsätzlich über Weihnachtskrippen, besonders über die aus Afrika und Lateinamerika. Im zweiten Teil stelle ich meine Sammlung aus beiden Kontinenten vor. Im dritten Teil gibt es einen Anhang mit Texten, insbesondere mit der „Essenz der Weihnachtsbotschaft aus der Sicht eines Krippensammlers und Theologen“ von 2019.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern viele neue Entdeckungen und viel Freude an den Krippen aus den vielen Kulturen und Völkern.

Esslingen, Pfingsten 2020

Adalbert Kuhn

Vom Trog zur Krippe

Als wir darauf zu sprechen kamen, dass ich Krippen sammle, fragte mein Neffe mit etwa vier oder fünf Jahren: „Vogelgrippe?“ Vielen ist das Wort Krippe im Alltagsgebrauch eher bekannt als Kinderkrippe.

Was bedeutet aber „Krippe“?

Eine Krippe ist eigentlich ein Futtertrog für Tiere.

Weil in der Weihnachtsgeschichte nach Lukas Maria das Kind in eine Krippe legte, hat es sich auch eingebürgert, die ganze Szene in einem Stall oder einer Höhle oder in einer Krippenlandschaft zusammen mit den entsprechenden Personen, Tieren und Dingen als Weihnachtskrippe zu bezeichnen. Insbesondere die Figuren dieser Geburtsszene in Bethlehem, die frei arrangiert werden können, bezeichnet man als Krippe oder Weihnachtskrippe.2

Wer gehört eigentlich zur Weihnachtskrippe?

  1. Jesus, Maria und Josef, die sogenannte „Heilige Familie“
  2. Ein Engel als Verkündigungsengel
  3. Die Hirten, die als erste zur Krippe kamen z. T. auch ihre Herde, die Schafe
  4. Die drei Weisen, oft als Heilige Drei Könige bezeichnet
  5. Ochs und Esel
  6. zum Teil auch Propheten, z.B. der Prophet Jesaja, der den Erlöser verkündet hat3

Wie kommen Ochs und Esel an die Krippe?

Ochs und Esel kommen in der Weihnachtsgeschichte nicht vor, sie erscheinen aber schon früh in Bildern der Geburt Jesu. Frühchristliche Interpretationen von Propheten, wie etwa von Origines (aus dem 2. Jahrhundert) deuten diese Tiere als unvernünftige Kreatur, die trotz ihrer Unvernunft ihren Schöpfer in der Krippe erkennen, während die Menschen ihn verstoßen.4 (Vgl. auch Joh 1,5: „Und das Licht leuchtet in der Finsternis und die Finsternis hat es nicht erfasst.“) In einer anderen Interpretation stehen sie für Heidenwelt und Judenwelt gemeinsam an der Krippe.5 (Vgl. auch den Hymnus des Simeon (Lk 2,31f): „Denn meine Augen haben das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel.“)

Die Aussage des Propheten Jesaja gelangt so in die Krippendarstellungen: »Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.« (Jes 1,3). Ähnlich beschreibt es das Johannes-Evangelium: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet, kam in die Welt. Er kam in sein Eigentum, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf. Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, allen, die an seinen Namen glauben. (Joh 1,1;9;11f, Prolog) Ochs und Esel können also verstanden werden als Kritik am Volk Israel, das Jesus nicht erkannt hat oder allgemeiner als Kritik an allen Menschen, die Jesus nicht aufnehmen.

Der Stall zu Bethlehem