Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek
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Vivekananda: Ramakrishna: Mein Meister
1. Auflage, 2020
Titel der Originalausgabe:
Swami Vivekananda: My Master
The Baker & Taylor Company, New York, 1901
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 9783752652703
Umschlaggestaltung: BoD
Printed in Germany
Dieses Büchlein, das 1901 erschienen ist, enthält einen Vortrag von Swami Vivekananda über seinen Meister Ramakrishna, den er in New York gehalten hat. Dieser Vortrag besteht weniger aus biographischen Details, sondern bietet vielmehr eine Gesamtschau dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit in ihrem historischen, kulturellen und spirituellen Kontext, was für den westlichen Leser den Zugang zu ihr wesentlich erleichtert. Von daher bietet dieses Büchlein eine hervorragende Einführung zu Ramakrishna für alle, die sich intensiver mit ihm befassen oder auch nur einen ersten Einblick nehmen wollen.
Angefügt ist ein Aufsatz von Protap Chunder Mazoomdar (1840-1905), der im Theistic Quarterly Review im Oktober 1879 erschienen ist, also zu einer Zeit, als Ramakrishna noch lebte. Mazoomdar war als Anführer der hinduistischen Reformbewegung des Brahmo-Samaj eine bekannte Persönlichkeit.
Ramakrishna (1836-1886) lebte sehr in der indischen Mythologie und erfuhr im Zusammenhang mit ihr viele Ekstasen. Für ihn bedeuteten die Göttin Kali (die indische Muttergottheit), die göttlichen Inkarnationen Krishna und Rama, die Affengottheit Hanuman und die vielen anderen Gottheiten eine wirkliche Erfahrung. Um diese Erfahrungswelt nachvollziehen zu können, sollte man sich deshalb ein wenig in der indischen Mythologie auskennen.
Swami Vivekananda (1836-1902) war der bedeutendste Schüler Ramakrishnas und wurde von ihm dazu beauftragt, seine Botschaft weiterzuverbreiten und der beginnenden Gemeinschaft der jungen Mönche des Ramakrishna-Math vorzustehen. Sein Weg führte ihn nach Westen. 1893 nahm er am Parlament der Weltreligionen in Chicago teil, gründete die Vedanta Society in New York und verbreitete Ramakrishnas Botschaft im Westen.
Ich habe einige erklärende Fußnoten hinzugefügt sowie ein Glossar und ein Literaturverzeichnis erstellt und wünsche nun der kleinen Schrift viele interessierte Leser.
Gabriele Ebert
Der folgende Vortrag wurde in New York unter der Schirmherrschaft der Vedanta Society gehalten. Er beschreibt kurz einen der bemerkenswertesten Männer, die Indien dem 19. Jahrhundert gegeben hat. Er war als Paramhamsa Srimat Ramakrishna bekannt und wird von tausenden seiner Landsleute als göttliche Inkarnation betrachtet, obwohl er für sich keine hohe Position einforderte. Der Einfluss seiner Lehre ist in allen Teilen Indiens spürbar und reicht sogar bis nach Europa und Amerika.
Das Titelbild1 zeigt den Tempel, in dessen Nähe er das letzte Jahr seines Lebens verbracht hat. Er lebte in einem kleinen Haus in einem ausgedehnten Garten, der den Tempel umgab. Es kamen große Menschenmengen, um ihm zuzuhören. Seit seinem Tod findet an seinem Geburtstag ein jährliches Fest statt, das jedes Jahr von immer mehr Leuten besucht wird. Der Titel Paramhamsa bedeutet wörtlich „Große Seele“ und wird von den Hindus nur solchen Männern verliehen, die die höchste spirituelle Erleuchtung erlangt haben. Srimat ist ein Ehrentitel und wird hier im Sinn von „der Verehrteste“ verwendet.
Der Herausgeber
1 hier nicht enthalten
“Jedes Mal, wenn die Tugend abnimmt und das Laster vorherrscht, komme Ich herab, um der Menschheit zu helfen“, verkündet Krishna in der Bhagavad Gita. Jedes Mal, wenn unsere Welt wegen ihrer Entwicklung und der zusätzlichen Gegebenheiten eine Korrektur braucht, kommt eine Kraftwelle. Und weil der Mensch auf zwei Ebenen wirkt, der spirituellen und der materiellen, kommen diese korrigierenden Wellen auf beide Ebenen. Was die Korrektur der materiellen Ebene betrifft, war einerseits hauptsächlich Europa in der Moderne der Ausgangspunkt, und was die Korrektur der anderen, spirituellen Ebene betrifft, war durchweg Asien in der Weltgeschichte der Ausgangspunkt.
Heute braucht der Mensch eine weitere Korrektur auf der geistigen Ebene. Heute, da die materialistischen Vorstellungen ihren Höhepunkt erreicht haben, heute, da der Mensch durch seine wachsende Abhängigkeit von der Materie leicht sein göttliches Wesen vergisst und zu einer rein geldschaffenden Maschine reduziert wird, ist eine Korrektur nötig. Und die Kraft kommt, die Stimme hat gesprochen, um die Wolken des zunehmenden Materialismus zu vertreiben. Die Kraft wurde in Bewegung gesetzt, die in naher Zukunft der Menschheit einmal mehr ihr wahres Wesen in Erinnerung rufen wird. Und wiederum ist der Ort, von dem diese Kraft ausgeht, Asien. Unsere Welt ist arbeitsteilig.
Es ist eitel zu sagen, dass ein Mensch alles besitzen soll. Doch wie kindisch sind wir! Das Kind glaubt in seiner Kindlichkeit, seine Puppe sei der einzige Besitz auf der ganzen Welt, der begehrenswert sei. So glaubt eine Nation, die viel materielle Macht besitzt, das sei das einzig Begehrenswerte, und damit allein sei Fortschritt, damit allein sei Zivilisation gemeint. Und wenn es andere Nationen gibt, die diese Mächte nicht besitzen wollen und nicht besitzen, dann seien sie nicht lebensfähig. Ihre ganze Existenz sei nutzlos. Andererseits kann eine andere Nation denken, dass die rein materialistische Zivilisation völlig wertlos sei.
Aus dem Morgenland kam einst die Stimme, die der Welt verkündete: Wenn ein Mensch alles unter und über der Sonne besitzt, aber keine Spiritualität, was nützt ihm das? Dies ist der morgenländische Typus. Das andere ist der abendländische Typus. Jeder dieser Typen hat seine Größe, jeder hat seinen Ruhm. Die jetzige Korrektur wird harmonisieren und die beiden Ideale vermischen. Für den Morgenländer ist die Welt des Geistes so wirklich wie die Welt der Sinne für den Abendländer.
Im spirituellen Bereich findet der Morgenländer alles, was er will oder worauf er hofft. Er findet alles, was das Leben für ihn wirklich macht. Für den Abendländer ist er ein Träumer. Für den Morgenländer ist der Abendländer ein Träumer, der fünf Minuten lang mit den Puppen spielt. Und er lacht bei dem Gedanken, dass erwachsene Männer und Frauen sich so viel aus einer Handvoll Materie machen, die sie sowieso früher oder später zurücklassen müssen. Jeder nennt den anderen einen Träumer.
Aber das morgenländische Ideal ist für den Fortschritt der menschlichen Rasse ebenso nötig wie das abendländische, und ich glaube, es ist sogar notwendiger. Maschinen haben die Menschheit nie glücklich gemacht und werden es nie tun. Wer uns das glauben machen will, behauptet, dass das Glück in den Maschinen zu finden sei, aber es ist immer im Geist. Nur der Mensch, der Herr seiner Gedanken ist, kann glücklich werden, kein anderer. Aber was ist am Ende schon diese Macht der Maschinen? Warum sollte ein Mensch, der elektrischen Strom durch eine Leitung schicken kann, ein großartiger und sehr intelligenter Mensch genannt werden? Schafft die Natur nicht in jedem Augenblick millionenfach mehr als das? Warum soll man dann nicht niederfallen und die Natur verehren?
Was spielt es für eine Rolle, ob du Macht über die ganze Welt besitzt, ob du jedes Atom im Weltall beherrscht? Das wird dich nicht glücklich machen, bis du dich selbst überwunden hast, außer du besitzt die Kraft des Glücks in dir selbst. Es ist wahr, dass der Mensch geboren wurde, um die Natur zu überwinden. Aber der Abendländer meint mit „Natur“ nur die physische oder äußere Natur. Es ist wahr, dass die äußere