Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek | Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Print ISBN 978-3-415-06856-8
E-ISBN 978-3-415-06858-2
© 2020 Richard Boorberg Verlag
E-Book-Umsetzung: Datagroup int. SRL, Timisoara
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlages. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
Titelfoto: © VRD – stock.adobe.com
Richard Boorberg Verlag GmbH & Co KG | Scharrstraße 2 | 70563 Stuttgart
Stuttgart | München | Hannover | Berlin | Weimar | Dresden
www.boorberg.de
Handbuch Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht für Studium und Praxis
herausgegeben von
Prof. Dr. Sven Eisenmenger, Hochschule der Akademie
der Polizei Hamburg, Forschungsstelle Europäisches und
Deutsches Sicherheitsrecht (FEDS)
und
Prof. Dr. Kristin Pfeffer, Hochschule der Akademie der
Polizei Hamburg, Forschungsstelle Europäisches und
Deutsches Sicherheitsrecht (FEDS)
Abkürzungsverzeichnis
A. Grundlagen des Hamburger Polizei- und Ordnungsrechts
I. Gegenstände des Hamburger Polizei- und Ordnungsrechts
1. Polizei- und Ordnungsrecht als Teil des Öffentlichen Rechts
2. Das Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht im Kontext des höherrangigen Rechts
II. Unionsrechtliche Anforderungen und Europäisierung
1. Primärrechtliche Anforderungen – Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR)
2. Sekundärrechtliche Anforderungen nach der Datenschutzreform 2016: Die Richtlinie (EU) 2016/680 (DSRL-JI)
III. Verfassungsrechtliche Leitplanken
1. Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen
2. Staatsstrukturprinzipien
3. Grundrechtliche Anforderungen
B. Befugnisse nach dem SOG
I. Grundlagen
1. Gefahrenabwehrmaßnahmen im Überblick und Struktur der Rechtmäßigkeitsprüfung
2. Generalklausel, § 3 Abs. 1 SOG
3. Verantwortlichkeit, §§ 8–10 SOG
4. Ermessen, insbesondere Verhältnismäßigkeit
II. Personenbezogene Standardmaßnahmen
1. Vorladung, § 11 SOG
2. Meldeauflage, § 11 a SOG
3. Feststellung der Personalien, § 12 SOG
4. Platzverweisung, § 12 a SOG
5. Betretungs-, Aufenthalts-, Kontakt- und Näherungsverbot, § 12 b SOG
6. Polizeiliche Begleitung, § 12 c SOG
7. Gewahrsam von Personen, § 13 SOG
8. Durchsuchung und Untersuchung von Personen, § 15 SOG
III. Objektbezogene Standardmaßnahmen
1. Sicherstellung von Sachen, § 14 SOG
2. Durchsuchen von Sachen, § 15 a SOG
3. Betreten und Durchsuchen von Wohnungen, §§ 16, 16 a SOG
IV. Durchsetzung
1. Anwendbarkeit der Durchsetzungsbefugnisse
2. Ersatzvornahme im gestreckten Verfahren
3. Unmittelbarer Zwang im gestreckten Verfahren
4. Unmittelbare Ausführung der Ersatzvornahme und des unmittelbaren Zwangs
V. Kosten- und Entschädigungsrecht
1. Vorbemerkung: Sekundärebene/gerechter Lastenausgleich im Überblick
2. Kostenansprüche der Verwaltung gegen den Bürger
3. Störer-Innenausgleich
4. Kostentragung durch den Begünstigten
5. Entschädigungsansprüche des Bürgers gegen den Staat
C. Befugnisse nach dem PolDVG
I. Anwendungsbereich, Begriffsbestimmungen und allgemeine Grundsätze
1. Anwendungsbereich, § 1 PolDVG
2. Begriffsbestimmungen, § 2 PolDVG
3. Allgemeine Grundsätze, §§ 3–9 PolDVG
II. Allgemeine und besondere Befugnisse zur Datenverarbeitung
1. Vorbemerkung
2. Allgemeine Befugnisse, §§ 10–15 PolDVG
3. Besondere Befugnisse, §§ 16–33 PolDVG
III. Weitere Datenverarbeitung
1. Vorbemerkung
2. Allgemeine Grundsätze, §§ 34, 35 PolDVG
3. Weitere Datenverarbeitung, § 36 PolDVG (§ 16 PolDVG a. F.)
4. Verarbeitung zu archivarischen, wissenschaftlichen, historischen und statistischen Zwecken sowie zur Aus- und Fortbildung, § 37 PolDVG (§ 17 PolDVG a. F.)
5. Datenübermittlung, §§ 38–47 PolDVG
6. Datenabgleich, § 48 PolDVG (§ 22 PolDVG a. F.)
7. Automatisierte Anwendung zur Datenanalyse, § 49 PolDVG
8. Rasterfahndung, § 50 PolDVG (§ 23 PolDVG a. F.)
9. Zuverlässigkeitsüberprüfung, § 51 PolDVG (§ 21 Abs. 1 Nr. 5 PolDVG a. F.)
D. Befugnisse nach dem HafenSG
I. Grundlagen
II. Maßnahmen
1. Allgemeine Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, § 2 HafenSG
2. Vorschriften für die grenzpolizeiliche Aufgabenwahrnehmung, § 3 HafenSG
3. Vorschriften zur Überprüfung der Sicherheit im Zusammenhang mit der Beförderung gefährlicher Güter, § 4 HafenSG
Sachregister
Das vorliegende Handbuch Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht behandelt im Kern das Hamburgische Polizeirecht einschließlich des dazugehörigen Datenschutzrechts. Das Werk zielt darauf, die Materie wissenschaftlich, zugleich praxisnah und insbesondere übersichtlich und klar aufzubereiten. Gegenstände des Handbuchs sind in erster Linie das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG), das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) und das Hafensicherheitsgesetz (HafenSG), jeweils insbesondere unter Berücksichtigung der Polizeirechtsnovelle durch Gesetz vom 12. 12. 2019.
Die Erstellung des Werkes fiel in einen Zeitraum von Polizeirechtsnovellen nicht nur in Hamburg, sondern auch in den übrigen Bundesländern und im Bund, mit der Absicht, neue Eingriffsbefugnisse zu schaffen sowie notwendige EU-Richtlinien und BVerfG-Entscheidungen umzusetzen. Über 30 neue Regelungen sind allein im Hamburgischen Polizeirecht geschaffen worden.
Hauptadressatin des Handbuchs ist die Polizei Hamburg. Dazu zählen die sich im Studium und in der Ausbildung befindlichen Nachwuchskräfte der Akademie der Polizei Hamburg mit ihrer Hochschule. Zum Adressatenkreis gehört ferner die Polizeipraxis in Hamburg, also insbesondere die Schutzpolizei und die Wasserschutzpolizei mit Blick auf das dargestellte Gefahrenabwehrrecht, aber auch die Kriminalpolizei. Das Handbuch ist außerdem an die Verwaltungsbehörden (einschließlich Referendare) adressiert, denn die Befugnisse des im Handbuch bearbeiteten SOG richten sich nicht nur an die Polizei, sondern zugleich auch an die sonstigen Verwaltungsbehörden. Daher firmiert das Werk auch unter „Polizei- und Ordnungsrecht“. Über diesen Kreis hinaus soll das Handbuch zur Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Seite des Hamburger Polizei- und Ordnungsrechts beitragen, weshalb z. B. auch unionsrechtliche und verfassungsrechtliche ebenso wie rechtsdogmatische Aspekte eingearbeitet sind.
Mit Blick auf den so beschriebenen breiten Adressatenkreis – Polizei (Polizeistudium, Polizeiausbildung, Polizeipraxis), sonstige Verwaltungsbehörden und Wissenschaft – haben wir das Werk wie folgt konzipiert:
In Teil A. (Grundlagen des Hamburger Polizei- und Ordnungsrechts) führt Abschnitt I. zunächst in die Materie des Handbuchs ein. Es folgt eine Erörterung des höherrangigen Rechtsrahmens des Polizei- und Ordnungsrechts, namentlich des Unionsrechts (II.) und des Verfassungsrechts (III.).
Auf Basis dieser Grundlegung steht in Teil B. (Befugnisse nach dem SOG) eine klassische Materie des Polizeirechts im Mittelpunkt. Gegenstand sind hier zunächst die Grundlagen (I.), d. h. eine Betrachtung der Gefahrenabwehrmaßnahmen im Überblick und ihrer rechtlichen Einbettung, die Generalklausel im SOG, die Verantwortlichkeit von Personen und das Ermessen. Es folgt die Darstellung der personenbezogenen Standardmaßnahmen (II.), ebenso wie der objektbezogenen Standardmaßnahmen nach dem SOG (III.). Insbesondere haben die Autoren dort stets eine praxis- und ausbildungsnahe „Checkliste“ mit der Struktur der jeweiligen Norm vorangestellt, um den Leser bei der Erfassung der Vorschrift zu unterstützen. An die Darstellung dieser Standardbefugnisse schließt sich als logisch nächster Schritt das Recht der Durchsetzung von SOG-Maßnahmen an (IV.), also das Vollstreckungsrecht. Abgerundet wird Teil B. durch eine Betrachtung des Kosten- und Entschädigungsrechts als Fernwirkung von Polizeimaßnahmen (V.).
Teil C. (Befugnisse nach dem PolDVG) bringt eine Kommentierung der durch Gesetz vom 12. 12. 2019 neu gefassten Befugnisgrundlagen des PolDVG. Nach einem Einführungsteil (I.) schließt sich – auch hier der Systematik des Handbuchs folgend – eine befugnisorientierte Darstellung an. Dazu gehören zunächst die allgemeinen und besonderen Befugnisse der Datenverarbeitung der Polizei (II.) sowie die weitere Datenverarbeitung (III.).
In einer Hafenstadt wie Hamburg darf das Recht der Wasserschutzpolizei – das HafenSG – in einem Handbuch zum Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht nicht fehlen. Daher rundet Teil D. (Befugnisse nach dem HafenSG) das Werk mit einer Erörterung der auf die Polizei bezogenen Befugnisse des HafenSG ab.
Wir freuen uns sehr, dass wir für die Bearbeitung des Handbuchs hochspezialisierte Autoren aus Wissenschaft und Praxis gewinnen konnten, denen wir an dieser Stelle für ihre Einsatzbereitschaft und ihren Beitrag zum Gelingen des Werkes herzlichst danken möchten! Der Dank gilt Prof. Dr. Guy Beaucamp, PD André Bertram, Prof. Dr. Stefanie Grünewald, Dr. Tim Holzki, Dr. Laurence O’Hara (MPP), Prof. Dr. Anneken Sperr und Luise von Rodbertus. Ohne ihr Zutun und ihren Einsatz sowie ihr Durchhaltevermögen wäre dieses Werk nicht möglich gewesen.
Danken möchten wir ferner dem Richard Boorberg Verlag und vor allem Herrn Hans-Jörn Bury für die Bereitschaft, das Werk in das Verlagsprogramm aufzunehmen und für die Unterstützung vom Beginn der Idee des Handbuchs an bis zu dessen Fertigstellung. Dank gilt nicht zuletzt Dr. Tim Holzki, der mit Geduld und Umsicht das Werk redaktionell zusammenführte und organisierte und dabei von Luise von Rodbertus und den studentischen Mitarbeitern Jens Elmenhorst, Marie Hadwiger und Bjarne Kruse unterstützt wurde.
Das Werk befindet sich auf dem Rechtsstand vom 01. 05. 2020. Über Hinweise freuen wir uns (sven.eisenmenger@poladium.de, kristin.pfeffer@poladium.de).
Hamburg, im Mai 2020
Prof. Dr. Sven Eisenmenger und Prof. Dr. Kristin Pfeffer
|
Prof. Dr. Guy Beaucamp |
Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg (HAW) |
|
PD André Bertram |
Polizeidirektor, Polizei Hamburg |
|
Prof. Dr. Sven Eisenmenger |
Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg, Forschungsstelle Europäisches und Deutsches Sicherheitsrecht (FEDS) |
|
Prof. Dr. Stefanie Grünewald |
Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg |
|
Dr. Tim Holzki |
Wissenschaftlicher Mitarbeiter, Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg, Forschungsstelle Europäisches und Deutsches Sicherheitsrecht (FEDS) |
|
Dr. Laurence O’Hara, MPP (Harvard) |
Wissenschaftlicher Referent, Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern, Bonn |
|
Prof. Dr. Kristin Pfeffer |
Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg, Forschungsstelle Europäisches und Deutsches Sicherheitsrecht (FEDS) |
|
Luise von Rodbertus |
Ass. iur., wissenschaftliche Mitarbeiterin, Hochschule der Akademie der Polizei Hamburg, Forschungsstelle Europäisches und Deutsches Sicherheitsrecht (FEDS) |
|
Prof. Dr. Anneken Kari Sperr |
Universität Bergen, Norwegen |
|
a. |
auch |
|
a. A. |
andere Ansicht |
|
Abl. |
Amtsblatt der Europäischen Union |
|
a. E. |
am Ende |
|
AEUV |
Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union |
|
a. F. |
alte Fassung |
|
Alt. |
Alternative |
|
AtG |
Atomgesetz |
|
AufenthG |
Aufenthaltsgesetz |
|
BAnz. |
Bundesanzeiger |
|
BDSG |
Bundesdatenschutzgesetz |
|
BeckOK |
Beck’scher Online-Kommentar |
|
BeckRS |
Beck-Rechtsprechung |
|
Begr. |
Begründer |
|
BelgVerfGH |
Belgischer Verfassungsgerichtshof |
|
B/E/R/S |
Beaucamp, Guy/Ettemeyer, Ulrich/Rogosch, Josef Konrad/Stammer, Jens, Hamburger Sicherheits- und Ordnungsrecht – SOG/PolDVG –, 2. Aufl. Stuttgart 2009 |
|
BGB |
Bürgerliches Gesetzbuch |
|
BGBl. |
Bundesgesetzblatt |
|
BGH |
Bundesgerichtshof |
|
BKAG |
Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten |
|
BPolG |
Gesetz über die Bundespolizei |
|
BRDrucks. |
Drucksachen des Deutschen Bundesrates |
|
BremGebBeitrG |
Bremisches Gebühren- und Beitragsgesetz |
|
BT |
Deutscher Bundestag |
|
BTDrucks. |
Drucksachen des Deutschen Bundestages |
|
BürgDrucks. |
Drucksachen der Hamburgischen Bürgerschaft |
|
BVerfG |
Bundesverfassungsgericht |
|
BVerfGE |
Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts |
|
BVerfGK |
Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts |
|
BVerwG |
Bundesverwaltungsgericht |
|
BVerwGE |
Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts |
|
d. h. |
das heißt |
|
DSGVO |
Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27. 04. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung), ABl. EU 2016/L 119/1 |
|
DSRL-JI |
Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27. 04. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates, ABl. EU 2016/L 119/89 |
|
DVBl. |
Deutsches Verwaltungsblatt |
|
Ed. |
Edition |
|
EGMR |
Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte |
|
EL |
Ergänzungslieferung |
|
EMRK |
Europäische Menschenrechtskonvention |
|
ErwGr |
Erwägungsgrund |
|
EU |
Europäische Union |
|
EuGH |
Europäischer Gerichtshof |
|
EUGRCh |
EU-Grundrechte-Charta |
|
EUV |
Vertrag über die Europäische Union |
|
f./ff. |
folgende/fortfolgende |
|
FHH |
Freie und Hansestadt Hamburg |
|
gem. |
gemäß |
|
GewArch |
Gewerbearchiv |
|
GewSchG |
Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen |
|
GG |
Grundgesetz |
|
GGBefG |
Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter |
|
GGBVOHH |
Verordnung über die Sicherheit bei der Beförderung von gefährlichen Gütern und zur Erhöhung des Brandschutzes im Hamburger Hafen |
|
GGVSEB |
Verordnung über die innerstaatliche und grenzüberschreitende Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße, mit Eisenbahnen und auf Binnengewässern |
|
GGVSee |
Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter mit Seeschiffen |
|
GSZ |
Zeitschrift für das Gesamte Sicherheitsrecht |
|
H |
Hessisch (i. V. m. Norm) |
|
HafenSDVO |
Verordnung zur Durchführung des Hafensicherheitsgesetzes (Hamburg) |
|
HafenSG |
Hafensicherheitsgesetz (Hamburg) |
|
h. M. |
herrschende Meinung |
|
HmbDSG |
Hamburgisches Datenschutzgesetz |
|
HmbGebG |
Hamburgisches Gebührengesetz |
|
HmbGebOSiO |
Hamburgische Gebührenordnung für Maßnahmen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit und Ordnung |
|
HmbGVBl. |
Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt |
|
HmbVwVfG |
Hamburgisches Verwaltungsverfahrensgesetz |
|
HmbVwVG |
Hamburgisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz |
|
HRRS |
Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht |
|
Hrsg. |
Herausgeber |
|
HS |
Halbsatz |
|
HV |
Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg |
|
i. d. F. |
in der Fassung |
|
i. d. S. |
in diesem Sinne |
|
IMDG |
International Maritime Code for Dangerous Goods |
|
InfektionsschutzG |
Infektionsschutzgesetz |
|
i. S. d. |
im Sinne des/im Sinne der |
|
ISPS |
International Ship and Port Facility Security Code |
|
i. V. m. |
in Verbindung mit |
|
JA |
Juristische Arbeitsblätter |
|
Jura |
Juristische Ausbildung |
|
JuS |
Juristische Schulung |
|
JZ |
JuristenZeitung |
|
L/D |
Bäcker, Matthias/Denninger, Erhard/Graulich, Kurt (Hrsg.), Lisken/Denninger – Handbuch des Polizeirechts, 6. Aufl. München 2018 |
|
LSA |
Land Sachsen-Anhalt (i. V. m. Norm) |
|
LTDrucks. |
Drucksachen des (Hessischen) Landtages |
|
LuftSiG |
Luftsicherheitsgesetz |
|
m. w. A. |
mit weiteren Ausführungen |
|
m. w. H. |
mit weiteren Hinweisen |
|
m. w. N. |
mit weiteren Nachweisen |
|
NJW |
Neue Juristische Wochenschrift |
|
NordÖR |
Zeitschrift für Öffentliches Recht in Norddeutschland |
|
Nrn. |
Nummern |
|
NRW |
Nordrhein-Westfalen |
|
NStZ |
Neue Zeitschrift für Strafrecht |
|
NuR |
Natur und Recht |
|
NVwZ |
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht |
|
NVwZ-RR |
Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht-Rechtsprechungsreport |
|
o. Ä. |
oder Ähnliches |
|
ÖstVerfGH |
Österreichischer Verfassungsgerichtshof |
|
OLG |
Oberlandesgericht |
|
OWiG |
Gesetz über Ordnungswidrigkeiten |
|
OVG |
Oberverwaltungsgericht |
|
PAuswG |
Personalausweisgesetz |
|
PolDVG |
Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (Hamburg) |
|
PPP |
Public Private Partnership |
|
RAV |
Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. |
|
RFSR |
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts |
|
RGSt |
Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen |
|
RGZ |
Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen |
|
RL |
Richtlinie |
|
Rn. |
Randnummer |
|
Rspr. |
Rechtsprechung |
|
S./s. |
Seite/siehe |
|
SachsAnhVerfG |
Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt |
|
SOG |
Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Hamburg) |
|
sog. |
sogenannte(e/r/s) |
|
SOLAS |
International Convention for the Safety of Life at Sea |
|
Spstr. |
Spiegelstrich |
|
StPO |
Strafprozessordnung |
|
StVO |
Straßenverkehrs-Ordnung |
|
TierSG |
Tierseuchengesetz |
|
TKÜ |
Telekommunikationsüberwachung |
|
u. a. |
unter anderem |
|
UAbs. |
Unterabsatz |
|
u. U. |
unter Umständen |
|
VBlBW |
Verwaltungsblätter für Baden-Württemberg |
|
VerfGH |
Verfassungsgerichtshof |
|
VerwArch |
Verwaltungsarchiv |
|
vgl. |
vergleich(e) |
|
VG |
Verwaltungsgericht |
|
VGH |
Verwaltungsgerichtshof |
|
VKO |
Hamburger Vollstreckungskostenordnung |
|
VO |
Verordnung |
|
VRS |
Verkehrsrechtssammlung |
|
vs. |
lat. versus (gegen/im Gegensatz zu etwas stehend) |
|
VwGO |
Verwaltungsgerichtsordnung |
|
WaffG |
Waffengesetz |
|
WÜK |
Wiener Übereinkommen über Konsularische Beziehungen |
|
ZAR |
Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik |
|
z. B. |
zum Beispiel |
|
ZD |
Zeitschrift für Datenschutz |
|
Ziff. |
Ziffer |
|
ZPO |
Zivilprozessordnung |
|
ZPol |
Zeitschrift für Politikwissenschaft |
|
z. T. |
zum Teil |
|
zul. |
zuletzt |
|
ZUR |
Zeitschrift für Umweltrecht |
1
Befasst man sich in der Ausbildung, im Studium oder in der Praxis mit dem Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht, so gilt es zunächst, das Gebiet einzugrenzen und abzugrenzen. Der Grund hierfür liegt nicht nur darin, eine Arbeitsgrundlage für die Kommunikation zu schaffen, sondern auch darin, dass sich aus der Bestimmung des Gebietes die Inhalte eines Handbuchs zum Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht ableiten.
2
Die Konkretisierung erfolgt vom Allgemeinen zum Besonderen. Insofern ist zunächst an der Dreiteilung zwischen Öffentlichem Recht, Privatrecht und Strafrecht anzusetzen. Das Öffentliche Recht fokussiert auf alle Rechtsbeziehungen im Verhältnis Staat-Privat oder Staat-Staat, wobei dies auf staatlicher Seite Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung sowie auf privater Seite natürliche Personen oder Personengesellschaften und juristische Personen sein können.1 In der klassischen polizeilichen Situation geht es hierbei z. B. um polizeiliche Platzverweise gegenüber Bürgern (§ 12 a SOG), um Sicherstellungen von Sachen (§ 14 SOG) bis hin zu Ingewahrsamnahmen (§ 13 SOG). Abzugrenzen vom Öffentlichen Recht ist das Privatrecht, bei dem es um das gesamte Recht im Verhältnis Privat-Privat geht, also z. B. um Kaufrecht, Mietrecht, Werkvertragsrecht, Gesellschaftsrecht etc. Soweit der Staat am Wirtschaftsleben als Nachfrager (z. B. Käufer von Sachmitteln) oder ggf. sogar als unternehmerischer Anbieter teilnimmt (z. B. kommunale Stadtwerke), finden sowohl öffentlich-rechtliche als auch privatrechtliche Regelungen Anwendung.2 Das Strafrecht wiederum behandelt – wie das Öffentliche Recht – Rechtsfragen im Verhältnis Staat-Privat, hier aber speziell mit dem Ziel der Sanktionierung des Verhaltens von Privaten insbesondere mit Geld- und Freiheitsstrafen, z. B. bei Verstößen gegen das Strafgesetzbuch.3 An der Schnittstelle von Öffentlichem Recht und Strafrecht liegt das Recht der Ordnungswidrigkeiten, im Rahmen dessen Private ggf. ein Bußgeld entrichten müssen.
3
Das Polizeirecht ist Teil des Öffentlichen Rechts. Es beschreibt das Handeln der Polizei in den Fällen der Gefahrenabwehr (präventives Handeln). Ziel ist der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wie § 3 Abs. 1 SOG belegt. Die Polizei ist zur Gefahrenabwehr in allen unaufschiebbaren Fällen befugt (§ 3 Abs. 2 Satz 1 lit. a SOG). Zum Hamburger Polizeirecht gehört mithin das Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG), das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) und das Hafensicherheitsgesetz (HafenSG). Dabei handelt es sich um die wichtigsten Rechtsgrundlagen auf Hamburger Landesebene, die nachfolgend kommentiert werden. Selbstverständlich kommen weitere Rechtsgrundlagen hinzu, wie z. B. die vom Senat erlassene Verordnung über das Verbot des Führens von Waffen und gefährlichen Gegenständen. Daneben existiert eine Vielzahl von Befugnissen nach Bundesgesetzen (z. B. im Versammlungsgesetz) oder in Bundesverordnungen (z. B. in der Straßenverkehrsordnung), die aber nicht Gegenstand des spezifischen Hamburger Polizeirechts im Sinne des Handbuchs sind. Soweit die Polizei im Übrigen repressiv handelt, also Maßnahmen zur Strafverfolgung nach der Strafprozessordnung ergreift, handelt es sich nicht um Polizeirecht im beschriebenen – präventiven – Sinn, sondern um Strafverfahrensrecht in repressiver Hinsicht. Das Strafrecht ist nicht Gegenstand des Handbuchs, zumal es sich auch nicht um spezifisches Hamburger Recht handelt. Hier kann der Leser problemlos auf bestehende Literatur zurückgreifen.4
4
Das Ordnungsrecht ist auch Teil des Öffentlichen Rechts. Es beschreibt ebenso alles Handeln in Fällen der Gefahrenabwehr (präventives Handeln). Ziel ist auch hier der Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, wie § 3 Abs. 1 SOG belegt. Der Unterschied liegt zum polizeilichen Handeln darin, dass hier nicht die Polizei, sondern die sonstigen Verwaltungsbehörden zur Gefahrenabwehr befugt sind, also gem. § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Verwaltungsbehörden insbesondere die Bezirksämter und Fachbehörden. Das SOG grenzt dies insoweit ein, als dass die Verwaltungsbehörden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr „im Rahmen ihres Geschäftsbereichs“ treffen können (§ 3 Abs. 1 SOG). Zum Ordnungsrecht, das sich im hier verstandenen Sinn auf alles Recht der Verwaltungsbehörden zum präventiven Schutz der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung bezieht, gehören zuvörderst das SOG und auch hier eine Vielzahl weiterer landesrechtlicher Vorschriften (man denke nur an das Landesbaurecht). Darüber hinaus existiert eine erhebliche Anzahl von Befugnisgrundlagen auf Bundesebene, wie z. B. im Wirtschaftsüberwachungsrecht mit der Gewerbeordnung.5
5
Geht man vom internationalen über den europäischen zum nationalen Rahmen, so sind SOG, PolDVG und HafenSG wie folgt eingebettet: Aus dem Rechtskreis des Internationalen Rechts ist insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention zu erwähnen, die den Rahmen für das Polizei- und Ordnungsrecht bildet. Zwar decken sich die menschenrechtlichen Standards der EMRK mit den grundrechtlichen Standards. Gleichwohl ist es aber wegen der zusätzlichen Gerichtszuständigkeit des EGMR nicht ausgeschlossen, dass Entscheidungen mit Blick auf Deutschland ergehen, die neue oder andere Abwägungen sowie Aspekte hervorbringen und letztlich auch Einfluss auf das Polizeirecht sowie die Polizeiarbeit nehmen können. Insoweit sei beispielhaft auf die Kennzeichnung von Polizeibeamten im Rahmen geschlossener Einsätze verwiesen.6
6
Europarechtlich ist es das Recht der Europäischen Union, das primärrechtlich die Rahmenbedingungen für den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) setzt, ebenso wie aufgrund des Richtlinien- und Verordnungsrechts sekundärrechtlich erheblichen Einfluss auf das Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht nimmt, man denke nur an die Richtlinie (EU) 2016/680 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr (DSRL-JI)7. Das Recht der Europäischen Union genießt gegenüber dem nationalen Recht sogar Anwendungsvorrang.
7
Verfassungsrechtlich setzt das Grundgesetz (GG) zusammen mit der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg die entscheidenden Eckpfeiler, so bereits durch die Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Ländern in Sachen Gefahrenabwehr, vor allem aber auch durch die Staatsstrukturprinzipien (z. B. durch das Rechtsstaatsprinzip) und nicht zuletzt durch die Grundrechte.
8
Das Hamburger Polizei- und Ordnungsrecht ist stets im Kontext dieser Rechtskreise zu betrachten. Entsprechend der Normenpyramide wird nachfolgend – vor der Kommentierung des SOG, des PolDVG und des HafenSG – zunächst das Unionsrecht (A.II.) und sodann das Verfassungsrecht (A.III.) erläutert. Die EMRK (Stufe Bundesgesetz) wird ggf. ergänzend im Rahmen des Verfassungsrechts eingeflochten, da sie hier als Auslegungshilfe der grundgesetzlichen Normen herangezogen wird.
9
Der „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (RFSR)8 ist in den letzten Jahren in das Zentrum der europäischen Politik gerückt und hat sich zu einem der am schnellsten wachsenden und dynamischsten Politikfelder entwickelt.9 Die schrittweise Einrichtung eines „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (RFSR) war der Europäischen Union (EU) als neues Ziel durch den Vertrag von Amsterdam (in Kraft getreten am 01. 05. 1999)10 vorgegeben worden, Art. 61 (Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) EGV. Hierdurch sollten Akzeptanz und Vertrauen in die EU gestärkt werden.
Die Verpflichtung der Union zu dessen Schaffung „sollte den Sorgen und Ängsten vieler Unionsbürger vor den Risiken Europas, vor der Öffnung der nationalen Grenzen [und] der europaweiten Freizügigkeit (…) Rechnung tragen. Die Union sollte gezielt und mit ausdrücklichem Auftrag auch den Gefahren des von ihr errichteten Raumes ohne Binnengrenzen mit (…) Mio. Einwohnern entgegentreten“11.
10
Eine Verwirklichung des RFSR wird angesehen als „einer der anschaulichsten Belege für den Übergang vom Europa der Wirtschaft zu einem politischen Europa, das im Dienst seiner Bürger steht“12.
11
Für die Zusammenarbeit im Bereich Polizei und Justiz löste der Vertrag von Lissabon (in Kraft getreten am 01. 12. 2009)13 einen Paradigmenwechsel aus:
12
Vor dessen Inkrafttreten war die Zusammenarbeit im Bereich Polizei und Justiz rein intergouvernementaler Natur und basierte auf völkerrechtlichen Verträgen: Der Vertrag von Maastricht (in Kraft getreten am 01. 11. 1993)14 hatte für die EU eine Drei-Säulen-Struktur geschaffen. Neben der „Europäischen Gemeinschaft“ und der „Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik“ umfasste die dritte Säule das Politikfeld „Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz“. Rechtsetzungsaktivitäten der EU waren für die Justiz- und Innenpolitik noch ausdrücklich ausgeschlossen worden. Gemeinsame Gesetze konnten deshalb nur durch eigene völkerrechtliche Verträge (sog. Übereinkommen oder Konventionen) geschlossen werden, welche von allen nationalen Parlamenten der Mitgliedstaaten ratifiziert werden mussten. Im Vertrag von Amsterdam (in Kraft getreten am 01. 05. 1999) wurde dann als einziges Politikfeld der dritten Säule die „Polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (PJZS)“ zugeordnet. Innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren war die Schaffung eines „Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (RFSR) vorgesehen, Art. 61 EGV.
13
Mit dem Vertrag von Lissabon wurde die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen vollwertiger Bestandteil der EU. Ziele, Grundsätze und den institutionellen Rahmen für diese Zusammenarbeit in der EU enthält seither der Vertrag über die Europäische Union (EUV). Bisherige Bestimmungen des EG-Vertrages wurden in den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) überführt und um neue Regelungen ergänzt. EUV und AEUV sind gleichrangig und bilden zusammen nunmehr das sog. EU-Primärrecht, d. h. die EU-Verfassung. Die EU hat die Europäische Gemeinschaft ersetzt, sie ist deren Rechtsnachfolgerin i. S. d. Art. 1 Abs. 3 Satz 2 EUV.
14
Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (RFSR) wird in Titel V, Art. 67 bis 89 AEUV geregelt. Kernelemente des RFSR sind die polizeiliche Zusammenarbeit, Art. 87 bis 89 AEUV und die Justizzusammenarbeit in Strafsachen, Art. 82 bis 86 AEUV. Einige der noch in der rein intergouvernementalen Phase der Zusammenarbeit im Bereich Polizei und Justiz geschlossenen völkerrechtlichen Verträge, wie etwa das sog. Schengener Durchführungsabkommen15 (SDÜ), der sog. Prümer Vertrag16 sowie weitere Verträge zwischen den EU-Mitgliedstaaten, wurden in den Rechtsrahmen der EU übergeleitet und inzwischen überwiegend durch neuere EU-Regelungen ersetzt. Andere völkerrechtliche Verträge, wie etwa das Europäische Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20. 04. 195917 und das Europäische Auslieferungsübereinkommen vom 13. 12. 195718, sind weiterhin eigenständige völkerrechtliche Verträge, die auf der Ebene des Europarats angesiedelt sind und damit bereits räumlich über die EU hinauswirken. Für die EU-Mitgliedstaaten wurden diese Europaratsübereinkommen teilweise durch weiterreichende Vereinbarungen ersetzt.19
15
Hinter dem Begriff „Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ (RFSR) verbirgt sich zum einen eine politische Idee, aber auch ein vertragliches Vorhaben und ein bereits vorhandener Normbestand.20 Wie sich bereits aus den Erwägungen in der Präambel des EUV ergibt, handelt es sich dabei nicht allein um ein Komplementär zu dem Vertragsziel Binnenmarkt, d. h. also nicht lediglich um einen Ausgleich dafür, dass Kapital, Waren und Personen die Grenzen schneller und einfacher passieren sollen, sondern vielmehr um die unmittelbare Konsequenz des Bekenntnisses der Mitgliedstaaten zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit in diesem Stadium der Integration:21
„(…) in Bestätigung ihres Bekenntnisses zu den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Rechtsstaatlichkeit, (…) entschlossen, die Freizügigkeit unter gleichzeitiger Gewährleistung der Sicherheit ihrer Bürger durch den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Vertrags und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union zu fördern, (…)“.
16
Das große Gewicht des Vertragsziels eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ergibt sich zudem aus dem Umstand, dass dieses Ziel in Art. 3 Abs. 2 EUV zu den Hauptzielen der EU gerechnet wird und auf gleicher Ebene mit dem gemeinsamen Binnenmarkt genannt wird. Hierin spiegelt sich die Entwicklung der EU von einer reinen Wirtschaftsgemeinschaft hin zu einer immer engeren Union und einer verfassten Wertegemeinschaft wider.22 Es ist die Konsequenz aus der Erkenntnis, dass es auf Dauer nicht möglich ist, die grenzüberschreitenden Freiheiten wesentlich zu erhöhen, ohne parallel Sicherheit und Recht grenzüberschreitend zu entwickeln.23
17
Dabei handelt es sich bei dem RFSR nicht um drei Räume, sondern um einen einzigen Raum, in dem jeweils die Prinzipien der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts gleichermaßen gelten. Diese drei Prinzipien stehen in einer Wechselbeziehung und bedingen einander. Einzelne Politiken des RFSR lassen sich daher regelmäßig nicht nur einem dieser drei Prinzipien zuordnen,24 sondern sind allen dreien verpflichtet.25 Der RFSR kann danach als einheitliches Gebiet der Reisefreiheit und Personenfreizügigkeit, vgl. auch Art. 3 Abs. 2 EUV, bezeichnet werden, in dem sich Personen zum einen ungehindert von Grenzkontrollen, zum anderen aber auch sicher vor kriminalitätsbedingten Gefahren bewegen können.26 Außerdem soll eine grenzüberschreitende Sicherstellung des Rechtszugangs durch gegenseitige Anerkennung von Gerichtsentscheidungen gewährleistet werden. Das Prinzip der gegenseitigen Anerkennung (dazu näher A.II.1.e.) wird generell zur Grundlage gerichtlicher Kooperation.27
18
Die strategischen Leitlinien für die gesetzgeberische und operative Programmplanung im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts legt der Europäische Rat fest, Art. 68 AEUV.
19
Das Prinzip der Freiheit ist zum einen bestimmt vom freien Personenverkehr innerhalb der EU auf der Grundlage des sog. Schengen-Acquis, Art. 67 Abs. 2, Art. 77 Abs. 1 lit. a AEUV.28 Personenkontrollen sollen an den Binnengrenzen, unabhängig von der Staatsangehörigkeit, nicht stattfinden. An den Außengrenzen der Union sollen einheitliche Standards für deren Sicherheit gelten. Das Prinzip der „Freiheit“ enthält aber mehr als nur die Bewegungsfreiheit oder den Verweis auf die Freizügigkeit.29 Das Prinzip der Freiheit wird insbesondere geprägt vom Schutz der Grundrechte, etwa der Privatsphäre. Dabei soll es um den Schutz der Grundrechte auf europäischer Ebene und um die Bekämpfung jeglicher Diskriminierungen gehen.
Gem. Haager Programm (2005–2010) umfasst der „Raum“ – neben Materien wie freier Personenverkehr, Visumpolitik, EU-Politik an den Außengrenzen, Schengenraum, Einwanderung, Asyl – auch justizielle Zusammenarbeit in Zivil- und Handelssachen, justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, Koordinierung der Drogenpolitik, Unionsbürgerschaft, Datenschutz, Grundrechte, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Zusammenarbeit zwischen Polizei- und Zollbehörden, Verbrechensvorbeugung, Kampf gegen das organisierte Verbrechen, Außenbeziehungen, Erweiterung aus der Perspektive von Justiz und Innerem.30
20
Durch die Schaffung der Freizügigkeit mit kontrollfreien Grenzüberschreitungen wächst die Gefahr, dass auch parallel die Kriminalität grenzüberschreitenden, nicht mehr verfolgbaren Charakter annimmt.31 Um hier einem Missbrauch der Personenfreizügigkeit zu begegnen und die innere Sicherheit trotz Wegfalls der Grenzkontrollen zu erhalten, sind insbesondere flankierende sicherheitsrelevante Maßnahmen zur Prävention und Repression besonders schwerer, grenzüberschreitender Kriminalitätsformen, wie sie in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV aufgelistet sind, zu treffen.32 Einige bisher bereits ergriffene Maßnahmen betreffen Außengrenzkontrollen, Visapolitik, Regelungen von Asyl und Migration sowie den der Kriminalitätsbekämpfung und Terrorabwehr. Gem. Art. 72 AEUV (sog. „Ordre-public-Vorbehalt“) bleibt jedoch, auch nach dem Vertrag von Lissabon, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit in den Mitgliedstaaten alleinige Kompetenz der Mitgliedstaaten selbst. Auch der Vertrag von Lissabon begründet keine eigene polizeiliche Exekutive der EU (vgl. näher dazu A.II.1.g.).
21
Im Stockholmer Programm (2010–2014) formuliert der Europäische Rat seine Strategie der inneren Sicherheit im RFSR.
Er betont, dass „die Verstärkung von Maßnahmen auf europäischer Ebene in Verbindung mit einer besseren Koordinierung auf regionaler und nationaler Ebene für den Schutz vor transnationalen Bedrohungen von wesentlicher Bedeutung sind. Unter anderem sind Terrorismus und organisierte Kriminalität, Drogenhandel, Korruption, Menschenhandel, Schleusung sowie illegaler Waffenhandel weiterhin Herausforderungen für die innere Sicherheit der Union. Die grenzüberschreitende weitverbreitete Kriminalität ist mittlerweile eine dringende Herausforderung, die ein deutliches und umfassendes Handeln erfordert. Mit den Maßnahmen der Union sollen die von den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten durchgeführten Arbeiten verstärkt und deren Ergebnisse verbessert werden.“33
22
In seiner aktuellen Agenda für die EU 2019–2024 hat der Europäische Rat als eine Hauptpriorität den „Schutz der Bürgerinnen und Bürger und der Freiheiten“ benannt.34
23