Die Autorinnen und Autoren
Dr. med. Matthias Bender, geb. 1961, Studium der Literaturwissenschaft, Philosophie, Chemie und Medizin, ist Lehrbeauftragter am Klinikum der Philipps-Universität Marburg. Seit 2017 ist er Ärztlicher Direktor des Vitos Klinikums Kurhessen, zuvor ab 2008 tätig als Chefarzt der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Hadamar und Weilmünster. Zudem ist er Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Psychoedukation.
Priv.-Doz. Dr. med. Peter M. Wehmeier, geb. 1963, Studium der Medizin an der Universität Marburg und an der Duke University, ist Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Er ist stellv. Klinikdirektor bei Vitos Hochtaunus und lehrt an der Medizinischen Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg.
Maja Illig, geb. 1985, studierte von 2005–2009 an der Universität Koblenz-Landau Diplom-Pädagogik. Seit ihrem Studienabschluss arbeitete sie sowohl ambulant als auch stationär in der psychiatrischen Klinik Hadamar und zuletzt im Kreisklinikum Siegen und seit 2020 im Schulsozialdienst.
Adriane Helfrich, geb. 1977, examinierte Krankenschwester, studierte von 2000–2005 an der Fachhochschule Wiesbaden Soziale Arbeit. Danach hat sie viele Jahre als Sozialarbeiterin im Maßregelvollzug (Hadamar) gearbeitet. Seit 2012 arbeitet sie in der Psychiatrie Hadamar und leitet die Gruppe »Stress am Arbeitsplatz«.
Illustrationen: Deborah Bess Bender, Studentin der Kunstgeschichte an der Philipps-Universität Marburg.
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1. Auflage 2021
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-037166-8
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-037167-5
epub: ISBN 978-3-17-037168-2
mobi: ISBN 978-3-17-037169-9
»Ora et labora«, der Wahlspruch des Heiligen Benedikt von Nursia (um 540 n. Chr.) vor fast 1500 Jahren, macht deutlich, welch zentrale Bedeutung der Arbeit in der Geschichte der Menschheit schon immer zukam. Auch wenn uns nicht immer nach »labora« zumute ist, so stellt der ordentlich bezahlte Broterwerb ganz unbestritten eine wesentliche Säule unserer Selbstverwirklichungsmöglichkeiten dar. Arbeit bedeutet Struktur, ermöglicht unseren Schaffenskräften eine konstruktive Ausrichtung, sichert unseren Lebensunterhalt und eröffnet eine Vielzahl von relevanten Sozialkontakten.
Gleichzeitig kann eine schlecht vergütete Arbeit unter menschenunwürdigen Rahmenbedingungen auch zum »Vorhof der Hölle« mutieren, wie zahlreiche Negativbeispiele aus verarmten Entwicklungsländern uns immer wieder vor Augen führen. Aber auch vor unserer »High-Tech«-Haustüre mit vermeintlichen Bilderbucharbeitsplätzen spielen sich oft Dramen ab, wenn Menschen sich überfordert fühlen und sich täglich mit Versagensängsten zur Arbeit schleppen müssen.
Und damit sind wir »in medias res«, was die Arbeit für Menschen mit psychischen Erkrankungen anbelangt. Viele von ihnen wünschen sich nichts sehnlicher als eine ihren wahren Fähigkeiten entsprechende Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt, die sie auf der Basis ihres Könnens vor ihrer Erkrankung sicher hätten ausfüllen können. Aber gerade darin manifestiert sich das Dilemma, dass die meisten psychisch kranken Menschen zwar ein sehr ähnliches Kompetenzniveau wie viele ihrer gesunden Mitbürgerinnen und Mitbürger hätten, aber krankheitsbedingt im Augenblick oftmals nicht ihre frühere Belastbarkeit, Schnelligkeit und Durchhaltefähigkeit abrufen können. Unter Zeitdruck geraten sie dann fast regelmäßig in eine für sie aussichtslose Situation, fühlen sich überfordert, wirken unflexibel und rigide und »bremsen« aus Sicht der gesunden Leistungsträger den Betrieb. Demotivation, Resignation, lange Ausfallszeiten und schließlich die Kündigung sind die üblichen Folgen.
Die radikale Gleichbehandlung psychisch kranker Arbeitnehmer mit ihren nicht erkrankten Altersgenossen hinsichtlich Belastbarkeit und Durchhaltefähigkeit wäre ein völlig falsches Verständnis von Gleichberechtigung und Inklusion. Diesem krankheitsimmanenten Handicap einer geringeren Stress- und Daueranspannungstoleranz muss durch ein kluges und psychophysiologisch entsprechend adaptiertes Arbeitsplatzsetting Rechnung getragen werden. Andernfalls kommt es zu einer enormen Ressourcenvergeudung, wertvolles Arbeitspotenzial bleibt ungenutzt und vorzeitige Berentungen beenden dann oft jäh viele hoffnungsvoll gestartete Lebenspläne.
Was wir brauchen, sind »Nischen«, um die Talente und besonderen Begabungen hinsichtlich Kreativität, Originalität bei gleichzeitiger Sensibilität und Verletzlichkeit entsprechend einsetzen und nutzen zu können. Viele psychisch kranke Menschen sind wahre Lebenskünstler, die ihre individuellen Freiräume wie die Luft zum Atmen brauchen, um ihre jeweiligen Begabungen ausleben zu können. Die wenigsten von ihnen sind die geborenen Fließband-Spezialisten, die auf Abruf und punktgenau die geforderte Leistung dauerhaft erbringen können. Wenn sie aber ihre Produktivität an ihre persönliche Vulnerabilität und den daraus resultierenden »endogenen« Schwankungen anpassen, wenn sie rechtzeitig eine Auszeit nehmen können, um später – z. B. im Falle einer bipolaren Veranlagung – mit doppeltem Eifer wieder vieles nachzuholen, dann werden sie zu sehr wertvollen und bereichernden Mitgliedern jeglicher Belegschaft.
Wie das funktionieren soll? Durch eine konzertierte Kraftanstrengung von Krankenkassen, Rentenversicherungsträgern und Arbeitnehmern muss es zu einem Umdenken in der Arbeitsplatzpolitik für psychisch kranke Mitbürgerinnen und Mitbürger kommen! Das bisherige »Alles-oder-Nichts«-Denken stürzt viele Erkrankte in eine anhaltend frustrierende Überforderungssituation, in der sie sich letztendlich als Verlierer erleben, die trotz guter bis sehr guter Qualifikation und Motivation keine Chance haben auf dem ersten Arbeitsmarkt. Entweder man ist dem »normalen« Anforderungsprofil hinsichtlich Dauerstabilität und Dauerbelastbarkeit gewachsen, oder man wird an den zweiten Arbeitsmarkt verwiesen. Dieser ist selbstverständlich für sehr viele psychisch kranke Menschen ein wahrer Segen, wenn die Erkrankung ein gewisses Ausmaß überschritten und die Recovery-Kräfte für eine Reintegration an vorderster Front zumindest im Augenblick nicht ausreichen.
Aber viele Patientinnen und Patienten würden gerne weiterhin ihrer zum Teil hochqualifizierten Tätigkeit nachgehen, allerdings in einem etwas reduzierten und angepassten Tempo. In einem Münchner Modellversuch wurde unter der Prämisse »100-50-75« diese Problematik berücksichtigt (Bäuml et al. 2020). Ein Patient mit Beamtenstatus litt unter einer chronischen Depression, so dass ihm eine Frühpensionierung im vierten Lebensjahrzehnt nahegelegt wurde, was aber in keinster Weise seiner Lebensplanung entsprach. In Rahmen einer Sonderregelung mit der zuständigen Behörde und der Pensionskasse wurde dann folgendes Konzept umgesetzt: Der Patient war ganztägig in der Behörde, sein Arbeitspensum wurde aber auf 50 % reduziert bei einem Gehalt von 75 % der früheren Bezugshöhe, eine »Win-Win«-Situation für alle Beteiligten! Der Stellenschlüssel der Behörde wurde insofern aufgewertet, als sie eine Halbtagsstelle erhielten mit einer Person, die ganztägig in der Behörde war, was sich bei Krankheits- und Urlaubsvertretungen als sehr vorteilhaft erwies. Die Pensionskasse musste statt der 60 % Vergütung im Falle einer Frühpensionierung nur 25 % zur Gesamtfinanzierung der Stelle beitragen. Und der Patient war rundherum glücklich, da er nun in »seinem« Tempo das reduzierte Arbeitspensum spielend erledigen konnte, ohne wieder in die frühere Überforderungssituation zu geraten. Er hat später geheiratet, eine Familie gegründet, eine Eigentumswohnung erworben und ist noch immer ein sehr geschätzter Mitarbeiter in seiner Behörde.
Was hat das alles mit PeBaS zu tun? Weil dieses Manual »Psychoedukation zur Bewältigung von arbeitsplatzbezogenem Stress – PeBaS« eine psychoedukativ ausgerichtete Gebrauchsanweisung darstellt für alle Arbeitnehmer mit einer psychischen Erkrankung! Es hilft, im interaktiven Austausch mit Profis jeglicher Couleur und anderen Schicksalsgenossen neue Wege zu finden und die »Fallstricke« und »Tücken« der verschiedenen Arbeitsplätze kennen zu lernen, um sich taktisch klug dagegen zu wappnen und erfolgreich auf dem Arbeitsplatz zu behaupten. Das oberste Ziel hierbei besteht darin, die eigene Haut so »teuer wie möglich« zu verkaufen. Wer weiß, was er wert ist, der wird auch sein Selbstbewusstsein und seine Arbeitsfreude steigern. Und wer seinen eigenen Wert steigern kann, der wird auch seine eigene Produktivität und damit den Mehrwert seiner Firma steigern.
Deshalb ist diese Lektüre auch allen Arbeitgebern wärmstens ans Herz zu legen, damit sie besser verstehen, welchen »Schatz« sie oftmals an Bord haben und was sie selbst unternehmen können, um dieses Potenzial zum Segen für beide Seiten zu nutzen.
In diesem Sinne ist diesem Manual eine sehr weite und rasche Verbreitung zu wünschen.
Prof. Dr. med. Josef Bäuml
Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Psychoedukation (DGPE)
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Klinikum rechts der Isar
Technische Universität München
Zahlreiche Studien und Analysen kamen in den letzten Jahren zu dem Schluss, dass psychische Belastungen vor dem Hintergrund des Wandels der Arbeitswelt zunehmen. Stress, Arbeitsverdichtung und Leistungsdruck, aber auch Unterforderung gehören für viele Arbeitstätige zum Berufsalltag. Die Zunahme von Fehltagen aufgrund psychischer Erkrankungen, insbesondere aus dem Spektrum affektiver Störungen, ist ebenso drastisch wie die gestiegene Anzahl an Erwerbsminderungsrenten aus demselben Grund. Seit 1997 haben sich Fehltage im Zusammenhang mit Depressionen oder Anpassungsstörungen mehr als verdreifacht (DAK Gesundheit 2019). Arbeitsbezogene Belastungen werden von den Betroffenen meist als die Hauptursache für depressive Störungen genannt. Dabei spielen insbesondere eine hohe Arbeitsbelastung, geringe soziale Unterstützung, Konflikte am Arbeitsplatz, geringer Entscheidungsspielraum und Gratifikationskrisen eine Rolle. Da im Arbeitsleben zunehmend Flexibilität und sozial-kommunikative Fähigkeiten gefordert sind, werden entsprechende Einschränkungen in diesen Bereichen vor allem bei Menschen mit psychischen Störungen und vulnerablen Personen immer sichtbarer. Damit ist psychische Gesundheit am Arbeitsplatz eines der ganz großen Gesundheitsprobleme unserer Zeit. Dem wird auch Ausdruck gegeben durch die Tatsache, dass die WHO im ICD-11 das Phänomen Burnout erstmals als Syndrom definiert, welches im Zusammenhang steht mit Fehlbelastungen am Arbeitsplatz. In den letzten Jahren sind effektive und spezifische Interventionen für arbeitstätige psychisch erkrankte Menschen in den Fokus gerückt, zu denen es bislang allerdings kaum spezifische Konzepte und Untersuchungen gibt.
Das vorliegende Psychoedukationsprogramm zur Bewältigung von arbeitsplatzbezogenem Stress stößt in diese Lücke. Ich freue mich besonders, dass in diesem Buch erstmals ein stationäres Arbeitsstressprogramm im Rahmen eines gemeindepsychiatrischen Versorgungskonzepts ausführlich und praxisnah vorgestellt wird. Transdiagnostisch ausgerichtet und modular als Gruppentherapie aufgebaut, um von Arbeitsstress betroffene Patienten zur Selbsthilfe zu befähigen, entspricht es den Anforderungen an einen modernen und ökonomischen Interventionsansatz. Die Autoren haben mit großer therapeutischer Kompetenz ein intensives stationäres Gruppenkonzept entwickelt, das klinisch überzeugend ist. Sie stellen dabei das praktische Vorgehen so gut elaboriert und stets untermauert mit begleitenden Arbeitsmaterialien dar, dass auch in der Gruppentherapie weniger erfahrene Kollegen sich eine Umsetzung zutrauen können. Über die reine Informationsarbeit hinaus (z. B. »Was passiert bei Stress?« oder »Wo finde ich Ansprechpartner in Hilfsorganisationen?«), vermittelt das Programm gezielt Fertigkeiten zum Umgang mit Arbeitsstress. Dazu gehören eine verbesserte zwischenmenschliche Kommunikation am Arbeitsplatz, effektives Stress-Management sowie eine ausgewogene Work-Life-Balance. Im Gesundheitswesen braucht es mehr Institutionen, die das Thema »Bewältigung von Arbeitsstress« in ihre Versorgungsleistung integrieren und mittels evidenz-basierten Programmen adressieren.
Das vorliegende Manual ist mit seinen Zusatz- und Vertiefungsmodulen zu aktuellen Themen wie »Migrationshintergrund« oder »Sucht am Arbeitsplatz« mehr als die Beschreibung eines Psychoedukationsprogramms. Ich wünsche den Autoren mit diesem Buch eine lebendige Rezeption in der Fachwelt und eine wohlverdiente weite Verbreitung!
Prof. Dr. phil Elisabeth Schramm
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Freiburg
»Meine Arbeit wäre freie Lebensäußerung, daher Genuß des Lebens. Unter der Voraussetzung des Privateigentums ist sie Lebensentäußerung, denn ich arbeite, um zu leben, um mir ein Mittel des Lebens zu verschaffen. Mein Arbeiten ist nicht Leben.«
Karl Marx zum Thema Äußerung und Entäußerung (1844)
Ausgehend von der Erfahrung im klinischen Alltag, dass Patienten ihre Situation in der prägenden Lebenswelt Arbeit oft zum drängenden Thema machen, war es unsere Absicht, ein Psychoedukationsprogramm zur Stressregulation zu entwickeln, das sowohl die krankheitsverursachenden als auch die krankheitsbedingten Probleme am Arbeitsplatz berücksichtigt. Wir glauben, mit diesem Manual für die Psychoedukation zur Bewältigung von arbeitsplatzbezogenem Stress (PeBaS) ein solches Programm entwickelt zu haben.
Die Intervention schon in der Akutbehandlung integriert die primär und sekundär präventiven und rehabilitativen Aspekte, die den Transfer der therapeutischen Ansätze und Erfolge vom stationären in das ambulante Setting erleichtern unter salutogenetischer Perspektive auf den so bedeutsamen Lebensbereich Arbeit.
PeBaS versteht sich in dem medizinhistorischen Kontext, nach dem schon immer die konflikthafte Anpassung an neue Arbeitsverhältnisse Menschen – und nicht erst seit der industriellen Revolution – in psychische Grenzsituationen wie auch Erkrankungen gebracht haben – von der reizbaren Schwäche in der Neurasthenie bis zu dem, was heute oft als »Burnout« bezeichnet wird (Burisch 2010).
Zudem ist für das PeBaS-Konzept die soziologische Perspektive auf die Veränderungen in der heutigen Arbeitswelt ein wichtiger Verständniszugang für die Anpassungsherausforderungen an das Individuum. Die Kritik am Taylorismus, die Ausbreitung des tertiären Sektors, die Globalisierung, Digitalisierung und Beschleunigung führten zu einem Formwandel der Arbeitswelt hin zur Subjektivierung und Entgrenzung der Arbeit.
In den Zeitverhältnissen und Prozessen der Beschleunigung sieht der Soziologe Hartmut Rosa die »treibende Kraft der Moderne« (Rosa 2005, 2012). Räumliche und zeitliche Grenzen lösen sich in der heutigen Arbeitswelt zunehmend auf. Die Selbstverwirklichungs- und Selbstbestimmungsansprüche der arbeitenden Bevölkerung werden enttäuscht, weil sie in eine bloße Managementstrategie mit Zielvereinbarungen zur Steigerung der Produktivität umgeschlagen sind. To-Do-Listen, Deadlines und Projektzeitpläne sowie Maßnahmenpläne (»Steckbriefe mit Meilensteinen«) kommen im Alltag der Menschen an und werden internalisiert, als wären sie Folge eines Naturgesetzes und nicht sozial konstruierte Normen – und damit veränderbar.
Dabei geht es uns nicht darum, Arbeit zu pathologisieren. Bei aller Berücksichtigung von gesundheitsschädigenden Konstellationen, die z. B. einer Burnout-Dynamik Vorschub leisten, realisiert PeBaS den Anspruch, die Arbeit als Ressource zu begreifen und zu erhalten oder wiederherzustellen. Vor dem Hintergrund der drei großen Klassen von wissenschaftlich fundierten Stresstheorien (Reaktions-, Stimulus- und transaktionelle Konzepte) und dem für die Psychoedukation grundlegenden Vulnerabilitäts-Stress-Bewältigungsmodell wurden die spezifischen aufklärenden und übenden Ansätze von PeBaS entwickelt.
Die früher der stationären Rehabilitation vorbehaltene Thematik »arbeitsplatzbezogener Stress« sollte in die stationäre und teilstationäre Akutbehandlung integriert werden, wofür PeBaS in seiner kurzen, prägnanten und modularen Form ein angemessenes therapeutisches Instrument darstellt. Die fünf Module sind eine gute Basis für die weitere Ausdifferenzierung in Richtung störungs- und indikationsspezifischer Zusatzmodule, von denen wir beispielhaft in dem vorliegenden Band einige dargestellt haben.
Das vorliegende modulare Psychoedukationsprogramm zur Bewältigung von arbeitsplatzbezogenem Stress (PeBaS) hat sich bereits seit mehreren Jahren in einigen psychiatrischen Fachkrankenhäusern und Abteilungen im klinischen Alltag sehr gut bewährt. Zudem ist PeBaS von der Deutschen Gesellschaft für Psychoedukation (DGPE) in das Handbuch der Psychoedukation als empfohlener Standard aufgenommen worden (Bäuml et al. 2016; Bender et al. 2016). Im Rahmen der Schulungs- und Implementierungsworkshops hat sich die Eignung von PeBaS nicht nur zur Behandlung von Patienten, sondern auch für die präventive Unterstützung der Mitarbeitenden gezeigt. Daher ist geplant, PeBaS in Kombination mit dem Selbstmanagement-Selbsttest (SMST) auch im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) in den Hessischen Vitos-Einrichtungen einzusetzen. Wir hoffen, dass die Thematik »arbeitsplatzbezogener Stress« mit der Publikation dieses Manuals weite Verbreitung findet und vor allem bei Patienten, die sich wegen Stress mit Bezug zum Arbeitsplatz in psychiatrische bzw. psychosomatische Behandlung begeben, von diesem Ansatz profitieren und eine nachhaltige Unterstützung ihrer Salutogenese erfahren.
Matthias Bender, Peter M. Wehmeier, Maja Illig und Adriane Helfrich
In einer Arbeitswelt, die sich durch Beschleunigung und zunehmende Arbeitsverdichtung in den letzten Jahren verändert hat, sind arbeitsplatzbezogener Stress und die daraus resultierenden psychischen Erschöpfungserscheinungen zu einem immer häufiger beklagten und vieldiskutierten Phänomen geworden (Rosa 2005; BGFF 2010; Rosa 2012; Berger et al. 2012; Siegrist 2015). Steigende Krankenstände aufgrund psychischer Erkrankungen sind ein Beleg für diese Entwicklung, die sowohl von der Wirtschaft als auch vom Gesundheitswesen mit Sorge betrachtet werden ( Kasten 1.1).
• Entwicklung zur Dienstleistungsgesellschaft
• Beschleunigung und Verdichtung der Arbeitsabläufe
• Mangelnde Gratifikation von Normalleistungen, Anerkennung zunehmend nur für besondere Erfolge oder außerordentliche Leistungen (»genug ist nicht genug«)
• Subjektivierung und Entgrenzung der Arbeit
• Zunehmende Bedeutung von »Soft Skills«
• Technischer Fortschritt, gerade in der Telekommunikation
• Digitalisierung als Kulturprozess mit veränderten professionellen Identitäten
• Telearbeit (»Homeoffice«), Wegfall der integrierenden, persönlichen Teaminteraktion
• Globalisierung: räumliche und zeitliche Grenzen lösen sich auf
• Veränderte Beschäftigungsverhältnisse (z. B. Zeitarbeit)
• Diskontinuität der Arbeit: Intensivierung, Flexibilisierung, Individualisierung
• Verschiebung des Belastungsspektrums: körperliche Belastung → psychosoziale Belastung
Sowohl in den Medien als auch in der Fachliteratur hat das Thema arbeitsplatzbezogener Stress auch vor dem Hintergrund der Diskussion um das »Burnout-Syndrom« eine enorme Aufwertung erfahren (Maslach et al. 1996; Stark und Sandmeyer 2001; Meichenbaum 2003; Kaschka 2011; Schaarschmidt 2012). Die weite Verbreitung dieser Bezeichnung für etwas, das nichts anderes ist als eine Depression (Bianchi et al. 2016), hat erheblich zur Sensibilisierung für das Thema Depression sowie zur Entstigmatisierung dieser Erkrankung beigetragen (z. B. das Deutsche Bündnis gegen Depression e. V.). Viele Betriebe haben arbeitsmedizinische Maßnahmen entwickelt, die Ausfällen von Mitarbeitern wegen psychischer Erkrankungen im Sinne der Prävention zuvorkommen sollen. In diesem Zusammenhang soll auch die Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung (GB psych) erwähnt werden ( Kasten 1.2). Die GB psych ist inzwischen ein vieldiskutiertes Thema im Bereich von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit (DGUV 2013) und zeigt, dass immer mehr Betriebe sich dieses Themas annehmen, nicht zuletzt weil die GB psych seit 2013 in Deutschland durch das Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben ist. Viele Betriebe haben im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) Mindeststandards in Bezug auf Angebote zur Bewältigung von arbeitsplatzbezogenem Stress eingeführt, nicht zuletzt wegen zunehmender Fehlzeiten wegen psychischer Erkrankungen (Badura et al. 2017). Die staatlich geförderte »Initiative Neue Qualität der Arbeit« (INQA) bietet ebenfalls Hilfestellungen zur Vermeidung von Stress bei der Arbeit an (www.inqa.de). Viele Menschen finden nicht selten über das Thema »Stress am Arbeitsplatz« erstmals den Weg zur Behandlung ihrer seelischen Erkrankung und viele Erschöpfte versuchen ihre Ressourcen zu stärken und ihre Selbstmanagementkompetenz zu verbessern (Kahl und Winter 2017; Kawohl und Rössler 2018).
• Arbeit
• Arbeitsweg
• ständige Erreichbarkeit
• Teilnahme am Straßenverkehr
• Finanzen
• Haushalt
• hoher Selbstanspruch
• Kinder
• zu viele Termine und Verpflichtungen in der Freizeit
• Konflikte mit Angehörigen
• Betreuung eines pflegebedürftigen Angehörigen
• schwere Krankheit eines Nahestehenden
Stressoren, die heute im Bereich der Arbeit eine Rolle spielen, haben in den letzten Jahren zugenommen und nehmen auch weiter zu (Lohmann-Haislah 2012; Unger 2014). Dabei spielen soziale Konflikte am Arbeitsplatz (z. B. mit Kollegen oder mit Vorgesetzten), Angst vor Ausgrenzung, Über- bzw. Unterforderung, befristete Arbeitsverträge, Leiharbeit, drohende Arbeitslosigkeit als Stressoren eine wichtige Rolle. Aber nicht nur zu viel Arbeit bedeutet Stress. Auch zu wenig Arbeit oder gar keine Arbeit zu haben, bedeutet ebenfalls in den meisten Fällen Stress für die Betroffenen. Auch diese Art von Stress kann zu psychischer Erschöpfung bzw. bei entsprechender Vulnerabilität zur Krankheitsmanifestation führen ( Kasten 1.3).
• Überforderung durch immer raschere Veränderung
• Arbeitsplatzunsicherheit
• schlechte Arbeitsbedingungen
• Arbeit trotz Krankheit (»Präsentismus«)
• zunehmende Fehlzeiten
• verlängerte Dauer der Arbeitsunfähigkeit
• höheres Risiko für psychische Erkrankungen
• Verlust der Arbeitsstelle
Das Thema arbeitsplatzbezogener Stress bzw. psychische Gesundheit am Arbeitsplatz hat inzwischen internationale Bedeutung erhalten ( Kasten 1.4), so dass sich auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit diesem Themenkomplex befasst (Baumann und Muijen 2010) und die psychiatrische bzw. ergotherapeutische Forschung sich dieses Themas angenommen hat (Hees et al. 2013).
Psychische Belastungen
neue Anforderungen, ständige Veränderung, Beschleunigung, Zeitdruck, häufige Unterbrechungen, geringe Entscheidungsmöglichkeiten, emotional belastende Tätigkeiten, wenig Kontrolle, geringe Belohnung, unklare persönliche Ziele, hohes Engagement bei wenig Anerkennung, Wertkonflikte, Verausgabung
Soziale Belastungen
wenig Unterstützung durch das soziale Umfeld, schlechte Kommunikation, unklare Anweisungen, unklare Rollenzuweisungen, mangelnde Einbeziehung oder Beteiligung, wenig Fairness, zwischenmenschliche Konflikte, Belästigung, Zusammenbruch des Gemeinschaftsgefühls
Belastungen durch Arbeitsplatz und Organisation
anderen Menschen helfende Tätigkeiten, hohe Arbeitsbelastung, hohe Anforderungen, monotone Arbeit, unzureichende Information, unklare Ziele in der Organisation, betriebliche Umstrukturierung, unsichere Arbeitsstelle, unfreundliches Betriebsklima, Drangsalierung, Gewalt
Aber was ist Stress eigentlich? Letztendlich besteht sowohl in der Alltagssprache als auch in der Wissenschaftssprache keine genaue Definition dessen, was mit dem Wort »Stress« gemeint ist. Mit diesem Wort bezeichnen wir oft die auslösenden Bedingungen von Stress, beispielsweise Zeit- oder Leistungsdruck. Oft meinen wir aber auch unsere Reaktion auf diese auslösenden Bedingungen, beispielsweise das Gefühl, angespannt zu sein oder unter Druck zu stehen. Während gute Definitionen von Begriffen wie »Stress« manchmal schwer zu finden sind, kann man getrost davon ausgehen, dass so gut wie jeder Mensch recht genau weiß, was Stress für sie oder ihn bedeutet und was für unangenehme Gefühle mit Stress einhergehen ( Tab. 1.1).
Tab. 1.1: Vier Ebenen der Stressreaktion