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V E R F O L G T

 

(EIN RILEY PAIGE KRIMI – BAND #9)

 

 

 

B L A K E   P I E R C E

 

Blake Pierce

 

Blake Pierce ist die Autorin der Bestseller RILEY PAIGE Krimi Serie, die bisher zehn Bücher umfasst. Blake Pierce ist außerdem die Autorin der MACKENZIE WHITE Krimi Serie, bestehend aus bisher sechs Büchern; von der AVERY BLACK Krimi Serie, bestehend aus bisher fünf Büchern; und der neuen KERI LOCKE Krimi Serie, die bisher aus vier Büchern besteht.

Blake Pierce ist eine begeisterte Leserin und schon ihr ganzes Leben lang ein Fan des Krimi und Thriller Genres. Blake liebt es von Ihnen zu hören, also besuchen Sie www.blakepierceauthor.com und bleiben Sie in Kontakt!

 

Copyright © 2017 Blake Pierce Alle Rechte vorbehalten. Außer durch eine Genehmigung nach dem U.S. Copyright Act von 1976, darf kein Teil dieses Buches ohne ausdrückliche Genehmigung der Autorin vervielfältigt, vertrieben oder in irgendeiner Form übermittelt, in Datenbanken oder Abfragesystemen gespeichert werden. Dieses E-Book ist nur für ihren persönlichen Gebrauch lizenziert. Es darf nicht weiterverkauft oder an Dritte weitergegeben werden. Wenn Sie dieses Buch mit anderen teilen möchten, erwerben Sie bitte für jeden Empfänger eine zusätzliche Kopie. Wenn Sie dieses Buch lesen, aber nicht gekauft haben, oder es nicht für Sie gekauft wurde, geben Sie es bitte zurück und erwerben Sie eine eigene Kopie. Vielen Dank, dass Sie die harte Arbeit der Autorin respektieren. Dieses Buch ist eine fiktive Geschichte. Namen, Charaktere, Unternehmen, Organisationen, Orte, Ereignisse und Vorfälle sind von der Autorin frei erfunden oder werden fiktiv verwendet. Ähnlichkeiten mit echten Personen, lebendig oder verstorben, sind zufällig. Copyright Umschlagsbild dlsk, genutzt unter der Lizenz von Shutterstock.com

BÜCHER VON BLAKE PIERCE

 

RILEY PAIGE KRIMI SERIE

VERSCHWUNDEN (Band #1)

GEFESSELT (Band #2)

ERSEHNT (Band #3)

GEKÖDERT (Band #4)

GEJAGT (Band #5)

VERZEHRT (Band #6)

VERLASSEN (Band #7)

ERKALTET (Band #8)

VERFOLGT (Band #9)

VERMISST (Band #10)

 

MACKENZIE WHITE KRIMI SERIE

BEVOR ER TÖTET (Band #1)

BEVOR ER SIEHT (Band #2)

BEVOR ER BEGEHRT (Band #3)

BEVOR ER NIMMT (Band #4)

BEVOR ER BRAUCHT (Band #5)

BEVOR ER FÜHLT (Band #6)

 

AVERY BLACK KRIMI SERIE

GRUND ZU TÖTEN (Band #1)

GRUND ZU FLÜCHTEN (Band #2)

GRUND ZU VERSTECKEN (Band #3)

GRUND ZU FÜRCHTEN (Band #4)

GRUND ZU RETTEN (Band #5)

 

KERI LOCKE KRIMI SERIE

EINE SPUR VON TOD (Band #1)

EINE SPUR VON MORD (Band #2)

EINE SPUR VON LASTER (Band #3)

EINE SPUR VON VERBRECHEN (Band #4)

Inhalt

 

 

PROLOG

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

KAPITEL ZWÖLF

KAPITEL DREIZEHN

KAPITEL VIERZEHN

KAPITEL FÜNFZEHN

KAPITEL SECHZEHN

KAPITEL SIEBZEHN

KAPITEL ACHTZEHN

KAPITEL NEUNZEHN

KAPITEL ZWANZIG

KAPITEL EINUNDZWANZIG

KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG

KAPITEL DREIUNDZWANZIG

KAPITEL VIERUNDZWANZIG

KAPITEL FÜNFUNDZWANZIG

KAPITEL SECHSUNDZWANZIG

KAPITEL SIEBENUNDZWANZIG

KAPITEL ACHTUNDZWANZIG

KAPITEL NEUNUNDZWANZIG

KAPITEL DREIẞIG

KAPITEL EINUNDDREIẞIG

KAPITEL ZWEIUNDDREIẞIG

KAPITEL DREIUNDDREIẞIG

KAPITEL VIERUNDDREIẞIG

KAPITEL FÜNFUNDDREIẞIG

KAPITEL SECHSUNDDREIẞIG

KAPITEL SIEBENUNDDREIẞIG

KAPITEL ACHTUNDDREIẞIG

KAPITEL NEUNUNDDREIẞIG

KAPITEL VIERZIG

KAPITEL EINUNDVIERZIG

KAPITEL ZWEIUNDVIERZIG

KAPITEL DREIUNDVIERZIG

KAPITEL VIERUNDVIERZIG

KAPITEL FÜNFUNDVIERZIG

KAPITEL SECHSUNDVIERZIG

 

 

PROLOG

 

Colonel Dutch Adams sah auf seine Uhr, während er durch Fort Nash Mowat ging. Es war Punkt 0500. Es war ein dämmriger Aprilmorgen in Südkalifornien und alles schien so zu sein, wie es sein sollte.

Er hörte die Stimme einer Frau laut rufen: "Der Garnisonskommandant ist anwesend!"

Er drehte sich um und sah ein Trainingszug bei dem Befehl des weiblichen Ausbildungsoffiziers stramm stehen. Colonel Adams hielt inne und erwiderte den Salut, bevor er weiterging. Er ging ein wenig schneller als zuvor, in der Hoffnung, der Aufmerksamkeit eines weiteren Sergeants zu entkommen. Er wollte die Truppen nicht unterbrechen, die sich in ihren Übungsbereichen versammelten.

Sein Gesicht zuckte ein wenig. Nach all den Jahren war er immer noch nicht daran gewöhnt, eine weibliche Stimme Befehle brüllen zu hören. Selbst der Anblick einer gemischten Truppe überraschte ihn manchmal. Die Armee hatte sich deutlich verändert, seit er als Teenager rekrutiert worden war. Er mochte viele diese Änderungen nicht.

Während er weiterging, hörte er die Rufe der Ausbildungsoffiziere, männlich und weiblich, die ihre Truppen in Formation brachten.

Die haben keinen Biss mehr, dachte er.

Er würde niemals die Beleidigungen vergessen, die sein eigener Ausbildungsoffizier vor all den Jahren von sich gegeben hatte – die grausamen Beschimpfungen gegen Familie und Vorfahren, die Schimpfwörter und Obszönitäten.

Er lächelte ein wenig. Dieser Bastard Sergeant Driscoll!

Driscoll war vor vielen Jahren gestorben – nicht im Kampf, wie er es vermutlich bevorzugt hätte, sondern an einem Herzinfarkt, ausgelöst durch hohen Blutdruck. Damals war hoher Blutdruck eine Berufskrankheit von Ausbildungsoffizieren.

Colonel Adams würde Driscoll nie vergessen und soweit es ihn betraf, war das der Lauf der Dinge. Ein Ausbildungsoffizier sollte einen bleibenden Eindruck für den Rest des Lebens bei einem Soldaten hinterlassen. Er sollte ein lebendes Beispiel für die schlimmste Art von Hölle sein, die das Leben eines Soldaten zu bieten hatte. Sergeant Driscoll hatte definitiv einen lebenslangen Eindruck bei Colonel Adams hinterlassen. Würden die Ausbilder unter seiner Führung hier im Fort Nash Mowat einen ähnlich starken Eindruck bei den Rekruten hinterlassen?

Er bezweifelte es.

Zu viel verdammte politische Korrektheit, dachte er.

Diese Verweichlichung stand jetzt sogar im Ausbildungshandbuch der Armee.

"Stress, der durch physische oder verbale Misshandlung ausgelöst wird, ist nicht produktiv und verboten."

Er schnaubte abfällig, als er an diese Worte dachte.

"Was für ein Blödsinn", murmelte er vor sich hin.

Aber die Armee hatte sich seit den 90er Jahren in diese Richtung bewegt. Er wusste, dass er mittlerweile daran gewöhnt sein sollte. Aber das würde er wohl nie sein.

Wie auch immer, er würde sich nicht mehr lange damit beschäftigen müssen. Er war nur ein Jahr von seiner Pensionierung entfernt und sein letztes Ziel war es, bis dahin Brigadegeneral zu werden.

Plötzlich wurde Adams durch einen ungewöhnlichen Anblick von seinen Gedanken abgelenkt.

Die Rekruten von Truppenzug 6 gingen ziellos in ihrem Übungsbereich umher, manche mit Aufwärmübungen beschäftigen, andere sich locker unterhaltend.

Colonel Adams hielt inne und rief:

"Soldaten! Wo zum Teufel ist euer Sergeant?"

Nervös standen die Rekruten stramm und salutierten.

"Rührt euch", sagte Adams. "Wird mir jetzt jemand meine verdammte Frage beantworten?"

Ein weiblicher Rekrut meldete sich zu Wort.

"Wir wissen nicht, wo Sergeant Worthing ist, Sir."

Adams traute seinen Ohren nicht.

"Was wollen Sie damit sagen, Sie wissen es nicht?" verlangte er.

"Er ist nicht zur Truppenformation aufgetaucht, Sir."

Adams knurrte grimmig.

Das klang überhaupt nicht nach Sergeant Clifford Worthing. Tatsächlich war Worthing einer der wenigen Ausbildungsoffiziere, die Adams wirklich gebrauchen konnte. Er war ein harter Knochen der alten Schule – oder zumindest wollte er das sein. Er kam oft in Adams' Büro und beschwerte sich, dass die Regeln ihn einschränkten.

Trotzdem wusste Adams, dass Worthing die Regeln so weit bog, wie er nur konnte. Manchmal beschwerten sich die Rekruten über seine strengen Befehle und verbalen Beleidigungen. Diese Beschwerden freuten Adams.

Aber wo war Worthing jetzt?

Adams bahnte sich einen Weg durch die Rekruten zu der Kaserne, wo er durch die Bettreihen ging, bis er Worthings Büro erreichte.

Er klopfte hart an die Tür.

"Worthing, sind Sie da drin?"

Niemand antwortete.

"Worthing, hier ist Ihr Kommandant und wenn Sie da drin sind, dann sollten Sie jetzt besser antworten."

Wieder antwortete niemand.

Adams drehte den Türknauf und stieß die Tür auf.

Das Büro war penibel aufgeräumt – aber niemand war dort.

Wo zur Hölle ist er hin? fragte Adams sich.

War Worthing überhaupt heute Morgen auf dem Stützpunkt aufgetaucht?

Dann bemerkte er das RAUCHEN VERBOTEN Schild an der Wand.

Er erinnerte sich, dass Worthing rauchte.

Konnte der Ausbildungsoffizier zum Rauchen rausgegangen sein?

"Nein, das kann nicht sein", grummelte Adams laut.

Worthing hätte nicht vergessen, dass die Truppenformation anstand.

Trotzdem trat Adams aus dem Büro und ging zum Hintereingang der Kaserne.

Er öffnete die Tür und starrte in das frühe Morgenlicht.

Er musste nicht lange suchen.

Sergeant Worthing hockte mit seinem Rücken an der Kasernenwand, eine ausgebrannte Zigarette im Mundwinkel.

"Worthing, was zum Teufel …?" knurrte Adams.

Dann schreckte er vor dem zurück, was er sah.

Auf Adams' Augenhöhe war ein großer, nasser Fleck an der Wand.

Von diesem Fleck führte eine Spur bis zu der Stelle, an der Worthing hockte.

Dann sah Adams das dunkle Loch in der Mitte von Worthings Kopf.

Es war eine Schusswunde.

Die Eintrittswunde war winzig, aber die Austrittswunde hatte den Großteil von Worthings Schädel weggerissen. Der Mann war erschossen worden, während er stehend am frühen Morgen eine Zigarette rauchte. Der Schuss war so sauber gewesen, dass der Sergeant sofort tot gewesen war. Selbst die Zigarette in seinem Mund blieb unberührt.

"Gütiger Himmel", murmelte Adams. "Nicht schon wieder."

Er sah sich um. Ein großes, leeres Feld erstreckte sich hinter der Kaserne. Der Schuss war aus großer Entfernung abgegeben worden. Das hieß, dass er von einem geübten Scharfschützen gekommen sein musste.

Adams schüttelte ungläubig den Kopf.

Sein Leben, das wusste er, würde sehr kompliziert werden – und äußerst ärgerlich.

 

KAPITEL EINS

 

Riley Page sah aus dem offenen Fenster ihres Stadthauses. Es war ein angenehmer Frühlingstag, einer dieser Tage mit singenden Vögeln und blühenden Blumen. Die Luft roch klar und frisch. Und doch zog eine lauernde Dunkelheit an ihr.

Sie hatte das seltsame Gefühl, dass all diese Schönheit schrecklich zerbrechlich war.

Deshalb hielt sie ihre Hände locker an ihrer Seite, als wäre sie in einem Porzellanladen und eine einzige falsche Bewegung könnte etwas Schönes und Teures zerbrechen. Oder vielleicht war dieser perfekte Nachmittag nur eine hauchdünne Illusion, die bei der kleinsten Berührung zerfallen würde, um zu enthüllen …

Was? fragte Riley sich.

Dass die Dunkelheit eine Welt voll Schmerz und Angst und Bösem war?

Oder dass die Dunkelheit in ihrem eigenen Verstand existierte – eine Dunkelheit von zu vielen hässlichen Gedanken und Geheimnissen?

Eine Mädchenstimme unterbrach ihre Gedanken.

"Woran denkst du, Mom?"

Riley drehte sich um. Ihr wurde klar, dass sie für einen Moment die anderen Menschen in ihrem Wohnzimmer vergessen hatte.

Jilly hatte sie angesprochen, das schlaksige dreizehn Jahre alte Mädchen, das Riley gerade versuchte zu adoptieren.

"Nichts Besonderes", erwiderte Riley.

Ihr gut aussehender ehemaliger Nachbar Blaine Hildreth lächelte sie an.

"Du schienst auf jeden Fall weit weg zu sein", sagte er.

Blaine war gerade mit seiner Tochter Crystal angekommen.

Riley sagte, "Ich nehme an, ich habe mich gefragt, wo April ist."

Es bereitete ihr Sorgen. Rileys fünfzehnjährige Tochter war noch nicht von der Schule nach Hause gekommen. Wusste April nicht, dass sie bald zum Abendessen in Blaines Restaurant gehen wollten?

Crystal und Jilly grinsten sich schelmisch an.

"Oh, sie wird bald hier sein", sagte Jilly.

"Ich wette, sie kommt jede Minute", fügte Crystal hinzu.

Riley fragte sich, ob die Mädchen etwas wussten, das ihr entgangen war. Sie hoffte, dass April nicht in irgendwelchen Schwierigkeiten steckte. April hatte eine rebellische Phase durchgemacht und vor einigen Monaten fürchterliche Traumata durchlebt. Aber es schien ihr jetzt viel besser zu gehen.

Dann sah Riley die anderen an und fühlte einen schuldigen Stich.

"Blaine, Crystal – ich habe euch noch gar nichts zu Trinken angeboten! Ich habe Ginger Ale da. Und einen Bourbon, wenn du magst, Blaine."

"Ginger Ale wäre nett, danke", sagte Blaine.

"Für mich auch bitte", sagte Crystal.

Jilly schickte sich an, von ihrem Stuhl aufzustehen.

"Ich hole welches", sagte Jilly.

"Oh, nein, lieb von dir", sagte Riley. "Aber ich mache das schon."

Riley ging direkt in die Küche, froh etwas zu tun zu haben. Erfrischungen zu servieren wäre normalerweise Gabrielas Aufgabe, Rileys Haushälterin aus Guatemala. Aber Gabriela hatte frei und besuchte Freunde. Gabriela gab Riley manchmal das Gefühl, verwöhnt zu sein und es war eine nette Abwechslung, einmal selber für Getränke zu sorgen. Es hielt Rileys Gedanken außerdem in der Gegenwart.

Sie goss Ginger Ale ein, nicht nur für Crystal und Blaine, auch für sich und Jilly.

Als sie das Tablett mit den Gläsern zurück ins Wohnzimmer trug, hörte Riley, wie sich die Haustür öffnete. Dann hörte sie Aprils Stimme, die mit jemandem sprach, den sie mitgebracht hatte.

Riley reichte gerade ihren Gästen die Getränke, als April, gefolgt von einem Jungen in ihrem Alter, hereinkam. Sie sah überrascht zu Blaine und Crystal.

"Oh!" keuchte April. "Ich habe nicht erwartet––"

Dann wurde sie puterrot.

"Oh mein Gott, das habe ich vollkommen vergessen! Wir gehen heute aus! Es tut mir so leid!"

Jilly und Crystal kicherten. Jetzt verstand Riley ihre Belustigung. Sie wussten bereits, dass April einen neuen Freund hatte und zu beschäftigt mit ihm war, als dass sich sie an das Abendessen erinnert hätte.

Ich weiß noch, wie das war, dachte Riley, als sie sich ein wenig wehmütig an ihre eigenen Schwärme als Teenager erinnerte.

Erfreut, dass April ihn mitgebracht hatte um ihn vorzustellen, unterzog Riley den Jungen einer schnellen Beurteilung. Sie mochte sofort, was sie sah. Wie April, war er groß, schlaksig, und sah recht ungelenk aus. Er hatte leuchtend rote Haare, Sommersprossen, funkelnde blaue Augen und ein nettes Lächeln.

April sagte, "Mom, das ist Liam Schweppe. Liam, das ist meine Mom."

Liam bot Riley seine Hand an.

"Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mrs. Paige", sagte er.

Seine Stimme hatte das amüsante Quietschen eines Teenagers, das Riley ein Lächeln entlockte.

"Du kannst mich Riley nennen", sagte sie.

April sagte, "Mom, Liam ist––"

April hielt inne, offensichtlich noch nicht bereit zu sagen "mein neuer Freund."

Stattdessen sagte sie, "Er ist der Kapitän des Highschool Schachteams."

Rileys Belustigung wuchs mit jeder Minute.

"Ich nehme also an, du bringst April das Schachspielen bei", sagte sie.

"Ich versuche es", sagte Liam.

Riley konnte ein leises Lachen nicht unterdrücken. Sie war eine recht passable Schachspielerin und sie hatte jahrelang versucht, Aprils Interesse an dem Spiel zu wecken. Aber April hatte immer nur mit den Augen gerollt und Schach für zu uncool gehalten – eine "Mom-Sache" die sie auf keinen Fall interessieren würde.

Ihre Einstellung schien sich geändert zu haben, jetzt, wo ein niedlicher Junge mit von der Partie war.

Riley lud Liam ein, sich zu den anderen zu setzen.

Sie sagte zu ihm, "Ich würde dir etwas zu trinken anbieten, aber wir wollten gerade aufbrechen, um zum Abendessen zu gehen."

"Das Abendessen, das April total vergessen hat", sagte Liam, während sein Grinsen ein wenig breiter wurde.

"Das stimmt", sagte Riley. "Warum kommst du nicht mit?"

Aprils Wangen wurden noch röter.

"Oh, Mom …" fing sie an.

"'Oh, Mom' was?", fragte Riley.

"Ich bin sicher, dass Liam schon was anderes vorhat", sagte April.

Riley lachte. Sie bewegte sich offenbar wieder in dem 'uncoole Mom' Bereich. April war bereit gewesen Liam vorzustellen, aber ein Familienessen ging dann doch zu weit.

"Was meinst du, Liam?", fragte Riley.

"Klingt super, danke", sagte Liam. "Wo gehen wir hin?"

"Blaine's Grill", sagte Riley.

Liams Augen leuchteten auf.

"Oh, wow! Ich habe tolle Sachen von dem Laden gehört!"

Jetzt war es an Blaine Hildreth zu grinsen.

"Danke", sagte er zu Liam. "Ich bin Blaine. Mir gehört das Restaurant."

Liam lachte.

"Cooler und cooler!", sagte er.

"Dann kommt, lasst uns gehen", sagte Riley.

 

*

 

Kurze Zeit später genoss Riley ein köstliches Abendessen mit April, Jilly, Blaine, Crystal und Liam. Sie saßen auf der Terrasse von Blaine's Grill und erfreuten sich an herrlichem Wetter und tollem Essen.

Riley sprach mit Liam über Schach und diskutierte einige Spieltaktiken. Sie war von seinem Wissen über das Spiel beeindruckt. Sie fragte sich, wie sie sich wohl in einer Partie mit ihm schlagen würde. Vermutlich würde sie verlieren. Sie war zwar eine gute Spielerin, aber er war bereits Kapitän des Schachteams, obwohl er erst in seinem zweiten Jahr an der Highschool war. Außerdem hatte sie in letzter Zeit nur wenig Gelegenheit zum Spielen gehabt.

Er muss wirklich gut sein, dachte sie.

Der Gedanke freute sie sehr. Riley wusste, dass April schlauer war, als sie selber dachte und es war gut, dass sie einen Freund hatte, der sie intellektuell fordern konnte.

Während sie und Liam sich unterhielten, fragte Riley sich, was wohl aus April und ihm werden würde. Es waren nur noch zwei Monate bis zum Ende des Schuljahres. Würden sie über den Sommer das Interesse aneinander verlieren? Riley hoffte, dass das nicht der Fall sein würde.

"Was hast du für den Sommer geplant, Liam?", fragte Riley.

"Ich gehe zum Schach-Camp", sagte Liam. "Tatsächlich bin ich dort Junior Coach. Ich habe versucht, April zu überreden mitzukommen."

Riley sah zu April.

"Warum gehst du nicht mit, April?", fragte sie.

April wurde wieder rot.

"Ich weiß nicht", sagte sie. "Ich dachte eigentlich an ein Fußball-Camp. Das wäre vielleicht eher was für mich. Das Schach-Camp ist wahrscheinlich zu hoch für mich."

"Nein, absolut nicht!", sagte Liam. "Da sind Spieler auf jedem Niveau – auch einige, die gerade erst anfangen das Spiel zu lernen, so wie du. Und es ist direkt hier in Fredericksburg, also müsstest du nicht mal von zu Hause weg."

"Ich denke darüber nach", sagte April. "Erst mal muss ich mich auf meine Noten konzentrieren."

Riley war froh, dass Liam April nicht von der Schule abzulenken schien. Trotzdem wünschte Riley sich, April würde mit zu diesem Schach-Camp gehen. Aber sie wusste, dass sie nicht drängen durfte. Das würde es vermutlich wieder in eine 'uncoole Mom'-Sache verwandeln. Es war besser, es Liam zu überlassen, sie zu überreden.

In jedem Fall war Riley froh, April so glücklich zu sehen. Mit ihren dunklen Haaren und braunen Augen sah April manchmal erstaunlich erwachsen aus. Riley erinnerte sich, dass sie Aprils Namen ausgewählt hatte, weil es ihr Lieblingsmonat war. Und Tage wie dieser machten ihn dazu.

Blaine sah von seinem Essen auf.

Er sagte, "Also, erzähl uns von dieser Auszeichnung, die du morgen bekommst, Riley."

Jetzt war es an Riley, ein wenig rot zu werden.

"Das ist keine große Sache", sagte sie.

Jilly protestierte lautstark.

"Und ob das eine große Sache ist!", rief sie. "Es ist die Beharrlichkeitsauszeichnung und sie bekommt sie, weil sie diesen alten Fall gelöst hat. Der Boss vom ganzen FBI wird ihn ihr geben."

Blaines Augen wurden groß.

"Du meinst Direktor Milner selbst?", fragte er.

Riley war jetzt wirklich peinlich berührt und lachte unsicher auf.

"Das ist nicht so beeindruckend, wie es klingt", sagte sie. "Es ist schließlich keine große Reise für ihn, nach Quantico zu kommen. Er arbeitet gleich hier von DC aus, wisst ihr."

Blaines Mund blieb vor Bewunderung offen stehen.

Jilly sagte, "Blaine, April und ich haben freibekommen, damit wir sehen können, wie sie die Auszeichnung bekommt. Du und Crystal solltet auch kommen."

Blaine und Crystal sagten beide, dass sie gerne dabei wären.

"Okay", sagte Riley, die immer noch ein wenig beschämt war. "Ich hoffe, ihr langweilt euch nicht. Wie auch immer, das ist nicht das größte Ereignis morgen. Jilly ist der Star des Schultheaterstücks morgen Abend. Das ist viel wichtiger."

Jetzt wurde Jilly rot.

"Ich bin nicht der Star, Mom", sagte sie.

Riley lachte bei Jillys plötzlicher Bescheidenheit.

"Du spielst eine der Titelrollen! Du bist Persephone – in einem Stück, das Demeter und Persephone heißt. Warum erzählst du uns nicht die Geschichte?"

Jilly fing an die Geschichte des griechischen Mythos zu erzählen – erst noch schüchtern, aber bald mit mehr Enthusiasmus. Riley schaute ihr erfreut zu. Eines ihrer Mädchen lernte Schach zu spielen, die andere war von griechischer Mythologie begeistert.

Es scheint doch besser zu werden, dachte sie.

Ihre Anstrengungen was Ehe und Familie anging, waren bisher recht holprige Ergebnisse geliefert. Sie hatte kürzlich einen schweren Fehler gemacht, indem sie ihrem Exmann, Ryan, erlaubt hatte, wieder in ihr Leben und das der Mädchen zu kommen. Ryan hatte sich als so unfähig wie zuvor erwiesen, Verantwortung zu übernehmen.

Aber jetzt?

Riley sah zu Blaine und stellte fest, dass er sie bereits ansah. Er lächelte und sie erwiderte das Lächeln. Da war definitiv ein Funke zwischen ihnen. Sie hatten bei ihrem Date im letzten Monat getanzt und sich geküsst – ihr einziges Date bisher. Aber Riley wand sich innerlich, als sie sich daran erinnerte, wie peinlich es geendet hatte – mit ihrer Flucht in einen neuen Fall.

Blaine schien ihr vergeben zu haben.

Aber wo würde es mit ihnen hinführen?

Wieder stieg die lauernde Dunkelheit in Riley auf.

Früher oder später könnte diese Illusion von Familie und Freundschaft der Realität des Bösen weichen – Mord und Grausamkeit und menschliche Monster.

Und sie hatte ein Gefühl, tief in sich, dass das eher früher als später geschehen würde.

 

KAPITEL ZWEI

 

In der vordersten Reihe des Auditorium sitzend, fühlte Riley sich ausgesprochen unwohl. Sie hatte sich zahllosen grausamen Killern gegenübergesehen und niemals ihre Fassung verloren. Aber in diesem Moment war sie kurz vor einer Panikattacke.

FBI Direktor Gavin Milner stand am Podium vor der versammelten Menge. Er sprach über Rileys lange Karriere – insbesondere den Fall, für den sie ausgezeichnet wurde, den "Streichholzbrief-Killer"-Fall.

Riley fand den vornehmen Bariton seiner Stimme sehr angenehm. Sie hatte bisher kaum mit Direktor Milner zu tun gehabt, aber sie mochte ihn. Er war ein schmaler, adretter kleiner Mann mit einem perfekten Schnurrbart. Riley dachte, dass er eher aussah und klang, wie der Dekan für eine Schule der bildenden Künste, als der Kopf von der bedeutendsten Strafverfolgungsbehörde Amerikas.

Riley hatte seinen tatsächlichen Worten allerdings nicht wirklich zugehört. Sie war zu nervös. Aber jetzt, da er zum Ende seiner Rede zu kommen schien, hörte Riley aufmerksamer zu.

Milner sagte, "Wir sind uns alle der Courage, der Intelligenz und der Professionalität auch unter Stress von Spezialagentin Riley Paige bewusst. Sie wurde in der Vergangenheit für diese Qualitäten ausgezeichnet. Aber wir sind heute hier, um sie für etwas anderes zu ehren – ihre Beharrlichkeit und ihre Entschlossenheit Gerechtigkeit walten zu lassen. Dank ihrer Bemühungen wurde ein Mörder, der vor fünfundzwanzig Jahren drei Menschen getötet hat, seiner gerechten Strafe überführt. Wir alle schulden ihr Dank für ihre Leistung – und für ihr Beispiel."

Er lächelte und sah sie direkt an. Er hob das Kästchen mit der Auszeichnung hoch.

Das ist mein Stichwort, dachte Riley.

Ihre Knie waren weich, als sie aufstand und auf die Bühne ging.

Sie trat an das Podium und Milner legte ihr die Medaille um den Hals.

Sie war erstaunlich schwer.

Seltsam, dachte Riley. Die anderen haben sich nicht so angefühlt.

Sie hatte drei solcher Auszeichnungen über die Jahre erhalten.

Aber diese hier war schwerer – und irgendwie anders.

Sie fühlte sich fast falsch an.

Riley war sich nicht sicher, warum.

FBI Direktor Gavin Milner klopfte Riley auf die Schulter und lachte leise.

Er sagte zu Riley in einem Flüstern: "Etwas für die Sammlung, was?"

Riley lachte nervös und schüttelte die Hand des Direktors.

Die Menschen im Auditorium brachen in Applaus aus.

Wieder mit einem leisen Lachen flüsterte Direktor Milner, "Es ist Zeit, sich der Öffentlichkeit zu stellen."

Riley drehte sich herum und war überwältigt von dem, was sie sah.

Es waren mehr Menschen im Auditorium, als ihr klar gewesen war. Und jedes Gesicht war ihr vertraut – ein Freund, ein Familienmitglied, ein Kollege oder jemand, dem sie geholfen oder den sie gerettet hatte.

Alle hatten sich erhoben, lächelten und klatschten.

Rileys Kehle schnürte sich zu und Tränen traten ihr in die Augen.

Sie alle glauben an mich.

Sie war dankbar und berührt – aber sie spürte auch einen schuldigen Stich.

Was würden diese Menschen denken, wenn sie alle ihre dunkelsten Geheimnisse erfuhren?

Sie wussten nichts von ihrer Beziehung mit dem grausamen, aber brillanten Mörder, der aus Sing Sing ausgebrochen war. Sie wussten definitiv nicht, dass dieser Kriminelle ihr geholfen hatte, mehrere Fälle zu lösen. Und sie konnten nicht wissen, wie sehr ihr Leben mit dem von Shane Hatcher verbunden war.

Riley schauderte fast bei dem Gedanken.

Kein Wunder, dass diese Medaille sich schwerer anfühlte als die anderen.

Nein, ich verdiene sie nicht, dachte Riley.

Aber was sollte sie tun – sich umdrehen und sie Direktor Milner zurückgeben?

Stattdessen brachte sie ein Lächeln zustande und stammelte Worte des Dankes. Dann verließ sie vorsichtig die Bühne.

 

*

 

Kurz darauf stand Riley in einem großen, überfüllten Raum, in dem Erfrischungen aufgebaut waren. Es sah aus, als wären die meisten Menschen aus dem Auditorium da. Sie war der Mittelpunkt der Aktivitäten und jeder wollte ihr gratulieren. Sie war dankbar für die stützende Anwesenheit von Direktor Milner, der direkt neben ihr stand.

In der ersten Welle der Gratulanten waren Kollegen – andere Agenten, Spezialisten, Administratoren und Büroarbeiter.

Die meisten freuten sich offensichtlich für sie. Sam Flores zum Beispiel, der Leiter des technischen Analyseteams in Quantico, gab ihr einen stummen Daumen hoch und lächelte aufrichtig, bevor er weiterging.

Aber Riley hatte auch Feinde und sie waren ebenfalls hier. Die jüngste war Emily Creighton, eine recht unerfahrene Agentin, die sich selbst als Rileys Rivalin sah. Riley hatte sie vor einigen Monaten wegen Anfängerfehlern kritisiert und Creighton hatte es ihr übel genommen.

Als Creighton an der Reihe war, um Riley zu gratulieren, zwang die junge Agentin sich zu einem Lächeln mit zusammengebissenen Zähnen, murmelte "Glückwunsch" und ging weiter.

Nach ein paar weiteren Kollegen kam der leitende Spezialagent Carl Walder und trat auf Riley zu. Walder repräsentierte für Riley den typischen Bürokraten. Sie verstanden sich nicht besonders gut. Tatsächlich hatte er sie einige Male suspendiert und sogar gefeuert.

Aber jetzt musste Riley fast über seinen Ausdruck gezwungener Wohltätigkeit ihr gegenüber lachen. Mit Direktor Milner direkt neben ihr wagte Walder nicht, irgendwas anderes als geheuchelten Respekt zu zeigen.

Seine Hand war feucht und kalt als er ihre schüttelte und sie bemerkte Schweißtropfen auf seiner Stirn.

"Eine verdiente Auszeichnung, Agentin Paige", sagte er mit wackeliger Stimme. "Wir sind geehrte, Sie in unserem Team zu haben."

Dann schüttelte Walder die Hand des FBI Direktors.

"Wie nett, dass Sie sich uns angeschlossen haben, Direktor Milner", sagte Walder.

"Mit Vergnügen", sagte Direktor Milner.

Riley beobachtete das Gesicht des Direktors. Bemerkte sie da ein leichtes Grinsen als er Walder zunickte? Sie war sich nicht sicher. Aber sie wusste, dass Walder im Büro nicht außerordentlich respektiert wurde, weder von seinen Untergebenen, noch von seinen Vorgesetzten.

Nachdem ihr auch der letzte Kollege aus Quantico gratuliert hatte, wühlte die nächste Welle von Gratulanten tiefe Emotionen auf. Da waren Menschen, die sie während ihrer Karriere getroffen hatte – Familienmitglieder von Mordopfern oder Menschen, die sie davor bewahrt hatte, selber zum Opfer zu werden. Riley hatte nicht erwartet, sie hier zu sehen, vor allem nicht so viele von ihnen.

Der Erste war ein gebrechlich wirkender, alter Mann, den sie im letzten Januar vor einer verrückten Giftmischerin gerettet hatte. Er ergriff Rileys Hand mit seinen und sagte mit tränenerstickter Stimme immer wieder "Danke, Danke, Danke."

Riley konnte die eigenen Tränen nicht zurückhalten.

Dann kamen Lester und Eunice Pennington und ihre Tochter Tiffany. Im Februar war Tiffanys ältere Schwester, Lois, von einem kranken jungen Mann ermordet worden. Riley hatte die Penningtons seit dem Abschluss des Falls nicht mehr gesehen. Riley konnte kaum glauben, dass sie hier waren. Sie erinnerte sich an sie verstört und voller Trauer. Aber sie lächelten durch ihre Tränen, glücklich für Riley und dankbar für die Gerechtigkeit, die sie ihnen gegeben hatte.

Während Riley ihnen gerührt die Hände schüttelte, fragte sie sich, wie viel mehr sie ertragen konnte, bevor sie in Tränen aus dem Raum rannte.

Schließlich kam Paula Steen, die Mutter eines der Mädchen, die vor fünfundzwanzig Jahren ermordet worden waren, in dem Fall, für den Riley gerade ausgezeichnet worden war.

Riley war jetzt wirklich überwältigt.

Sie und Paula waren über lange Jahre in Kontakt gewesen, sprachen jedes Jahr am Todestag ihrer Tochter am Telefon.

Paulas Anwesenheit traf Riley unvorbereitet.

Sie ergriff Paulas Hand und versuchte nicht zusammenzubrechen.

"Paula, vielen Dank, dass Sie gekommen sind", stammelte sie durch ihre Tränen. "Ich hoffe, wir bleiben weiter in Kontakt."

Paula lächelte sie strahlend an.

"Oh, ich werde wie gewohnt einmal im Jahr anrufen, das verspreche ich", sagte Paula. "Zumindest solange ich noch auf dieser Welt bin. Jetzt, da Sie Tildas Mörder gefasst haben, fühle ich mich bereit loszulassen – mich ihr und meinem Mann anzuschließen. Sie warten schon so lange auf mich. Vielen Dank für alles."

Riley spürte einen scharfen Stich.

Paula bedankte sich für den Frieden, den sie jetzt fühlte – bedankte sich für die Möglichkeit endlich sterben zu können.

Das war zu viel für Riley.

Sie fand keine Worte.

Stattdessen küsste sie Paula ungeschickt auf die Wange und die ältere Frau ging weiter.

Der Raum leerte sich nach und nach.

Aber diejenigen, die ihr am meisten bedeuteten, waren noch da. Blaine, Crystal, Jilly, April und Gabriela standen in der Nähe und hatten die ganze Zeit zugesehen. Riley fühlte sich besonders gut bei dem stolzen Blick von Gabriela.

Sie sah auch, dass die Mädchen lächelten, während Blaines Gesicht reine Bewunderung zeigte. Riley hoffte, dass diese ganze Zeremonie ihn nicht einschüchterte oder verjagte.

Jetzt kamen drei Menschen auf sie zu, über deren Anwesenheit sie sich besonders freute. Einer davon war ihr langjähriger Partner, Bill Jeffreys. Gleich daneben war Lucy Vargas, eine eifrige und vielversprechende junge Agentin, die zu Riley als Mentorin aufsah. Der dritte war Jake Crivaro.

Riley war überrascht Jake zu sehen. Er war vor vielen Jahren ihr Partner gewesen und seit einiger Zeit im Ruhestand. Er hatte seinen Ruhestand nur kurzzeitig verlassen, um ihr bei dem Streichholzbrief-Killer Fall zu helfen, der ihn seit Jahren verfolgt hatte.

"Jake!", sagte Riley. "Was machst du hier?"

Der kurze, stämmige Mann lachte laut auf.

"Hey, was ist das denn für eine Begrüßung?"

Riley lachte ebenfalls und umarmte ihn.

"Du weißt, was ich meine", sagte sie.

Schließlich war Jake nach Abschluss des Falls wieder nach Florida zurückgekehrt. Sie war froh, dass er hier war, wenn sie auch nicht damit gerechnet hatte, ihn so schnell wiederzusehen.

"Das hätte ich um nichts in der Welt verpasst", sagte Jake.

Riley spürte eine weitere Welle der Schuld, als sie Bill umarmte.

"Bill, Jake – das ist nicht fair."

"Was ist nicht fair?", fragte Bill.

"Das ich diese Auszeichnung erhalte. Ihr beide habt genauso viel Arbeit geleistet."

Jetzt war Lucy an der Reihe, sie zu umarmen.

"Sicher ist das fair", sagte Lucy. "Direktor Milner hat sie erwähnt. Er hat ihre Arbeit nicht verschwiegen."

Bill nickte und sagte, "Und wir hätten nichts getan, wenn du nicht so verdammt starrköpfig gewesen wärst und den Fall wieder aufgerollt hättest."

Riley lächelte. Das stimmte natürlich. Sie hatte den Fall wieder aufgenommen, obwohl jeder dachte, er wäre unmöglich zu lösen.

Plötzlich fiel ihr etwas ein.

Sie sah sich verwirrt um und sagte zu Bill, Jake und Lucy, "All diese Leute – woher wussten sie davon?"

Lucy sagte, "Na ja, es war schließlich in den Nachrichten."

Das stimmte, aber soweit es Riley betraf, erklärte es nicht alles. Ihre Auszeichnung war in einem kurzen Beitrag erwähnt worden, nachdem man hätte regelrecht suchen müssen, wenn man ihn nicht zufällig sah.

Dann bemerkte Riley das schelmische Grinsen auf Bills Gesicht.

Er hat sie angerufen! wurde Riley klar.

Er hatte sich vielleicht nicht bei jeder einzelnen Person gemeldet, aber er hatte den Stein ins Rollen gebracht.

Sie war überrascht von ihren widerstreitenden Gefühlen.

Natürlich war sie dankbar, dass Bill dafür gesorgt hatte, dass dieser Tag etwas Besonderes wurde.

Aber zu ihrer Überraschung war sie auch wütend.

Ohne es zu beabsichtigen, hatte Bill einen emotionalen Überfall auf sie arrangiert.

Das Schlimmste war, dass er sie zum Weinen gebracht hatte.

Aber sie ermahnte sich selbst, dass er es nur aus Freundschaft und Respekt getan hatte.

Sie sagte zu ihm, "Wir beide müssen uns später mal unterhalten."

Bill lächelte und nickte.

"Machen wir", sagte er.

Riley wandte sich an ihre wartenden Freunde und Familie, aber wurde von ihrem Chef, Brent Meredith, aufgehalten. Der große Mann mit seinem kantigen Gesicht schien nicht in Feierstimmung zu sein.

Er sagte, "Paige, Jeffreys, Vargas – Ich muss Sie sofort in meinem Büro sehen."

Ohne ein weiteres Wort verließ Meredith den Raum.

Riley spürte einen Knoten im Magen, als sie zu Blaine, Gabriela und den Mädchen ging, um ihnen zu sagen, sie würden noch ein wenig warten müssen.

Sie erinnerte sich an die lauernde Dunkelheit, die sie am Vortag während dem Abendessen gespürt hatte.

Sie ist hier, dachte sie.

Etwas Böses bahnte sich seinen Weg in ihr Leben.

 

KAPITEL DREI

 

Während Riley Bill und Lucy über den Flur zu Merediths Büro folgte, versuchte sie herauszufinden, weshalb sie so unruhig war. Sie konnte nicht genau sagen, was sie so sehr beschäftigte.

Zum Teil war es das Gefühl, an das sie schon lange gewöhnt war – die vertraute Anspannung, die sie vor jedem neuen Fall spürte.

Aber da war noch etwas anderes mit dabei. Es war weder Angst, noch Vorahnung. Sie hatte in ihrer Karriere schon zu viele Fälle bearbeitet, um außerordentlich besorgt zu sein.

Es war etwas, das sie kaum erkannte.

Ist das Erleichterung? fragte Riley sich.

Ja, vielleicht war es das.

Die Zeremonie und der Empfang hatten sich so bizarr und unwirklich angefühlt und eine Reihe von widersprüchlichen Emotionen und Gedanken ausgelöst.

Zu Merediths Büro zu gehen, war vertraut … und es fühlte sich an wie eine Art von Flucht.

Aber eine Flucht wohin?

Zweifellos in eine vertraute Welt des Bösen und der Grausamkeit.

Riley spürte einen Schauer über ihren Rücken laufen.

Was sagte das über sie aus, dass sie sich mit Grausamkeit und Bösem sicherer fühlte als mit Feiern und Lobreden?

Sie wollte der Frage nicht weiter nachgehen und versuchte das Gefühl abzuschütteln. Aber sie schaffte es nicht ganz.

Es schien, als würde sie sich in letzter Zeit immer unwohler in ihrer Haut fühlen.

Als Riley, Bill und Lucy das Büro betraten, stand ihr Chef neben seinem Schreibtisch.

Noch jemand war dort – eine junge afroamerikanische Frau mit kurzen, glatten Haaren und großen, intensiven Augen. Sie stand auf als Riley und ihre Kollegen eintraten.

Meredith sagte, "Agenten Paige, Jeffreys und Vargas, ich möchte Ihnen die Spezialagentin Jennifer Roston vorstellen."

Riley sah zu der Frau, mit der sie kurz nach der Lösung des "Streichholzbrief-Killer" Falls am Telefon gesprochen hatte. Jennifer Roston war nicht groß, aber sie sah sehr athletisch und kompetent aus. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht sagte, dass sie sich ihrer Fähigkeiten bewusst war.

Roston schüttelte jedem von ihnen die Hand.

"Ich habe viel Gutes von Ihnen gehört", sagte Lucy.

"Sie haben einige Rekorde an der Akademie geknackt", sagte Bill.

Riley hatte auch Gutes von Agentin Roston gehört. Sie hatte bereits einen sehr guten Ruf und ausgezeichnete Belobigungen.

 "Es ist mir eine Ehre, Sie alle kennenzulernen", sagte Roston mit einem aufrichtigen Lächeln. Dann, Riley direkt in die Augen sehend, fügte sie hinzu, "Vor allem Sie, Agentin Paige. Es ist schön sie von Angesicht zu Angesicht zu sehen."

Riley war geschmeichelt. Sie spürte außerdem eine leichte, nagende Besorgnis.

Während sie alle Platz nahmen, fragte Riley sich, weshalb Roston wohl heute hier war. Wollte Meredith, dass sie alle gemeinsam an einem Fall arbeiteten?

Der Gedanke machte Riley ein wenig nervös. Sie, Bill und Lucy hatten eine gute Verbindung aufgebaut, waren ein scheinbar fehlerlos arbeitender Apparat. Würde ein zusätzliches Mitglied ihr kleines Team aus dem Takt bringen, zumindest zeitweise?

Meredith beantwortete ihre Frage. "Ich wollte, dass Sie drei Agentin Roston kennenlernen, da ich sie auf den Shane Hatcher Fall angesetzt habe. Der Bastard ist schon viel zu lange auf freiem Fuß. Die Führungsetage hat entschieden, dass sie ihn zu einer Priorität machen. Es ist an der Zeit ihn festzusetzen und wir brauchen ein Paar frischer Augen."

Riley zuckte innerlich zusammen.

Sie wusste bereits, dass Roston am Hatcher Fall arbeitete. Tatsächlich hatten sie ihn bereits am Telefon diskutiert. Roston hatte um Zugang zu ihren Dateien bezüglich Shane Hatcher gebeten und Riley hatte ihn ihr gewährt.

Aber worum ging es hier jetzt wirklich?

Sicherlich hatte Meredith sie nicht alle zusammengebracht, um gemeinsam an dem Hatcher Fall zu arbeiten. Sie war sich nicht sicher, wie viel Meredith über ihre Beziehung zu Hatcher wusste. Sie wäre bereits verhaftet worden, wenn ihr Chef wüsste, dass sie den entflohenen Mörder hatte gehen lassen, weil er ihr geholfen hatte.

Sie wusste sehr genau, dass Hatcher sich wahrscheinlich gerade jetzt in der Hütte versteckte, die Riley von ihrem Vater geerbt hatte – mit Rileys vollem Wissen und Einverständnis.

Wie sollte sie jemals vorgeben können, versucht zu haben, ihn zur Gerechtigkeit zu bringen.

Bill fragte Roston, "Wie läuft es bisher?"

Roston lächelte.

"Oh, ich fange gerade erst an – bis jetzt bin ich noch mit der Recherche beschäftigt."

Dann, mit einem Blick zu Riley, sagte Roston, "Vielen Dank für den Zugang zu den Dateien."

"Ich freue mich, wenn ich helfen kann", sagte Riley.

Roston verengte leicht ihre Augen und ihr Gesicht nahm einen neugierigen Ausdruck an.

"Oh, sie waren eine große Hilfe", sagte sie. "Sie haben viele Informationen zusammengetragen. Auch wenn ich überrascht war, nicht mehr über Hatchers Finanzen zu finden."

Riley unterdrückte ein Schaudern, als sie sich daran erinnerte, dass sie etwas Unüberlegtes getan hatte.

Vor der Zugangsfreigabe für Roston zu ihren Dateien, hatte sie eine mit dem Titel "GEDANKEN" gelöscht – eine Datei, die nicht nur Rileys persönliche Gedanken und Beobachtungen über Hatcher enthielt, sondern auch finanzielle Informationen, die vermutlich zu Hatchers Verhaftung geführt hätten. Oder zumindest dafür gesorgt hätten, dass seine finanziellen Ressourcen abgeschnitten wurden.

Was habe ich mir nur dabei gedacht, schoss es Riley durch den Kopf.

Aber es war geschehen und konnte nicht rückgängig gemacht werden, selbst wenn sie es wollte.

Riley fühlte sich jetzt eindeutig unwohl unter Rostons Blick.

"Er ist schwer zu fassen", sagte Riley zu Roston.

"Ja, das habe ich gemerkt", sagte Roston.

Rostons Blick blieb auf Riley fixiert.

Rileys Unbehagen wuchs.

Weiß sie bereits etwas? fragte Riley sich.

Dann sagte Meredith, "Das ist vorerst alles, Agentin Roston. Ich habe noch etwas mit Paige, Jeffreys und Vargas zu diskutieren."

Roston stand auf und verabschiedete sich höflich.

Sobald sie das Büro verlassen hatte, sagte Meredith, "Es sieht aus, als hätten wir einen neuen Serienmörderfall in Südkalifornien. Jemand hat drei Ausbildungsoffiziere in Fort Nash Mowat ermordet. Sie wurden alle von einem erfahrenen Scharfschützen aus langer Distanz erschossen. Das neueste Opfer wurde heute Morgen gefunden."

Riley war interessiert, aber auch ein wenig überrascht.

"Ist das nicht eher ein Fall für die Militärstrafverfolgungsbehörde?", fragte sie. Sie wusste, dass die CID normalerweise Verbrechen aufklärte, die innerhalb der US Armee begangen wurden.

Meredith nickte.

"Die CID arbeitet bereits daran", sagte er. "Sie haben eine Außenstelle in Fort Mowat, also sind sie vor Ort. Aber wie Sie wissen, leitet Provost Marshal General Boyle die CID. Er hat mich vor kurzem angerufen, um das FBI um Mithilfe zu bitten. Es sieht aus, als würde es ein besonders unschöner Fall werden, insbesondere mit all der negativen Presse. Davon wird es eine Menge geben und auch politischen Druck. Je eher der Fall gelöst wird, desto besser für alle Beteiligten."

Riley fragte sich, ob das wirklich eine gute Idee war. Sie hatte noch nie gehört, dass das FBI und die CID gemeinsam an einem Fall arbeiteten. Sie befürchtete, dass sie sich gegenseitig auf die Zehen treten würden und dadurch mehr Unheil anrichten als Gutes tun.

Aber sie erhob keine Einsprüche. Es war nicht ihre Entscheidung.

"Also, wann geht es los?", fragte Bill.

"So schnell wie möglich", sagte Meredith. "Haben Sie ihre Taschen griffbereit?"

"Nein", sagte Riley. "Ich befürchte, so schnell hatte ich nicht damit gerechnet."

"Dann sobald Sie Ihre Sachen gepackt haben."

Riley spürte einen plötzlichen Stich.

Jillys Stück ist heute Abend! dachte sie.

Wenn Riley jetzt losfuhr, dann würde sie es verpassen.

"Chief Meredith––", begann sie.

"Ja, Agentin Paige?"

Riley hielt inne. Schließlich hatte das FBI ihr gerade eine Auszeichnung und eine Gehaltserhöhung gegeben. Wie konnte sie da jetzt einen Rückzieher machen?

Befehl ist Befehl, sagte sie sich streng.

Sie konnte nichts daran ändern.

"Nichts", sagte sie.

"Na dann", sagte Meredith und erhob sich. "Machen Sie sich auf den Weg. Und lösen sie den Fall so schnell wie möglich. Die nächsten warten schon."

 

KAPITEL VIER

 

Colonel Dutch Adams starrte aus seinem Bürofenster. Er hatte von hier aus einen guten Blick über Fort Nash Mowat. Er konnte sogar das Feld sehen, auf dem Sergeant Worthing an diesem Morgen getötet worden war.

"Verdammt nochmal", grummelte er vor sich hin.

Vor weniger als zwei Wochen war Sergeant Rolsky auf die gleiche Weise ermordet worden.

Dann, vor einer Woche Sergeant Fraser.

Und jetzt war es Worthing.

Drei gute Ausbildungsoffiziere.

So eine Verschwendung, dachte er.

Und bis jetzt waren die Agenten der CID nicht in der Lage gewesen, den Fall zu knacken.

Adams fragte sich: