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Prolog

Vignette

Müde trottete er die dämmrige Straße entlang, erschöpft von den zehn Stunden Arbeit, die er heute hinter sich gebracht hatte. Die vielen roten, weißen und goldenen Lichter, die das nahe Weihnachtsfest einläuten sollten, bemerkte er kaum. Sowieso sträubte sich das Wetter hier in Duisburg richtig weihnachtlich zu werden. Es zeigte sich viel zu warm, regnerisch und stürmisch für die Jahreszeit. Seit Wochen hatte er schon keine Sonne mehr gesehen und langsam schlug ihm das auf sein Gemüt.

Verdrießlich schob er seine behandschuhten Finger tiefer in die Manteltasche. Aber er wollte sich nicht beschweren. Wenigstens war sein Leben ansonsten gerade sehr ruhig. Denn auch wenn er ganz normal aussah, war er das leider nicht. Er war ein Erwachter, von denen es auf der Welt nur sehr wenige gab.

Wie gut es die Menschen hatten, wusste auch er erst seit wenigen Jahren. Und wie sehr er sich doch zu diesen unwissenden Tagen zurücksehnte! Inzwischen mussten ihn Tag und Nacht Wesen bewachen, die zwar ebenfalls wie Menschen aussahen, aber keine waren. Limare nannten sie sich und konnten Magie anwenden.

Noch immer, wenn er sich das bewusst machte, konnte er nur mit dem Kopf schütteln. Magie … Wenn er nicht selbst gesehen hätte, zu was die Magie die Limare alles befähigte, so hätte er es noch immer nicht glauben wollen.

Lange Zeit hatte er sich gegen die Vorstellung, dass er ständig beobachtet und verfolgt wurde, gesträubt und seine Wächter immer weggeschickt. Bis zu dem Tag, an dem sie ihn vor einem Suchenden gerettet hatten. Er erzitterte noch mehr, als er sich an dieses Ereignis erinnerte.

Das Wesen war von groteskem Aussehen gewesen: Schlammfarbene Haut hatte sich über extrem lange und dünne Gliedmaßen gespannt, wobei das Wesen über zwei Meter gemessen und an den Fingern messerscharfe Klauen aufgewiesen hatte. Zudem hatte in dem breiten Maul eine Reihe spitzer Zähne gethront, denen er niemals näher kommen wollte.

Danach hatte er die Anwesenheit seiner Wächter akzeptiert, aber machte mit ihnen aus, dass sie sich ihm nur in wahren Notfällen oder bei wichtigen Entscheidungen zeigten. Er wollte sein Leben in Ruhe führen, weitab von diesem magischen Kram. Deswegen stockte sein Schritt kurz, als er ein wenig die Straße hinab einen seiner Wächter stehen sah.

Es handelte sich um Pain, der mit neutralem Blick unter der nächsten Straßenlaterne auf ihn wartete. Erst vor einem halben Jahr war er dem Pool seiner Wächter beigetreten, weswegen sie sich noch nicht allzu oft begegnet waren. Merkwürdig, dass sich die Limare immer so unheimliche Namen gaben.

Pain wartete geduldig, bis er an ihn herantrat. Es kam ihm unfair vor, dass das ungemütliche und kalte Wetter dem dunkelhaarigen Limaren scheinbar nichts ausmachte. Er selbst zog die Schultern hoch, damit der Wind ihm nicht in seinen Kragen drang.

»Was machst du hier?«, fragte er Pain nicht gerade freundlich. Es konnte nichts Gutes bedeuten, wenn einer seiner Wächter unplanmäßig auftauchte.

»Ja, was machst du hier?«, wiederholte nun Crocodile, die wie aus dem Nichts neben ihm auf dem Pflaster landete, die Frage. Sie war eine weitere seiner Wächter und bereits seit seinem Erwachen an seiner Seite. Sie hatte sich eine Wollmütze über ihre üppigen braunen Locken gezogen und trug eine dicke, wasserfeste Jacke, zudem wurde ihr halbes Gesicht von einem dicken Schal verborgen. Sie schien das ekelhafte Wetter auch nicht leiden zu können.

»Du hast doch erst in zwei Stunden Schichtbeginn. Ist etwas passiert?«, wollte sie wissen. Sie wirkte besorgt, wie so häufig in letzter Zeit. Crocodile sah er öfter als die anderen, weil sie ihn über die Suchenden in der Gegend um Duisburg informierte, und zwischen ihnen hatte sich beinahe so etwas wie eine Freundschaft entwickelt.

Pains Lippen verzogen sich zu einem Lächeln und der Ausdruck in seinen Augen gefiel ihm irgendwie nicht. Crocodile schien davon nichts zu bemerken. Sie stand entspannt zwei Schritte rechts von dem Wächter und wartete auf eine Antwort.

»Puh, also als Vorfall würde ich es noch nicht betiteln, eher als Änderung in unseren Plänen«, sagte Pain und schob die Hände nun doch in seine Jackentaschen.

Crocodile runzelte die Stirn. »Und welche soll das sein? Ich habe keine Befehle bekommen.«

»Das glaube ich dir gern. Aber sie gingen auch nur an mich.«

»Wärst du so nett mich einzuweihen?«

»Aber natürlich. Es ist eine kleine, aber grundlegende Änderung.« Pain zog die Hände so schnell wieder hervor, dass es die menschlichen Augen nicht fassen konnten. Ein blaues Licht blitzte auf und ein Schuss fiel. Crocodile keuchte auf, fiel zu Boden und regte sich augenblicklich nicht mehr. Ihr Blut vermischte sich mit dem Regen auf der Straße.

Fassungslos sah er auf die reglose Wächterin hinab und dann wieder zu Pain, der auch in der zweiten Hand eine Pistole hielt. Dieser lächelte noch immer, doch sein Blick strahlte eine Kälte aus, die eisiger als das Wetter war.

»Es tut mir fast ein wenig leid, aber … du stirbst nun auch.«

In Panik wandte er sich um, damit er Pain entkam, doch er wusste, wie sinnlos dieser Versuch war.

»Bye-bye, Erwachter«, hörte er noch.

Dann fiel der zweite Schuss.

Kapitel 1

Vignette

Miriam

»Ich bin so aufgeregt«, stieß Dust hervor und machte einen kleinen, hüpfenden Schritt neben mir, als wir den Flur der Praxis entlanggingen. Die angehende Jägerin war sonst nicht so enthusiastisch, sondern eher zurückhaltend. Doch unser heutiger Besuch hier machte sie erneut zu einem quirligen Teenager, obwohl sie bald einundzwanzig wurde.

»Wieso das? Es ist doch nur eine Routineuntersuchung«, versuchte Sin die junge Wächterin zu beruhigen.

»Ich weiß, aber ich war noch nie bei so etwas dabei. Und sind wir mal ehrlich: Jede Frau ist dankbar, wenn sie das nicht erst erlebt, wenn es bei ihr selbst so weit ist.«

Ich musste über Dusts Worte lächeln, denn ich wusste, was sie meinte. Eigentlich hätte ich inzwischen unseren Aufenthalt in Afrika, wo Sophie und ich unsere Fähigkeiten als Ärztinnen ausweiten wollten, planen sollen. Aber ein kleines, unverhofftes Geschenk war uns dazwischengekommen.

Nicht mir und Sin! Sondern Sophie und Fire. Bis heute konnten sich beide nicht erklären, wie es dazu gekommen war, da Sophie schwor, dass sie ihre Pille nicht vergessen habe. Aber inzwischen konnte es niemand mehr von der Hand weisen: Sophie war schwanger, und das bereits im achten Monat.

Somit musste ich meinen Traum, im Ausland zu praktizieren, wahrscheinlich für sehr lange Zeit, wenn nicht gar für immer, an den Nagel hängen. Zu Anfang war ich wütend auf die beiden gewesen. Aber als mich Sophie zum ersten Mal mitnahm, um dem Herzschlag des Kindes zu lauschen, verflog jeglicher Groll. Das kleine, wild pochende Herz schürte bei mir sogar den Wunsch, dieses Abenteuer ebenfalls anzugehen. Aber Sin und ich hatten erst vor neun Monaten geheiratet und der Gedanke an eigene Kinder war noch weit weg.

Ich sah auf zu meinem Mann, der zugleich mein erster Wächter war. Seine Aufgabe beinhaltete es, mich zusammen mit seinem Team vor den Suchenden zu schützen, die mein vor Magie strotzendes Blut nur zu gern trinken wollten, um ihren eigenen Bedarf zu stillen.

Denn ich gehörte den Erwachten an. Mich konnte man nicht als normale Erwachte betiteln, das musste ich zugeben, obwohl es von uns in ganz Deutschland nur neun Stück gab. Aber dadurch, dass ich mich nicht einfach meinem Schicksal hingab und hinter meinen Wächtern versteckte, waren Ereignisse geschehen, die mich verändert hatten. Mein Leben war außergewöhnlich und ich liebte es von ganzem Herzen.

Sin bemerkte meinen Blick, sah aus seinen goldenen Augen, die leicht von seinem blonden Haar verdeckt wurden, zu mir herab und erblickte wohl genau die Zufriedenheit in meinem Gesicht, die ich auch empfand. Er lächelte auf diese charmante und irgendwie sinnliche Art und Weise, in die ich mich jederzeit wieder verlieben würde, griff nach meiner Hand und küsste sanft meinen Handrücken.

Himmel, ich liebte diesen Mann so sehr, dass es mein ganzes Inneres entflammte!

Niemals würde ich den Tag bereuen, an dem ich Ja zu ihm gesagt hatte. Mit ihm an meiner Seite konnte ich alles schaffen, auch wenn sich unser Leben in den nächsten Monaten wahrscheinlich stark ändern würde. Vor allem da ich vor zwei Wochen mein Medizinstudium abgeschlossen hatte.

Bei dem Gedanken daran klopfte ich mir innerlich stolz auf die Schulter. Ich war nun offiziell eine Ärztin und konnte meinen Beruf frei ausüben – zumindest theoretisch. Praktisch würde ich noch eine Facharztausbildung anschließen, damit ich irgendwann eine gut laufende Praxis führen konnte. Diese Ausbildung musste ich aber nicht hier in München machen. Und das hieß, dass ich gern zurück nach Düsseldorf ziehen wollte. Inzwischen fiel mir die Entscheidung dazu wahrlich schwer, denn ich hatte in den Jahren hier in München viele wundervolle Freunde gefunden. Sie alle würden hier in München bleiben und nur meine fünf Wächter sowie Dust begleiteten mich. Wohin die Jägerin gehen würde, wenn sie ihre Ausbildung beendet hatte, stand jedoch ebenfalls noch nicht fest. Ich hasste Abschiede …

Sin spürte offenbar meinen Stimmungsumschwung und drückte meine Finger. »Alles in Ordnung?«

»Ja, ich habe nur nachgedacht«, sagte ich und lächelte ihn beruhigend an.

Da trat Fire aus einer Tür am Ende des einfachen Ganges, dessen Wände zartorange tapeziert waren, um einen gemütlicheren Eindruck zu erwecken. In einigem Abstand zueinander hingen Bilder und Infotafeln daran und auf dem zweckmäßigen dunkelblauen Teppich lag Spielzeug herum, das das Kind einer anderen Mutter wohl einfach liegen gelassen hatte. Wir befanden uns in der Praxis von Sophies Gynäkologin.

Mit einem Lächeln trat ich zu Fire, der ebenfalls zu meinen Wächtern gehörte und zudem Sins älterer Bruder war. Fünf Jahre trennten die beiden und sie ähnelten sich doch so sehr, wie es eben nur Brüder konnten. Sowohl Fire als auch Sin waren aufgrund ihres Jobs durchtrainiert und zudem sehr smart in ihrer Art, aber wo Sin sich eher athletisch zeigte, punktete Fire mit Muskelkraft. Er war ruhiger und bedachter als mein Mann, aber besaß das gleiche unwiderstehliche Lächeln und gute Aussehen. Wenn ich mit den beiden unterwegs war, fielen wir einfach auf.

Nun strahlte mir Fires gesamter Charme entgegen, als er uns sah und voller Stolz lächelte. Obwohl er und Sophie fast in Panik geraten waren, als sie herausfanden, dass sie ein Kind erwarteten, freuten sie sich nun umso mehr darauf.

»Sind wir zu spät?«, fragte ich, als wir bei ihm ankamen und er mich fest an sich zog.

»Nein, nicht wirklich. Die Schwester hat Sophie bereits an das Gerät angeschlossen, aber erst vor ein paar Minuten. Ihr könnt gleich rein.«

Dust gab ein freudiges Geräusch von sich und drückte sich an uns dreien vorbei, um als Erste im Raum zu sein. Fire lächelte milde und ließ dann mich vor. Der Raum, den wir betraten, war recht klein und nur mit einer Liege, verschiedenen Geräten und einem Schrank bestückt. Auch hier zog sich die beruhigende Farbkombination aus dunklem Blau und Orange durch.

Sophie hatte es sich auf der Liege bequem gemacht und in einer Zeitschrift gelesen, diese jedoch gesenkt, als Dust hereingestürzt kam. Meine beste Freundin und ehemalige Wächterin lachte vergnügt, als die junge Jägerin richtig gerührt auf den Bildschirm sah, an dem man die Herzschläge des Babys verfolgen konnte.

Sophie hatte sich die langen roten Locken vor einem Monat fast komplett abschneiden lassen, wodurch sich ihre Haare nun lustig um ihr Gesicht kringelten. Es stand ihr sehr gut, auch wenn sie damit noch jünger aussah, als es ihre großen, leuchtenden Augen vermuten ließen.

»Miri!«, rief sie erfreut und streckte mir die Hände entgegen. Mit den vielen Kabeln um ihren Bauch stand es sich nicht sonderlich gut auf, ganz davon abgesehen, dass es mit dem prallen Bauch recht lang dauern konnte, bis sie hochkam. Es war ein wenig fies, aber es sah sehr lustig aus, wenn sie von meinem Sofa aufstehen wollte. Ich ging zu ihr und ergriff ihre Finger, da eine Umarmung schwerfiel.

»Wie geht es euch beiden?«, fragte ich und deutete auf ihren unbedeckten Bauch, der eher einem runden Ball ähnelte.

»Genauso gut wie gestern. Du bist schon besorgter als Fire.«

»Das ist das Los derjenigen, die als Erste im Freundeskreis schwanger wird«, meinte Sin mit einem Grinsen und wuschelte Sophie durch die Locken. »Und ihr wollt immer noch nicht wissen, was es wird?«

»Nein«, schaltete sich Fire ein. »Wir lassen uns überraschen.«

»Aber wir haben uns jetzt auf Namen geeinigt.«

»Und? Welche sollen es werden?«, fragte ich. Dust riss den Blick von dem Gerät los und ihre Augen funkelten begeistert.

»Wenn es ein Mädchen wird, soll sie Jennifer heißen und wenn es ein Junge wird, Max.«

»Max?«, fragte Sin zweifelnd und ließ den Namen noch einmal über die Zunge gleiten, als Sophie nickte. »Kann man euch den Namen noch ausreden?«

Bei der Frage schlug ich ihm fest gegen die Brust. »Das ist ihre Entscheidung. Sie quasseln uns auch nicht rein, wenn es mal so weit ist.«

»Ich quassle nicht rein«, beschwerte sich Sin.

»Tust du wohl«, entschied ich, musste dann aber lachen, als er mich packte und zu kitzeln begann.

Ich versuchte mich von ihm zu lösen, als er mir auch noch leicht ins Ohrläppchen biss. Doch Sin war um einiges stärker und im nächsten Moment spürte ich auch schon seinen warmen Kuss auf meinen Lippen, der mich dazu brachte innezuhalten. Mit einem erfreuten Seufzen gab ich mich ihm hin, ließ meine Hände von seinem Rücken bis in sein Haar gleiten und erwiderte den Kuss hingebungsvoll.

Sophie lachte vergnügt auf. »Euch beide zu sehen ist immer wieder eine Freude. Aber sagt, wollt ihr euch das kommende Wochenende die Wohnung in Düsseldorf ansehen? Fire hat erzählt, dass sich der Makler gemeldet hat.«

Ich ließ Sin die Antwort geben, da er mich mit seinem Kuss völlig aus dem Konzept gebracht hatte. Er legte mir seinen Arm um die Schultern und wandte sich wieder Sophie zu. »Ja, wir werden morgen hochfahren und sie uns anschauen. Auf den Bildern sah sie sehr vielversprechend aus und langsam müssen wir uns entscheiden, wenn wir bereits Anfang Februar umziehen wollen.«

»Bisher war einfach noch nicht die richtige dabei«, verteidigte ich mich gegen den kleinen Seitenhieb.

Sin lächelte daraufhin nur und küsste mich zärtlich auf die Wange. Nachdem herausgekommen war, dass Sophie schwanger war und wir somit unseren Auslandsaufenthalt wieder abblasen mussten, entschieden wir uns für einen früheren Umzug nach Düsseldorf. Sowohl Thunder, Hurrikan und Dust als auch Sophie und Fire hatten sich bereits für Wohnungen entschieden und sogar ihre Mietverträge unterzeichnet. Nur Sin und ich hatten noch keine Wohnung gefunden, die uns beide glücklich machte, was vor allem an mir lag.

»Möchtest du denn mit?«, fragte Sin Sophie.

Die aber schüttelte die roten Locken. »Nein, meine Eltern kommen dieses Wochenende vorbei. Das wird das letzte Mal sein, bevor das Kind kommt. Obwohl ich die Wohnung auch gern sehen würde.« Sie verzog das Gesicht zu einer Schnute, woraufhin Sin ihr noch einmal lachend durch das kurze Haar strubbelte.

»Hm, dann lohnt es sich fast nicht, mit zwei Autos zu fahren«, überlegte ich. »Dust? Hast du am Wochenende Training bei Hurrikan?«

»Ja, zumindest morgen«, erwiderte die Jägerin. Sie strich sich das lange schwarze Haar nach hinten und blickte nahezu begierig auf Sophies dicken Bauch. Mit einem kaum verhohlenen Lächeln erlaubte diese der jüngeren Frau die Hand daraufzulegen, was Dust mit leuchtenden Augen annahm. Fast ehrfürchtig strich sie über Sophies Haut.

Fire lächelte nachsichtig, wandte sich aber danach an seinen Bruder. »Dann sind wir wohl nur zu viert. Hat sich Lightning eigentlich schon wieder bei dir gemeldet?«

Sin verzog den Mund, denn er dachte nicht gern an das Thema zurück, das er beim letzten Mal mit der Jägerin besprochen hatte. Lightning gehörte den Jägern in Ägypten an und war früher Sins Ausbilderin gewesen. Als wir vor eineinhalb Jahren in das Wüstenland gereist waren und dabei eine Verschwörung gegen die Erwachten aufgedeckt hatten, bot sie sich an weitere Nachforschungen zu betreiben. Seitdem verbrachte sie viel Zeit mit dieser Aufgabe und leider entwickelte sich die ganze Angelegenheit nicht so, wie wir es uns gewünscht hätten.

Die Idee, dass den Suchenden die Fortpflanzungsmöglichkeiten genommen würden, wenn wir Erwachten starben, erfreute sich leider gehörigem Zuspruch. Die Stimmen der Befürworter riefen immer lauter, dass die Erwachten an der Stärkung der Suchenden schuld seien. Ich konnte sie teilweise verstehen, denn sie wollten nur, dass ihr Volk von der ständigen Gefahr durch die Suchenden befreit wurde. Nur die Art und Weise, auf die sie dies bewerkstelligen wollten, entsetzte nicht nur mich und meine Wächter, sondern ließ auch einen Aufschrei durch die gesamte Bevölkerung der Limare gehen. Denn die Anhänger dieser neuen Meinungsrichtung propagierten, dass nur der Tod von uns Erwachten die Limare vor den Suchenden retten könne. Sie wollten, dass wir starben, um die Suchenden auszuhungern. Ich verstand diese Idee nicht, denn allein mit dem vielen Phyralit, das noch immer im Umlauf war, konnten sich die Suchenden durch das Anzapfen der magischen Bäume über Jahre ernähren.

Den meisten erschien es falsch, einer Gruppe besonderer Menschen, die weltweit nicht einmal tausend Personen zählte, die Schuld an dem Problem mit den Suchenden zu geben. Und dem schloss ich mich an. Die Erwachten zu töten brachte rein gar nichts. Das Problem war der Hunger der Suchenden und ihn galt es zu besiegen.

Gerade hier in München fand die neue Meinung kaum Anhänger, da ich mir mit meiner Hilfe bei allerhand Jägeraufträgen einen Namen unter den Wächtern gemacht hatte und dafür viel Dankbarkeit erhielt.

In anderen Ländern gestaltete sich die Situation jedoch nicht so ruhig wie in Deutschland. Was meine Freunde und mich zusehends entsetzte. Lightning hatte uns vor einigen Tagen sogar erzählt, dass sich bereits mehrere oberste Wächter in den arabischen Ländern auf die Seite der Aufrührer geschlagen hatten und die Erwachten dort exekutiert wurden, obwohl die breite Öffentlichkeit das gar nicht wollte. Allein bei dem Gedanken schauderte ich. Uns standen schwierige Zeiten bevor.

»Nein, bisher hat sie sich nicht wieder gemeldet«, antwortete Sin auf Fires Frage und rüttelte mich aus den Gedanken.

Er ging zur Tür und schaute kurz in den schmalen Gang, ob auch keine der Schwestern zufällig etwas mitbekam, und schloss sie dann vorsichtshalber, bevor er weitersprach.

»Aber Miri und ich werden gleich noch bei Sun vorbeigehen und uns ihre Meinung zu der Sache in der Türkei anhören.«

»Dort haben sie die Erwachten nun eingesperrt, oder?«, fragte Sophie mit einem tiefen Stirnrunzeln.

Sin nickte. »Das schon, aber ich glaube fast, dass es zu ihrem eigenen Schutz geschah.«

»Was haben sie der Öffentlichkeit erzählt?«, fragte Dust dazwischen.

»Ihnen wurde ein Verbrechen vorgeworfen, woraufhin sie in Untersuchungshaft mussten.«

»Was ihr ganzes Leben zerstören kann«, schnaubte ich missfällig und verschränkte die Arme vor der Brust.

»Sei froh, dass die obersten Wächter sie schützen wollen«, warf Sin ein, woraufhin ich ihn finster ansah.

»Soll das die ganze Sache besser machen?«

Sin lächelte verständnisvoll. »Nein, mein Schatz, aber selbst du musst doch zugeben, dass diese Option besser ist, als wenn sie sterben würden.«

Mir gefiel das Thema in seiner Gesamtheit nicht, aber trotzdem nickte ich. Im Moment musste ich froh über jeden Lichtblick dahingehend sein.

»Schau nicht so finster, Miri«, versuchte mich Sophie wieder aufzumuntern. »Den Erwachten in Deutschland wird nichts geschehen. Hier sind die Leute viel zu verständig, um euch die Schuld an der Gefahr durch die Suchenden zu geben.«

»Das hilft den Erwachten aus den anderen Ländern aber sehr wenig.«

»Du kannst nun einmal nicht jeden retten, Prinzessin«, erinnerte mich Fire.

Seufzend ließ ich die Schultern hängen. »Aber es sollte doch möglich sein, ein paar Hundert Menschen zu schützen.«

»Was uns bisher nicht einmal schlecht gelungen ist«, erwiderte Sin. Er legte mir einen Arm um die Taille, als ich erneut den Mund öffnete. »Miri, das ist eine Sache, die im Moment ein paar hohe Wellen schlägt, aber dieser Wahn wird eine Modeerscheinung bleiben und dann wieder abebben. Mach dir nicht so viele Gedanken.«

»Und wenn du zusammen mit Mirassa ein Mittel entdeckst, um die Suchenden anderweitig zu ernähren, werden die Erwachten ganz schnell völlig unwichtig«, versicherte mir Dust.

Sie hatten durchaus recht und ich würde hier in Deutschland nur wenig von der Krise mitbekommen. Zwar störte es mich gehörig, dass vielleicht weitere unschuldige Menschen verletzt oder gar getötet wurden, aber auch da sprachen meine Wächter wahre Worte. Ich konnte nicht alle retten. Und wenn ich mich in dieser Sache schon weltweit stark machen wollte, wo sollte ich dann aufhören? Überall auf der Welt litten Unschuldige. Alles Leid zu lindern war ein utopischer Wunsch. Es musste für mich vorerst genügen, dass ich meine Zukunft als Ärztin plante und derweil die Jäger gegen die Suchenden unterstützte.

»Ich hoffe nur, dass wir das Mittel bald finden werden und dass am besten bereits vorher diese ganze Erwachtenhasserei aufgehört hat«, lenkte ich ein, sprach damit aber auch meine tiefsten Wünsche aus.

»Ich bin sicher, dass beides bald eintritt«, sagte Sophie mit einem Lächeln.

»Wollen wir uns dann auf den Weg zu Sun machen? Ich will nicht wieder erst gegen zehn Uhr abends heimkommen«, sagte Sin und blickte auf seine Armbanduhr. Es war erst früher Nachmittag, aber die Termine bei Sun konnten oftmals mehrere Stunden dauern und bereits gestern hatte Sin tatsächlich den ganzen Tag bei der obersten Wächterin verbracht.

»Ja, lass uns gehen«, willigte ich ein und drückte noch einmal Sophies Hände zum Abschied.

»Rufst du mich später noch an?«

»Sobald wir wieder zu Hause sind«, versprach ich, dann wandte ich mich an Dust. »Kommst du mit uns?«

Die dunkelhaarige Frau schüttelte den Kopf. »Ich will noch ein paar Besorgungen machen, bevor mich Hurrikan heute Abend wieder völlig kraftlos heimschickt.«

Sin lachte auf. »Dann muss ich ihn etwas zügeln, bevor du bei meinem Training keine Waffe heben kannst.«

»Ihr seid aber auch zwei Schinder«, schnaubte Dust.

Sin hob eine Augenbraue. »So schlimm sind wir gar nicht.«

»O doch«, unterbrach ich ihn, woraufhin Sins Augen gefährlich aufleuchteten.

»Glaube mir, meine Schöne, dich bringe ich gern dazu, dass du keinen Finger mehr rühren kannst, aber damit sollten wir warten, bis wir wieder daheim sind«, meinte er und grinste mich charmant an.

Dust schlug sich bei seinen Worten die Hände an die Ohren und begann laut eine Melodie zu summen. »Das will ich nicht hören!«

»Dann hör nicht hin, Kleine«, erwiderte Sin lachend, ehe er nach meiner Hand griff. »Lass uns jetzt aber gehen.«

»Soll ich euch nicht lieber begleiten?«, fragte Fire mit einem Stirnrunzeln. Auch wenn er es nicht sagte, wusste ich durchaus, dass er sich trotz der ruhigen Lage hier in Deutschland Sorgen um meine Sicherheit machte – so wie alle meine Wächter. Bereits einmal wäre ich beinahe durch die Aufständischen gestorben und seitdem waren meine Wächter noch vorsichtiger geworden.

»Nein, musst du nicht«, lehnte Sin ab. »Thunder und Hurrikan warten draußen auf uns.«

Das beruhigte Fire sichtlich und herzlich verabschiedete er sich von mir und seinem Bruder. Ich winkte Dust und Sophie noch einmal zu, ehe Sin mich auch schon aus dem Raum zog. Während wir zusammen durch die Praxis und schließlich durch das Treppenhaus nach draußen gingen, hing ich meinen Gedanken nach, da mich das Thema von eben einfach nicht loslassen wollte.

Mein Leben lief gerade so gut und nur diese Sache schlug mir schwer auf das Gemüt. Aber sie gärte auch schon seit anderthalb Jahren. Genauer gesagt seit dem Tag, an dem mich der Jäger auf dem Trainingsgelände in Ägypten angeschossen hatte. Und vielleicht würde dies alles bald an ein Ende kommen. Von Dragon, Sins und Fires Vater, wusste ich, dass zumindest in Ägypten die Lage wieder völlig ruhig war.

Dragon hatte nach den damaligen Ereignissen hart durchgegriffen und den Erwachtenhassern Verrat an den Grundsätzen der Wächter vorgeworfen. Zwar gehörten die Erwachten nicht dem Volk der Limare an, aber der oberste Leitspruch der Wächter lautete jeden Unschuldigen vor dem Zugriff der Suchenden zu bewahren, worunter also auch meine seltene Spezies fiel. Da sich noch viele der dort führenden Wächter an meine Bereitwilligkeit, ihnen zu helfen, erinnerten, hatten sich die meisten von ihnen auf Dragons Seite geschlagen, wodurch die Anführer der Hetze festgenommen wurden und bisher auf ihre Verurteilung warteten.

Tatsächlich hatte mein Aufenthalt in Ägypten zu einer unglaublichen Wendung geführt. Zuvor hatte es so viele Suchendenrudel dort gegeben, dass die ansässigen Jäger kaum die Städte frei halten konnten. Dadurch dass ich allerdings das Phyralitvorkommen entdeckt hatte, schreckte ich ganze sechs Suchendenrudel auf, deren hohe Suchende wir am Ende sogar töten konnten. Dadurch zerstreuten sich die Rudel und eine nie da gewesene Ruhe trat in Ägypten ein.

Das hatte nicht nur Auswirkungen auf die dort lebenden Limare. Auch die Menschen spürten unterbewusst, dass sich eine entspanntere Atmosphäre einstellte, wodurch sie mehr Zufriedenheit empfanden. Der Ausflug dorthin hatte sich wahrlich gelohnt. Und dass nun keine neuen Kanülen aus dem blauen Kristall, dem Phyralit, mehr die Welt überschwemmten, kam auch den magischen Bäumen zugute. Zwar entzogen die Suchenden ihnen immer noch Magie, aber je öfter die Jäger sie dabei unterbrachen und die dazu benutzten Kanülen konfiszierten, umso weniger von ihnen verblieben in den Händen der Suchenden.

Für dieses Ergebnis haben sich sogar die beiden Narben an meiner linken Schulter gelohnt, dachte ich und musste lächeln. Ich spürte, wie Sin mich ansah.

»Woran denkst du?«, fragte er mich.

Ich sah auf in seine goldenen Augen. »Daran, dass ich nichts in meinem Leben bereue«, gab ich ehrlich Auskunft.

»Gar nichts?«, hakte er in einem bestimmten Tonfall nach. Dabei berührte er den Ring an meinem Finger und ich wusste sofort, was er meinte.

»Nein, überhaupt nichts«, versicherte ich, hielt ihn auf seinem Weg hinaus auf, obwohl bereits der Blick durch die gläserne Haustür einen sonnigen Wintertag versprach, und küsste ihn hier mitten im Flur mit all der zärtlichen Zuneigung, die ich für ihn empfand. Sin ließ sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen, zog mich in die Arme und schenkte mir neben dem warmen Kuss noch Nähe, Geborgenheit und Schutz. Nirgends auf der Welt fühlte ich mich wohler als bei ihm.

»Ich liebe dich, Sebastian«, sagte ich leise, als sich unsere Lippen trennten. Sin lächelte mich an und strich sacht über meine Wange.

»Ich dich ebenfalls, meine Schöne«, erwiderte er, schlug mir dann aber spielerisch auf den Hintern. »Nun aber los, sonst überlege ich es mir mit dem Besuch bei Sun noch anders.«

Ich musste lachen und warf ihm einen koketten Blick zu. »Gegen eine kleine Verzögerung habe ich nichts einzuwenden.«

Sin lächelte wissend, sagte aber nichts darauf, als wir hinaus in die Wintersonne traten und Hurrikan und Thunder bereits auf uns warten sahen. Von den beiden gehörte nur Zweitere zu meinen aktiven Wächtern, wohingegen Hurrikan als freier Mitarbeiter in der Forschungsabteilung arbeitete. Da der ruhige, dunkelhaarige Mann aber seit gut drei Jahren mit meiner Wächterin liiert und zudem mein Trainer war, zählte er bereits vollständig zu unserem kleinen Team. Seine freie Zeit verbrachte er daher sehr oft bei uns und war einer meiner engsten Freunde.

»Wie geht es Sophie?«, fragte er nun.

Ein kalter Wind kam auf, fegte durch die schmale Straße mitten in München und wollte mir in den Kragen meines Mantels ziehen, doch ich zog schnell die Schultern hoch und kramte in meiner Handtasche nach meinen Handschuhen, während ich antwortete. »So gut wie gestern. Die Frau scheint die Schwangerschaft zu vertragen wie einen heißen Kakao an einem Sonntagmorgen. Andere Frauen würden schon mit dicken Füßen und schmerzendem Rücken in ihren Betten liegen.«

Thunder schnaubte und warf sich die blonden Locken über die Schulter zurück. Weder sie noch Hurrikan trugen zu ihren dicken Jacken Schals oder Handschuhe, obwohl die Temperatur im Minusbereich lag. Ich beneidete sie um ihre Fähigkeit, ihre Magie sogar zum Aufheizen ihres Körpers zu nutzen. Sin zeigte sich da solidarischer und trug wenigstens einen Schal.

»Wahrscheinlich nutzt sie ihre Magie, um ihren Körper zu unterstützen«, erklärte Thunder. Sie wandte sich um und wir anderen folgten ihr durch die Straße, die in der nördlichen Innenstadt von München lag. Einfache, schmucklose Mehrparteienhäuser reihten sich dicht an dicht und die meisten Erdgeschossetagen enthielten kleine Läden. Der Weg zum Hauptquartier der Wächter war von hier aus nicht weit, weswegen wir liefen.

»Sophie meinte, dass sie das nicht tue«, erwiderte ich.

»Jaja, das hätte ich an ihrer Stelle auch gesagt«, murrte Thunder.

»Bist du etwa neidisch?«, stichelte Sin mit einem Grinsen, woraufhin die Wächterin ihn nur mit einer hochgezogenen Augenbraue bedachte. Sin lachte, griff nach meiner Hand und zog mich geschickt durch die Menschenmassen, als wir auf einen breiteren Weg kamen und somit die Einkaufsstraßen der Münchener Innenstadt erreichten.

Heute war Freitag und dazu noch ein herrlich sonniger Nachmittag Anfang Dezember. Die Vorweihnachtszeit hatte begonnen und die Straßen waren daher gerammelt voll. Ich mochte es nicht, mich durch all die Massen zu quetschen, aber vom Karlsplatz, der nur wenige Hundert Meter entfernt lag, bis zum Rathaus lohnte es sich nicht, mit der noch überfüllteren U-Bahn zu fahren. Wir alle kannten uns in München gut genug aus, um recht schnell vorwärtszukommen und die Hauptumschlagstraßen zu umgehen. Doch in der Vorweihnachtszeit schien selbst uns das nicht mehr möglich zu sein.

»Himmel, ich hasse diese Fülle!«, beschwerte ich mich, als mich trotz Sins guter Führung jemand an der Schulter streifte. »Wo kommen nur all die Menschen um diese Zeit her?«

»Aus irgendwelchen Löchern«, murrte auch Thunder und blickte so finster, dass die Passanten ihr fast schon freiwillig Platz machten. »Die sollen ihre Weihnachtseinkäufe über das Internet tätigen, wie es alle modernen Menschen in dieser Zeit machen.«

»Aber darum geht es doch gar nicht, Thunder«, warf Sin ein. »Es geht um den Flair, den Geruch, das Gefühl, in die Kindheit zurückversetzt zu werden. Weihnachten ist einfach toll!«

Ich musste ein breites Grinsen zurückhalten, denn wenn es um Weihnachten ging, konnte Sin sehr leidenschaftlich werden. Er liebte diese Zeit und ich gönnte ihm die Vorfreude auf die Feiertage. Vor allem da seine Weihnachten als Kind nicht häufig so erfüllt gewesen waren, wie er es sich damals und auch heute wünschte.

Dafür bekam er nun alles, was er wollte, auch wenn es für mich ein wenig anstrengend werden konnte. Ich backte in der Zeit sehr viel, schmückte die Wohnung bereits am ersten Advent, überlegte mir jedes Jahr etwas Neues für den Adventskalender und musste mich sehr häufig von Sin über den Weihnachtsmarkt ziehen lassen. Ich tat das sehr gerne, weil auch ich Weihnachten mochte, aber mit meinem Mann und Sophie an meiner Seite konnte es in einen mehrwöchigen Marathon ausarten. Nur gegen Weihnachtslieder sperrte ich mich. Die konnte sich Sin in den Geschäften zur Genüge anhören.

»Pah«, machte Thunder. »All das Gedränge, das Gehetze nach Geschenken, diese überzogene Freundlichkeit und der fast schon verzweifelte Wille, ganz wundervolle Tage zu verbringen, machen einen doch krank.«

Sin legte sich mit gespieltem Entsetzen die Hand an die Brust. »Thunder, ich ahnte es ja schon, aber jetzt scheint es bestätigt: Du bist der Grinch.«

Hurrikan und ich mussten daraufhin lachen, während Thunder Sin unwillig gegen die Brust schlug. Und das so fest, dass Sin schmerzhaft das Gesicht verzog.

»Das bin ich ganz sicher nicht«, murrte Thunder. »Auch ich mag Weihnachten, aber ihr müsst mir doch recht geben, dass inzwischen alles ein wenig zu überzogen wirkt.«

»Das stimmt schon, aber daran wird sich nichts mehr ändern. Wir müssen Weihnachten so nehmen, wie es geworden ist«, meinte ich mit einem Schulterzucken.

»Also ich finde es großartig!«, rief Sin aus und blickte über die leuchtenden Dekorationen, den künstlichen Schnee und die vielen grünen Nadelbaumzweige, mit denen nicht nur die Schaufenster, sondern auch die Straßenlaternen und die Gebäude geschmückt worden waren.

»Du bist ja auch eine Frohnatur überschäumenden Ausmaßes. Dir täte ein wenig Pessimismus ganz gut«, erklärte Thunder.

»Damit ich so miesepetrig werde wie du? Hm … Nein, danke.«

Ich verdrehte die Augen über ihre typischen Plänkeleien, hakte mich bei Sin ein und genoss ebenfalls den Tag. Obwohl die Temperaturen heute frostig waren, fehlte Schnee in diesem Jahr, um richtige Weihnachtsstimmung aufkommen zu lassen. An Tagen wie dem heutigen standen die Chancen gut, dass potenzieller Schnee liegen bleiben würde, aber wenn die dazu nötigen Wolken aufzogen, stieg die Temperatur wieder und es fiel nur Regen oder Graupel zu Boden. Dadurch gestaltete sich die letzte Zeit sehr ungemütlich, feucht und die Straßen auch häufig glatt. Zum Glück wohnte ich in einer Millionenmetropole mit sehr gut ausgebautem U-Bahn-Netz, wodurch ich mein Auto getrost in der Garage stehen lassen konnte. Dafür genoss ich die Zeit, die ich durch das schlechte Wetter daheim verbringen konnte.

Nach Abschluss meines Studiums vor wenigen Wochen hatte mir Medi eine Übergangsstelle angeboten, bis ich umgezogen sein und in Düsseldorf einen neuen Arbeitsplatz gefunden haben würde. Ich mochte es, mit der deutlich erfahreneren Frau zu arbeiten, aber die Schichten in einem Krankenhaus waren oftmals anstrengend und sehr stressig. Daher tat mir der Unwillen, etwas bei dem Wetter draußen zu unternehmen, gut. Sin arbeitete zu Hause, wenn er nicht auf mich achtgeben musste, und schenkte mir dazwischen viel von seiner Zeit. Trotzdem war es bereits Monate her, dass ich einfach nur abends auf dem Sofa einen Film angesehen oder gar Zeit für ein heißes Schaumbad gehabt hatte. Zudem nahm mich noch immer das Training bei Hurrikan und Sin ein, aber beide zeigten sich mit meinen Fortschritten zufrieden und reduzierten die Übungsstunden auf ein Mindestmaß. Ich konnte also durchaus beruhigt ein wenig durchatmen.

Kapitel 2

Vignette

Miriam

Als Sin eine Viertelstunde später an Suns Bürotür klopfte, schlüpfte ich bereits aus meinem Mantel und fächelte mir Luft zu. Durch die ständige mechanische Lüftung fühlte sich die Temperatur sehr angenehm an und ich begann bereits jetzt in meiner dicken Kleidung zu schwitzen. Das Hauptquartier der Wächter lag unter Münchens Innenstadt und nahm, unbemerkt von den Menschen, ein gigantisches Gebiet noch unterhalb der Kanalisation und der U-Bahn ein. Hier befand sich alles, was die Inaktiven, die Jäger, aber auch die Anwärter benötigten: Büros, Trainingshallen und sogar Wohnungen. In den letzten Jahren hatte ich mich so häufig in dieser unterirdischen Welt aufgehalten, dass ich blind den Weg hinaus finden würde.

»Herein!«, hörten wir Suns strenge Stimme.

Sin schob die schwere Holztür auf und ließ mir galant den Vortritt.

»Hallo, Sun«, begrüßte ich die oberste Wächterin, deren ernster Blick sich etwas aufhellte, als sie uns eintreten sah. Mehr Gefühl konnte ich ihr aber nicht ablesen, denn Sun war eine sehr beherrschte Frau. Zusammen mit ihren blonden Haaren, dem dezenten Make-up und dem schwarzen Kostüm repräsentierte sie die vollkommene Chefin. Wenn mir jemand sagen würde, dass es eine geeignetere Person für die Führung der Wächter gäbe, so würde ich ihm nicht glauben.

»Hallo, Miriam. Wie geht es dir?«, fragte sie und deutete auf einen von drei Stühlen vor ihrem Schreibtisch. Ihr Büro war sehr minimalistisch eingerichtet. Die Wände des quadratischen Raumes wurden komplett von einfachen Regalen eingenommen, in denen sich Ordner, Mappen, Bücher und Berichte stapelten. Ansonsten standen auf dem hellen Parkett nur Suns Schreibtisch und die drei Stühle. Ich mochte ihren einfachen Stil, doch dem Raum hätte ein wenig Wärme durchaus gutgetan.

»Sehr gut, danke der Nachfrage. Ich soll dich auch von Fire und Sophie grüßen. Das Baby ist wohlauf«, erwiderte ich, während Hurrikan und ich uns setzten und Sin und Thunder sich hinter mir aufstellten.

»Die große Sun wird Oma«, warf Sin mit einem Grinsen ein und erhielt sogleich einen tadelnden Blick von seiner Mutter.

»Seid ihr nur hergekommen, um mir das vor Augen zu führen?«

»Nein«, meinte ich und warf Sin einen belustigten Blick zu. Er konnte es nie lassen, Sun zu ärgern. »Wir wollten die neusten Entwicklungen bezüglich der Anti-Erwachten-Bewegung in Erfahrung bringen. Wir haben von den Ereignissen in der Türkei gehört.«

»Ach ja, diese Geschichte«, sagte Sun und gab ein kaum hörbares Schnauben von sich. Ein deutliches Zeichen, was sie von der ganzen Sache hielt. »Zum Glück braucht ihr euch um die fünf Erwachten dort keine Sorgen zu machen. Offiziell wurden sie zwar eingesperrt, aber sie befinden sich schon lange nicht mehr im Land. Die obersten Wächter dort haben sie auf das Trainingsgelände in Ägypten geschmuggelt. Sie wollen ihren Tod nicht, aber die Gegner sind in der Türkei sehr aggressiv. Jetzt befinden sie sich in Sicherheit.«

Ich wollte bereits aufatmen, als Sun schon weitersprach.

»Jedoch bereiten mir nun die Erwachten in Indien Sorgen.«

»Wieso das?«, fragte Hurrikan.

»Es wurde bewilligt, sie öffentlich zu jagen und unverzüglich hinzurichten.«

»O mein Gott«, flüsterte ich schockiert. »Wie kann so etwas zugelassen werden?«

Sun seufzte kurz. »Indien hat schon sehr lange große Probleme mit den Suchenden, da es durch die hohe Bevölkerungszahl unverhältnismäßig viele Erwachte gibt. Allein im letzten Jahr gab es fünf Geburten, die später zu Erwachten werden, was ihre Zahl auf fast zweihundert ansteigen lässt. Ein Fest für die Suchenden, die auch genügend Nahrung unter den Limaren finden und somit geradezu angelockt werden. Die Wächter dort haben die Situation kaum noch unter Kontrolle, weswegen sie sich gern der neuen Meinung angeschlossen haben. Die Wächter, die sich dagegen ausgesprochen haben, wurden im besten Fall suspendiert.«

»Und im schlimmsten Fall?«, fragte Sin finster. Er legte mir beschützend eine Hand auf die Schulter und ich berührte seine Finger dankbar.

»Das könnt ihr euch wahrscheinlich denken«, erwiderte Sun.

Wir vier schwiegen daraufhin, denn wir wussten nur zu genau, dass sie nicht mehr am Leben waren. Doch Sun unterbrach unsere Nachdenklichkeit mit ihrer stoischen Art.

»Die Lage in Indien ist ein Einzelfall. Ihr braucht also keine finsteren Gesichter zu ziehen. In den meisten Ländern schlägt der Hass auf die Erwachten zwar ebenfalls hohe Wellen, doch nur in den wenigsten artet es so weit aus, dass ein Machtwechsel in den Führungsebenen der Wächter stattfindet oder den Erwachten Gefahr droht. In weiten Teilen der Welt geschehen täglich weitaus schlimmere Dinge und hier in Deutschland wird es gar nicht so weit kommen, dass überhaupt eine Diskussion über ein verändertes Verhalten den Erwachten gegenüber entsteht. Dafür werde ich sorgen.«

Dankbar lächelte ich meine Schwiegermutter an. »Das wissen wir, Sun. Danke.«

»Hast du aber trotzdem einen detaillierten Bericht für mich?«, fragte Sin. »Ich möchte lieber genau über alles informiert sein.«

Sun nickte, rollte mit ihrem Schreibtischstuhl nach hinten zum nächsten Regal und zog eine Mappe hervor, die sie Sin reichte. »Ich werde euch auf dem Laufenden halten, falls wir etwas Neues erfahren.« Dann wandte sie sich direkt an mich. »Wie läuft es mit den Forschungen? Medi meinte, dass ihr gut vorankommt.«

Ich verzog den Mund und spielte mit dem Ring an Sins Finger, dessen Hand immer noch auf meiner Schulter lag. »Nun ja, so würde ich es vielleicht nicht bezeichnen. Wir verfolgen einen guten Ansatz, aber ob er von Erfolg gekrönt sein wird, wissen wir noch nicht. Mirassa ist auf jeden Fall davon überzeugt, aber das war sie schon bei dem Serum vor vier Monaten. Ich will noch nicht zu viel Euphorie schüren.«

Kurz dachte ich an das kleine Forschungslabor, das in den Tiefen des Krankenhauses lag, in dem ich arbeitete. Als wir vor eineinhalb Jahren nach Ägypten gereist waren, waren wir zwei höheren Suchenden begegnet, die erstaunlicherweise nicht an meinem Blut interessiert waren, sondern ihr Lebenswerk darauf fokussiert hatten, ein Mittel für die Suchenden zu finden, das ihren Bedarf an Magie stillte. Dadurch bräuchten sie weder die Limare noch die Erwachten oder magischen Bäume mehr zum Überleben.

Wenn ich nach meinen Schichten im Krankenhaus nicht zu erschöpft war, ging ich Mirassa und Tomerien oft besuchen und half ihnen mit ihren Forschungen. Dabei musste ich nicht einmal mehr einen meiner Wächter mitnehmen. Selbst Sin schien das unnötig, obwohl er den beiden Suchenden zu Beginn am meisten misstraut hatte. Die Freundschaft zwischen uns zeigte, dass ein Zusammenleben zwischen Suchenden und Limaren durchaus möglich war. Nun mussten wir nur noch ein Mittel entdecken, das den Hunger der Suchenden stillte.

»Gut«, sagte Sun resigniert. »Haltet mich aber auf dem Laufenden, wenn sich etwas ergeben sollte.«

»Das machen wir. Danke, dass du uns informiert hast«, erwiderte ich und stand auf. Suns Zeit war knapp bemessen und ich wollte sie nicht zu sehr vereinnahmen.

»Pass gut auf dich auf, Miriam. Morgen wollt ihr nach Düsseldorf?«, fragte Sun und stand ebenfalls auf, um mir ihre perfekt manikürte Hand zu reichen.

»Ja, so langsam müssen Sin und ich eine Wohnung finden.«

Sun nickte und blickte dann zu ihrem Sohn. »Wer begleitet euch?«

»Thunder und Fire kommen mit.«

»Ihr fahrt nur zu viert?«

»Ja, Hurrikan muss Dust unterrichten und Sophies Eltern kommen morgen. Außerdem will sie nicht mehr allzu viel reisen. Wieso fragst du? Befürchtest du etwas?«, fragte Sin mit einem Stirnrunzeln.

»Nein, aber ich überlasse nur ungern etwas dem Zufall. Es sind unsichere Zeiten, auch wenn es bei uns ruhiger ist. Wir sollten aufmerksam bleiben.«

»Das sind wir«, versicherte Thunder ihr und Sin legte mir einen Arm um die Schultern, als ich zwischen ihn und meine Wächterin trat.

Sun nickte. »Dann brauche ich mir ja keine Sorgen zu machen. Geht nun. Ich muss mich noch um etliche Dinge kümmern.«

Ich neigte leicht den Kopf und verließ zusammen mit meinen Freunden das Büro.

***

Sin

Miriams Stimmung befand sich im Keller, als sie an Sins Seite ihre gemeinsame Wohnung betrat. Das konnte er ihr regelrecht ansehen. Sin warf sogleich seine Schlüssel auf eine hüfthohe Kommode, die gegenüber des Fahrstuhls stand, der sich direkt in ihrer Wohnung öffnete. Er lebte gern hier und ließ kurz den Blick über das dunkelbraune Holzparkett und die weißen Wände gleiten. Obwohl er bereits mehr als drei Jahre zusammen mit Miriam hier wohnte, befanden sich nicht sonderlich viele Dinge in der Wohnung. Er mochte eine aufgeräumte Atmosphäre, weswegen sich neben einer Garderobe und einem Bild über der Kommode nicht viel mehr im Flur befand. Miriam akzeptierte seinen ordnungsliebenden Tick und er war ihr dankbar dafür.

Rechts führte ein Durchgang in das große Wohnzimmer und links eine Schiebetür aus Milchglas in die Küche. Eine kleine Schramme an der linken unteren Ecke erinnerte ihn an den Tag, als er und Miriam Unsinn getrieben hatten und eine Schüssel voller eingelegter Hähnchenschenkel genau an dieser Stelle zerschellt war. Noch heute entlockte ihm die Erinnerung ein Lächeln. Miriam dieses Mal jedoch nicht, wie er mit einem Blick auf sie bemerkte.

»Du siehst traurig aus«, stellte er fest, zog seine dicke Jacke aus und hing sie an die Garderobe.

»Das bin ich auch«, gab Miriam zu, während er sich die Klingen von den Unterarmen schnallte und sie neben seine Schlüssel auf die Kommode legte. Seit über einem Jahr hatte er sie nicht mehr benutzen müssen, was ein offensichtliches Zeichen war, wie ruhig sich die Zeiten für eine Erwachte hier in München gestalteten. Ihn freute das sehr, sowohl für Miriam als auch für sich und seine anderen Wächterkollegen.

»Es ist so furchtbar, dass die Erwachten in anderen Ländern gejagt und hingerichtet werden«, murmelte Miriam und ließ ihre Handtasche neben der Tür zu Boden gleiten.

Sin lächelte sie verständnisvoll an und trat auf seine Frau zu, um ihren Mantel aufzuknöpfen. »Es ehrt dich, dass du dir solche Gedanken um die anderen machst, meine Schöne. Aber wir können leider nicht alle schützen.«

»So wie immer …«

Sin schnaubte belustigt. »Hatten wir die Diskussion nicht schon einmal, dass du nicht alle retten kannst? Ich muss scheinbar Mirassa doch darum bitten, ein Mittel zu erfinden, das dich in eine Superheldin verwandelt. Die treuen Gefährten und das Geheimlabor stehen dir ja bereits zur Verfügung und mit ein paar Änderungen hat deine Schutzkleidung gutes Potenzial, zu einem Superoutfit zu werden. Nur das Cape fehlt noch.«

Allein bei der Vorstellung musste Miriam auflachen und ließ es zu, dass Sin ihr sowohl Mantel als auch Schal, Handschuhe und Mütze abnahm. »Auf welche Ideen du nur immer kommst! Aber nein, ich weiß selbst, dass ich nicht mehr tun kann. In dieser Position befinde ich mich einfach nicht und das betrübt mich genauso sehr, wie es mich erleichtert. Auf eine Wiederholung der gefährlichen Ereignisse von vor dreieinhalb oder anderthalb Jahren habe ich keine Lust. Aber ab und an kann ich es nicht verhindern, dass mich die Brutalität der Welt deprimiert.«

»Zum Glück hast du einen Mann an deiner Seite, der dich dann wieder aufmuntert«, sagte Sin mit einem Grinsen, überbrückte die restliche Distanz zwischen ihnen und legte ihr seine Arme um die Taille.

Sie bemerkte die Zuneigung, mit der er sie bedachte, und hob die Hand, um ihm sacht über die Wange zu streichen. »Ja, zum Glück. Und mit dir wird mir auch nie langweilig.«

»Gut so. Mir mit dir nämlich auch nicht«, erwiderte er, packte sie fester und hob sie einfach von den Füßen. Miriam lachte auf, hielt sich an ihm fest und ließ sich von ihm zu der Kommode tragen, auf der er sie absetzte.

»Mach dir nicht so viele Gedanken«, bat Sin sie, stützte sich links und rechts von ihr ab und lehnte seine Stirn an ihre. »Mir tut es auch leid um die Erwachten in Indien, aber wir können nichts dagegen machen. Wir sind aber dazu in der Lage, so etwas hier in Deutschland zu verhindern. Und diese Arbeit verrichten wir ziemlich gut.«

»Da hast du recht«, sagte sie leise und hielt Sin auf, als er sich aufrichten wollte. Sacht suchte sie die Wärme seiner Lippen und nur zu gern gab er ihrem Wunsch nach. Er küsste sie so gern und sie ihn scheinbar auch, denn sie seufzte zufrieden und schmiegte sich mehr in seine Arme.

Miriam lachte erneut auf, als Sin sich von ihr löste, sie kurz anzwinkerte und dann in die Knie ging, um ihr die Schuhe auszuziehen. Sie machte sein Leben einfach perfekt.

»Wollen wir dann etwas essen?« Er richtete sich wieder auf und stellte ihre Schuhe neben die Garderobe. »Ich hab unglaublichen Hunger und ich muss mich noch um meine Arbeit kümmern.«

»Dafür bleibt aber nicht mehr viel Zeit. Wir müssen morgen früh raus und sollten daher bald ins Bett«, erwiderte Miriam und rutschte von der Kommode.

»Ich werde schon mit ein paar Stunden weniger Schlaf auskommen.«

»Daran zweifle ich nicht. Aber was ist, wenn ich nicht allein ins Bett gehen will?«

Sins Lippen zuckten amüsiert. »Dann werden wir uns mit dem Essen beeilen müssen. Ich will meine Frau ja nicht enttäuschen.«

Damit griff er nach ihrer Hand und zog sie in die Küche, während sie bereits voller Vorfreude lächeln musste.

Kapitel 3

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Miriam

Am nächsten Morgen weckte mich Sin schon sehr früh. Wir mussten am heutigen Tag bis hinauf nach Düsseldorf fahren und am selben Tag zurück, da ich morgen eine Schicht im Krankenhaus übernahm. Doch auch wenn ich Schichtarbeit inzwischen gewohnt war, hasste ich es, mitten in der Nacht aufzustehen. Also gab ich nur ein müdes Murren von mir, als Sin mir einen Kuss auf die Wange gab.

»Nicht knurren, meine Schöne. Du wolltest unbedingt so zeitig raus, also beschwere dich nicht.« Voller Elan stand er auf und trat an den Kleiderschrank. Ich wusste nicht, wie er es machte, aber Sin konnte nach dem Aufstehen bereits Bäume ausreißen. Und damit übertrieb ich keineswegs.

Ich antwortete Sin nicht, sondern blieb einfach liegen, während er das Schlafzimmer verließ und im angrenzenden Wohnzimmer das Licht anmachte. Er wusste ganz genau, dass er mir meine Zeit zum Aufwachen geben musste. Allerdings hatte er recht, ich hatte ja schließlich so früh losfahren wollen.