Die treue Adele

Ja, gleich um die Ecke! Rechts, wenn man hinuntergeht, neben dem Gewürzkrämer, gerade dem Fenster gegenüber, wo die vier nassen Zwilchhosen hängen. In diesem schmalen, finsteren, aschgrauen, verwitterten und verwaschenen Langhause mit den zwei unheimlichen, grinsenden, dottergelben Flecken über dem Tor, unter dem grasgrünen Schild der alten Kuhlemann. Dort, wo die Laterne mit der zerbrochenen Scheibe ist. Es wird immerfort Drehorgel gespielt in dem feuchten, engen, winkeligen Hof mit den vielen Karren und der langen, von dampfender Wäsche belasteten Leine, den ganzen Tag. Ja, da wohnt sie. Wer ihr einmal nachgestiegen ist, weiß es. Das ganze Quartier weiß es.

Übrigens: das ist nicht so einfach, ihr nachzusteigen. Jeder Platz ist besetzt in dem Kondukt, von ständigen Abonnenten. Immer: den ganzen langen Weg bis zu dem großen Galanteriegeschäft in der breiten Straße, in dem sie die weichen, mattgelben, schwedischen Handschuhe verkauft und die braunen, fleckigen Rohre mit den dicken, goldenen Kugeln am Ende. Früh und spät: morgens, wenn sie mit hastig zusammengerafften Kleidern, die Hutnadel verbogen, den Cul 1 lose und schief, an dem zierlichen Stiefelchen den dritten Knopf ins fünfte Loch verirrt, daß sich das Leder ächzend sträubt, das spitze, in einen Widerhaken ausgebogene Näschen, auf dessen hellflaumige Wurzel die blonden Flocken der widerspenstigen Stirnlocke niederbaumeln, fröstelnd in die kitzelnde Schmeichelei der grünlich-weißen Boa vergraben, allen Grüßen blind und jeden Augenblick in einen ahnungslosen Wanderer verrannt, atemlos und immer verspätet, wie ein kleiner Schraubendampfer dahinkeucht; abends, wenn sie mit zierlich glatter Taille, den Ärmel mit weiser Sorgfalt ein wenig zurückgeschlagen, daß sich das Armband zeigt, die runden Wangen leicht mit Puder eingestäubt, den rosigen Schleier kokett auf die kirschige Oberlippe gezogen, mit schweifendem Blicke, vor jedem Schaufenster ihre Neugierde anhaltend, jeder vorwitzigen Bewunderung mit einem glücklichen Lächeln dankbar, lässig und gemächlich, wie ein selbstgefälliges Segelschiff im sommerlichen Winde, nach Hause trottet.

Eine kuriose Menagerie, diese Abonnenten der Begleitung, die die kleine Tierbändigerin alle Tage hinter sich herschleppt! Da ist der klapperbeinige Leutnant, von den blauen Dragonern mit dem fuchsroten Schnurrbart und den ziegelroten Wangen und der veilchenroten Nase, ein brennender Dornbusch auf Stelzen! der immer sagt: »Man muß die Blümchen, die der liebe Gott gepflanzt hat, begießen, sonst verkümmern sie.« Dann der dicke Assessor mit dem glänzenden Gesicht, der eigentlich »prinzipiell die Witwen vorzieht«, aber doch nicht bloß Prinzipienreiter ist. Der junge Mann der alten Kuhlemann, der Hebamme, mit dem fetten, faltigen, schwarzen Kandidatenrock, ein dürrer, finsterer, behender Schatten, mit zwei unheimlichen, gierig lodernden Feuerballen in dem verkohlten und ausgesogenen Gesicht, der aus England her die heiligen Traktätlein und nach England hin die unheiligen Mägdlein besorgt, ein ergiebiger Tauschhandel. Dann der eilige Rechtsanwalt, der immer alle Hände voll zu tun hat, mit fuchtelnden Armen und zappelnden Beinen, und im Schnee noeh schwitzt, aber doch, sooft er die Kleine sieht, »Donnerwetter« sagt und seinen überstürzten Galopp einen Augenblick anhält, den Überschuß seiner bewegten Seele in ein großes, feuerrotes Tuch ausschnaubend, auf welchem die ganze Schlacht bei Wörth gemalt ist mit dem Kronprinzen zu Pferd, den Degen blank und hochgeschwungen. Dann der blonde August, der Agent, mit dem strohgelben, stacheligen Schnurrbart, die Liebe aller Kellnerinnen, weil er die besten Plätze in den Kneipen zu vergeben hat, und er weiß auch so schön zu tun und erzählt immer die schnurrigsten Geschichten, der sie nicht anschauen kann, ohne einen schmerzlichen Seufzer: »schade, jammerschade!«, und es immer wieder aufs neue versucht; denn er treibt sein Geschäft nicht bloß um Gewinn, sondern aus Neigung, mit Leidenschaft, wie ein Blumenzüchter. Und wenn es regnet, da ist dann noch überdies der ehrwürdige, alte Maler, der die wunderschönen, bleichen Madonnen malt, mit dem wehmütigen Lächeln und der frommen Himmelssehnsucht im schmachtenden Auge, aber nur wenn es regnet, daß man nur auf den Zehenspitzen über die Straße trippelt, mit angewandter Vorsicht – denn er will etwas sehen, etwas Gediegenes und etwas Reelles.

Am besten hatte es entschieden der dicke Doktor. Doktor, aus Höflichkeit der Leute nämlich, nicht eigentlich vor den Behörden, die immer gleich was Schriftliches verlangen. Und er zog auch schon lange genug auf den Hochschulen umher, daß er es wohl verdiente, und überall, in ganz Deutschland, jedes Halbjahr woanders, Nord und Süd.

Die Mediziner sind überhaupt glücklich daran mit den Frauen. Sie sind so verwendbar. Sie wissen allerhand Rat und wie man das vermeidet und wie man sich da heraushilft; wenn man es auch gerade nicht braucht, so weiß man doch nie, was einem nicht noch irgend einmal passiert. Und dann, es ist mit ihnen wie mit dem Pfarrer: da braucht man sich nicht zu genieren. Und natürlich, sie sich auch nicht. »In unserem Berufe!« sagen sie mit Würde und machen das ernsteste Gesicht zu den lustigsten Sachen. '

Und dann kann man lange nach einem suchen, mit dem man sich so prächtig amüsiert! Er schnarrte von Schnurren, wie eine Rakete, der Doktor. Er wußte immer das Neueste, und es war immer zum Totlachen. Er hatte auch immer Zeit, wenn man wollte. Und immer fiel ihm wieder was ein. Und Geschichten hatte er erlebt, nein, Geschichten! Wenn einer so in der Welt herumkommt, der erfährt es erst, was mit ihnen los ist, mit diesen vornehmen Damen. Jawohl! Und das will noch hochmütig sein, am Ende. Und dann war er so aufmerksam, wirklich nett. Gleich als er eingezogen war, das erste Mal, da sie sich auf der Treppe begegneten, hatte er ihr schon den Puls gefühlt, ob sie nicht krank sei. Ohne daß es was gekostet hätte. Und dann meinte er, sie hätte vielleicht einen kleinen Herzfehler. Und zum Kaffee hatte er immer vorzüglichen Kuchen mit Schlagsahne.

Dahingegen der lange Friedrich! Er war zur nämlichen Zeit eingezogen wie der Doktor: auch ganz oben, im vierten Stocke, unter dem Dache, die Stube nebenan. Sie sah ihn kaum mehr an. Es war nichts los mit dem; und überdies trug er die Haare auf der Seite gescheitelt, und nicht einmal durchgezogen. Solche Leute läßt man einfach links liegen, sagte sie mit der zuversichtlichen Entschlossenheit desjenigen, der genau weiß, was er zu tun und zu lassen hat.

Er hatte ein besonderes Pech mit ihr, der lange Friedrich mit den roten Händen und den kurzen Hosen, abgestoßen und ausgefranst am Ende, mit wegstehenden Fäden. Er liebte sie.

Er liebte sie, wie man mit siebzehn Jahren liebt, wenn man in einer kleinen Stadt unter großen Büchern aufgewachsen ist, in Träumen, und alte Philologie studiert. Er hatte lange das Bedürfnis nach Liebe: ein Bedürfnis nicht nur des erwachenden Herzens, ein Bedürfnis des reifenden Geistes, um seine Bildung zu ergänzen und seinen Klassikern gerecht zu werden. Nun hatte er die Liebe. Seit dem ersten Tage, da er sie das erste Mal gesehen, wußte er's.

Was nun? Zunächst machte er Gedichte. Einen Monat lang, anderthalb. Dann wurde er verwegen. Seine Begierde warf die Zügel ab. Er dachte sogar daran, sie einmal anzureden.

An diesem Tage, nachdem er lange mit sich gekämpft, wagte er es. Als er ihr begegnete, unten auf dem Treppenabsatz, zögerte er einen Augenblick, sah sich nochmals nach allen Seiten um, ob sie auch wirklich allein wären, von keinem Verräter belauscht, und indem er sich rasch einige Beispiele heroischen Mutes aus der Geschichte zu Hilfe rief, wagte er es: mit einer linkischen Gebärde zog er den Hut, sagte stammelnd: »Guten Tag, Fräulein«, und bis in die Schläfe hinein errötend, indem er mit einem stolpernden Satze gleich vier Stufen auf einmal nahm, war er atemlos um das Tor verschwunden. Was tun? Was tun? Schreiben? Sagen würde er es ihr doch nie können.

Also schreiben! Er schrieb. Wieder einen Monat lang, anderthalb. Auf wunderschönem, schneeweißem Papier, Vergißmeinnicht oben in der Ecke; mit einer ganz spitzen Feder, feingestochene Buchstaben. Aber zuerst fand er keinen Anfang und dann fand er kein Ende und niemals hätte er den Mut gefunden, es ihr wirklich zu senden. Schreiben, das war leicht gesagt. Aber was schreiben? Daß er sie liebte, ja – und? Es war doch ein braves Mädchen, und er war doch kein Lump. Konnte er sie denn heiraten, jetzt, wo er noch drei Jahre bis zur Prüfung hatte? Wovon denn, womit denn? Und wollte er sie denn betrügen, ins Unglück bringen, zur Schande? Konnte er denn mit Redlichkeit vor sie hintreten, klipp und klar: ich will dich zur Frau, in vierzehn Tagen soll Hochzeit sein – wie's einem ehrlichen Burschen gebührt? So gingen seine Gedanken im Kreise herum, ohne Ausweg.

Die nächste Zeit verbrachte er hauptsächlich auf der Treppe, der Himmelsleiter, darauf sein Engel auf und nieder stieg; wenn irgend eine Hoffnung war, sie zu treffen. Seine Einbildung, mit Wunsch gedüngt, war fruchtbar an solcher Hoffnung: sie konnte ja ihr Taschentuch vergessen oder Nasenbluten bekommen haben, und es war ja auch möglich, daß das Geschäft einmal niederbrannte, plötzlich. Bloß um sie zu sehen, recht oft zu sehen, wann es nur möglich, ohne andere Gedanken. Immer treppauf, treppab, mit fliegendem Atem und brennender Stirn, den langen Hals lauschend vorgebeugt wie ein englischer Renner, den Blick scheu vor den Nachbarn gesenkt, nach der Mauer gedreht; denn er zweifelte nicht, daß sie sein verwerfliches Treiben längst durchschaut haben müßten, und wer im Hause lachte, lachte über ihn offenbar. Und nun erst, wenn sie nun wirklich kam, gar vor ihr selber, völlig kopfverloren, in unbändiger Flucht wie vor einem Gespenst, in dieser heillosen Angst, sich zu verraten und daß sie, beleidigt in ihrem Stolze und an ihrer Ehre verwundet, wenn sie einmal das finstere Verbrechen von seiner Wange gelesen, ihm ihr ganzes Leben nicht wieder verzeihen könnte. So jagte ihn den ganzen Tag, wie wilder Fieberdurst, diese einzige Sehnsucht nach ihrer Begegnung; und wenn sich die stürmende Begierde endlich erfüllte, in der Befriedigung gerade, litt er die schlimmste Höllenpein, einen blutigen Rutenlauf des Gewissens, und wie aus Todesgefahr atmete er auf, wenn das Entsetzliche endlich vorüber. Dann ging die Geschichte wieder von vorne los, ein erfreulicher Lebenswandel, manchem Jüngling vertraut.

Sie hatte das bald heraus, daß da irgend etwas nicht in Ordnung war, mit dem schlanken Jungen. Er mißfiel ihr nicht. Sie ließ es sich merken. Das Lächeln, das seinem hastigen Gruße dankte, aus ihrem purpurnen Munde entflatternd wie ein Schmetterling aus dem Kelche der Pfingstrose, verweilte in den von milchigem Flaum erhellten Grübchen. Sie blieb stehen. Sie redete ihn an. Sie richtete ihr Strumpfband. Sie bat ihn um kleine Gefälligkeiten. Einmal, da in dem Romane des Abendblattes, gerade wie die anderen Hindernisse von dem siegreichen Helden endlich glücklich bezwungen waren, was Französisches vorkam, das sie nicht verstand, stieg sie sogar in seine Kammer hinauf, sich Rat zu holen, abends.

Nun war es ganz aus. Welches teuflische Ungeheuer hätte er nicht sein müssen, so viel Arglosigkeit und Vertrauen zu mißbrauchen! Offenbar: die Taube ahnte den Falken gar nicht, den gierigen Stoßfalken in seiner Seele! Er erschauderte vor sich selbst. Welch ein Abgrund!

Ja, in vier Jahren, wenn er ein kleines Lehramt hoffen durfte! Aber zum Welken sollte diese Lilie nicht gebrochen werden, niemals! Er ward noch linkischer und selbst sein Blick verstummte.

Sie ärgerte sich. So etwas war ihr noch nicht vorgekommen. Was hatte er denn eigentlich? Warum denn nicht? Übrigens – sein Schade! nur sein eigener Schade! Sie hatte es nicht nötig – Gott sei Dank! Und sie zuckte die runden Schultern und warf die krause Oberlippe auf. Von der Sorte – mehr als ein Dutzend, Gott sei Dank!

Offenbar: nun hatte sie es endlich doch gemerkt. Oh, wie er mit sich haderte, sich mit stacheliger Reue geißelte! Sie achtete jetzt kaum mehr auf seinen Gruß, und ihr Blick flog über ihn weg. Wie sie, in ihrer Reinheit und Herzenseinfalt, wie sie ihn hassen mußte, verachten, verabscheuen! Abbitten, auf den Knien abbitten – aber er würde es nie wagen, und würde sie ihn denn hören? Nein, das war alles dahin, unwiederbringlich dahin. Es gab keine Gemeinschaft mehr zwischen ihnen, wie es keine Gemeinschaft gibt zwischen der Tugend und dem Laster, zwischen der Sonne und der Nacht.

Zu jener Zeit fing die kleine Adele an, wahrzunehmen, daß der lange Friedrich den Scheitel auf der Seite trug und nicht einmal durchgezogen; und seit jener Zeit pflegte die kleine Adele zu sagen, mit dieser zielbewußten Entschlossenheit: »Solche Leute läßt man einfach links liegen.«

Da, in der größten Not, packte ihn das Glück am Schöpfe und zog ihn heraus. Es war aber nicht das gewöhnliche Glück, die schlanke Tänzerin auf der rollenden Kugel mit dem zierlichen Knöchel. Es war ein besonderes und hatte die Gestalt eines wohlgenährten Burschen von neun Jahren, just an der Schwelle der Flegelei, mit ölig glänzenden, Wangen, pfiffigen Schlitzaugen und großen, weit abstehenden, durchscheinenden Ohren, die er bewegen konnte, auf und ab, und wenn er die Stirne recht runzelte, selbst nach der Seite, wie ein Pferd. Das war aber auch das einzige, was er konnte, und darum braucht' er einen Hofmeister, für die anderen Lebenskünste, was einen Haufen Geld kostete und alle Augenblicke eine neue Annonce in der Zeitung: denn keiner hielt lange aus, und so kam die Reihe zuletzt an den Friedrich.

Er mußte weg aus der kleinen Kammer neben dem dicken Doktor, der übrigens zur nämlichen Zeit die Stadt verließ, um wieder eine andere Hochschule zu beglücken, ein rastloser Wanderbursche der Wissenschaft. Es war nämlich die Bedingung gestellt, daß er gleich in der Nähe seines Schülers wohnen müßte, nur wenige Häuser davon. Sonst endete es immer mit Unzukömmlichkeiten: eine ganze halbe Stunde hatte sich der vorige Hauslehrer einmal verspätet.

Er hatte ein gutes Leben da. Der Junge war ein Lausbub. Aber die Herrschaft war gütig und ließ dem Gesinde nichts abgehen: zwei Sonntage im Monat hatte die Köchin Ausgang, er einen.

An einem solchen Sonntage, nach dem Essen – ein Jahr mochte vergangen sein – wanderte er einmal nach der Heide hinaus, zur Belustigung. Der Frühling schwamm in der Luft. Es tanzte ihm das Herz im Leibe und die Taler in der Tasche.

Seine Genußsucht schweifte aus. Er betrachtete die Riesendame, mit anhaltender Bewunderung, für drei Groschen; er zeigte seine Schießkunst; und von dem Mädchen mit den weißen Haaren und den roten Augen konnte er sich gar nicht trennen. Immer aber, wenn er aus der Bude heraustrat, hielt er ein wenig an, und, den Kopf leicht zurückgebeugt, mit hochgestreckten Armen sog er langsam den balsamischen Duft ein, den in sanften Wellen ein lauer Wind von dem nahen Walde herüberspülte, einträumend und buhlerisch.

Er verweilte vor der Rutschbahn. Sehr vergnüglich, wie der Karren vorübersauste, wie aus einer Kanone geschossen. Die Weiber kreischend durcheinandergerüttelt, eine über der anderen, mit fliegenden Röcken, die Hände krampfhaft an den Hüten, die sich gegen den Strom des Windes aufstellten, kerzengerade emporgesträubt. Und vorüber wie der Blitz, nurmehr ein dumpfes Grollen, in der Ferne verhallend. Als ob Kegel geschoben würde mit Menschenleibern.

Drollig. Er mußte das auch versuchen. Aber da, gerade wie er die Treppe hinaufwollte, stand sie auf einmal vor ihm, wie aus der Erde heraus. Es fuhr ihm ein Stoß ins Herz. Er taumelte.

»Schau!« sagte sie, »Du bist's. Sieht man dich auch wieder einmal? Ich glaubte dich gar nicht mehr hier!«

Er kniff sich in die Lenden, zweimal, um den Traum davonzujagen, die Augen auseinandergerissen, die Brauen aufgerollt wie die Stachel eines Igels. Sie lachte. Sie schritt die drei Stufen herunter, geradewegs auf ihn zu, und indem sie die Arme langausgestreckt auf seine Schultern legte und mit zärtlichen Fingern ihn leise an beiden Ohrläppchen zupfte, versetzte sie ihm, nachdem sie ihre Wangen eine Weile sanft an seiner Brust gerieben, langsam ihre Lippen auf die seinen schiebend, einen vollen, saftigen Kuß. Er empfing ihn wie ein heiliges Wunder, wortlos, zitternd. Er erwartete jetzt nur noch, daß sie ihn in die Arme nehmen und mit ihm fortfliegen würde, von der Erde weg, in die Ewigkeit.

Und sie lachte noch immer. Ja freilich! Hast geglaubt, daß ich dich nicht mehr kenne, weil es schon ein Jahr her ist! Aber ich bin nicht von denen, die so leicht vergessen. Oh! Ich bin treu!« Und sie wurde ganz rot vor Stolz, aufgebläht vor Befriedigung wie eine Taube, die gurgelnd die Federn sträubt. »Ich bin treu. Was ich einmal liebe, das vergesse ich nicht wieder.«

Ihm dampfte der Kopf. Er tappte mit den Händen vor sich hin wie ein Geblendeter. Es brodelten ihm die Sinne. Über ihm jagten sich die kleinen runden Wolken, in silberweißen Wolljäckchen mit ausgezupften Ärmeln, flohen und gesellten sich. In ihm wirbelten verwegen Hoffnungen, überschlugen und purzelbäumten sich, stellten sich auf die Nase und trillerten mit den Zehen. Es war ein einziger reißender Strudel, in dem alles verschwand, oben und unten, innen und außen, ein heißer, fieberisch gaukelnder Tanz, in dessen stäubendem Gischt Himmel und Erde versanken.

»Wenn's dir recht ist, bleiben wir zusammen, heute. Ich habe ohnedies keinen.« Sie nahm seinen Arm. Er wankte dahin wie ein Trunkener. Er wußte nichts, verstand gar nichts. Ihm war, als würde er auf schwellenden Rosenkissen, von Jasmin gefächelt, in den Äther emporgetragen, höher und höher, wohin keine Kunde der Erde mehr dringt, von verzückten Engelschören umringt mit süßen, jauchzenden Schalmeien aus großen, goldenen, gewundenen Hörnern, und ihm schwände die Besinnung.

»Wo wohnst du jetzt eigentlich?« fragte sie, als sie nach der Stadt heimkehrten, abends, Arm in Arm, während er Visionen stammelte. Er nannte die Straße. »Donnerwetter! Da habe ich einen schönen Weg nach Hause. Aber nicht wahr, du zahlst mir eine Droschke, gelt?... Und,weißt du, auf was ich mich am meisten freue? Was glaubst du, rate einmal!« Er erriet es aber nicht, gar nichts.

»Herrgott! Bist du ungeschickt«, sagte sie ärgerlich, als ihm das dritte Zündhölzchen versagte. »Und ich bin schon so neugierig darauf!«

»Aber wo ist es denn nur?« Und sie schnupperte mit dem Blick in allen Winkeln herum, wie ein Hund, der einen Brocken fallen gehört hat, aber nicht sieht. »Wo hast du es denn nur?«

Er begriff kein Wort. Er bat sie, es ihm zu erklären. »Ah, Schlingel!« kreischte sie. »Du hast es versetzt! Wahrscheinlich!... Oh, oh! Und ich hatte mich so gefreut darauf!«

Er wiederholte die Bitte, dringlicher. »Ah, tu doch nicht so!« sagte sie unmutig und gab ihm einen Klaps. »Du weißt schon – wir haben uns immer so amüsiert damit. Es war auch zu drollig ... das Skelett!«

Nun gab es ihm einen Ruck, und plötzlich stand er wieder auf der Erde, mit beiden Füßen. Es war aus mit der Himmelfahrt. Er erinnerte sich. Der dicke Doktor, in der Ecke der Kammer, hatte ein männliches Skelett, einen gelben Fez auf dem Totenschädel, eine lange Pfeife mit blauen Quasten zwischen den zahnlosen Kiefern, ein lächerlicher und schauriger Anblick. Er hatte es oft gesehen, mit Ekel und Furcht. Er erbleichte.

»Das war der Doktor! Ich bin Friedrich, der Philologe!« Mehr brachte er nicht heraus.

Sie rieb sich das Näschen an der Fensterscheibe, ein wenig verlegen. Dann, indem sie flink auf den Absätzen herumwippte, lachte sie desto ausgelassener. »Nein, nein!... Richtig, ja! Das war der Doktor! Nein, wie ich euch verwechseln konnte – er war doch dick, mit einem großmächtigen Bauch, oh, ich erinnere mich jetzt ganz genau ... Übrigens, da ich doch einmal da bin ...«

Sie sperrte die Augen weit auf, durch Verwunderung vergrößert. Er hatte sich über den Tisch geworfen, das Gesicht in den Händen vergraben, und weinte und weinte, bitterlich.

»Richtig, richtig!« murmelte sie. »Der lange Friedrich! Ich erinnere mich jetzt... Er kam mir immer nicht recht richtig vor ... Und jetzt sieht man es ja!«

Und leise, auf den Zehenspitzen, schlich sie hinaus, ohne ein Wort, wie eine Katze, und war froh, wie sie draußen war.

Am anderen Morgen geschah es, daß sich auch der neue Hauslehrer um eine ganze halbe Stunde verspätete. Er war sehr bleich und hatte dicke, schwarze Ringe um die Augen. »Die Leute haben kein Pflichtgefühl mehr«, sagte der Vater traurig zu der Mutter, »sondern Räusche.« Und sie zogen es ihm am Gehalt ab.

»Das darfst du nun nicht so tragisch nehmen, mein Lieber«, sagt' sein Freund Konrad, als er es ihm erzählte. Er war um drei Jahre älter, schon ganze zwanzig; da hat man keine Illusion mehr. »Was willst du? Die Weiber!« Er machte eine verächtliche Gebärde. »Sie sind einmal so, ein vergeßliches Geschlecht, eine wie die andere. Das macht – sie haben um so viel weniger Gehirn, weißt du?«

»Aber ich habe sie so geliebt!« schluchzte der lange Friedrich.

»Ja, das darf man halt nicht! Das darf man halt nicht!«

  1. Cul (de Paris) (franz.) unter dem Kleiderrock getragenes Polster, eigentl. Pariser Hinterer.

Mit der Nase

Wir sind jedesmal riesig fidel, sooft sie wieder in den allgemeinen Verkehr zurückerstattet wird. Erstens gibt's wenige ihresgleichen, so ausschlagend knospenfrisch und von dieser gassenbübisch geschmeidigen und veränderlichen und rastlosen Anmut unter den schweren, stolzen, üppigen Gewändern und mit solchem Erfolg in allen Graden der Liebe geschult, und sie riecht immer sehr gut und jeder vermißt sie schmerzlich, in bösen Fasten und Entbehrungen. Zweitens, weil auch ihre Rede sich recht unanständig benimmt, kommt wenigstens etwas Geist in unsere aufzufrischende Gesellschaft. Drittens hat man einen Vorwand mehr, Sekt zu trinken, Mensch zu sein.

Da beutelt sie uns dann ihre letzten Abenteuer an die gelben Glatzen.

Gestern war sie wieder höchst gemütlich. Besonders nachher, als es schon mehr heute wurde. Da machte sie sich's bequem. »Angezogene Unterhaltungen« nämlich mag sie nicht leiden; die sind ihr zu »gespannt«. Aus ihrer malerischen Periode her, als sie noch in der Akademie stand, hat sie die Nostalgie des Aktes. Bloß die Handschuhe, das schwarze Mieder und die Strumpfbänder behält sie, »um die Schamhaftigkeit nicht zu verletzen«. Es ist ein geschmackvolles Kostüm, nicht alltäglich, empfehlenswert. Auch praktisch.

Das heizte uns gut ein. Es wurde eine tatkräftige, schaffensfrohe Begeisterung. Alle waren einig; daß es »ein so liebes Viecher!« nicht wieder gibt.

Dann erzählte sie ihr neuestes Verhältnis und wie es wieder aus dem Leim gegangen, Gott sei Dank.

»Mit dem Zettwitz, kennst ihn gewiß, bei allen Rennen, von den gelben Dragonern, die in Krems liegen, Graf ist er auch, und man muß gleich lachen, weil er mit dem kurzen, dicken Blähhals und den steilen und gepufften Schultern so verkauert ausschaut, wie der Rauchfang eines Dampfers, wenn er sich zusammenschiebt, weil's unter die Brücke geht; auch schnaubt er gerade so, pust! pust! tief von unten herauf, aus der Maschine. Lange schon wollte er sich an mich heranschwänzeln, da spielte ich noch unten beim Fürst. Weil er aber keine Frau hatte, hatte er keine Moneten, und dann ist auch ein Junggeselle überhaupt gegen mein Prinzip, weil ihnen das Solide fehlt, sie blitzen ja doch nur,aber in Geldsachen hört der Spaß auf, dafür bin ich bekannt, weil man auf sich halten muß, weshalb ich seine Liebe erst erwiderte, als er sich verheiratete, voriges Jahr, mit der roten Goldenstern, steinreich, mudelsauber, aber saudumm – denk dir, verliebt sich die Person auf einmal in ihren Mann, aber wart nur noch ein bissei, es kommt gleich.

Also, da kaufte er mir die Villa in Dornbach, und wir liebten uns fleißig. Los war mit ihm gar nichts: er hatte nicht mehr den schönen Eifer der Jungen, welche durch rührende Ausdauer mit der Einfalt ihrer Mittel versöhnen, und er hatte noch nicht die heitere Phantasie der Alten, welche in der Enthaltsamkeit manchmal ganz un- . terhaltende Sachen erfinden. Sondern zwischen zwei Altern, wo sie in einem fort an die Gesundheit denken, und das Herz muß dem Magen gehorchen. Da nehme ich nie mehr einen fix. Er schnarchte.

Es war zum' Hinwerden. Heiraten kann auch nicht schrecklicher sein. Da klopft's eines schönen Tages an meine Tür, und wer ruckt mir auf die Bude? Seine Frau, gestiefelt und gespornt, mit Zorn und Vorwurf – ja, es verliebte sich in ihn seine eigene Frau.

Halt dumm und ungeschickt, und wie man sie blöde erzieht, wissen sie natürlich nichts vom Leben und sind auch bloß so emporgekommene Leute, die ganze Familie, ohne Haltung.

Also, hat uns ausspioniert, marschiert mit Würde und Entrüstung auf und möchte einen großen Tanz anfangen, weil ich den Frieden ihres häuslichen Glücks untergrabe und so weiter, bim – bam – bum. Aber ich, na, versteht sich, auch gerade nicht aufs Maul gefallen, sag's ihr gleich ordentlich heraus, mit einem Schick, der sich gewaschen hat: ich kann ja nichts dafür, daß ich so schön bin, und andere möchten's bloß. Ich habe mich nicht gemacht und sie nicht gemacht und den Trottel von ihrem Mann schon gar nicht – also soll sie mich in Ruh lassen, zum Teufel. Und wenn's ihr nicht recht ist, kann sie mich gern haben – Punktum!

Aber da, gerade wie ich mir erst recht die Ärmel aufstrupfe, da auf einmal, klaps, pumpst sie mir wie ein Plumpsack um, lang hin auf die Erde, und rührt sich aber schon gar nicht mehr, wie eine mausetote Leiche. Ich krieg einen Heidenschreck, Schreien, Weinen, Wasserspritzen, alles was sie will, Versprechen, wenn sie nur wieder zu sich kommt, knöpfle ihr das Mieder auf – und das, weißt, so einen reinen, jungen Leib ansehen, in dem es brennt, so was macht sich halt doch ganz merkwürdig auf den Nerven: es gab mir einen großen Schups, und von diesem Augenblick war ich wieder einmal fürchterlich verliebt.

Das heißt, mein Gott, verliebt – das hängt immer zuletzt vom anderen ab. Zunächst hatte ich jedenfalls einen starken Gusto auf sie. Es ist nur ihre Schuld, wenn es keine Leidenschaft fürs Leben wurde.

Ich erweckte sie also durch die süßesten und kundigsten Liebkosungen, welche sie nicht wenig verwunderten. Sie tat ganz verblüfft: denn obgleich verheiratet, war sie noch ohne jede Bildung. Aber bald erwiderte sie meine Neigung.

Ich verlor wieder einmal den Kopf an mein Herz. Das ist überhaupt immer mein Fehler, daß ich zu viel Gemüt habe. Ich war ganz trunken von reinen, köstlichen Gefühlen und dachte nichts als an ihr Glück, nur immer an ihr Glück. Mit Ausflüchten entfernte ich ihren Mann, versperrte mich vor der Welt – ewig an ihren feuchten Lippen zu hängen, in ihre grünen Blicke zu tauchen, ewig, ewig, ohne Ende, sonst wollte ich im ganzen Leben nichts mehr. Das andere war versunken und zerflattert.

Es wurde ein ganz festes Verhältnis. Wir richteten uns zusammen ein. Wir erwiesen uns tausend Zärtlichkeiten und unterließen keine von den süßen Tollheiten unersättlicher Verliebtheit, die sich nimmermehr genug tun kann. Wir wechselten unsere Kleider, unseren Schmuck, tauschten unsere Parfüme, ich ihre Marquise, sie meinen Corylopsis – in dieser rastlos erfinderischen Begierde nach dem schaurigen Geheimnisse der Liebe, daß jedes sich in das andere verwandle. Verrückt, wenn einen das anfällt – aber schön ist's doch.

Aber sie war eine Elende, die mich schändlich betrog. Sie tat das nur so aus Kuriosität, ohne eines echten und tiefen Gefühles fähig zu sein. Hauptsächlich nur, um sich über die Untreue ihres Mannes zu trösten. Und das war das gemeinste, daß sie mich um ihn verriet. Das heißt dann anständige Frauen.

Nämlich so: Zuerst hatte ich mich ihm in allerhand Vorwänden entzogen, weil ich ihr unbedingt treu sein wollte. Ich kann das nicht, wenn ich wirklich liebe, so nebenbei noch auf der Seite herumspringen. Was er da alles trieb, das ist gar nicht zu sagen, rein wie ein Narr, und wie es mit seiner obstinaten Leidenschaft gar nicht mehr auszuhalten war, schmiß ich ihn einfach hinaus und kündigte ihm die Freundschaft. Anfangs wurde er nun ganz verzweifelt und raunzte mir alle Tage, früh und abends, zwei jämmerliche Bettelbriefe ins Haus, daß er ja ohne mich nicht leben könne und elend zugrunde gehen müsse durch meine Grausamkeit. Aber auf einmal verwandelte er sich, unbegreiflich rasch, und schrieb recht vernünftig, er hätte es sich überlegt, daß ich wirklich Recht hätte, und sähe es jetzt selbst ein; alles auf der Welt muß ein Ende haben; nie könne er undankbar der seligen Freuden vergessen, die er mir schulde, aber er fühle es jetzt selbst, mit unabwendbarer Bestimmtheit, diese schmerzliche Wahrheit, daß die Unbeständigkeit unzertrennlich vom irdischen Glück ist. Das war von einem ganz anständigen Geschenk begleitet; längst hatte ich mir eine Lebensrente gewünscht. Ich freute mich herzlich und zum erstenmal in mir regte sich für ihn ein zärtliches Gefühl.

Ich machte die allerschönsten Pläne. Ich wollte alles verkaufen, meinen Abschied aus der enterischen Armee nehmen, sie sollte ihre Ehe lösen, und irgendwo weit draußen dann am Lande, so köstlich allein, könnten wir unserem Glücke leben, bloß unserm Glücke allein, verschollen unter Rosen. Ach, man ist so ideal!

Aber da kam ihre große Gemeinheit, Erst verstand ich davon gar nichts; später habe ich es mir zurechtgelegt. Nämlich, als seiner Bettelei vor meiner Türe das Almosen versagt blieb, wurde es ihm endlich zu dumm, und er klopfte bei ihr an. Und von da an liebte er sie, mit einem Schlage, und mit einem Schlage war meine Liebe vergessen. Sie hat es mir dann ganz schamlos gestanden, daß sie ohne Zaudern einwilligte. Nebenbei könnte ja trotzdem unser Verhältnis immer noch fortdauern.

Von ihm kann ich es mir jetzt schon erklären; aber von ihr, von ihr werde ich es niemals begreifen, nimmermehr.

Ich bin nun gar nicht für den kommunistischen Betrieb. Wenn's kein Cabinet particulier für mich gibt, bedauere sehr, aber in den allgemeinen Gassenschank gehe ich nicht. Ich machte kurzen Prozeß. Entweder – oder. Entweder mit ihm oder mit mir. Aufs Teilen lasse ich mich nicht ein; das ist eine Entweihung des edelsten Gefühles, welcher eine ordentliche Person nie zustimmen wird. Sie sollte wählen zwischen ihm und mir oder meinetwegen Zipfel ziehen. Sie entschied sich für ihn. Eine Weile hat's mir recht weh getan.

Aber endlich, das ist wieder das Gute mit den Gefühlen, wenn sie einem auch teuer zu stehen kommen, daß alles wieder vorüber geht, und hauptsächlich läuft endlich alles doch nur auf Einbildung hinaus. Wir setzten uns ganz freundschaftlich, aber klar auseinander und trennten uns. Jedes nahm wieder seine Kleider, seinen Schmuck, seinen Parfüm, sie ihre Marquise, ich meinen Corylopsis – der schöne Traum war aus.

Diese Familie hatte mir kein Glück gebracht. Ich war sie gründlich satt und wollte nichts mehr hören. Kannst dir mein Gesicht denken, wie plötzlich, kaum drei Tage später, der Graf zu mir gepoltert stürzt, ganz windelweich vor Sehnsucht und verliebter als je zuvor, und zur selben Zeit von ihr ein Brief, auch ganz gierig, daß er nichts als ein elender Verräter, und sie möchte, um jeden Preis wieder zu mir, mit Schwüren unverbrüchlicher Treue, ewig. Natürlich warf ich sie alle zwei hinaus; ich hatte genug von der Couleur.

Nämlich, der Schafskopf liebte sie nicht und liebte mich nicht, sondern bloß den guten Geruch. Hinter dem Corylopsis schmachtete er einher; der dirigierte seine Gefühle. Er liebte sieht mit dem Herzen; er liebte immer bloß mit der Nase.«

Erinnerung

Gestern, wir lagen im Kahn, der Wind schwieg, die Sonne stach, alles war brütend still, da stand es plötzlich in mir wieder auf. Diese ganze Zeit von damals, vor fast vierzig Jahren; ich war noch ein ganz kleiner Bub. Entschwunden, versunken, so lange. Jetzt aber brach es plötzlich wieder aus. Und ich sehe das alles vor mir, höre Verklungenes, meine förmlich den Dunst der entwehten Zeit noch zu riechen. Bin wieder der kleine Bub, und Verstorbene reden mich an. Seltsam ist das. Wir vergessen nichts: es verlautet nur nicht mehr, es legt sich still in uns hin, wir spüren es nicht mehr, aber es bleibt, nichts wird verloren, es ist immer noch da, tief in uns verankert; und dann, ein Ruck, ein Stoß, und siehe, da steigt es unverblichen wieder empor.

Als wir nämlich gestern im Kahn lagen, wurde das Ufer plötzlich laut. Sonst bleibt alles da den ganzen Tag oft still. Das Schilf steht, Libellen fliegen, einmal schreit eine Ente. Oben dunkelt der Wald. Weiß grellt die Straße. Jetzt stöhnt es, ein Automobil staubt durch, aber schon ist es fort, der weiße Dampf zerrinnt. Und wieder die tiefe Stille rings; man erschrickt, wenn sich ein Fisch wirft. Und überall die glühende Sonne, weithin der glatte See, drüben das atemlos stehende Schilf am eingeschlafenen Wald, und dort der weiße Streif der strahlenden Straße. Aber plötzlich blitzt es hier auf. Als würde vom Walde ein Messer geworfen. Diesen blinkenden Blitz erblicken wir zuerst. Und dann rennen Menschen, Stimmen schelten. Wir rudern hin. Jetzt können wir es sehen: ein Gendarm, das Bajonett blitzt; er führt einen kleinen Menschen, der einen Korb trägt; und hinter ihnen Bauern und Weiber und Kinder, alle mit, ein ganzer Zug, und wer ihm begegnet, schließt sich an, und sie reden aufgeregt und haben alle etwas Stolzes, Siegern gleich, wie sie so den ergebenen kleinen Menschen, über dem das Bajonett blitzt, vor sich hin treiben. Wir erfahren: Einer Frau sind elf Hühner gestohlen worden, sie hat es angezeigt, nun wurde der kleine Mensch im Walde gefunden, er hat den verdächtigen Korb; er sagt freilich, daß er Beeren pflücken wollte, aber er kann sich nicht ausweisen, und im Korbe sind Federn, so muß er mit und der ganze Zug folgt, und alle sind froh, einen Menschen gefangen vor sich herzutreiben.

Wir stoßen vom Ufer. In den glatten See zurück, unter die strahlende Sonne. Aber der See lacht mir nicht mehr, die Sonne scheint mir plötzlich fahl. Ich sehe nur immer noch den demütigen kleinen Menschen, der eingetrieben wird, und wie sich schon die Kinder freuen. Es ärgert meinen Verstand, daß ich so bin. Er rechnet mir vor, daß es sein muß. Ich weiß, daß er recht hat. Es wird immer ein Gesetz geben und immer Menschen, die es brechen, und für diese Strafe. Und werden, wenn einer gestraft wird, immer die anderen so vergnügt sein? Wird es den Menschen immer so freuen, einen Menschen zu fangen? Ich weiß nicht. Ich weiß nur, daß ich mir manchmal in Schönbrunn vor dem Tiger plötzlich heftig wünsche, die Stäbe zu zerbrechen, daß er los würde. In solchen Momenten empfinde ich, als sei der Mensch bestimmt, dafür zu sorgen, daß keinem Geschöpfe der Erde Gewalt angetan werden darf; und alles andere kommt mir unmenschlich vor. Ich weiß mit dem Verstande, daß dies dumm ist. Aber es quält mich, anders zu fühlen, als ich denke. Solange wir es uns nicht erringen, daß wir dasselbe fühlen, dasselbe denken, dasselbe tun und dasselbe sind, werden wir, bald den Verstand, bald das Gefühl, immer also uns, ein Stück von uns, verleugnend, ratlos in der Irre sein.

Dies alles abzuschütteln, den Zorn auszukühlen, bin ich ins Wasser gesprungen und liege jetzt, auf den Rücken gestreckt, Wellen tastend, mit geschlossenen Lidern, welche der glühende Strahl streift, daß ihnen bunt und funkelnd wird. Und so liegend, im Gefühl der Wellen, als wenn sie mir schmeichelnde Schlangen wären, schwebend, sinkend, schnellend, tauchend, lauschend, so wunderbar entschwert, geheimnisvoll erhellt, habe ich plötzlich jene Zeit erblickt, wie neben mir aus dem tiefen Wasser aufgetaucht. Und alles hat sie mir mitgebracht und hält es mir hin und läßt es in der Sonne glänzen. Alles von damals, vor fast vierzig Jahren.

Es war den Sommer, bevor ich in die Schule kam. Diesen brachten wir in Unterach am Attersee zu. Das war damals noch ein armes Dorf, und weit draußen wohnten wir bei einem Jäger, der ein alter Mann war, sehr groß, mit wilden grauen Brauen und einer so heftigen Stimme, daß wir Kinder, wenn er freundlich mit uns reden wollte, schreiend davonliefen. Immer ging er in der Früh, auf einen dicken Stock mit einem Horngriff gestützt, vor dem Hause auf und ab, nach dem See sehend, oft stundenlang, immer dieselbe Strecke vor dem Hause, kaum hundert Schritte weit, hin und her. Da durfte man ihn nicht stören, wir hätten uns auch nicht getraut, so rot vor Zorn war sein Gesicht. Und manchmal blieb er plötzlich stehen, hob den Stock, und wir hörten ihn zum See hin fluchen. Ich konnte ihm den halben Tag lang vom Fenster aus zusehen, gespannt, bis er wieder den Stock heben und den See auszanken würde. Denn das regte mich sehr auf, daß ein Mensch allein war und doch laut redete; ich hätte gern gewußt mit wem. Dann aber mußten wir eines Tages ganz ruhig sein und wurden fortgeschickt, um bei Bekannten zu spielen; denn der alte Jäger, hieß es, sei krank. Unser Mädel sagte, er hat ein kleines »Schlagerl« gehabt. Und als wir ihn dann nach ein paar Tagen wiedersahen, war sein Gesicht schief geworden, der Mund hing links herab. Aber jetzt kam er uns bei weitem nicht mehr so bös vor, auch ging er jetzt nie mehr vor dem Hause auf und ab, sondern jetzt mußte ihn seine alte Köchin führen, und da wollte er immer zu uns in den Garten, wo wir eine kleine Schaukel hatten; und wenn wir uns hutschten, freute er sich sehr, die Köchin mußte seinen Stock halten, und er klatschte mit seinen knochigen zottigen Händen und schrie nur immer in einem fort, im Takt, wie wir hutschten: »Bafo, bafisimo, bafo, bafisimo!«, und schrie noch immer mehr, um uns zu hetzen, daß wir immer stärker hutschten, bis in die Zweige der alten Linde. Und nur, wenn die Köchin sagte, es sei jetzt schon genug, weil sie Furcht um uns hatte, da wurde er entsetzlich bös und wollte sie mit dem Stocke schlagen. Das machte mir großen Spaß. Aber uns hatte er jetzt sehr gern und wollte uns immer Geschichten erzählen, aber er konnte nicht mehr. Er fand die Worte nicht, andere schoben sich ein, er mußte sagen, was er gar nicht wollte, und am Ende war es nur ein zorniges Knurren und Stöhnen und Pusten, bis er auf einmal alles wieder vergaß und wieder vergnügt, während wir hutschten, klatschend im Takt sang: »Bafo, bafisimo, bafo, bafisimo!« Und wir hutschten, bis in die Wipfel der alten Linde.

Noch merkwürdiger war mir aber ein armer Kretin, der Hansel hieß und von den Buben im Dorf immer verfolgt wurde. Er hatte sich als Kind vor einem plötzlich durch das Fenster ins Zimmer grinsenden Krampus so geschreckt, daß er den Verstand verlor. Das war schon lange her, Eltern hatte er keine mehr oder waren sie verzogen, niemand wußte recht, wie alt er eigentlich war, er war wie ein von einem Greise versetztes Kind anzusehen, und zu nichts ließ er sich anstellen, sondern trieb und tappte und torkelte nur immer bettelnd herum und lachte blöd. Die Buben neckten ihn und stießen ihn und zupften ihn, er wollte sie fangen, griff mit seinen langen, schlottrigen Armen aus, verlor sich und schlug hin. Da lag er nun im Schmutz und lachte, die Buben tanzten um ihn herum und lachten. Da lachte er noch mehr. Ich tanzte nicht mit, sondern sah nur aus der Ferne gierig hin, wie auf ein unheimliches Tier. Wenn aber schlechtes Wetter war und Regen schlug und der See wild wurde, trauten sich die Buben nicht, denn dann lachte der Kretin nicht mehr, dann war er voll Zorn und fiel jeden an; einmal hatte er einen schönen, großen Hahn erwürgt, riß ihm die Federn aus und warf sie in den See. Und am liebsten saß er dann, wenn Regen und Sturm war, irgendwo auf einem Steg und sah hinaus und hörte dem Wasserbrüllen zu und schrie noch mehr als der schreiende See. Tagelang ging das manchmal so, wir mußten in der Stube sein, weil es regnete und regnete und regnete, und man sah nur durch den grauen Dunst weiße Wolken aus dem schwarzen See dampfen und hörte nur die großen Tropfen ans Fenster, in Äste, auf Bretter klatschen und den Wind, der ins Dach stieß, und den zornigen Kretin, der draußen schrie. Uns aber wurden im stillen artige Geschichten mit guten Lehren erzählt, oder wir sollten ein Bilderbuch anschauen. Ich mochte nicht. Ich horchte nur. Ich horchte nach dem schnaubenden, rüttelnden, kläffenden Sturm, zum aufschäumend gezackten Wasser hin, auf den einsam kreischenden Kretin.

Unser Mädchen war recht zu bedauern. Wir sollten ihr folgen und das gelang ihr nicht. Auch hatte sie sicher anderes im Kopf, denn ich erinnere mich, daß sie sehr hübsch war. Sie schlief in einer kleinen Kammer neben unserem Zimmer. Wenn aber mein Vater, alle vierzehn Tage, aus der Stadt kam, schlief sie bei der Köchin des Jägers oben und mein Vater neben uns in der Kammer. Da begab es sich nun, als er zum zweiten Mal gekommen war, daß nachts in der Kammer eingebrochen wurde. Ein Räuber klopfte zuerst an das Fenster, zerbrach es dann, stieg ein, als er aber meinen noch ganz verschlafenen Vater fand, war er gleich wieder durch das Fenster fort, was mich sehr enttäuschte, denn ich hatte mir einen Räuber mutiger gedacht. Noch weniger begriff ich, warum den anderen Tag alle plötzlich gegen unser Mädchen erbittert waren. Mein Vater machte ein böses Gesicht auf sie, und meine Mutter gar, und sie war ganz traurig; auch mußte sie seitdem immer bei der Köchin oben schlafen. Ich fand das ungerecht: Was konnte sie dafür, daß es Räuber gibt? Ich erklärte das auch feierlich, erhielt aber mir zur Antwort, daß ich ein dummer Bub sei. Auch war uns seitdem verboten, mit ihr zur Mühle spazierenzugehen. Diese lag eine halbe Stunde weit, und wir gingen sehr gern hin, weil dort zwei lustige junge Knechte waren, sie sangen uns Lieder vor, oder wir wälzten uns im Heu herum, ich und mein kleiner Bruder und unser Mädchen und die zwei Knechte, und zwickten uns und pufften uns, und es war zu schön. Aber jetzt sollte das plötzlich verboten sein, weil ein Räuber gekommen war, der noch dazu gar nichts geraubt, sondern eigentlich bloß an das Fenster geklopft hatte. Das ging mir nicht ein. Ich fand, daß man lieber den Räuber fangen sollte, und sagte das auch dem Gemeindediener, der dafür angestellt war und einen langen gebogenen Säbel trug. Der war ein winziger Knirps mit einem riesigen kahlen Schädel und hatte es immer sehr eilig und sehr wichtig, besonders wenn er in Uniform war. Die Buben fürchteten ihn sehr, uns aber tat er nichts und mit unserem Mädchen war er besonders freundlich. Seit wir jetzt nicht mehr zur Mühle gehen durften, traf es sich oft, daß er mit uns ging, und da trug er stets die Uniform, in welcher er viel kriegerischer aussah als in seinem alten schwarzen Rock mit dem hohen Kragen. Er sagte immer, er sei das Auge des Gesetzes von Unterach, und ärgerte sich, weil ich ihn auslachte. Um mich günstiger zu stimmen, versprach er mir, sicher einmal einen Räuber zu fangen. Ich war neugierig. Und richtig, als wir einmal wieder ausgingen, kam er aufgeregt gerannt und winkte uns schon von weitem zu und lud uns ein, mitzukommen: »Denn seit gestern treibt sich ein gefährlicher Mensch hier herum!« Das Mädchen erschrak, sie wollte nicht mit, ich gab aber nicht nach, weil ich ja noch nie einen gefährlichen Menschen gesehen hatte, und wer weiß, wann sich das wieder bietet! Als sie nun hörte, daß es zur Mühle hin sei, wo wir suchen müßten, ließ sie sich erbitten. Wir gingen also, ich freute mich sehr, besonders erkundigte ich mich, woher er denn wisse, daß es ein gefährlicher Mensch sei. Er sagte aber: »Das sieht man gleich, wenn man erst die Übung hat.« Und während wir noch so sprachen und unser Mädchen sich fürchtete, hielt er uns plötzlich an, beugte sich spähend vor, und, indem er auf einen Menschen zeigte, der, den Kopf in die verschränkten Arme gestützt, auf der Wiese lag und schlief, sagte er: »Dort ist er schon!« Wir blieben wartend zurück, er schritt auf den Räuber los und nun ging alles sehr schnell: Kaum hatte er dem Schlafenden die Hand auf die Schulter gelegt, so war er von dem Auffahrenden auch schon an der Kehle gepackt und umgestürzt, und der lag auf ihm und schlug zu, das Mädchen schrie, mein kleiner Bruder fing zu heulen an, da fiel ihr die nahe Mühle ein, sie nahm uns, ich aber riß mich los, und während es zeternd, sie schreiend, er plärrend zur Mühle ging, lag ich auf dem Räuber, der auf dem Auge des Gesetzes lag, und zerrte und bat und schrie, bis unsere guten Freunde, die zwei lustigen Müller, uns trennten, den Räuber knebelten und er gebunden war. Jener aber, nachdem er wieder zu Atem gekommen war und sich abgeputzt hatte, zog sein krummes Schwert und sagte: »Marsch!« Die Knechte mit, dann das zitternde Mädchen mit dem anderen Kind, ich aber mußte neben ihm gehen, der den gezogenen Säbel trug und fest meine Hand hielt; denn, sagte er, sehr hochdeutsch: »Ohne dich, du kleiner Held, war ich verloren!« Es schmeichelte mir sehr, ich hielt gleichen Schritt mit ihm, nur hätte ich gern den gefährlichen Menschen besser gesehen, der vor uns ging, den Kopf gesenkt. Aber bloß ein einziges Mal sah er sich um, sah mich an, wie ich so neben dem Mann mit dem Säbel groß ausschritt, und dann lachte er. Da wurde mir seltsam und es freute mich jetzt gar nicht mehr. Jener aber ließ mich nicht los; so zogen wir ins Dorf ein, Menschen, Menschen kamen aus allen Häusern und alle schlossen sich an, alle gingen mit, alle sahen höhnisch den Räuber an, und immer zeigte der Knirps mit dem Säbel auf mich und sagte, voll Stolz, während der Räuber, den Kopf gesenkt, vorwärts ging: »Der Kleine da, der Kleine hat ihn gefangen!« Und die zwei Knechte zeigten stolz auf mich, und unser Mädchen war ganz gerührt und war auch stolz auf mich, und sogar mein kleiner Bruder riß die dummen Augen auf, und alle waren stolz. Da konnte ich mir nicht mehr helfen, ich weiß nicht, was auf einmal in mir geschah, mir wurde so heiß und ich biß den Knirps in die Hand, er ließ mich los, ich warf mich hin, mitten im Dorf auf die Erde hin, und wälzte mich und schlug um mich und weinte, weinte! Kein Mensch wußte, was mir einfiel. Aber ich hatte das schreckliche Gefühl, daß mir da der Räuber noch lieber war.

Ich habe damals zum ersten Mal erlebt, daß mir Gewalt, an einem Menschen verübt, er sei auch, wer er sei, unerträglich ist.

Der Räuber wurde eingesperrt, weil er sich nicht ausweisen konnte, dann aber wieder losgelassen, weil man ihm nichts nachweisen konnte; er war wahrscheinlich gar kein Räuber.

Der verständige Herr

Meine Maitresse gab ihm den Namen.

Wir hausten damals in einem urfidelen Hotel, doch über dem leuchtenden Strome in Rosen und Jasmin, unter liederlichen Malern, recht nach unserem Herzen. Da ward des Jubels und der Sänge und der Küsse, zwischen unversehens oft vertauschten Paaren, nimmermehr ein Ende, und immer wieder knatterte immer noch eine neue Flasche los, den ganzen Tag, die ganze Nacht. Es ist bekannt, daß der Wein die Zungen und die Mieder löst.

Da paßte er nun freilich gar nicht hinein, in unseren Stil, mit der steifen Würde seines salbungsvollen und besonnenen Salonrocks und der züchtig blauen Brille, hinter die er sich vor der bereiten Neugier unserer Mädchen sittsam zurückzog; er hätte ein deutscher Professor sein können, aber der sich für eine besondere Feierlichkeit gewaschen und reine gemacht hat. Es trat mit ihm was Fremdes, Feindseliges, Widerwärtiges zwischen uns, sooft, alle vierzehn T1age, seine stumme Höflichkeit in dem kleinen Speisesaal erschien. Der Mensch war durch und durch korrekt und hatte keine Lackschuhe. Es wurde beraten, ob wir ihn hinausschmeißen sollten. Ich war sehr dafür; ich war zur Erholung dort und hatte nichts zu tun. Aber Nini verteidigte ihn standhaft, weil er doch weiter nichts angestellt hatte, als bloß daß er ein verständiger Herr sei; dafür kann einer schließlich nichts.

Daher behielt er den Namen und blieb unhinausgeworfen.

Wir mußten damals das Zimmer wechseln. Zuhöchst, im sechsten, wo man über das Wäldchen weg nach der schimmernden Eiffel sieht, hatten wir vorher gewirtschaftet. Aber jetzt brauchte ich einen Herbst-Komplet und einen neuen Frack: wir siedelten also in die erste Etage um, um durch einen würdigen Empfang dem Schneider Kredit einzuflößen.

Mysteriöse Nachbarschaft, da unten. Intrigierte mich. Nämlich damisch chices Weib: schwarze Spitzen über fleischfarbenen Suray und durch eine moosiggrüne Schleife rechts gerafft; Corylopsis auf fünfzig Schritte; und geschmeidig wie eine Reitpeitsche, dazu – ich streifte sie ein einziges Mal flüchtig im Flur, aber- ganz mein Fall, unzweifelhaft. Ich verliebte mich heftig. Aber Nini, Gott sei Dank, vertrieb es mir wieder, mit Puffen und Kratzen. Sie ist so gut.

In Cluny engagiert, für die gewissen, leichtsinnigen und tugendlosen Frauenzimmer, welche in den Baudevilles vorkommen. Kam aber nur zweimal aHe Monate heraus. Mehr wußte der Carçon nicht zu berichten.

Auf so umständlich verzwickte und Ungewisse Sachen lasse ich mich aber nicht ein.

fait divers