Weihnachtlied

        Kein Sternchen mehr funkelt,
Tief nächtlich umdunkelt
Lag Erde so bang,
Rang seufzend mit Klagen
Nach leuchtenden Tagen,
Ach! Harren ist lang.

Als plötzlich erschlossen,
Vom Glanze durchgossen,
Den Himmel sie sieht;
Es sangen die Chöre:
Gott Preis und Gott Ehre!
Erlösung war da.

Es sangen die Chöre:
Den Höhen sei Ehre,
Dem Vater sei Preis,
Und Frieden hienieden,
Ja Frieden, ja Frieden,
Dem ganzen Erdkreis.

Wir waren verloren,
Nun ist uns geboren,
Was Gott uns verhieß,
Ein Kindlein zum Lieben,
Und nie zu betrüben,
Ach, Lieb ist ja süß!

O segne die Zungen,
Die mit mir gesungen,
Du himmlisches Kind!
Und laß dir das Lallen
Der Kinder gefallen,
So lieblich und lind.

O Friede dem Zorne,
O Röschen, dem Dorne
So lieblich erblüht;
Süß lallende Lippe
Des Kinds in der Krippe,
Dir gleicht wohl dies Lied.

O kühler Wald

O kühler Wald,
Wo rauschest du,
In dem mein Liebchen geht?
O Widerhall,
Wo lauschest du,
Der gern mein Lied versteht?

O Widerhall,
O sängst du ihr
Die süßen Träume vor,
Die Lieder all,
O bring sie ihr,
Die ich so früh verlor!

Im Herzen tief,
Da rauscht der Wald,
In dem mein Liebchen geht,
In Schmerzen schlief
Der Widerhall,
Die Lieder sind verweht.

Im Walde bin
Ich so allein,
O Liebchen, wandre hier,
Verschallet auch
Manch Lied so rein,
Ich singe andre dir!

14. Juli 1834

            Ich weiß wohl, was dich bannt in mir,
Die Lebensglut in meiner Brust,
Die süße zauberhafte Zier,
Der bangen tiefgeheimen Lust,
Die aus mir strahlet, ruft zu dir,
Schließ mich in einen Felsen ein,
Ruft doch arm Lind durch Mark und Bein:
Komm, lebe, liebe, stirb an mir,
Leg dir diesen Fels auf deine Brust,
        Du mußt, mußt.

Nun, gute Nacht! mein Leben,
Du alter, treuer Rhein!
Deine Wellen schweben
Klar im Sternenschein;
Die Welt ist rings entschlafen,
Es singt den Wolkenschafen
Der Mond ein Lied.

Der Schiffer schläft im Nachen
Und träumet von dem Meer;
Du aber du mußt wachen
Und trägst das Schiff einher;
Du führst ein freies Leben,
Durchtanzest bei den Reben
Die ernste Nacht.

Wer Dich gesehn, lernt lachen;
Du bist so freudenreich,
Du labst das Herz der Schwachen
Und machst den Armen reich,
Du spiegelst hohe Schlösser,
Und füllest große Fässer
Mit edlem Wein.

Auch manchen lehrst du weinen,
Dem du sein Lieb entführt,
Gott wolle die vereinen,
Die solche Sehnsucht rührt;
Sie irren in den Hainen
Und von den Echosteinen
Erschallt ihr Weh.

Und manchen lehret beten
Dein tiefer Felsengrund;
Wer dich im Zorn betreten,
Den ziehst du in den Schlund;
Wo deine Strudel brausen,
Wo deine Wirbel sausen,
Da beten sie.

Mich aber lehrst du singen,
Wenn dich mein Aug ersieht,
Ein freudeselig Klingen
Mir durch den Busen zieht;
Treib fromm nur meine Mühle,
Jetzt scheid ich in der Kühle
Und schlummre ein.

Ihr lieben Sterne decket
Mir meinen Vater zu,
Bis mich die Sonne wecket,
Bis dahin mahle du;
Wird's gut, will ich dich preisen,
Dann sing in höhern Weisen
Ich dir ein Lied.

Nun werf ich dir zum Spiele
Den Kranz in deine Flut,
Trag ihn zu seinem Ziele,
Wo dieser Tag auch ruht;
Gut Nacht! ich muß mich wenden,
Muß nun mein Singen enden,
Gut Nacht! mein Rhein!

Kein Tierlein ist auf Erden
Dir, lieber Gott zu klein,
Du ließt sie alle werden,
Und alle sind sie dein.
    Zu dir, zu dir
    Ruft Mensch und Tier
    Der Vogel dir singt,
    Das Fischlein dir springt,
    Die Biene dir brummt,
    Der Käfer dir summt.
    Auch pfeifet dir das Mäuslein klein:
    Herr Gott, du sollst gelobet sein!

Das Vöglein in den Lüften
Singt dir aus voller Brust,
Die Schlange in den Klüften
Zischt dir in Lebenslust.
    Zu dir, zu dir
    Ruft Mensch und Tier usw.

Die Fischlein, die da schwimmen,
Sind, Herr, vor dir nicht stumm,
Du hörest ihre Stimmen,
Ohn dich kommt keines um.
    Zu dir, zu dir usw.

Vor dir tanzt in der Sonne
Der kleinen Mücken Schwarm,
Zum Dank für Lebenswonne
Ist keins zu klein und arm.
    Zu dir, zu dir usw.

Sonn, Mond gehn auf und unter
In deinem Gnadenreich,
Und alle deine Wunder
Sind sich an Größe gleich.
    Zu dir, zu dir usw.

Zu dir muß jedes ringen,
Wenn es in Nöten schwebt,
Nur du kannst Hülfe bringen,
Durch den das Ganze lebt.
    Zu dir, zu dir usw.

In starker Hand die Erde
Trägst du mit Mann und Maus,
Es ruft dein Odem, Werde!
Und bläst das Lichtlein aus.
    Zu dir, zu dir usw.

Kein Sperling fällt vom Dache
Ohn dich, vom Haupt kein Haar,
O teurer Vater, wache
Bei uns in der Gefahr.
    Zu dir, zu dir usw.

Behüt uns vor der Falle
Und vor dem süßen Gift
Und vor der Katzenkralle,
Die gar unfehlbar trifft!
    Zu dir, zu dir usw.

Daß unsre Fahrt gelinge,
Schütz uns vor aller Not,
Und helf uns zu dem Ringe
Und zu dem Zuckerbrot!
    Zu dir, zu dir usw.

Nimm hin den Faden durch das Labyrinth,
Das schrecklicher als jenes alte ist,
In dessen ausweglosem Pfadgewind
Ein scheußlich Ungeheu'r den Wandrer frißt,
Denn hier mein Freund! schreckt dich kein greulich Tier,
Hier trägt der Drache menschliche Gestalt;
Hier ist die Schlange Weib, der Teufel Kavalier;
Hier tut dir Glanz und Tanz und Farb' und Duft Gewalt,
Hier ist die Sitte Kuppler, Freundschaft Seelverkäufer;
Die Treu Falschmünzer und die Unschuld Werber;
Der Busenfreund Spion, die Ehre Überläufer;
Die Lilie trägt am Hut hier der Verderber,
Mit Rosen deckt sich hier schamlose Schande,
Von Veilchen duftet hier die feile Pest.
Der sichre Weg streift hier am Höllenrande
Und überm Abgrund schwebet hier der Tugend Nest.
Du wagst dich hin! Gott stärke dich zum Helden
Und mach' für Sünd dich taub und blind und lahm;
Auf daß dies Blatt er möge Lügen schelten,
Wenn besser er hinwegzieht als er kam.

Frühes Lied

          Fahre fort mit Dornenschlägen,
Weiße Rose, meinem Herzen,
Dem verbrannten, quillt ein Segen,
Aus den Tränen aus den Schmerzen,

Breche ganz mein altes Leben,
Ich muß dir, die so erschienen
Einen bessern Bruder geben
Gott und dir in ihm zu dienen

Alles muß von dir ich nehmen
Kann dir nichts, ach gar nichts geben,
Denn du mußt den Drachen zähmen,
Um dem Herrn den Schatz zu heben,

Sieh, ich beug mich dir zu Füßen
Du Erbarmen, weine nieder,
Lehre mich, wie du zu büßen
Tränenquell der frommen Lieder

All mein Letzen und Verletzen,
All mein Lügen, Trachten, Scheinen,
Darauf sollst den Fuß du setzen
Und so im Triumph erscheinen.

Alles, was du still gelitten,
Deine Not, dein fromm Entsagen,
Hat auch mir das Herz durchschnitten,
Doch du, du hast es getragen

Alles was du je getragen,
Sieh, das hab ich all verschuldet,
Meine Schuld hat dich geschlagen,
Und du hast so fromm geduldet.

Und nun trägst du dies versunkne,
Das dich marterte, dies Herz,
O du Gottesmitleidtrunkne
An dem deinen, himmelwärts!

Wenn der lahme Weber träumt, er webe,
Träumt die kranke Lerche auch, sie schwebe,
Träumt die stumme Nachtigall, sie singe,
Daß das Herz des Widerhalls zerspringe,
Träumt das blinde Huhn, es zähl' die Kerne,
Und der drei je zählte kaum, die Sterne,
Träumt das starre Erz, gar linde tau' es,
Und das Eisenherz, ein Kind vertrau' es,
Träumt die taube Nüchternheit, sie lausche,
Wie der Traube Schüchternheit berausche;
Kömmt dann Wahrheit mutternackt gelaufen,
Führt der hellen Töne Glanzgefunkel
Und der grellen Lichter Tanz durchs Dunkel,
Rennt den Traum sie schmerzlich übern Haufen,
Horch! die Fackel lacht, horch! Schmerz-Schalmeien
Der erwachten Nacht ins Herz all schreien;
Weh, ohn Opfer gehn die süßen Wunder,
Gehn die armen Herzen einsam unter!

Clemens Brentano

Es ist keiner je allein

Es ist keiner je allein,
Wär auch Erd und Himmel Stein,
Schien kein Mond, kein Sternenschein,
Grüßte auch kein Lüftelein,
Sänge auch kein Vögelein:
Kehrt in jedem Herzen rein
Doch der liebe Gott stets ein.

14 – 15. April 1834

            Vogel halte, laß dich fragen
Hast du nicht mein Glück gesehn
Hast du's in dein Nest getragen,
Ei dein Glück, ei sage wen?

Eine feine zarte Rebe
Und zwei Träublein Feuerwein
Drüber Seidenwürmer Gewebe
Drunter süße Maulbeerlein

Hier hab ich's im Arm gewieget
Hier am Herzen drückt ich's fest,
Lieblich hat sich's angeschwiegen.
Und du Vogel trugst's ins Nest.

Armer, Mann, dein Glück ich wette,
War ein Liebchen und kein Strauß
Ging aus deinem Arm zu Bette
Und du gingst allein zu Haus.

Meinst du? – Nun so sag mir Quelle
Hast du nicht mein Glück gesehn
Trug's ins Meer nicht deine Welle
Ei dein Glück, ei sage wen?

Eine tauberauschte Rose
Und zwei Rosentöchterlein
Frühlingsträume ihr im Schoße,
Wachten auf und schliefen ein.

Hier am Herzen hat's gehauchet,
Süßen Duft, Goldbienen schwer
Sind die Küsse eingetauchet.
Fort ist's – Ach du trugst's ins Meer

Armer Mann, dein Glück ich wette,
Linder war dein Rosenlos
Ging aus deinem Arm zu Bette
Heim trugst du die Dornen bloß.

Meinst du, will ich Taube fragen,
Hast du nicht mein Glück gesehn
Nicht ins Felsennest getragen?
– Ei dein Glück! – ei sage wen?

Eine goldne Honigwabe,
Süßen Seim und Wachs so rein
Aller Küsse Blumengabe
Schlossen drin die Bienen ein.

Ach ich trug es an die Lippen
Duftend, schimmernd, süß und lind
Durft ein bißchen daran nippen
War doch ein verwöhntes Kind.

Armer Mann, dein Glück, ich wette,
Linder war's, als Honigseim,
Ging aus deinem Arm zu Bette,
Und du gingest einsam heim.

Meinst du? – will ich Echo fragen,
Hast du nicht mein Glück gesehn,
Und willst allen wieder sagen?
Ei dein Glück, ei sage wen?

Einer Stimme süßes Klagen
Locken, Flüstern, Wonn und Weh,
Nachtigallen Traumeszagen
Bitte, bitte, geh o geh!

Mir am Herzen hat's gewehet
Alle Wonnen, allen Schmerz,
Wie ein Kinderseelchen flehet
Unter süßem Mutterherz!

Armer Mann! dein Glück, ich wette,
War ein linder träumend Wort,
Fleht' aus deinem Arm zu Bette,
Du gingst einsam dichtend fort.

Meinst du. – Muß ich Rose fragen,
Hast du nicht mein Glück gesehn
Birgt dein Schoß nicht süßes Zagen.
Ei dein Glück: Ei sage wen!

Süßes Duften, wachend Träumen,
Hülle, Fülle, süß und warm
Bienenkuß an Rausches Säumen
Irrend, suchend, Rausches arm.

Hier am Herzen hat's geblühet,
Meine Seele süß umlaubt,
Liebe hat mein Blut durchglühet,
Hoffnung hat doch nicht geglaubt.

Armer Mann, dein Glück ich wette
Linder war's, als Trunkenheit
Ging aus deinem Arm zu Bette
Du gingst einsam, kühl, es schneit.

Meinst du, frage ich die Sterne,
Habt ihr nicht mein Glück gesehn?
Sterne sehn ja Augen gerne.
Ei dein Glück? ei sage wen?

Lockennacht an Himmelsstirne
Sinnend, minnend Doppellicht,
Augen blitzend Glücksgestirne,
Andern Sternen folg ich nicht.

Sah's von Tränen tief verschleiert
Sah's von Sehnen tief durchglüht
Sah's durchleuchtet, sah's durchfeuert
Sah's wie Liebe blüht und flieht.

Armer Mann, dein Glück ich wette
War ein linder Augenschein,
Ging aus deinem Arm zu Bette,
Durch die Nacht gingst du allein

Meinst du, muß die Lilie fragen
Hast du nicht mein Glück gesehn
Reimt sich dir, doch darf's nicht sagen.
Ei dein Glück, ei sage wen?

Eine, eine, sag nicht welche,
Stand im Gärtchen nachts allein
Sah o Lilie! deine Kelche
Überströmt von Lichtesschein.

Hat von Lilien, Engeln, Sternen
Schon an meiner Brust geträumt,
Alle Nähen, alle Fernen
Mir mit Dichtergold gesäumt.

Sel'ger Mann, dein Glück, ich wette
Ist Emilie, fein und lieb
Ging aus deinem Arm zu Bette
Dir des Traumes Goldsaum blieb.

Meinst du, muß Emilien fragen,
Hast du wohl mein Glück gesehn
Hast du's in dein Bett getragen?
– Ei dein Glück, o sage wen?

Ein Süßlieb, schwarzlaubge Linde
Schwüle, kühle, süße Glut,
Feuermark in Eises Rinde
Hüpfend Kind in freudgem Blut.

Auf Dornen oder Rosen hingesunken? –
– Ob leiser Atem von den Lippen fließt –
– Ob ihr der Krampf den kleinen Mund verschließt –
– Kein Öl der Lampe? – oder keinen Funken? –

Der Jüngling – betend – tot – im Schlafe trunken?
– Ob er der Jungfrau höchste Gunst genießt –
Was ist's? das der gefallne Becher gießt –
– Hat Gift, hat Wein, hat Balsam sie getrunken –

Und sieh! des Knaben Arme Flügel werden –
– Nein Mantelsfalten, – Leichentuches Falten
Um sie strahlt Heilgenschein – zerraufte Haare –

O deute die undeutlichen Geberden,
O laß des Zweifels schmerzliche Gewalten –
Enthüll, verhüll das Freudenbett – die Bahre.

Schweig, Herz! kein Schrei!

Schweig, Herz! kein Schrei!
Denn alles geht vorbei!
Doch daß ich auferstand
Und wie ein Irrstern ewig sie umrunde,
Ein Geist, den sie gebannt,
Das hat Bestand!

Ja, alles geht vorbei!
Nur dieses Wunderband,
Aus meines Wesens tiefstem Grunde
Zu ihrem Geist gespannt,
Das hat Bestand!

Ja, alles geht vorbei!
Doch ihrer Güte Pfand,
Jed Wort aus ihrem lieben frommen Munde,
Folgt mir ins andre Land
Und hat Bestand!

Ja, alles geht vorbei!
Doch sie, die mich erkannt,
Den Harrenden, wildfremd an Ort und Stunde,
Ging nicht vorbei, sie stand,
Reicht mir die Hand!

Ja, alles geht vorbei!
Nur eines ist kein Tand,
Die Pflicht, die mir aus seines Herzens Grunde
Das liebe Kind gesandt,
Die hat Bestand!

Ja, alles geht vorbei!
Doch diese liebe Hand,
Die cih in tiefer, freudenheller Stunde
An meinem Herzen fand,
Die hat Bestand!

Ja, alles geht vorbei!
Nur dieser heiße Brand
In meiner Brust, die bittre süße Wunde,
Die linde Hand verband,
Die hat Bestand!

10. Jänner 1834

        Wo schlägt ein Herz das bleibend fühlt?
Wo ruht ein Grund nicht stäts durchwühlt,
Wo strahlt ein See nicht stäts durchspült,
Ein Mutterschoß, der nie erkühlt,
Ein Spiegel nicht für jedes Bild
Wo ist ein Grund, ein Dach, ein Schild,
Ein Himmel, der kein Wolkenflug
Ein Frühling, der kein Vögelzug,
Wo eine Spur, die ewig treu
Ein Gleis, das nicht stäts neu und neu,
Ach wo ist Bleibens auf der Welt,
Ein redlich ein gefriedet Feld,
Ein Blick der hin und her nicht schweift,
Und dies und das und nichts ergreift,
Ein Geist, der sammelt und erbaut,
Ach wo ist meiner Sehnsucht Braut;
Ich trage einen treuen Stern
Und pflanzt ihn in den Himmel gern
Und find kein Plätzchen tief und klar,
Und keinen Felsgrund zum Altar,
Hilf suchen, Süße, halt o halt!
Ein jeder Himmel leid't Gewalt!
                        Amen!

Über eine Skizze

Verzweiflung an der Liebe in der Liebe

        In Liebeskampf? In Todes Kampf gesunken?
Ob Atem noch von ihren Lippen fließt?
Ob ihr der Krampf den kleinen Mund verschließt?
Kein Öl die Lampe? oder keinen Funken?

Der Jüngling – betend? tot? in Liebe trunken?
Ob er der Jungfrau höchste Gunst genießt?
Was ist's, das der gefallne Becher gießt?
Hat Gift, hat Wein, hat Balsam sie getrunken.

Des Jünglings Arme, Engelsflügel werden –
Nein Mantelsfalten – Leichentuches Falten.
Um sie strahlt Heilgen Schein – zerraufte Haare.

Strahl' Himmels Licht, flamm' Hölle zu der Erde
Brich der Verzweiflung rasende Gewalten,
Enthüll' – Verhüll' – das Freudenbett – die Bahre.

Frühlingsschrei eines Knechtes aus der Tiefe

1.
              Meister, ohne dein Erbarmen
Muß im Abgrund ich verzagen,
Willst du nicht mit starken Armen
Wieder mich zum Lichte tragen
 
2.
Jährlich greifet deine Güte,
In die Erde, in die Herzen,
Jährlich weckest du die Blüte,
Weckst in mir die alten Schmerzen.
 
3.
Einmal nur zum Licht geboren,
Aber tausendmal gestorben,
Bin ich ohne dich verloren,
Ohne dich in mir verdorben
 
4.
Wenn sich so die Erde reget,
Wenn die Luft so sonnig wehet,
Dann wird auch die Flut beweget,
Die in Todesbanden stehet.
 
5.
Und in meinem Herzen schauert
Ein betrübter bittrer Bronnen,
Wenn der Frühling draußen lauert,
Kömmt die Angstflut angeronnen.
 
6.
Weh! durch giftge Erdenlagen,
Wie [die] Zeit sie angeschwemmet,
Habe ich den Schacht geschlagen,
Und er ist nur schwach verdämmet.
 
7.
Wenn nun rings die Quellen schwellen,
Wenn der Grund gebärend ringet,
Brechen her die giftgen Wellen,
Die kein Fluch, kein Witz mir zwänget.
 
8.
Andern ruf ich, schwimme, schwimme,
Mir kann solcher Ruf nicht taugen,
Denn in mir ja steigt die grimme
Sündflut, bricht aus meinen Augen.
 
9.
Und dann scheinen bös Gezüchte
Mir die bunten Lämmer alle,
Die ich grüßte, süße Früchte,
Die mir reiften, bittre Galle.
 
10.
Herr, erbarme du dich meiner,
Daß mein Herz neu blühend werde,
Mein erbarmte sich noch keiner
Von den Frühlingen der Erde.
 
11.
Meister, wenn dir alle Hände
Nahn mit süßerfüllten Schalen,
Kann ich mit der bittern Spende
Meine Schuld dir nimmer zahlen
 
12.
Ach, wie ich auch tiefer wühle,
Wie ich schöpfe, wie ich weine,
Nimmer ich den Schwall erspüle
Zum Kristallgrund fest und reine.
 
13.
Immer stürzen mir die Wände,
Jede Schicht hat mich belogen,
Und die arbeitblutgen Hände
Brennen in den bittern Wogen.
 
14.
Weh! der Raum wird immer enger,
Wilder, wüster stets die Wogen,
Herr, o Herr! ich treib's nicht länger,
Schlage deinen Regenbogen.
 
15.
Herr, ich mahne dich, verschone,
Herr! ich hört in jungen Tagen,
Wunderbare Rettung wohne
Ach, in deinem Blute, sagen.
 
16.
Und so muß ich zu dir schreien,
Schreien aus der bittern Tiefe,
Könntest du auch nicht verzeihen,
Daß dein Knecht so kühnlich riefe!
 
17.
Daß des Lichtes Quelle wieder
Rein und heilig in mir flute,
Träufle einen Tropfen nieder,
Jesus, mir, von deinem Blute!

Süßer Maie Blütenjunge
Bring ihr blühnde Friedenszweige,
Bitte sie mit süßer Zunge,
Daß sie dir die Blume zeige
Der sie gerne mag vertrauen
In den Busen ihr zu blicken.
Und dann will ich auf den Auen
Einen lieben Kranz ihr pflücken,
Will die Blumen sprechen lehren
»Wolle Huld der Schuld gewähren,
Die schon harte Straf erlitte.«

      Ein Fischer saß im Kahne,
Ihm war das Herz so schwer,
Sein Liebchen war gestorben,
Das glaubt' er nimmermehr.

Und bis die Sternlein blinken,
Und bis zum Mondenschein,
Harrt er sein Lieb zu fahren
Wohl auf dem tiefen Rhein.

Da kömmt sie hergegangen
Und steiget in den Kahn,
Sie schwanket in den Knien,
Hat nur ein Hemdlein an.

Sie schwimmen auf den Wellen
Hinab in tiefer Ruh,
Da zittert sie und wanket,
O Liebchen frierest du?

Dein Hemdlein spielt im Winde,
Das Schifflein treibt so schnell;
Hüll dich in meinen Mantel,
Die Nacht ist kühl und hell.

Sie strecket nach den Bergen
Die weißen Arme aus,
Und freut sich, wie der Vollmond
Aus Wolken sieht heraus,

Und grüßt die alten Türme,
Und will den hellen Schein,
Mit ihren zarten Armen,
Erfassen in dem Rhein.

O setze dich doch nieder
Herzallerliebste mein!
Das Wasser treibt so schnelle,
O fall nicht in den Rhein.

Und große Städte fliegen
An ihrem Kahn vorbei,
Und in den Städten klingen
Der Glocken mancherlei.

Da kniet das Mädchen nieder
Und faltet seine Händ
Und seine hellen Augen
Es zu dem Himmel wendt.

Lieb Mädchen bete stille,
Schwank nicht so hin und her,
Der Kahn, er möchte sinken,
Das Wasser treibt so sehr.

In einem Nonnenkloster
Da singen Stimmen fein
Und in dem Kirchenfenster
Sieht man den Kerzenschein.

Da singt das Mädchen helle
Die Metten in dem Kahn,
Und sieht dabei mit Tränen
Den Fischerknaben an.

Der Knabe singt mit Tränen
Die Metten in dem Kahn,
Und sieht dabei sein Mädchen
Mit stummen Blicken an.

So rot und immer röter
Wird nun die tiefe Flut,
Und weiß und immer weißer
Das Mädchen werden tut.

Der Mond ist schon zerronnen,
Kein Sternlein mehr zu sehn,
Und auch dem lieben Mädchen
Die Augen schon vergehn.

Lieb Mädchen guten Morgen!
Lieb Mädchen gute Nacht!
Warum willst du nun schlafen?
Da schon die Sonn erwacht.

Die Türme blinken helle,
Und froh der grüne Wald
Von tausend bunten Stimmen
In lautem Sang erschallt.

Da will er sie erwecken,
Daß sie die Freude hör,
Er sieht zu ihr hinüber
Und findet sie nicht mehr.

Und legt sich in den Nachen
Und schlummert weinend ein,
Und treibet weiter weiter
Bis in die See hinein.

Die Meereswellen brausen
Und schleudern ab und auf
Den kleinen Fischernachen
Der Knabe wacht nicht auf.

Doch fahren große Schiffe
In stiller Nacht einher,
So sehen sie die beiden
Im Kahne auf dem Meer.

Liebesnacht im Haine