3Bernd Ladwig

Politische Philosophie der Tierrechte

Suhrkamp

7Vorwort

Wir haben viele Gründe, unser Verhältnis zu Tieren zu überdenken. Die industrielle Tierhaltung trägt mehr zum Klimawandel bei als der gesamte globale Transportsektor.[1]  Die Erde könnte mehr Menschen ernähren, wenn wir Getreide wie Weizen und Mais nicht an Tiere verfütterten, sondern selbst verzehrten.[2]  Durch die von Tieren produzierte und als Dünger verwendete Gülle gelangt gesundheitsschädliches Nitrat ins Trinkwasser.[3]  Auch der Einsatz von Arzneimitteln in den Ställen gefährdet die menschliche Gesundheit, weil dadurch Bakterien zunehmend gegen Antibiotika resistent werden.[4] 

Schon Gründe des Eigeninteresses und der Gerechtigkeit unter Menschen sprechen darum gegen das heutige System der Haltung, Nutzung und Tötung von Tieren. In diesem Buch aber soll es um die Ansprüche der Tiere selbst gehen. Dabei interessiert mich nicht nur, ob wir ungezählte individuelle Tiere vermeidbar schädigen. Ich möchte auch wissen, wie ein gerechtes Zusammenleben mit solchen Tieren aussehen könnte, die ohne regelmäßige menschliche Zuwendung nicht gut leben könnten. Ich werde dazu Begriffe und Begründungen des politischen Denkens auf Mensch-Tier-Beziehungen übertragen. Tierrechte sind schon deshalb ein Thema für die politische Philosophie, weil das Unrecht, das wir Tieren heute antun und für das sich unsere Nachfahren einmal schämen werden, zur Grundordnung unserer Gesellschaften gehört.

Die Philosophie der Mensch-Tier-Beziehungen ist inzwischen 8zu einem fruchtbaren eigenen Forschungsfeld avanciert. Das Feld ist aber gerade noch begrenzt genug für eine Darstellung und Diskussion aller wichtigen Positionen. Ich habe mich daher für eine Vorgehensweise mit stark diskursiven Zügen entschieden. Wo immer sinnvoll möglich, entwickle ich meine eigene Konzeption in der Auseinandersetzung mit vorliegenden Vorschlägen. Dies hat mir geholfen, mich nicht zu verzetteln: Ich musste mir keine Gegner und Gegenargumente ausdenken, sondern konnte mich an Beiträge halten, die in der Fachdiskussion tatsächlich vorkommen. Auch wenn dieses Buch keine Einführung ist, so soll es doch einen fairen Überblick über die vorhandenen Ansätze geben. Dabei dienen Darstellung und Diskussion jedoch immer systematischen Zwecken.

Ich habe mich aus Gründen der Lesbarkeit dafür entschieden, bei Kollektivbegriffen für Menschen das generische Maskulinum zu gebrauchen; die Alternativen kommen mir allesamt unschön und umständlich vor und lassen sich auch nicht konsequent durchhalten (Bürger_innenmeister_innen zum Beispiel ist ein Bandwurm, FreundInnen passt nicht und Jüd*innen geht gar nicht). Aus Gründen ausgleichender Gerechtigkeit verwende ich dafür das Femininum, wann immer ich auf fiktive Einzelpersonen referiere (zum Beispiel »eine Tierschützerin«, aber ebenso »eine Jägerin«). In jedem Fall meine ich damit alle Geschlechter.

Zu danken habe ich vielen. Ich habe Überlegungen, die in dieses Buch eingeflossen sind, verschiedentlich in meinem Colloquium Politische Theorie und Philosophie an der Freien Universität Berlin sowie im gemeinsamen Colloquium mit dem Arbeitsbereich politische Theorie an der Universität Hamburg zur Diskussion gestellt. Ebenfalls in Hamburg fand ein Workshop zu Cooperation With Animals mit Laura Valentini statt, von dem ich sehr profitiert habe. Jan Brezger, Daniel Jacob, Martin Ebeling, Johannes Icking, Ulrike Mürbe, Timo Pongrac, Aiyana Rosen, Cord Schmelze, Thomas Schramme, Ursula Wolf und Gabriel Wollner haben mir mit Hinweisen zu früheren Veröffentlichungen und einzelnen Kapiteln geholfen.

Hilfreich waren auch die Rückmeldungen von Studierenden im Rahmen einer von mir angebotenen Vorlesung und zweier Seminare zur Thematik dieses Buches. Bei einem dieser Seminare teilte ich mir die Dozentenrolle mit Anne Peters, die mir die (völker-)rechtliche Perspektive auf Tierschutz und Tierrechte nahegebracht 9hat. Auch den jährlichen Kurs The Diversity of Human Rights am Inter University Center Dubrovnik durfte ich mehrfach für Vorträge nutzen, die mir halfen, meine Gedanken zu sortieren. Ebenso habe ich Vorüberlegungen zu diesem Buch am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, in Basel, Bern, Cottbus, Düsseldorf, Essen, Graz, Leipzig, Mainz, Münster, Potsdam, Utrecht und Zürich zur Diskussion gestellt.

Als besonderes Privileg betrachte ich einen Workshop zum Manuskript dieses Buches, den Christian Neuhäuser, Andreas Oldenbourg und Eva Deitert unter Mitwirkung von Carla Dondera organisiert haben. Auch Johann S. Ach, Stefan Gosepath, Felix Koch, Luise Müller, Peter Niesen, Friederike Schmitz und Tatjana Višak haben mir mit ihren detaillierten Kommentaren zu einzelnen Kapiteln und Abschnitten sehr geholfen. Peter Niesen danke ich außerdem für die Initiative zu der Tagung Animal Politics, die ich mit ihm zusammen im Rahmen der Sektion Politische Theorie und Ideengeschichte der DVPW organisieren durfte. An dieser Tagung nahmen auch Sue Donaldson und Will Kymlicka teil, die so freundlich waren, meinen Vortrag schriftlich zu kommentieren.

Herzlich bedanken möchte ich mich ebenso beim Max-Weber-Kolleg für kultur- und sozialwissenschaftliche Studien in Erfurt, das mich im Sommersemester 2014 als Fellow beherbergt hat und mir eine wunderbare Forschungsatmosphäre bot. Rainer Alisch hat das Manuskript sehr sorgfältig formal korrigiert, die englischsprachigen Zitate übersetzt und das Personenregister erstellt. Jan-Erik Strasser danke ich für das vorbildlich gründliche und sachkundige Lektorat mit einer Vielzahl scharfsinniger Anmerkungen. Ein Dank besonderer Art gilt schließlich Sabine, meiner Frau, und Raimund, meinem Sohn, für ihre Geduld und Nachsicht. Ich weiß wohl, dass sie vor allem in der Endphase der Fertigstellung dieses Buches, in dem so viel von Gerechtigkeit die Rede ist, weniger von ihrem Mann und Vater gehabt haben, als ihnen gebührt hätte.