„Wenn du laufen willst, lauf eine Meile. Wenn du ein neues Leben kennenlernen willst, dann lauf Marathon.“

Emil Zátopek

„Everything you can imagine is real“

Pablo Picasso

„Go hard or go home“

Marion Fladda

Die Autorin

Marion Fladda ist erfahrene Marathon- und Ultramarthonläuferin. Neben ihrer Leidenschaft, dem Laufen, ist sie als Ernährungsberaterin und Personal Trainerin tätig. Sie hält Vorträge und Workshops, um dem Menschen eine artgerechte Ernährung und Lebensweise als moderner Homo Sapiens näher zu bringen.

Das Buch

"Marathon Thru Hiker -Das Trainingstagebuch" schildert die Vorbereitung einer Läuferin auf ihrem Weg zum Marathon. In Tagebuchform nimmt die Läuferin und Autorin ihren Leser mit durch die Höhen und Tiefen des Trainings. Neben humorvollen Erlebnissen aus Sport und Alltag werden auch fachliche Informationen und tiefgründige Fragen unseres Lebens aufgegriffen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar

© 2017 Marion Fladda

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH Norderstedt

ISBN: 97837448057666

Und ich bringe Milch

Mein Leben begann in einem beschaulichen, ziemlich unspektakulären Dörfchen irgendwo im Rheinland. Man könnte nicht sagen, dass ich als Kind das klassische Abbild von rheinischer Frohnatur war. Vielmehr habe ich mich den größten Teil meiner Existenz eher bedeckt gehalten und das auch im wahrsten Sinne des Wortes. Nicht selten haben mich die anderen Kinder im Sandkasten eingebuddelt. Da ich nie viel gesagt habe als Kind, konnte schließlich keiner ahnen, dass ich es blöd fand, immer eingebuddelt zu werden. Aber immerhin lief ich auf Grund meiner Wortkargheit nicht Gefahr, am Sand zu ersticken. Eine für meine Kindheit wichtige Schlüsselfigur war unter anderem Goofy. Aber nicht als Komikfigur, sondern als Eis. Meine Sandkastenfreundin hatte dieses besondere Eis immer als Vorrat da und um eins zu bekommen, habe selbst ich dann mal ein Wort abgesondert. Ansonsten habe ich nicht viel geredet. Dies führte auch dazu, dass ich das klassische Kind war, dass beim Metzger eine Scheibe Schinkenwurst mit Gesicht bekam und keinen Mucks machte. Meine Mutter ist damals an mir verzweifelt, weil ich lieber die Wurst samt Zunge verschluckt habe, anstatt Danke zu sagen. Und weil ich ein so verbal wahnsinnig ausgereiftes Genie war, durfte ich bei der Krippenaufführung in der Grundschule die Frau mit der Milch spielen. „Und ich bringe Milch“ war mein Text. Überschaubar, aber dafür bin ich wahrscheinlich die einzige, die heutzutage noch immer ihren kompletten Text kann.

In meiner Kindheit fing ich irgendwann an mit Judo. In meinem Verein war ich die meiste Zeit das einzige Mädchen, aber das war mir die ersten Jahre egal. Körperlich war ich den Jungs nicht unterlegen und da ich noch ein Kind war, war es mir auch egal sich mit Jungs auf dem Boden rum zu wälzen. Eine Trainingsstunde hatte sich ganz besonders bei mir eingebrannt. Es war ein Freitagnachmittag und die aufgedrehte Kindermeute alberte ausgelassen rum, anstatt sich vernünftig aufzuwärmen. Da platzte dem Trainer der Kragen bzw. der schwarze Gürtel. „Wenn ihr nicht sofort mit dem Gegacker aufhört, dann werde ich euch so fertig machen, dass euch der Schweiß im Hintern verdampft!“ Diese Drohung führte natürlich dazu, dass wir uns vor Lachen nun gar nicht mehr retten konnten. Und daraus resultierte dann die Umsetzung der Drohung. In dieser Stunde ließ unser Trainer uns tatsächlich so viel rennen und schwitzen, dass er sein Versprechen wahr machte. In der Luft lag ein Hauch von verdampften „Arsch Schweiß“.

Schon als Kind mochte ich die körperliche Betätigung. Und da ich auch nicht zu einem totalen Bewegungslegastheniker gehörte, habe ich mich bei den meisten Sachen auch nicht allzu blöd angestellt. Wenn man mal die Nachtwanderung auf einer Ferienfreizeit außen vor lässt. In dieser Nacht dachte ich, mein letztes Stündchen habe geschlagen. Die Betreuer hatten uns damals nachts in einen Wald geführt und man konnte wählen, ob man zu zweit oder alleine einen Waldweg gehen wollte. Da ich ja schon immer ein echter Kerl war, wollte ich die Sache mit dem dunklen Wald alleine regeln. Das habe ich auch und zwar auf meine Weise. Es hätte wahrscheinlich keiner vorher für möglich gehalten, aber auf diesen 200 m konnte man sich verlaufen. Irgendwo war ich wohl abgebogen, wo ich nicht hätte abbiegen sollen. Ich lief und lief und nichts geschah. Ich hatte damit gerechnet, dass sich irgendein Betreuer im Gebüsch versteckt hatte, um mich zu erschrecken. Aber nix passierte. Die Zeit verging und ich schlappte durch den dunklen Wald. Irgendwann kam ich an eine Straße. Und da wurde mir langsam klar was passiert war. Ich hatte mich verlaufen. Ich rannte zurück und fing an zu heulen. Was willst Du sonst machen als kleines Mädchen alleine im bösen, dunklen Wald? Zum Glück hatte ich damals noch keinen Stephan King gelesen. Ich wäre wahrscheinlich sofort ohnmächtig geworden vor Angst. Ich stolperte und viel in einen Dornbusch. Nirgendswo konnte ich Stimmen hören oder Lichter sehen. Ich hatte schreckliche Angst. Ich lief weiter mit meinen aufgerissenen Händchen und wimmerte vor mich hin. Das hatte ich nun von meinem heldenhaften „Ich will das alleine machen!“. Und dann sah ich auf einmal ein Licht. Ich rief laut und versuchte dem Licht hinter her zu rennen. Wenn ich Glück hatte war es nicht der böse Wolf, sondern einer der Betreuer. Und ich hatte Glück. Einer der Betreuer war auf dem Rückweg zur Jugendherberge. Von meinem Verlust hatte bisher noch keiner etwas bemerkt. Wie gesagt, ich war auch nie die schillernde Persönlichkeit, die groß auffiel. Zum Glück war mein Verlaufen noch mal gut gegangen. Die bleibenden Schäden und Verstörungen hielten sich auch in Grenzen.

Als ich dann langsam in die Pubertät kam wollte ich mich nicht mehr mit den Jungs auf den Matten kebbeln. Jungs fand ich plötzlich doof und Pferde toll. Somit wechselte ich mein Hobby zu Gunsten der Vierbeiner. Meine Jugend verbrachte ich im Stall und alles andere interessierte mich nicht. Ich wuchs ziemlich beschützt auf. Ohne Alkohol, Zigaretten oder anderen Drogen. Und ohne Hausaufgaben zu machen. Irgendwie hatte ich es immer geschafft meine Hausaufgaben zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu haben. In der Schule war ich ein Phantom. Immer noch sehr wenig kommunizierend. Ich war das Mädchen vorne links. Ich war weder bei den coolen Mädchen, noch bei den schlauen Mädchen. Ich war halt da. Mehr aber auch nicht. Meine Klasse war zum Glück sehr schlecht. Daher musste ich nicht viel leisten, um einigermaßen über die Runden zu kommen.

Nach meinem Realschulabschluss hatte ich wider erwarten die Qualifikation für das Gymnasium bekommen. Ich hatte keine Ahnung, was das bedeutete. Mein Vater rief spontan in unserem Dorfgymnasium an und meldete mich dort an. Ich hatte keinen blassen Schimmer was ich mit mir und meinem Leben anfangen sollte. Die Vorstellung Abitur zu machen amüsierte mich. Mehr aber auch nicht. Ich fand mich ziemlich dumm und war mir sicher, jämmerlich zu versagen. Aber egal. Ich machte es einfach. Zur Not würde ich einfach wieder in den Sandkasten gehen und ein Loch buddeln. Nur mittlerweile ein etwas größeres Loch.

Während der Oberstufenzeit begann sich meine Persönlichkeit langsam zu entwickeln. Nicht wirklich Mainstream, aber zumindest tat sich etwas. Das klassische Partyleben begann ich sehr spät und dann nur sehr kurz. Mit Alkohol konnte ich nicht viel anfangen. Er machte mir ein paar witzige Abende, an denen ich mich blamierte und ein paar verkaterte Sonntage, an denen ich den ganzen Tag auf der Couch versumpfte.

Ich rannte schon damals durch die Felder und träumte von einem athletischen und durch trainierten Körper. Mich faszinierte irgendwann Lance Armstrong mit seinem Perfektionismus und seiner Stärke. Dass ein Teil seines Perfektionismus auf einem ausgeklügeltem „Doping Komplott“ basierte, war mir damals noch nicht klar. Ich wollte es aber auch nicht hören und eiferte meinem Helden auf dem Rennrad so gut es ging nach. Heut zu Tage sehe ich das Problem eher im System und nicht in den einzelnen Sportlern. Es zählen nur Siege, herausragende Leistungen und spektakuläre Vitas. Genau das, was ich nicht zu bieten habe. Mein Leben war so unspektakulär wie ein Glas H-Milch mit Honig. Von der Faszination Radsport entfernte ich mich nach ein paar Jahren. Ich fing an zu laufen. Immer mehr und mehr. Im Hinterkopf waberte auch immer noch die fixe Idee von der perfekten Figur. Ich träumte davon, mit Sport Geld zu verdienen. Der Profisport bzw. den Alltag mit Sport zu verbringen, war eine wundervolle Vorstellung. Anstatt irgendetwas mit Sport zu machen, landete ich in der Apotheke und verdiente so mein Geld. In meiner Freizeit rannte ich durch die Gegend und sammelte unzählige Wettkämpfe zwischen 5 km und 60 km. Über die vielen Jahre, Urkunden, Medaillen und Pokale entwickelte sich mein Körper nie zu dem, was ich immer angestrebt hatte. Immer hechelte ich einer noch besseren Form hinter her. Und dies nicht nur auf physischer Ebene. Auch geistig vollzog ich ein Fernstudium nach dem anderen. Ich wollte immer besser werden. Meine einstige Gleichgültigkeit, die sich durch meine Schulzeit gezogen hatte, war Geschichte. Ich hatte mich zu einem wissenshungrigen und lernwilligen Wesen entwickelt.

In mir wuchs der Wunsch, den Menschen etwas von meinen Erkenntnissen über ein artgerechtes Leben als Homo Sapiens zu vermitteln. Ich unternahm im Laufe der Jahre viele Versuche, ein Buch zu verfassen. Doch meine Unsicherheit ließ mich jedes Mal scheitern. Mir schien mein Input nicht ausreichend zu sein für ein Buch. Viel zu unspektakulär war mein Leben. Ich hatte weder glorreiche Erfolge, noch eine atemberaubende Entwicklung hinter mir. Alles was ich hatte, war viel Freude beim Schreiben, eine Menge angesammeltes Wissen und die Idee von meinem Trainingstagebuch.

Egal ob es sich um Sportler oder Nichtsportler handelte, war das Finishen eines Marathons oft ein Punkt auf der Liste der im Leben abzuarbeitenden Dinge. Mit meiner Dokumentation meiner Vorbereitung konnte ich jedem einen Einblick in das Leben eines Sportlers geben. Was geschah mit einem über die Wochen und wie fühlte es sich an, so lange auf ein Ziel hin zu arbeiten?

Als ich den Entschluss gefasst hatte dieses Projekt zu starten, wusste ich noch nicht, wie ich mein Buch nennen würde. Ich war mir sicher, dass sich ein Titel von ganz alleine finden würde. Und dies geschah auch tatsächlich. Der Titel „Marathon Thru Hiker – Das Trainingstagebuch“ ist in Anlehnung an die Wanderer entstanden, die sich auf Fernwanderwegen bewegten. Für mich war die Vorbereitung eines Marathons inklusive des Marathons selbst auch jedes Mal eine Reise. Daher hatte ich mich kurzentschlossen als „Marathon Thru Hiker“ bezeichnet. Übersetzt bedeutete dies einen Marathon zu durch wandern. Ich hatte natürlich nicht vor, dies im wortwörtlichen Sinne zu tun. Es war viel mehr metaphorisch gemeint.

Meine Aufzeichnungen entstanden an jedem Tag meines Trainings und wurden daher geprägt von den jeweiligen Emotionen und Gedanken. Das Lesen meiner Aufzeichnungen erhält natürlich den größten Spannungsbogen, wenn man ihn in Echtzeit liest und jeden Tag auch nur einen Tagebucheintrag liest. Aber das bleibt jedem selbst überlassen.

Und nun nehm ich Dich mit auf meine Reise.

Dienstag, 28. März 2017

Gewicht: 58,6 kg

Liebens Tagebuch,

die acht Wochen Vorbereitung für den Vivawest Marathon haben begonnen und die ersten zwei Tage Training sind auch bestens gelaufen. Neben dem Training hatte ich mich auch auf Diät gesetzt, was dazu führte, dass ich fast den ganzen Tag hungrig in der Gegend rum lief. Meine Trainingseinheiten wollte ich ausschließlich nüchtern machen. Ja, Du hast richtig gelesen. Ausschließlich nüchtern. Wenn Du mir das vor einem Monat erzählt hättest, dann hätte ich Dich ausgelacht, mit Kartoffeln beworfen und Dir Tiernamen gegeben. Ich und nüchtern war so wie Wasser und Feuer. Das ging gar nicht. Ich war von Hause aus verfressen. Ich wollte essen, wenn ich morgens wach wurde. Ich war ein Hamster, immer mit mindestens 50 % der Gehirnleistung beim Futter. Das war in meinem ganzen Leben schon so. Mein Nachteil war ein absolut auf Hochtouren laufender Hamsterstoffwechsel. Alles wurde zu Hüftgold verwertet. Ich war zwar nie wirklich dick, aber eine gute Unterhautfettverteilung konnte ich immer vorweisen. Damit ich normalgewichtig blieb, musste ich immer kämpfen. Aus diesem Grund beschäftigte sich eigentlich immer ein gewisser Anteil meines Hirns mit der Auswahl der Lebensmittel. Und wenn ich morgens meine Äuglein öffnete, die ohne Kontaktlinsen noch nicht viel erkennen konnten von der Welt, dachte ich ans Frühstück. Das Essen trieb mich aus dem Bett und voller Freude bastelte ich mein Frühstück zusammen. Der Gedanke erst noch eine richtig knackige Trainingseinheit zu absolvieren, konnte daher nicht abstruser sein. Warum ich es nun dennoch tat, lag an meinen Erfahrungen in Kenia und meiner grundsätzlichen Einstellung dem Leben gegenüber. „Wenn Du immer nur das tust, was Du schon kannst, dann bleibst auch immer das, was Du bist.“

Ich wollte mich weiter entwickeln, auch wenn es für meine kleine Person eine enorme Anstrengung und ein riesiges Hindernis darstellte. Ich wollte meine Chancen und mein Leben nutzen und nicht im Alltagstrott auf einmal aufschrecken, weil das Leben plötzlich zu Ende war. Ich wollte etwas wagen und investieren. Und ich wollte neue Wege gehen und wenn sie auf einer Müllkippe enden würden, darüber lachen und einfach einen neuen Weg gehen. Auch wenn ich dabei über Müllhaufen steigen musste. Und so war ich gerade ziemlich gewillt, mir eine Scheibe von den kenianischen Läufern abzuschneiden. Naja, nur sinnbildlich, da von den Kenianern bei einer Scheibe Verlust nicht viel übrig bleiben würde.

Heute Morgen klingelte planmäßig um 6:00 Uhr der Wecker mit dem Lied „Love long distance“ von Gossip. Mein Magen grummelte leicht und in Anbetracht der bevorstehenden Intervalleinheit etwas unmotiviert. Mein Rücken, der sich seit ein paar Wochen morgens etwas steif und schmerzhaft anfühlte, quängelte auch lustlos unter der Bettdecke hervor. Ich hatte mir bei einer total albernen Blödelei einen Wirbel im Brustwirbelbereich verschossen. So, dass ich nach dem Liegen auf weichen Matratzen immer ganz schön steif das Licht des Morgens erblicke. Die Entwicklung war zum Glück auf dem Wege der Besserung. Leicht verschlafen bin ich ins Bad geschlappt, um erst mal die Routinebadarbeiten abzuspulen. Pipi machen, wiegen und dann den Körper in die Laufkleidung pressen. 2 km Einlaufen, 10 x 400 m intensive Intervalle auf der Bahn und dann noch 2 km Auslaufen. Ein Traum. An das Nüchterntraining hatte ich mich eigentlich schon gewöhnt. Intervalle, die so richtig am Anschlag gelaufen werden, hatte ich allerdings nüchtern noch nie gemacht. Ich war gespannt, wie sie funktionieren würden.

Nach anderthalb Tassen kaltem, grünen Tee hatte ich mich dann auf den Weg zum Sportplatz gemacht. Die Beine fühlten sich ganz gut an. Der Rücken war auch soweit wieder hergestellt. Es war noch dunkel und der Horizont verfärbte sich in die schönsten Farben. Eine Mischung aus Pink, Orange und Rot. Abgerundet wurde dieser schöne Anblick von einem wahren Konzert aus Vogelgezwitscher. Der Frühling war zum Leben erwacht. Eine wunderschöne Jahreszeit. Alles wurde wieder lebendig und bunt. Ich erreichte den Sportplatz und befreite mich von meiner Jacke. Es war morgens tatsächlich im Moment noch richtig frisch. Ich machte mich bereit für die Intervalle. Los ging es. 10 x 400 m alles was geht und das bestenfalls ohne hinten raus einzubrechen. Das erste Intervall fühlte sich irgendwie ungeschmeidig an. Es war merkwürdig seit so langer Zeit wieder richtig zu rennen. Mein Magen fühlte sich dafür aber gut an. Es hatte wirklich seine Vorteile, ohne Belastung durch das Essen zu laufen.

An dem letzten Tag in Kenia hatte ich mit meinem furchtbar schlechten Englisch versucht, mit einem kenianischen Eliteläufer über seine Ernährung zu sprechen. In dieser Unterhaltung erzählte er mir, dass man nüchtern viel besser trainieren kann. Alles im Körper sei leistungsfähiger und klarer. Auch der Kopf. Und der sei wichtig. „Du brauchst einen klaren Kopf“

Auf meinem zweiten Intervall verstand ich was er meinte. Ich fühlte mich leicht, fokussiert und klar. Die Sonne kroch immer weiter in den Himmel und die Welt um mich und den Sportplatz wurde immer lebendiger. Ein Intervall nach dem anderen spulte ich herunter. Dazwischen immer eine kleine Gehpause. Die Intervalle wurden immer zäher. Die Muskeln wirkten immer bleierner und der Befehl zu rennen, wurde von meinen Beinen scheinbar nicht mehr ernst genommen. Die letzten Intervalle wurden etwas langsamer. Ganz perfekt konnte ich mein Tempo nicht halten. Aber das war auch gut so. Es zeigte, dass ich meinen Körper erfolgreich an seine Grenzen gebracht hatte. Zumindest für diesen Morgen in Sachen Intervalltraining. Ich machte mich zufrieden auf den Rückweg. Training für heute erledigt. Jetzt wartete ein Tag mit vier „Diät Mahlzeiten“ auf mich. Vielleicht würde ich wieder Hunger haben. Aber wenn dem so wäre, dann würde ich mich darüber freuen.

Mittwoch, 29. März 2017

Gewicht: 58,6 kg

Liebes Tagebuch,

mein gestriger Tag war tatsächlich geprägt von einem sehr starken Hunger. Meine geplanten Mahlzeiten habe ich demnach immer spontan nach vorne verlegt. Aber ich habe es geschafft, nicht mehr als geplant zu verspeisen. Klopf auf die Schulter. Meine Nacht war etwas durchwachsen. Ich wurde gegen drei wach und musste mal Pipi. Manchmal habe ich diesen Zustand totaler Lethargie und dann liege ich lieber noch stundenlang mit Harndrang auf der Matte, als einfach mal eben aufzustehen, um dem Drang nach zu gehen. Man weiß ja nie, vielleicht kommt ja doch eines Tages die „Pipi Fee“ und erlöst mich von dem nächtlichen Bedürfnis. Nachdem sich die Fee nicht blicken ließ, habe ich mich dann irgendwann selbst zum Klo gekämpft. Der Schlaffrieden war danach allerdings irgendwie gestört und unruhig. Heute Morgen fühlte ich mich leicht gerädert, als der Wecker ging. Vielleicht war die Fee ja doch noch dagewesen und wir haben ohne mein Wissen die ganze Nacht durch gemacht. Wie dem auch sei.

Meine heutige Trainingseinheit bestand aus einem easy Leguanolauf in einer Pace jenseits von 7:00 Minuten auf den Kilometer. Die Beine fühlten sich tatsächlich intervallgeschwängert und etwas unbeweglich. Aber zum Glück hatten sie ja heute frei, denn der Leguanolauf endete bereits nach 3 km. Nach dem Läufchen ging es dann noch eine Runde in meine Trainingsbude. Ein wenig Beweglichkeitstraining, sowie ein knackiger Brückenzirkel für Schultern, Hintern und Rumpf. Mein Rücken fühlte sich heute noch besser an als gestern. Dies lässt mich hoffen, dass der Drops meiner kleinen Unbeweglichkeit demnächst gelutscht ist. Beim Herstellen meines Frühstücks kam ich mir heute vor wie im Paradies. Anstatt drei Mandeln konnte ich satte neun Mandeln nehmen. Die dreifache Menge quasi. Mir lief der Speichel schon beim Anblick dieser „Unmengen“ aus dem Mund. Es war schon wirklich faszinierend, wie dankbar man auf einmal über so eine minimale Steigerung war. Eine Woche Kalorienkastration reichte aus, um dankbar für jede weitere Kalorie zu sein. Und Dankbarkeit war etwas so großartiges. Wir vergessen dieses Gefühl nur leider viel zu oft. Aber nicht heute. Morgen steht der Long Run auf dem Plan. Nüchtern versteht sich. Ich bin gespannt, wie es mir morgen ergehen wird. Heute kann ich es mir noch nicht so richtig vorstellen. Ich werde mich heute noch ein wenig mit Stretching, Flow Yoga und Visualisierungseinheiten beschäftigten. Und natürlich mit dem Konsum von mehr Futter. Das Leben kann so schön sein.

Donnerstag, 30. März 2017

Gewicht: 58,8 kg

Liebes Tagebuch,

ich habe meinen Tag mit mehr Futter bestens überstanden und habe es in vollen Zügen genossen mit den Eiweißen und Fetten rum zu aasen. Ich hatte mich wie geplant abends noch mal in mein Fitnesskämmerchen verzogen und habe mich etwas gedehnt, mit der Black Roll bearbeitet, Flow Yoga praktiziert und habe Visualisierungsarbeit geleistet. Es fiel mir zugegeben schwer, mich in den Zustand zu versetzen, morgens um 6:00 Uhr die Laufschuhe für den Long Jog zu schnüren. Noch schwerer fiel es mir, den Lauf selbst zu spüren.

Heute Morgen brauchte ich mich dann nicht mehr konzentrieren, um mir vorzustellen wie es ist aufzustehen, die Schuhe zu schnüren und los zu laufen. Heute Morgen musste ich es dann einfach tun. Als ich los lief, war es noch dunkel. Der Himmel war nicht so klar, wie die letzten Morgen. Dicke Wolken hingen am tiefblauen Himmel. Das Licht reichte gerade aus, um den Boden sehen zu können. Die Vögel ließen sich durch die etwas trübere Morgenstimmung nicht vom Zwitschern abbringen. Meine Beine fühlten sich alles andere als frisch an. Sie fühlten sich nach Arbeit an. Das durften sie natürlich auch. Ich war gespannt, was diese Ausgangssituation meiner Muskelfasern für den Langen Lauf bedeuten würde. Der Plan sah es vor nach 14 km kurz zu Hause einen Schluck zu trinken, um dann noch eine weitere Runde mit ca. 12 km zu laufen. Dann würde ich zu Hause nochmal einen Schluck trinken und locker auslaufen bis ich 30 km voll hatte. Auf meinen ersten Kilometern lief ich durch die noch dunklen Felder und kam an einem Schweinestall vorbei. Ein Transporter stand vor den Stallungen und dem Geschrei der Schweine nach zu beurteilen, wurden sie gerade verladen. Die Schreie der Schweine gingen mir durch Mark und Bein. Ich hörte sie noch immer, als ich schon weit entfernt war. „Die Lämmer haben geschrien. Sie haben geschrien. Die Lämmer haben geschrien.“ Klang es durch meinen Kopf. Mir kam die Filmszene aus dem „Schweigen der Lämmer“ in den Kopf, in der die Polizistin von Hannibal Lecter über ihre Kindheit ausgefragt wird. Wie traumatisiert, hatte sie diesen Satz immer wiederholt. In leicht abgewandelter Form begleitete mich nun diese Phrase ebenfalls ein paar Kilometer. „Die Schweine haben geschrien. Sie haben geschrien. Die Schweine haben geschrien.“ Leicht bedrückt über diese Stimmung und die Vorstellung, dass die Schweine gerade auf ihre letzte Reise gingen, setzte ich meinen Long Jog fort. Ich konnte mein Tempo leicht steigern. Das hätte ich nach dem zähen Zustand der Beine beim Loslaufen nicht gedacht. Nach 14 km und 1:24 machte ich meine erste Pause. Die Pace dieser Runde lag damit bei knapp 6 Minuten auf den Kilometer. Ich machte mich frisch und trank gierig von meiner Spezialflüssigkeit. Kamillentee mit 6 % Maltodextrin und einer Prise Salz.

Die zweite Runde startete ich bewusst bremsend, da ich meinem Körper erst mal die Gelegenheit geben wollte, die Flüssigkeit im Magen zu verwerten. Dann zog ich das Tempo rauf. Ziel war es, die zweite Runde immer weiter zu steigern. Es lief. Die Beine waren gut. Die Welt um mich herum war auch zum Leben erwacht. Überall Menschen, die auf dem Weg zu ihrer Arbeit waren. Ich war bereits auf der Arbeit. Ich lief. Und ich liebte es. Meine Uhr zeigte mir eine Geschwindigkeit um 5:30 auf den Kilometer. Sehr gut. Ich durchstreifte die Stadt, die Felder und Wälder und kam nach gut 12 km mit ordentlicher Endbeschleunigung von 4:30 auf den Kilometer wieder zu Hause an. Ich fühlte mich ein kleinwenig wie ein Pipmatz, der zum Futter holen immer wieder Runden drehte und mit dem Schnabel voll Fressen für seine Brut wieder zum Nest zurück kehrte. Nur mit dem kleinen Unterschied, dass ich nicht mit Essen wieder zu Hause aufschlug, sondern im Gegenteil, gierig über meine Kohlenhydrattrinknahrung herfiel. Ich machte glücklich meine Trinkflasche mit Kamillentee und Maltodextrin leer und öffnete mir zur Belohnung noch eine Dose Red Bull. Mit frischer Energie habe ich mich dann noch 3,5 km locker ausgelaufen. Mit so einem guten Lauf hatte ich nicht gerechnet. Die zweite Runde hatte ich in einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5:27 Minuten auf den Kilometer runter gerissen. So darf das Marathontraining echt weiter gehen bzw. laufen.

Samstag, 01.April 2017

Gewicht: 59,2 kg

Liebes Tagebuch,

hinter mir liegt ein Tag, der im Zeichen der absoluten Erholung stand. No sports! Das bedeutete im Klartext, dass ich morgens direkt frühstücken durfte. Keine Nüchterneinheit und keine Kalorien verballern. Ernährungstechnisch war der Tag einer von der enthaltsamen Sorte. Daher hatte ich schon hin und wieder etwas Hunger. Trotz des Hungers hatte ich dann heute ein paar Gramm mehr auf der Waage. Dies waren noch die Auswirkungen von dem langen Lauf am Donnerstag. Der Körper lagert danach oft vermehrt Wasser ein. Aber ich muss gestehen, dass ich gerade ziemlich entspannt bin, was meinen Körper und meine Konstitution anging. Und vor allem war ich total dankbar, dass er gesund war. Klopf auf Holz. Und ich bin ja so wahnsinnig dankbar, dass heute ein Tag mit dem Fokus auf glücklich machenden Kohlenhydraten war. Ich wurde heute Morgen vor dem Wecker wach, weil meine Blase mal wieder am Anschlag war. Anstatt einfach auf Klo zu gehen, bin ich wieder liegen geblieben. Ein Blick auf die Uhr verriet mir eine Mitteleuropäische Sommerzeit von 5:36 Uhr. Ich hatte Hunger. Meine Gedanken schwirrten nur um das eine. Um die Konstruktion meines Frühstücks. Mein Gehirn benahm sich wie ein Kind, das sich auf den Weihnachtsmann und seine Geschenke freute. So grelle war meine graue Substanz auf den Zucker und das damit verbundene Serotonin. Vor dem Frühstück stand heute aber erst noch eine Nüchterneinheit auf dem Plan. 20 Minuten in meinen Barfußschuhen locker traben und danach noch einen 20 minütigen Zirkel aus einem kleinen Best of Workout. Danach noch ein wenig Stretching und Flow Yoga. Und dann würde ich mir gierig mein Essen kredenzen. Mit meiner gedanklichen Schwärmerei für das Essen verbrachte ich die Zeit mit maximal gefüllter Blase so lange im Bett, bis der Wecker klingelte. Ein erleichterndes Schnaufen entglitt mir. Jetzt konnte ich endlich aufstehen und Pipi machen. Für diese paar Minuten hätte es sich einfach nicht gelohnt aufzustehen. So konnte ich nun das Aufstehen mit dem Wasserlassen verbinden.

Ich schlappte ins Bad und machte mich bereit für die sportliche Betätigung. Draußen war es noch nicht ganz hell. Die Vögel machten wieder ein wahnsinniges Spektakel. Eine Geräuschkulisse, die das Herzchen gleich schneller schlagen ließ. Es war Frühling. Aber sowas von Frühling. Ich schlürfte noch zwei Tassen kalten Kamillentee weg und machte mich dann auf die Socken. Kein Mensch weit und breit. Dafür aber überall ausgelassene Vögelchen, die ihr Frühlingserwachen feierten. Meine Beine fühlten sich einigermaßen gut an. Der 30er von Donnerstag war anscheinend ganz gut verdaut. Soweit man das unter dieser Belastung sagen konnte. Wie verdaut er wirklich war, würde ich morgen beim 10 km City Lauf in Korschenbroich sehen. Nach 21 Minuten Barfußlaufen mit meinen Leguanos und einem Durchschnittspuls von 117 bpm stand ich zu Hause wieder auf der Matte. Jetzt war Schluss mit Lustig. Obwohl mein Workout gemessen am Puls wesentlich lockerer war, war es subjektiv viel anstrengender. Man erreichte durch die doch kleineren Muskelgruppen nicht so konstant hohe Pulsbereiche. Zudem hatte man beim Krafttraining den Effekt, dass durch die höhere Maximalbelastung, die noch schnelleren Energieträger heran gezogen wurden. Dies sind die sogenannten Phosphate. ATP und Kreatinphosphat insbesondere. Sie waren allerdings schnell leer und benötigten dann erst mal eine Pause, damit sie sich wieder regenerieren konnten. Ich praktizierte allerdings in meinen Workouts keine Pausen, da ich einfach die Übungen immer wechselte. Dabei konnten sich dann jeweils die leeren Muskelgruppen erholen und eine andere musste dran glauben.

Für heute stand der Fokus auf dem Oberkörper. Es ist wichtig, hier stabil zu sein. Nicht nur grundsätzlich, sondern auch für das Laufen. Man sollte sich immer wieder klar machen, dass der Körper eine Vernetzung von vielen Muskelschlingen und Muskelketten ist. Es ist nicht nur das Laufgestell jenseits des Hinterns, das sich beim Laufen betätigt. Der ganze Körper arbeitet symbiotisch zusammen. Ich begann mich warm zu machen. Ich war zwar schon einigermaßen angewärmt von meinem Barfußlauf, aber für mein Workout wollte ich gezielt noch ein paar bestimmte Strukturen besser durchbluten. Neben dem Erwärmen ging es mir hier auch um die Mobilisation. Viele Gelenke führten in unserem Leben als moderner Homo Sapiens ein jämmerliches Schattendasein. Daraus resultierten Unbeweglichkeit und Kompensationsbewegungen, die nie gut waren. Ich ließ die Arme kreisen. Schön kontrolliert nach hinten, die Schulterblätter dabei nach unten gezogen und stets bemüht den verkürzten Brustmuskel zu dehnen. Ich änderte die Kreisgröße zwischen klein und groß, sowie die Richtung von hinten nach vorne. Die Arme wurden schwer. Wie Blei. Es war schon lustig, wie anstrengend einfache Übungen waren, wenn man sie nur lang genug machte. Und es war gleichermaßen lustig, wie effektiv sie dazu auch noch waren. Nach dem Arme kreisen ließ ich meine Hüfte kreisen, denn auch die Hüfte war ein vernachlässigtes Gelenk, das selten seinen gesamten Bewegungsradius ausschöpfen durfte. Jetzt ging es endlich wieder in die Horizontale. Fußgelenkmobilisation, sowie die die Flexibilität und Beweglichkeit der hinteren Oberschenkelmuskulatur standen nun noch an. Danach ging es dann richtig los. 20 Minuten Workout mit sechs unterschiedlichen Übungen, wobei jede Übung 40 Sekunden wiederholt wurde und dann ohne Pause zur nächsten gewechselt wurde.

Go! Ich begann mit einer Übung für den Bauch, die sich „Gegrätschter Beinscherencrunch“ nannte. Eine Übung, die mir eigentlich leicht fiel. Die 40 Sekunden waren schnell rum. Wechsel zur nächsten Übung für den Bauch. „Crunch it up“. Dies war kein gewöhnlicher „Sit up“. Hierbei kam man weiter hoch bzw. vollzog die Bewegung mehr oben als unten. Dadurch musste die Bauchmuskulatur mehr Haltearbeit leisten. Danach der Wechsel zum „Sit up reverse“. Hierbei rollte man sich auf, so dass sich die Beine Richtung Oberkörper bewegten. Drei Übungen, die volles Rohr auf den Bauch gingen. Danach der Wechsel zum Liegestütz. Es war ein Hochgenuss, Liegestützen zu machen, wenn der Bauch zuvor kasteit wurde. An dieser Stelle wurde einem klar, welche Muskeln bei dem Liegestütz alles arbeiteten. 40 Sekunden Liegestütze machen war ohne hin kein Kindergeburtstag. Die Arme fingen an zu brennen und man bekam echt Schwierigkeiten, die Spannung zu halten. In der ersten Runde war es allerdings noch recht easy. Mein 40 Sekundenalarm erlöste mich von den Liegestützen. Ich ließ mich auf den Bauch nieder. Es folgte die Übung „Daumen nach oben“. Um den Hintern mit zu trainieren, hob ich die Beine ebenfalls an. Die Arme wurden zur Seite gestreckt. Nun mussten die Daumen langsam und kontrolliert auf und ab bewegt werden. Am besten sollte hierbei die Hauptaktion aus den Schulterblättern kommen. Jedes Mal wenn ich diese Übung machte, hatte ich die gleichen Gedanken. Erst machte ich mich lustig über die Übung und mit jeder weiteren Wiederholung jammerte ich innerlich über die gnadenlos schwerer werdenden Arme. Nach 40 Sekunden ging es zur letzten Übung. Seitlicher Ausfallschritt. Also hoch. Meine Arme fühlten sich schon leicht bleiern an und ich kam kaum noch hoch. Aber das würde über die nächsten Runden noch viel schlimmer werden. Ich machte meine Ausfallschritte zur Seite. Ich ließ