Άπολογητἐον δὴ, ὦ ἄνδρες Άϑηνᾶιοι, ϰαὶ ἐπιχειρητέον ὑμῶν ἐξελέσϑαι τὴν διαβολὴν, ἣν ὑμεῖς ἐν πολλῷ χρόνῳ ἔχετε, ταύτην ἐν οὑτωσὶυ ὀλίγῳ χρόνῳ. βουλοίμην μὲν οὖν ἂν τοῦτο ὅυτω γενέσϑαι, εἴ τι ἄμεινον ϰαὶ ὑμῖν ϰαὶ ἐμοὶ, ϰαὶ πλέον τί με ποιῆσαι ἀπολογούμενον.

Plato in Apologia Socratis.

Frankfurth und Leipzig,
in der Grattenaueri
ſchen Buchhandlung
1 7 8 6.

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© 2017 Michel de Molay

Originalausgabe:

Apologie der Illuminaten, Frankfurt/Leipzig 1786

Autor:

Johann Adam Weishaupt

Herausgeber:

Michel de Molay, Magdeburg

Herstellung und Verlag:

BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN: 978-3-74-482482-8

„Verteidigen muss ich mich also, meine Athener, und versuchen, die Anschuldigung, die sich in so langer Zeit bei euch festgesetzt hat, in so kurzer Zeit auszuräumen. Ich wollte, dass mir dieses gelänge, wenn es sowohl für euch als auch für mich gut ist, und dass ich mit meiner Verteidigung Erfolg habe.“

Platon in der Apologie des Sokrates.

Frankfurt und Leipzig,
in der Grattenauerischen Buchhandlung
1786.

„Die Sache selbst scheint es zu fordern, dass, weilwir zum zweiten Male auf die Erwähnung eines Mannes gekommen sind, der noch öfter zu nennen ist, ich Einiges über dessen Leben und Bestrebungen, und welch ein Schicksal er gehabt, nachhole.“

Tacitus in den Historien IV. 5.

„Sein Geist verwegen, geheim sich selbst haltend trat er gegen andere als Anschwärzer auf; vereint war in ihm Schmeichelei und Hochmut; äußerlich ruhige Bescheidenheit, in seinem Innern Begier.“

Tacitus in den Annalen IV. 1.

Inhaltsverzeichnis

Den Nachrichten des Apollonios zu Folge hatten die Pythagoräer schon lange vorher den allgemeinen Hass dadurch auf sich gezogen, dass sie so genau unter sich verbunden waren, und sich so sehr von ihren Mitbürgern unterschieden. Diese Unzufriedenheit wurde nicht wenig vermehrt, als nach der Zerstörung von Sybaris vorzüglich auf ihr Anstiften die eroberten Ländereien nicht nach dem Wunsch des Pöbels ausgeteilt wurden. So bald nun die Feinde der Pythagoräer merkten, wie sehr diese an Liebe bei dem großen Haufen verloren hatten, taten sie, um das Volk noch mehr zu erhitzen, den Vorschlag, der in solchen kleinen Staaten, als die griechischen überhaupt und auch der von Kroton war, immer mit dem größten Beifall aufgenommen wurde, dass alle öffentlichen Ämter und Würden einem jeden Mitbürger der Verdienst besäße, offen stehen, und alle Magistratspersonen einer gewissen Zahl von Männern, die durch das Loos erwählt wurden, Rechenschaft geben sollten. Diesem aufrührerischen Entwurf, den man in allen Freistaaten zu einer gewissen Zeit machte und durchsetzte, der in allen eine Zeitlang fürchterliche Spaltungen, bürgerliche Kriege und Niederlagen bald der Vornehmen und bald des Pöbels hervorbrachte, und endlich auch allen, nach der Ausrottung der edelsten und größten Männer und Familien, Knechtschaft und Untergang zuzog – diesem verderblichen Entwurf widersetzten sich die Pythagoräer aus allen Kräften, richteten aber dabei nichts weiter aus, als dass sie ihre Gegenpartei verstärkten und die Wut des Pöbels noch mehr gegen sich reizten. – Zwei Anführer Kylon1 und Ninon, die durch niederträchtige Verleumdungen die Väter des Vaterlandes aus dem Weg zu räumen und zugleich durchkriechende Schmeicheleien sich selbst zu Führern des Volks zu erheben suchten, klagten die Pythagoräer öffentlich an. Dieser letztere stellte sich, als ob er in alle ihre Geheimnisse eingeweiht wäre, und ließ ein untergeschobenes Buch (man erinnere sich dabei an die in der ersten Warnung boshafter Weise erdichteten und zweien Illuminaten untergeschobenen Briefe) ablesen, dessen Inhalt tyrannische und oligarchische Gesinnungen, ausschließenden Eifer für das Wohl der Gesellschaft, Verschwörung wider das Volk und Verachtung aller derer, die nicht zum Bund gehörten, (man vergleiche damit die drei merkwürdigen Geständnisse, von denen in balden die Rede sein soll) enthielt und empfahl. Er warf es den Krotoniaten als etwas ihrer Unwürdiges und Entehrendes vor, dass sie sich von dreihundert Männern beherrschen ließen, die sie tausendmal so viel am Traentfluss überwunden hätten; er ermahnte sie endlich, den Verrätern fernerhin kein Gehör zu geben, die es auf alle Weise zu hindern gesucht hätten, dass sie sich zur Behauptung ihrer Freiheit nicht einmal hätten versammeln und beratschlagen sollen. Durch diese Reden wurde der Pöbel so sehr erbittert, dass er einige Tage nachher zusammenlief, um die Pythagoräer zu ermorden. Allein diese merkten die Gefahr, und flohen entweder in heilige Schutzörter oder auch außer die Stadt2 Nach der Entweichung selbst wurde ihre Sache untersucht und von Schiedsrichtern aus Tarent, Kaulonia und Metapont (die sich aber nach den Archiven in Kroton bestechen ließen) dahin entschieden, dass sie, die Pythagoräer, samt ihren Familien, und denen die mit der neuen Verfassung unzufrieden waren, auf ewig verwiesen sein sollten. Erst nach vielen Jahren und nach dem Tod der Hauptanführer, unter welchen Ninon entsetzliche Grausamkeiten ausübte, sahen die Krotoniaten das Unrecht ein, was sie den Pythagoreern getan hatten; die griechischen Städte wurden nach dem Polybius durch ganz Großgriechenland mit Mord und Aufruhr angefüllt, weil sie ihre größten Männer in einer ebenso plötzlichen als traurigen Revolution verloren hatten. Alle griechischen Völker schickten Abgesandte nach Italien, um die entstandenen Unruhen und Uneinigkeiten beizulegen; die zerrütteten Städte selbst bedienten sich des Rats und des Beistandes der Achäer, sie nahmen ihre Verfassung und Gesetze an, und söhnten sich durch Vermittlung der Achäischen Gesandten mit den Verwiesenen, deren ungefähr noch sechzig übrig waren, unter gewissen Bedingungen aus, die von beiden Seiten beschworen und zum ewigen Andenken in Delphi aufbewahrt wurden.

Als die Feinde des Sokrates den Entschluss gefasst, diesen Lehrer der Tugend und diesen untadelhaftesten aller Menschen aus dem Weg zu räumen, damit er sie nicht fernerhin beschäme und verdunkle: so klagten sie ihn gerade um solcher bösen Künste und Taten willen an, wider welche sein ganzes Leben zeugte, die er beständig bestritten, und um derentwillen er den größten Hass auf sich geladen hatte. – Die entfernteste Veranlassung zu seiner Anklage und Verurteilung war ein Possenspiel des Aristophanes, (Babo schrieb stattdessen ein Gemälde aus dem menschlichen Leben,) die Wolken genannt. In demselben stellte er den Sokrates nicht nur als einen armseligen, schmutzigen und ekelhaften Grillenfänger und Grübler lächerlich und verächtlich vor, sondern er schilderte ihn auch als einen gefährlichen Sophisten, der die Götter des Volks leugne, und hingegen neue Gottheiten, den Äther, die Notwendigkeit und die Wolken einführe, der endlich die Kunst lehre, welche die Sophisten zu besitzen vorgaben, eine jede gute oder starke Sache schwach, und eine schwache Sache stark zu machen. – So weit aber auch der Beifall, den seine Arbeit fand, unter seiner Erwartung mag gewesen sein, so ist doch dieses gewiss, dass sie nachtheilige Eindrücke in den Gemütern der Athenienser zurückließ, die den Söhnen von ihren Vätern und den jüngeren von den älteren mitgeteilt wurden. Diese Argwohne wurden durch die geheimen Verleumdungen derjenigen unterhalten und gestärkt, welche Sokrates zu ihrer Beschämung geprüft hatte, um sich von der Wahrheit des Gottesspruchs zu überzeugen, wodurch er für den weisesten der Griechen erklärt worden war. Diese vom Sokrates entlarvte und von allem glänzenden Schein falscher Weisheit entkleideten Männer rächten sich an ihrem Widersacher dadurch, dass sie die Ohren der Athenienser mit den falschen Gerüchten anfüllten, dass Sokrates aller der Verbrechen schuldig sei, die Aristophanes ihm aufgebürdet hatte. – Anytos verklagte ihn auf Anstiften der Demagogen und anderer, die sich mit öffentlichen Geschäften abgaben, Melitos im Namen der Dichter und Lyko im Namen der Sophisten, als einen verderblichen Bürger, der die Jugend verderbe, der die Götter, welche die Stadt anbetete, leugne, neue Gottheiten einführe, und durch diese Verbrechen den Tod verdiene. Diese grundlose Anklage brachten sie nicht vor den Areopag, der vormals Beschuldigungen der Gottlosigkeit und andere Beleidigungen der väterlichen Religion untersucht hatte, sondern vor eines der zahlreichsten Volksgerichte, und höchst wahrscheinlich vor das angesehenste unter allen, nämlich die Heliaia, die aus fünfhundert Personen bestand3. Die Gründe, womit sie ihre Beschuldigungen zu beweisen suchten, waren so elend, (ganz in Utschneiderischer Manier, wie aus der Vergleichung von beiden erhellt,) dass sie nur allein von solchen Sykophanten und vor solchen Richtern vorgetragen werden konnten. Sie warfen ihm vor, dass er der Jugend Verachtung gegen die eingeführte Staatsverfassung eingeflößt habe, indem er gesagt, dass es lächerlich sei, die Vorsteher der Stadt durch das Loos zu wählen, da doch niemand auf diese Art Maurerleute oder Baumeister oder andere Künstler wähle. Sie schrien, dass er den Kritias und Alcibiades gezogen, wovon der eine der grausamste unter allen Tyrannen und der andere der zügelloseste und gewalttätigste unter allen Bürgern gewesen sei. Ja! dass er den Söhnen der Athenienser Geringschätzung der Väter, wie des Vaterlandes gelehrt, indem er ihnen versprochen, sie weiser als ihre Väter zu machen, und zugleich hinzugesetzt habe, dass die Unweisern von den Weisern gefesselt zu werden verdienten, wie man verrückte Eltern, wenn sie ihren Verstand verloren hätten, selbst nach den Gesetzen binden könne. Er habe seinen Anhängern gewalttätige und tyrannische Gesinnungen beigebracht, weil er mit dem Hesiodus gesagt hätte, dass keine Art von Arbeit und Unternehmung, aber wohl Trägheit und Untätigkeit Schande bringe4. Er habe sie endlich aufgemuntert, arme und gemeine Bürger zu misshandeln, weil er stets die die homerischen Verse im Mund gehabt, in welchen Ulysses den Thersites durch Worte und Taten zum Stillschweigen bringe. Alle diese Beschuldigungen bekräftigten sie mit falschen Zeugen, die man, wie falsche Ankläger, um einige Drachmen erkaufen konnte.a

Als Cossutianus dem Nero den edelsten der damaligen sehr ausgearteten Römer den Paetus Thrasea samt allen Stoikern verdächtig machen und sie dadurch unterdrücken wollte, sprach er im öffentlichen Senat in folgenden Ausdrücken:

„Dies schon seihe eine Spaltung und Teilung die zum offenbaren bürgerlichen Krieg ausbrechen würde, wenn mehrere dasselbe wagten. Wie man vordem vom Gaius Cäsar und Marcus Cato sprach: so bist nun du, Nero und Thrasea, der einzige Gegenstand des Gesprächs in einer Stadt, die sich so sehr nach Unruhen sehnt. Er hat auch wirklich schon seine Anhänger oder vielmehr seine Knechte oder Schergen: diese tun es ihm zwar noch nicht in der Strenge und Hartnäckigkeit seiner Meinungen gleich; aber ihr Betragen und ihre Gebärden sind ganz die seinigen. Sie scheinen düster und streng, um dir Ausschweifungen vorzuwerfen. Ihm allein sind dein Wohlergehen, deine Geschicklichkeit eine gleichgültige Sache; er verachtet jeden deiner glücklichen Erfolge. Er glaubt eben so wenig an die Gottheit der Poppaea, als er die Verordnungen des Augustus und Cäsars beschworen. Er verachtet alle Religion, und untergräbt die Gesetze. Die täglichen Nachrichten des römischen Volks werden nun in den Provinzen so wohl, als bei dem Kriegsheer weit fleißiger gelesen, bloß um zu wissen, was Thrasea unterlassen habe. Wenn das, was Thrasea unternimmt, sein Institut, so vortrefflich ist: so lasst uns entweder ebenfalls zu seiner Fahne schwören, oder sorgen, dass die, die so sehr nach Neuerungen gelüftet, ihr Haupt und ihren Anführer verlieren. Diese Sekte hat schon Tuberonen und Favonier hervorgebracht; Namen, die schon der ältern Republik verhasst waren. Sie nehmen die Freiheit zum Vorwand, um die Staatsverfassung zu Grund zu richten, um selbst die Freiheit zu vernichten, wenn sie vorerst diese vernichtet haben. Wozu hast du den Cassius aus dem Weg geräumt, wenn du leiden willst, dass die Nachahmer des Brutus um sich greifen?“b

So sprach Cossutianus mit mehr Nachdruck und Beredsamkeit, als reiner Absicht und Wahrheit, gegen eine Schule, welcher Rom so viele und seine größten Männer zu verdanken hatte, welche die Bewunderung der neuern5 nicht minder, als der ältern Zeiten erhalten haben; und Cossutianus hat gesiegt, weil es wenig bedarf, um den Argwohn und das Misstrauen der Menschen gegen die unschuldigste Anstalt zu erwecken.

Als die Christen durch ihre Vermehrung die Eifersucht der Juden und Heiden in Bewegung brachten; als manche ihrer besten und unschuldigsten Grundsätze und Gebräuche aufgefangen und verraten wurden: so legte man diesen einen widrigen Sinn bei; es taten sich Utschneider derselbigen Zeiten hervor, welche diese einzelnen Bruchstücke sammelten, sie nach ihren Absichten und Missverstand ordneten, und daraus folgerten, was nicht gefolgert werden sollte. Diese beschuldigten sie, wie man aus den Apologien des Justinus, Athenagoras und andrer Kirchenväter ersieht, geheimer Anschläge auf den Staat, der Gottesverleugnung, der Blutschande und jeder Unzucht in ihren geheimen Zusammenkünften, des Kindermords, und des Genusses vom Fleisch der Menschen und der ermordeten Kinder. Sie folgerten dies aus der Simplizität ihres Gottesdienstes, aus der Verleumdung und Lüge von dem weltlichen Reich Christi, aus der unter ihnen so gewöhnlichen Benennung von Schwester und Bruder, aus den Agapen und dem missverstandenen Genuss von dem Leib des Herrn. Und die Christen wurden verfolgt; die bittersten Schicksale waren von dieser Zeit an ihr beschiedener Anteil.

Als die Freimaurerei das erste Mahl bekannt wurde, so konnte man in der Barbarei derselbigen Zeiten nicht begreifen, wie es möglich sei, sich insgeheim zu vereinigen, ohne einen Staat zu verraten, gefährliche Anschläge zu hegen, mit dem Teufel einen Bund zu schließen, die Religion zu verläugnen, oder Sodomiterei und alle Arten von Unzucht zu treiben. Auch hier fanden sich ähnliche verleumderische Ungeheuer, die ihren Verleumdungen den nötigen Anstrich der Wahrheit gaben, und die Freimaurerei wurde verfolgt.

Zu der Zeit, als in der Nachbarschaft das Licht aufging, und die Reformation mit dem Klerus begann; als die Jesuiten ihre Schulen und mit ihnen ihre Macht verloren; als jeder auf den Platz bedacht war, den er sich unter der künftigen Regierung durch wahres Verdienst oder Verleumdung erwerben könnte: hatten sich die Illuminaten in Bayern auf den Grad vermehrt und in Ansehen gesetzt, dass sich ihre Mitwerber, die Maurer von andern Systemen, samt den Rosenkreuzern und andern, einen sehr schwachen Zuwachs versprechen konnten: Zu eben dieser Zeit fanden sich in ihrem Mittel Iskariots, welche die damalige Gärung und Verwirrung benützten; es fanden sich Kylons, die sich durch sie gedemütiget sahen. Diese Iskariots und Kylons aus dem Ende dieses Jahrhunderts heißen Utschneider, Renner, Grünberger und Cosandey; sie stoppeln ganz nach dem Muster ihrer würdigen, seit Jahrhunderten von aller Welt verabscheuten Vorgänger, eine Anklage zusammen, übergeben diese in geheim, erbitten sich Verborgenheit und beschwören sie, um so sichrer zu betrügen. Die Anklage findet Glauben, die Illuminaten werden verurteilt, und kennen weder Kläger noch Verbrechen. Ein glückliches Ungefähr führt ihnen eine dieser Anklagen in die Hände; sie wissen nun, woran sie sind; sie erscheint durch sie im Druck mit gründlichen Anmerkungen begleitet; sie fordern ihre Gegner zum Beweis; und stattdessen, was erscheint? – Drei merkwürdige Bekenntnisse auf einmal. – Und der Herausgeber ist Herr Utschneider – der Kylon seiner Zeit. – Es ist der Mühe wert, diese Bekenntnisse zu beleuchten; aber zuvor will ich die Triebfedern erforschen, die den Mann zu dieser sonderbaren Entschließung bewogen. Ich wende mich an ihn selbst.

Es ist also nunmehr eine durch ihr eigenes Geständnis erwiesene unleugbare Sache, Herr Utschneider, dass Sie der Urheber dieser schändlichen Verfolgung sind! Sie scheuen sich nicht, öffentlich eine Schrift und Anklage bekannt zu machen, die Sie am 9. September des vorigen Jahrs so geheim übergeben haben, dass man nur sehr kurz vor ihrer Bekanntmachung einige Spuren und Winke darüber erhalten. Was wollen Sie damit? Soll ich sie nach Ihrem Zweck beurteilen, den Sie zur Zeit der Überreichung hatten, so war damals nichts weniger Ihre Absicht, als dass diese Anklage dereinst öffentlich erscheinen sollte. Sie übergaben sie in geheim, um der Rachgierde der Gesellschaft zu entgehen; denn Ihre eigene Angabe enthält davon sichtbare Beweise, indem Sie darin von einem

Meuchelmord sprechen, welchen die Illuminaten auf Sie oder einen andern ihrer Gesellen attentiert. Sind Sie nun von dieser ungegründeten Furcht so ganz zurückgekommen, wie aus Ihrer Unverschämtheit erscheint, oder suchten Sie bloß die Regierung umso leichter zur Geheimhaltung ihrer Aussage zu bereden, und dadurch den gerichtlichen Beweis und der Konfrontation mit den angeblichen Schuldigen auszuweichen? – Genug, Sie erscheinen nun mutig im offenen Felde; und ich lese in Ihrer Seele folgende Veranlassung dazu.

Sie sahen auf einmal, wider alle ihre Erwartung, die Anzeige Ihres ehrlosen Cosandey im öffentlichen Druck; Sie sahen sie sogar auf das gründlichste und einleuchtendste widerlegt; Sie ersahen auch aus den Schreiben an Sie, dass man sogar von Ihrer Anzeige, von dem Inhalt derselben Nachricht habe. Nun stunden Sie in Sorgen, auch diese möchte öffentlich erscheinen; dadurch wurde Ihnen sodann die Gelegenheit benommen, Ihren Mut und Entschlossenheit, mit der Sie Ihre Gegner schrecken wollten, zu zeigen. Sie sahen ein, fühlten es vielleicht, wie sehr sich nun auf einmal die Meinungen Ihres durch Sie hintergangenen Anhangs änderten; und nun führte Sie die Verlegenheit, in welcher Sie sich befanden, samt Ihrer Unverschämtheit, die Ihnen so eigen ist, auf den Gedanken, gezwungener Weise selbst zu tun, was Sie vorhersahen, dass Ihre Gegner tun würden, wenn Sie nicht zuvorkämen: Sie entschlossen sich, Ihre schon offene Verborgenheit aufzugeben, und Ihre ganze Schande der Welt vorzulegen, mehr zu bekennen, als man wusste; alles in der Absicht, um das letzte Wort zu behalten, um den Eindruck von den Schriften Ihrer Gegner durch eine unerwartete Effronterie zu vermindern, um die leichtgläubige Welt glauben zu machen, als ob der von den Illuminaten veranstaltete Abdruck der Cosandeyischen Anzeige eine Ihnen selbst willkommene, erwünschte Erscheinung wäre, als ob die Illuminaten sich mit den wichtigsten Stücken (die Sie gar nicht in Händen hatten) nicht an das Licht getrauten, und die übrigen ungleich entscheidendern Bekenntnisse hätten unterdrücken wollen. Sie wollten die Welt glauben machen, dass Sie durch diese Erscheinung so wenig betroffen seien, dass Sie vielmehr nun auch namentlich auftreten und nun alles ins Angesicht behaupten, was Sie vorher aus wichtigen Ursachen (Furcht vor dem Beweise und Poltronnerie) diese ganze Zeit so weislich verbargen. Diesen frechen Schritt konnten Sie auch umso leichter wagen, als es bei dem durch Sie in ganz Bayern verbreiteten Panischen Schrecken gar nicht zu vermuten war, dass jemand von der Gesellschaft namentlich auftreten, es mit Ihnen aufnehmen und die ordentlichen Beweise Ihrer Kalumnien verlangen würde. Selbst auch auf diesen Fall glaubten Sie sich durch Ihre mächtigen Unterstützungen so gedeckt, dass es Ihnen ein leichtes sein würde, gerichtlichen Untersuchungen auszuweichen, und durch Ihre Schleichwege die Sache so einzuleiten, dass die Richter so gewählt würden, wie sie zu Ihren unehrlichen Absichten erforderlich sind.

Da Sie aber Ihre sogenannten Klugheitsregeln nur von feigen Memmen, von dem Tross und Auswurf der Menschen, von sich selbst und andern Ihres gleichen, von dem, was auf Ihre machiavellische Gedenkungsart Eindruck machen würde, abgezogen haben: so haben Sie sich in Ihrer Rechnung gewaltig betrogen. Sie werden finden, dass die menschliche Natur noch nicht so tief gefallen sei, dass es nicht unter der ungeheuern Menge von eigennützigen Selbstlingen, von Heuchlern und Speichelleckern, Betrügern und Verrätern, doch noch einen und den andern edlen Menschen gebe, der schon vieles um der Tugend willen aufgeopfert, der sich verpflichtet hält, ihr nötigen Falls noch größere Opfer zu bringen, um den Glauben an sie zu erhalten, um Heuchler und Bösewichter zu entlarven, um dadurch allen, die künftig Lust hätten, ein gleiches zu versuchen, diese Lust zu benehmen. Sie werden finden, dass das Verderbnis unsrer Zeiten nicht so groß sei, dass nicht wenigstens einige die Pflicht lebhaft fühlen, wenn es sein muss, auf Unkosten ihrer Ehre, Freiheit und Lebens, für die Rechte der Menschen, die Sie verkennen, da Sie nicht einsehen, dass Sie morgen selbst treffen kann, was sie heut andern bereiten, das Wort zu führen, allen Sturm auf sich zu ziehen, und sie dadurch vor fernern Bedrückungen auch nur in etwas zu sichern. Solche Menschen, solche unerschrockene Bekenner der Wahrheit nennen sodann Leute von Ihrem Schrot und Korn, denen zu viel daran liegt, dass diese Gedenkungsart nicht allgemeiner werde, die zu furchtsam sind, ein gleiches zu unternehmen, Empörer und gefährliche Menschen, die kein Staat dulden kann, Schwärmer, die sich das Leben rauben, oder Narren, und wenn’s gut geht, moralische weltunkundige Don Quijotes, die man bemitleiden oder belachen soll, weil sie nicht wie Sie, Herr Hofkammerrat! heucheln, lügen, verleumden, und das Ganze ihrem Privatvorteil zum Opfer bringen. Menschen, Herr Utschneider! von dieser Art sind Ihnen helle Chimären, sie sind über Ihren Begriff, der alles Gute verkennt und nur mit Verrätereien vertraut ist. Dies macht, dass Sie den zu erfahrenden möglichen Widerstand nicht gehörig in Anschlag gebracht und alle mögliche Fälle vorhergesehen haben. Ich glaube es Ihnen ohne Eidschwur, dass Sie in ähnlichen Fällen nicht so zu Werk gehen würden; ich weiß, dass Sie unter den übrigen Menschen unzählbare Gefährten haben, die Ihnen aus vollem Hals Beifall geben; aber ich weiß auch, dass man zwar Gefahren nicht mutwillig und frevelhaft herausfordern, aber auch nicht scheuen soll, wo sie wirklich vorhanden sind, und wo Mut und Entschlossenheit für den Wert der Tugend und für Menschenrechte entscheiden. Ich weiß, dass keine Gefahr so groß sein könne, die einen ehr- und tugendliebenden Mann berechtigen könnte, aus Zaghaftigkeit zum Verräter an der guten Sache zu werden. Ich weiß endlich, dass eine allwaltende Vorsicht dafür gesorgt hat, dass es zu keiner Zeit auch bei dem allergrößten Verderbnis der Menschen an eifrigen und standhaften Bekennern der Wahrheit und der Tugend ermangle. – Sehen Sie, Herr Utschneider, ein solches Vertrauen, eine solche Festigkeit hat kein Bösewicht, kein Gottesleugner, kein Epikureer, keiner von den allen, wozu Sie die Illuminaten machen wollten. Sie sind Wirkungen hoher, zur Natur gewordener Grundsätze, und beweisen gegen Ihre Anklage, sie beweisen, dass Sie ein Verleumder sind.

Ich gehe weiter, um diese Behauptung näher zu entwickeln.

Sie übergaben also wirklich am 9ten September vorigen Jahrs in die Hände Seiner Durchlaucht eine geheime und von Ihnen beschworne Anzeige? Von dem rechtlichen Wert einer solchen geheimen, obgleich beschwornen Anzeige werde ich unten ein mehrers sprechen. Hier bemerke ich indessen, dass Sie von dem Inhalt Ihrer Klage gewiss sein mussten, weil Sie solche beschworen haben. Sie haben in dieser Anzeige das Gefährliche eines Systems, das Sie nach Ihrem eigenen Geständnis in der Zweibrücker und Bayreuther Zeitung aus eigner Erfahrung gar nicht kennen, geschildert, dargetan, beschworen. Zwar suchten Sie sich in diesen Blättern das Ansehen einer vorzüglichen Glaubwürdigkeit dadurch zu verschaffen, dass Sie sich auf Akten beriefen, die Sie gelesen: nun erscheint aber, dass Sie selbst der Verfasser dieser Akten sind, dass Sie sich also dort auf sich selbst berufen, und einen unbedingten Beifall gefordert haben, weil Sie es sagen. Nachdem aber dermalen Ihr eigenes Bekenntnis im Druck erschienen ist, so kann diese Ausflucht nicht weiter statthaben. Sie müssen das Publikum von der Wahrheit dieser Ihrer beschwornen Anzeige auf eine nähere, befriedigendere Art überführen. – Sagen Sie also, woher wissen Sie, dass Sie die Wahrheit beschworen haben, in einer Sache, die Sie aus eigner Wissenschaft gar nicht kennen? – Sie scheinen in großer Verlegenheit: ich eile Sie davon zu befreien, und die Quelle namhaft zu machen, aus der Sie geschöpft haben.

Grünberger und Cosandey sind Ihre Quellen: diese waren wirkliche Illuminaten, Sie berufen sich auch wirklich in Ihrer Aussage auf diese Beide. – Aber warum klagen sodann diese beide nicht? Warum drängen sie sich vor diesen Augenzeugen an die Spitze? Ich glaube, die Ursache sei folgende: 1) Bey Ihnen ist es Rache, Sie hielten sich für beleidigt, wie ich unten beweisen werde. Die beiden andern, die ganz von Ihnen abhängen, weil sie durch Sie sind, was sie sind, sind bloß niederträchtige Werkzeuge Ihrer Rache. 2) Liegt die Ursache in Ihrem unruhigen, zudringlichen, intrigenvollen hitzigen und übereilten Wesen und Temperament. 3) Wenn Sie klagen, so können bei dieser Klage Cosandey und Grünberger die Stelle von Zeugen vertreten und der Angabe mehr Glaubwürdigkeit verschaffen. Dies wäre im entgegengesetzten Fall ganz hinweg gefallen, und dieser Wohltat wollten Sie sich nicht berauben. Ich glaube, der Sache auf den Grund gesehen zu haben – – Von diesem Cosandey und Grünberger ließen Sie sich die Einrichtung der weitern Grade, soweit sie solche kannten, erzählen. Aus diesen schon an sich ungetreuen Erzählungen hoben Sie einzelne Sätze aus, die im Zusammenhang selbst einen ganz andern Sinn haben; diese Stellen zerrten und drehten Sie so lang herum, folgerten so lang daraus, bis Sie auf den glücklichen Einfall gerieten, sich alle Illuminaten und besonders ihre Obern, als einen wahren Katilinarischen Auswurf vorzustellen; und nun öffnete sich Ihrer Konsequenzenmacherei und Ihrem Verleumdungsgeist ein ungeheures Feld, zu beweisen, was diese Leute alles tun könnten und würden, wenn sie Ihre Gedenkungsart, Herrschsucht und Intrigengeist hätten, wenn alle Illuminaten Utschneider wären. Aus diesen Folgerungen stoppelten Sie mit Beihilfe Ihrer würdigen Mitgesellen ein Bekenntnis zusammen, und übergaben es in geheim zu höchsten Händen, um durch eine geheime Anzeige der Rachgierde der Illuminaten zu entgehen, die Ihrem Vorgeben nach schon wirklich einen Meuchelmord auf Sie attentiert hatten. Aber Ihre wahre und eigentliche Absicht Ihrer so sehr verlangten Verborgenheit war, die Gerichtshöfe, die gerichtliche Form, und die Schwierigkeiten des Beweises in einer nie zu beweisenden Sache gänzlich zu umgehen. Sie sahen ein, dass bei einer ordentlichen öffentlichen Klage die Gegenpartei einen großen Teil Ihrer Gegenbeweise aus den Verhältnissen hernehmen würde, in welchen beide Teile gegeneinanderstehen; dass sie die Triebfedern angeben würde, die Sie zu diesem Schritt verleitet haben, die krummen Wege die Sie eingeschlagen, die Mittel und Personen, deren Sie sich bedienen, die Unterstützungen, deren Sie genießen, die Kanäle, durch welche Sie Ihre Kalumnien an den Hof gebracht haben. Die veranlassen den Ursachen Ihres Hasses gegen die Illuminaten würden sodann entwickelt und geprüft; Sie selbst würden aus sich, aus Ihren Reden, Taten, und andern mündlichen und schriftlichen Äußerungen widerlegt, letztere sogar zu Ihrer größten Beschämung vorgelegt. Alle Menschen, deren Ehre Sie gekränkt, deren Glücksumstände Sie so sehr beeinträchtigt haben, würden sich an Sie halten, Beweise, und, im Fall das Ihnen solche misslingen, Genugtuung und Ersatz ihres Schadens von Ihnen verlangen. – Dem allen glaubten Sie durch die Verborgenheit ihrer Angabe zu entgehen. Sie waren so gut überzeugt, als ich es bin, dass Sie keine Rache der Mitglieder, wohl aber jene der Gesetze und das rächende Schwerdt der Gerechtigkeit zu befürchten haben. – Nun treten Sie freilich namentlich auf; aber ich will es Ihnen nicht zumuten, mir die Bangigkeit einzugestehen, die Sie dabei fühlen. Sie sehen sich aus Ihrem Schlupfwinkel hervorgerissen, ans Licht gebracht; Ihre durch Sie so schändlich hintergangenen Freunde fangen an, Ihre Wahrhaftigkeit zu bezweifeln; Sie gehen Ihnen selbst zu Leibe; sie fordern, da der Fall dringend und immer verdächtiger wird, dass Sie sich verteidigen sollen; Sie laufen Gefahr, selbst von ihren vorigen Freunden zur Rettung ihrer durch Sie kompromittierten Ehre als ein Verleumder dargestellt, und Ihren Gegnern Preis gegeben zu werden. Nun machen Sie also aus der Not eine Tugend, spielen und affektieren den Großmütigen und Entschlossenen, und bekennen vor der ganzen Welt, was Sie vorher nur unter Ihren Vertrauten bekannt haben. – Ihre Bekenntnisse, diese Kinder der finstersten Nacht, erscheinen im Druck. Sie wollen damit schrecken, und finden keinen Gegner, der das Feld räumt. Darum schildern Sie aber auch die Illuminaten als verwegne, alles zu unternehmen fähige Leute, die sich am Ende, wenn’s misslingt, um der Strafe zu entgehen, selbst das Leben entziehen.

Aber einen Umstand kann ich mir noch nicht hinlänglich erklären. Sie übergaben diese Schrift am 9ten September, und nach dieser Zeit wurden keine weitern Verhöre der Mitglieder vorgenommen. Diese waren kurz vorher geschlossen. Wozu sollte also diese beschworne Anzeige sein, von welcher kein weiterer rechtlicher Gebrauch gemacht worden, von welcher man keine weitern Folgen bemerkt? Ehe ich zur Untersuchung Ihrer Anklage schreite, will ich es versuchen, wie dieser Umstand zu erklären ist, so gut ich es vermag. Mit den Warnungen wurde der Anfang dieser nämlichen Beschuldigungen gemacht; Sie ließen diese warnenden Blätter zu dem Ende in die Welt fliegen, und auf alle Art verbreiten, damit die Sache lauter werden, in Gesellschaften zur Sprache kommen sollte, damit Sie, der als ein Mitglied der Gesellschaft samt den Ihrigen bekannt war, darüber befragt und zur Rede gestellt werden, damit Sie, der Sie Urheber von allem waren, nun als Zeuge in einer minder gehässigen und verdächtigen Gestalt erscheinen und auftreten könnten. Auf die von Ihnen durch diesen Weg abgegebenen Versicherungen verloren diese Warnungen den Anschein eines Pasquills; die Regierung fand nun die Sache glaubbarer und ernsthafter, umso mehr, als durch Ihre Veranstaltung von allen Seiten Lärm wurde. Man schritt zu dem ersten bedenklichen Auftritt, zu wirklichen Inquisitionen, obwohl unter einem ganz andern Vorwand; man nahm Papiere ab; Sie entwarfen 26. Punkte, nach welchen sämtliche Offiziere sich erklären sollten; Sie gaben alle möglichen Ratschläge, um der Sache auf den Grund zu kommen, und keine einzige Ihrer Angaben fand sich bestätigt. Der Regierung musste die Sache verdächtig werden; sie sah, dass solche auffallende Scenen im In- und Auslande Aufsehen erregten; sie fing an, Misstrauen in ihre Aussagen zu setzen; wollte sich rechtfertigen wegen ihrer getroffenen Verfügungen; sah, dass es ihr an Gründen fehlte; und nun vermute ich, habe man Sie vorgerufen, Ihnen ernsthaften Vortrag gemacht, Sie befragt, ob Sie auf Ihrer Aussage beharren, sich getrauen, solche zu beschwören, und da Sie diesen Vortrag nicht abwenden konnten, ohne sich selbst als einen Verleumder darzustellen, habe man Ihnen zur Beruhigung, Sicherheit und Rechtfertigung der Regierung aufgetragen, Ihre Anklage schriftlich zu verfassen, zu hinterlegen, und mit einem Eid zu bestätigen. – Es kann sein, dass ich mich irre, und ich wünsche bessere Belehrung; aber außerdem ist es mir ganz unerklärbar, warum Sie diese Anklage so spät und nach der Verurteilung aller Mitglieder, nach ganz vollendetem Prozess übergaben. Ich bin auch noch umso geneigter, dieses zu glauben, weil es ein Mittel ist, die Regierung in etwas zu entschuldigen, und zu beweisen, dass man von ihrer Seite nicht gänzlich alles Gefühl und Achtung für Gerechtigkeit bei Seite gesetzt; weil es zeigt, dass die Regierung der hintergangene Teil und Sie der Betrüger sind.

Sie mögen aber dieses Bekenntnis früh oder spät, aus dieser oder einer andern Ursache und Veranlassung übergeben haben, so bleibt doch so viel gewiss: Diese Klage geschah in geheim; sie war in ihrem ersten Entstehen Ihr Werk; sie blieb geheim bis an das Ende; die Beklagten wurden verurteilt und kannten weder Kläger noch Schuld. Und Sie, Herr Utschneider, sind also in allem Fall ein heimlicher und hinterlistiger Ankläger: und ein solcher ist, nach dem einstimmigen Urteil aller Völker und Zeiten, ein schlechter und verabscheuungswürdiger Mensch, eine wahre Pest eines jeden gesitteten Staats, das Gift jeder menschlichen Gesellschaft, ein Schandfleck und Auswurf jeder Regierung, eine Schande aller Gerechtigkeit, ein Spürhund und Werkzeug des Despotismus. Wenn Sie meinen Worten nicht trauen, wenn Sie glauben, dass mich mein Eifer zu weit führe: so lesen Sie in der Note, was Schriftsteller, die nach Ihrem Vorgeben Ihre Lieblingsschriftsteller sind, Montesquieu und Tacitus davon urteilen. Lesen Sie (und erröten Sie dabei, wenn Sie können,) was letzterer, von dieser Gattung Menschen, die er genus hominum infame nennt, in so vielen Stellen so musterhaft schreibt6.

In einem solchen Staat, in welchem dieser Rest von Menschen eine günstige Aufnahme findet, ist früh oder spät aller Schatten von bürgerlicher Freiheit und Sicherheit verloren. Gegen sie, gegen ihre grenzenlose Verleumdung schützt kein Alter, kein Stand, kein Geschlecht. Alles Verdienst, jede Tugend wird zum Verbrechen, führt zum Untergang und Tod. Der beste Fürst, wenn er in solche Hände fällt, sich diesem Auswurf von Leuten anvertraut, wird, ohne es zu wissen, zum Ball, mit dem sie spielen; er wird von ihnen umgeben, belagert, eingeschlossen, verkauft und zu den gewalttätigsten Schritten gebracht7. Alle Gerichtshöfe stehen still, Gerechtigkeit ist ein bloßer Name, und Gesetze werden zur Last, werden zur Unterdrückung der Unschuld gemissbraucht. Diese Seuche, wenn es einmal nur einem einzigen gelingt, greift so sehr um sich, dass sie allgemein wird, sich bis auf die höchsten Stände eines Staats verbreitet. Meineid und Treulosigkeit werden sodann zur allgemeinen Sitte, treten an die Stelle des Verdiensts, und bahnen ausschließender Weise den Weg zu Ämtern und Würden. Alle Offenheit, Freude und Munterkeit verschwindet aus der menschlichen Gesellschaft; allgemeines Misstrauen, Furcht, kriechende Gefälligkeit und Niederträchtigkeit bemächtiget sich aller Menschen. Selbst die engsten Bande der Natur werden aufgelöst und getrennt. Wände haben Ohren und sogar leblose Dinge werden verdächtig. Hier, in einem solchen Staat, kann ich sagen, wird nach und nach der Sammelplatz aller schlechten Menschen, hier ist Ihr Reich. Sie drängen sich von allen Seiten und Ländern herbei, sie schwingen sich auf die höchsten Bedienungen des Staats, besetzen alle übrigen Stellen mit ihres gleichen, und reißen auf diese Art alle Gewalt an sich, alles muss sich ihnen unterwerfen, alles zittert vor ihrem Einfluss. Nun werden nicht Taten allein, sogar Reden, die man sagen könnte, Gebärden, Blicke, Stillschweigen, und die Furcht selbst zum Verbrechen, wie sich Tacitus ausdrückt: Id ipsum paventes, quod timuissent. Freunde verkennen ihre Freunde, Richter die Gesetze, und Eltern verläugnen ihre Kinder, um nicht in ähnliche Schicksale verwickelt zu werden. Sei so gerecht als du sein kannst, das Muster von Sittlichkeit, rede oder schweige, handle oder sei untätig, frohne dabei diesen Abenteurern nicht: und du wirst ihrer Rache und ihren Fallstricken nie entgehen; du wirst umso früher fallen, je vortrefflicher du bist8. Es wird nie an scheinbarem Vorwand fehlen, jeden den sie hassen, der Verbrechen gegen Staat oder Religion, die in diesen Zeiten, und unter diesen Händen die ausgebreitetste und willkürlichste Bedeutung haben, zu beschuldigen, und dadurch seinen Untergang zu befördern. „Die Rachsucht“, sagt Sterne in seinem Tristram,c „wird aus einem giftigen Winkel ein ehrenrühriges Märchen gegen dich richten, welches weder Unschuld des Herzens, noch Unsträflichkeit des Wandels abwehren wird. – Die Glückseligkeit deines Hauses wird erschüttert, – dein guter Leumund, worauf sie ruht, allenthalben verwundet, – deine Redlichkeit in Zweifel gezogen, – deine Taten belogen, – dein Witz vergessen, – deine Gelehrsamkeit mit Füssen getreten, und um dir den letzten Auftritt deines Trauerspiels vor die Augen zu bringen, Grausamkeit und Feigheit, zwei Zwillings-Ruffiane, die als Mietlinge der Bosheit im Finstern schleichen, werden zugleich deine Schwachheiten und Irrtümer bestürmen. – Der Beste von uns, mein teuerster Kumpe, gibt hier Blößen. – Und glaube – glaube mir, Yorik, wenn es einmal, eine besondere Lust zu büßen, beschlossen ist, dass ein hilfloses, unschuldiges Tier geopfert werden soll: so ist es leicht, in jedem grünen Gebüsche, wohin es sich verirrt hat, genug trockenes Reisholz zum Feuer zu finden, worauf es verbrannt werde.“ – Und wer findet dieses so leicht, als Menschen mit so viel Gewalt, mit so vielem bösen Willen, deren ganzes Leben ein ewiger, unaufhörlicher Krieg gegen Rechtschaffenheit und Tugend ist. Die Note9 mag den Leser davon überzeugen, wie sich Verleumder und geheime Angeber der ältern Zeiten dazu angeschickt, um in jedem unbescholtenen Mann einen Verbrecher zu finden: mir liegt es ob, meine Leser zu überführen, dass Utschneider in dieser Kunst ein Mann sei, dem es nur an großen Gelegenheiten fehlt, um einen Pallas und Tigellinus zu übertreffen. Die Vergleichung wird entscheiden.

Tritt dieser Tigellinus unserer Zeiten öffentlich und namentlich gegen die Gesellschaft der Illuminaten auf: so hat er sie wegen Zeitverlust, Geldverlust, Predigen wider den Patriotismus etc. verlassen. Klagt er sie insgeheim an: so richtet er sich ganz nach dem Mann, den er vor sich hat, um sie ihm auf seine Art gehässig zu machen. Spricht er mit Patrioten, so verraten die Illuminaten das Land, arbeiten zu Gunsten des Österreichischen Hofs, und unterstützen und befördern den Ländertausch. Hat er es mit Devoten und der Geistlichkeit zu tun: so sind sie Leute von den zügellosesten Sitten, Atheisten, Naturalisten, Materialisten, Epikureer, die alle Religion untergraben, oder Neuerungen einführen wollen. Will er den Landesherrn und das regierende Haus gegen die Illuminaten erbittern: so haben sich solche verlauten lassen, dass in 20. Jahren kein Wittelsbacher mehr sein werde. Ist die Regierung oder einzelne Personen in öffentlichen Schriften angegriffen, so sind die Illuminaten die Verfasser davon. Klagt ein Vater über die Ausschweifungen seines Sohns, so hat er bemerkt, dass er mit den Illuminaten starken Umgang pflege. Hat jemand einen Prozess verloren, so sind ihre meisten Stimmen in allen Kollegien die Ursache davon. Klagt jemand über die Verfügungen der Regierung, so haben die Illuminaten die Hände darin. Wird jemand nicht nach Wunsch befördert, so reißen die Illuminaten alle Ämter an sich. Stößt er endlich auf Leute, die weniger leichtgläubig sind, und diese Klagen für übertrieben ansehen, so ist der Illuminatismus nichts weiter als eine Kabale oder Geldschneiderei. Setzt man ihm entgegen, dass sich in der Gesellschaft Leute von Stand, Einsicht und Tugend befinden, so sind diese die Betrogene, die man im Finstern erhält, um andere damit anzulocken. Bezeugt jemand, dass er im Orden nichts übles gefunden, dass alles auf Wissenschaft und Tugend hinausgehe, so weiß er, dass es geheime Lehren gebe, die nicht allen, sondern nur den Vertrautesten geoffenbart werden, und zu diesem Ende sei ihre lange und genaue Prüfung. Lehren die Illuminaten die Verachtung des Todes: so sind sie ihm verwegene Menschen, Selbstmörder; sie brauchen solche entschlossene Leute, um den Fürstenmord und andere Verbrechen ohne Scheu und ungestraft auszuüben. Sie nehmen junge Leute auf, weil diese am leichtesten zu verführen sind; Ärzte und Apotheker, um zu vergiften; Postoffizianten, um die Briefe zu erbrechen; Professoren, um ihre Irrlehren und Gift zu verbreiten; Geistliche, um die Irreligion unter das Volk zu bringen; Archivvorsteher, um die Archive zu plündern; Justizräte, um die Gerechtigkeit in ihrer Gewalt zu haben. Sie beobachten die Menschen, sind also Spionen, und sie sammeln Urkunden, um die Länder zu verraten.10

Auf diese Art ist keine Anstalt der Illuminaten, so gut und unschuldig sie auch sein mag, welcher der Ränke und Gift atmende Geist eines politischen Kannengießers nicht sogleich die gehässigste Wendung zu geben weiß; in den einfachsten und plansten Dingen sieht er Meuterei, Hoch- und Staatsverrat. Man sollte glauben, durch zu frühe Anstrengung seiner Kräfte zu politischen Geschäften, durch ein zu anhaltendes Studium seiner Lieblingsautoren, eines Montesquieu und Tacitus, von dem unten die Rede sein wird, seihe ihm diese Idee zur Idea fixa geworden, und der Kopf auf dem Grad verrückt, dass er auf die selbige Art aller Orten Hochverrat findet, wie der Argiver des Horaz Komödien sahe, wo keine aufgeführt wurdend. Er gleicht aber den Verleumdern und Anklägern der ältern Zeiten, nicht allein in der Bosheit der Anklage, in der Kunst die unschuldigsten Sachen zu verdrehen; er gleicht ihnen auch in den Wirkungen, die er hervorbringt, in den Inquisitionen, die er veranlasst, in der Unterdrückung und Sklaverei, die er über eine ganze Nation verbreitet.

Seine Taten, die durch ihn hervorgebrachten Folgen und Wirkungen, werden das Urteil meiner Leser näher bestimmen.

Er machte mit Beiziehung Grünbergers und Cosandeys damit den Anfang, dass er eine Liste in geheim herumgehen ließ, in welcher er die Gegenstände seiner Verleumdung und die Opfer bezeichnet hatte, die er sich zur Sättigung seiner Wut auserlesen. Mehr als 60 waren darunter, die niemals an einer Ordensverbindung Teil hatten, und manche ausgelassen, deren er schonen wollte.

Als Weishaupt nach Regensburg kam, um sich dort auf einige Zeit mit seiner Familie niederzulassen, so sah man dieses als einen Trotz gegen die Regierung an, man wusste gewiss, dass er die alten Ordenskonnexionen unterhalte. Der Magistrat des Orts wurde ersucht, ihn aus der Stadt zu schaffen; und als dieses nicht gelang, so bewirkte man, wie es sicher verlauten will, Lettres de Cachet, ihn insgeheim aufzuheben, sobald er den Bayerischen Boden betreten würde. Allen seinen Freunden wurde bei Kassationsstrafe verboten, mit ihm einen Briefwechsel zu unterhalten.

Als Weishaupt nach seiner Ankunft in Regensburg von einigen seiner vorigen Freunde, dem Baron von Frauenberg, dem Stadtoberrichter Fischer, dem Schulinspektor Drexl und dem Oberleutnant von Kaltner einen Besuch erhielt, so wollte man gewiss wissen, dass sie in Regensburg Loge gehalten, und auf dem Rückweg in einem Gasthaus an einem Fasttag Fleisch gegessen. Die Sache wurde in München angezeigt; sie verfielen sämtlich in eine Inquisition, die sich damit endigte, dass Kaltner in eine andere Garnison versetzt, Drexl und Fischer ihrer Ämter entsetzt, und letzterer mit seiner ganzen Familie brotlos gemacht, Baron Frauenberg im Gegenteil von der Universität zu Ingolstadt verwiesen und seiner Pension als kurfürstlicher Edelknab verlustig wurde.

Als Baron von Frauenberg die Universität verließ, und von 15. Akademikern zu Pferd begleitet wurde: so wurden sämtliche Begleiter auf ausdrücklichen kurfürstlichen Befehl relegiert; denn man vermutete nichts gewisser, als dass sie schon bereits von dem Gift der Illuminaten angesteckt wären.

Als diese Begleitung vor dem Haus des Oberstadtpfarrer und Professor Wibmers vorbeiritt, dieser ans Fenster kam, und die Vorbeireitenden grüßte, so wurde er durch einen eignen kurfürstlichen Befehl darüber zur Verantwortung gezogen.

Delling