Gestaltung des Umschlagbilds unter Verwendung von Fotos, die freundlicherweise von John B. Henry (http://www.johnbhenry.com) und Antique Associates at West Townsend, Inc. (http://www.aaawt.com) zur Verfügung gestellt wurden.
Meinem lieben F.
Vielen Dank
für Deine Hilfe
und
den schönen Tag in Lüttich!
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Pistolenmesser
1. Auflage
ISBN: 978-3-7448-1216-0
© 2017 by Wolfgang Peter-Michel
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
Abb. 1: In der Vorderladerzeit war es gängige Praxis, Pistolen mit fest montierten Klappbajonetten auszustatten.
Mit Pistolen kombinierte Blankwaffen sind ein sehr vielseitiges, breit gefächertes Thema, das Stücke aus mehreren Jahrhunderten vereinigt. Für den Autor dieses Buches stellte es sich als ein großes Problem heraus, dass das deutsche Waffengesetz viele dieser Kuriositäten als verbotene Gegenstände einstuft und deren Besitz – und damit auch das Sammeln – nur einem sehr kleinen Personenkreis erlaubt. Daher war die Recherche in größerem Umfang nur im Ausland möglich, und hier stellten sich sowohl Museen als auch Antikwaffenhändler und Privatsammler als wichtige und unverzichtbare Partner heraus.
Ganz herzlich möchte ich an dieser Stelle Rob Morin und Carl Voellings von Antique Associates at West Townsend danken. Sie stellten mehrere wichtige Stücke zur Verfügung und lieferten hochwertiges Bildmaterial.
Ebenso bin ich John Babin vom Antikwaffenhändler John B. Henry in Philadelphia, USA, zu großem Dank für seine freundliche Unterstützung verpflichtet.
Der Antikwaffenhändler Horst Held, ansässig in Texas, USA, stellte ebenfalls eine Vielzahl von Stücken und seine wertvolle Expertise zur Verfügung – vielen Dank dafür!
Nicht zuletzt möchte ich dem russischen Blogger Vitaly Kuzmin, Moskau, für seine Hilfe bei der Recherche von Pistolenmessern aus (sowjet-) russischer Produktion ganz herzlich danken.
Wie immer geht auch ganz großer Dank an meine Familie, die mich in meiner Arbeit unterstützt und mir dafür den Rücken frei gehalten hat. Wieder einmal hat meine Frau mein fertiges Manuskript korrekturgelesen und mit scharfem Auge die großen und kleinen Fehler gefunden, die einem Autor bei einem so umfassenden Text- und Bildwerk unterlaufen.
Vielen Dank Euch allen!
Wolfgang Peter-Michel
Overath, den 30. September 2017
Abb. 2: Nach der Einführung und Verbreitung von mehrschüssigen Hinterladerwaffen wurden Pistolenmesser seltener. Hier ein Dumonthier-Stiftfeuerrevolver mit fest montierter Klinge. Waffe aus der Sammlung von Russ Potts. Foto: Antique Associates at West Townsend, Inc.
Schon bald nach der Erfindung der Feuerwaffen begannen die ersten Vwersuche, die neuartige Technik mit einer der ältesten Waffe der Menschheit zu verbinden, nämlich der Klinge. Die Ursache mag darin gelegen haben, dass die ersten Feuerwaffen noch sehr umständlich zu bedienen und nach nur einem Schuss nur noch ein wertloses Stück Metall in der Hand des Benutzers waren. Denn fast alle waren einschüssige Vorderlader, das heißt, sie mussten durch die Mündung mit losem Pulver, einem Geschoss und Verdämmmaterial geladen werden. Während einer Schlacht oder auch nur einem Zweikampf Mann gegen Mann war dies nur unter günstigen Umständen möglich. Deshalb wendeten die Menschen schon bald ihre ganze Erfindungsgabe darauf an, nicht nur mehrschüssige Feuerwaffen zu entwickeln, sondern auch, sie mit anderen Waffentypen zu kombinieren, um ihren Kampfwert zu steigern.
Die allerersten Hakenbüchsen und die nachfolgenden Luntenschlosswaffen waren noch zu groß und zu schwer, um sie sinnvoll mit Blankwaffen kombinieren zu können. Auch war ihre Handhabung mit der brennenden Lunte so umständlich, dass sie in Kombination mit einer Klinge, dieser jeglichen Gebrauchswert genommen hätten. Doch schon mit Aufkommen des Radschlosses wurden die ersten mit Blankwaffen kombinierten Stücke hergestellt. Meist handelte es sich dabei um Schwerter, in die eine Radschlosspistole eingebaut wurde. Auch Äxte und sogar Speere sowie andere Stangenwaffen wurden mit diesem neuen Schlosstyp kombiniert. Da jedoch das Radschloss ein extrem aufwendiger Mechanismus war, dessen Herstellung sehr zeit- und materialintensiv war, fand dieser Waffentyp auch ohne Verbindung mit einer Klinge nur geringe Verbreitung, da er aufgrund seines hohen Preises nur wohlhabenden Menschen meist aristokratischer Herkunft zugänglich war. Deshalb sind die erhaltenen Stücke meist aufwendig verziert und von höchster Qualität. Selten weisen sie stärkere Gebrauchsspuren auf und entlarven sich dadurch eher als Bestandteile der Kuriositätenkabinette ihrer adligen Besitzer denn als effektive Gebrauchswaffen.
Erst mit Aufkommen des Steinschlosses wurden mit Blankwaffen kombinierte Pistolen in größeren Stückzahlen hergestellt und auch größeren Bevölkerungsschichten zugänglich. Mittlerweile war die Qualität des Laufstahls so gut geworden, dass die Rohre der Schusswaffen so schlank gestaltet werden konnten, dass ihr Gewicht das Führen des Schwertes oder Dolches nicht mehr so stark behinderte. Daher fanden in manchen Bevölkerungsgruppen des 17. und 18. Jahrhunderts, beispielsweise bei Marineoffizieren und Piraten, mit Steinschlosspistolen kombinierte Säbel viele Abnehmer und ein eigener Waffentypus entwickelte sich. Auch Jäger führten in diesem Zeitraum Hirschfänger oder Waidblätter, die mit Pistolen kombiniert waren, um verwundetem Wild einen Fangschuss geben zu können, oder als letzte Möglichkeit, den Angriff eines krankgeschossenen Keilers oder Hirsches abwehren zu können.
Im 19. Jahrhundert setzte dann eine wahre Flut von Pistolenmessern ein. Dies war einerseits bedingt durch die Einführung der Perkussionszündung und der damit möglichen weiteren Miniaturisierung von Schusswaffen und der damit nochmals vereinfachten und so preiswertereren Fertigung. Auch die einsetzende Industrialisierung ermöglichte die Fertigung größerer Stückzahlen zu kleineren Preisen und damit wiederum eine Vergrößerung möglicher Abnehmerkreise.
Als Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Perkussionszündung die ersten Metallpatronen hervorgingen, existierten beide Waffentypen, zumindest im Bereich der Taschenpistolen, über mehrere Jahrzehnte parallel nebeneinander. Denn die ersten Patronen waren recht leistungsschwach und konnten in der Mannstoppwirkung mit den meist großkalibrigen Perkussionspistolen nicht mithalten. Auch war es bei den Vorderladern dem Schützen überlassen, welche Pulverladung und welchen Geschosstyp er wählte, um die Wirkung seiner Waffe zu optimieren. Gerade für Verteidigungszwecke ist überliefert, dass die Verwender mit der Pulverladung oft an die Leistungsgrenze ihres Laufs herangingen und nicht selten Kugel und Schrot miteinander kombinierten, um die maximale Leistung zu erzielen. Dies war mit Patronen natürlich nicht möglich, da hier die Laborierung vorgegeben war. Auch waren die ersten Randzündungs- und Stiftfeuerpatronen im Gegensatz zu großkalibrigen Vorderladern sehr schwach geladen. Eine mit Schwarzpulver gefüllte Patrone 22 kurz, 41 RF oder 7 mm Lefaucheux war sicherlich nur in Glücksfällen geeignet, einen entschlossenen Angreifer sofort handlungsunfähig zu machen. Besitzer sowohl einschüssiger Perkussionspistolen als auch ein- oder mehrschüssiger, aber dafür leistungsschwächerer Hinterladerwaffen waren also im Vorteil, wenn ihre Pistole mit einer Klinge kombiniert war.
Wieder existieren Stücke, die nur als Einzelstücke oder in einer begrenzten Serie von einzelnen Büchsenmachern oder kleineren Unternehmen hergestellt wurden, aber auch Stücke aus Massenproduktion, die zu Hunderten wenn nicht Tausenden gefertigt worden sein müssen, da von ihnen sehr viele baugleiche Stücke erhalten sind. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts gerieten Pistolenmesser dann wieder zunehmend außer Gebrauch, da mittlerweile leistungsstärkere Patronen verfügbar waren und mehrschüssige Revolver sich zu ernsthaften Kampfwaffen entwickelt hatten, die auch in Stresssituationen rasch nachgeladen werden können. Spätestens mit Aufkommen des Nitrozellulosepulvers und der Entwicklung erster funktionsfähiger halbautomatischer Faustfeuerwaffen waren Pistolenmesser wieder zu waffentechnischen Kuriositäten degradiert worden.
Eine kurze Renaissance erlebten sie während des Ersten Weltkrieges, als der Kampf Mann gegen Mann in den engen Schützengräben das Interesse an jeder Art von Nahkampfwaffen erneuerte. Das bezog sich nicht nur auf jede Art von (Graben-) Dolchen, sondern auch Keulen, Würgeschlingen und andere Geräte, die zum Teil aus den Zeughäusern mittelalterlicher Armeen entlehnt worden zu sein schienen. Zumindest ein britischer Hersteller stellte auch größere Stückzahlen eines Bajonetts für den Dienstrevolver der britischen Armee her. Dennoch sollten die Pistolenmesser nach dem Friedensschluss von Versailles wieder für einige Jahrzehnte von der Bildfläche verschwinden.
Denn erst mit Beginn des Kalten Krieges in den 1950er-Jahren und der wachsenden Bedeutung von geheimdienstlichen Auseinandersetzungen und unkonventionellen Kampfmethoden gewannen die Pistolenmesser in Form von hochspezialisierten Nahkampfwaffen wieder an Bedeutung. Werden diese Stücke zwar, wie es scheint, durchaus in nennenswerten Stückzahlen hergestellt, so sind sie doch im weltweiten Rahmen wiederum als Kuriositäten einzustufen, die nicht an jedem Kriegsschauplatz zu finden sind.
Im Folgenden sollen nun Beispiele von Pistolenmessern aus verschiedenen Jahrhunderten in chronologischer Reihenfolge vorgestellt werden.
Abb. 3: Deutsches Steinschlosspistolenpaar aus dem 17. Jahrhundert. Die eine Waffe ist mit einem Klappmesser ausgestattet mit einer langzinkigen Gabel kombiniert.
Abb. 4 (rechts): Ansicht der mit dem Messer kombinierten Waffe von unten. Unter dem linken Lauf sind noch die Ösen für den verlorengegangenen Ladestock sichtbar.
Einleitend wird ein deutsches Steinschloss-Pistolenpaar aus dem 17. Jahrhundert vorgestellt, dessen eine Waffe mit einem Klappmesser kombiniert ist. Das dazugehörige Pendant ist nahezu baugleich, aber statt des Schneidwerkzeugs mit einer langzinkigen Gabel ausgestattet. Beide Exemplare sind in hoher Qualität gefertigt und die Schussvorrichtungen wie auch die ausklappbaren Zusatzwerkzeuge machen einen gebrauchsfähigen Eindruck.
Lediglich die Miniaturisierung der Waffen, die notwendig war, um sie auf „Besteckgröße“ zu bringen und das daraus resultierende kleine Kaliber weisen darauf hin, dass sie nicht zur Verteidigung gedacht waren. Auch wird sie kaum ein Besitzer jemals als Ess- oder Vorlegebesteck verwendet haben, da Schlösser und Läufe der Pistolen die Handhabeung sehr erschwert hätten. Diese Umstände weisen darauf hin, dass das Pistolenpärchen eher für ein Kuriositätenkabinett gefertigt worden ist.
Abb. 5: Das mit der Messerklinge kombinierte Exemplar.
Abb. 6: Das mit der Gabel ausgestattete Stück ist nahezu identisch.
Abb. 7 und 8 (rechts): Die beiden filigranen Pistolen wirken mehr wie Spielzeuge als ernstzunehmende Waffen.
Ein typischer Vertreter der Frühzeit von mit Pistolen kombinierten Blankwaffen stellt der vorliegende Jagdsäbel dar. Wie bereits gezeigt wurde, waren Pistolenmesser und -schwerter bis zum Beginn der Steinschlosszeit eine Ausnahmeerscheinung. Die bis dahin üblichen Radschlösser waren zu aufwendig und voluminös, die davor üblichen Luntenschlösser waren zu umständlich zu handhaben, um eine Kombination mit dem blanken Stahl sinnvoll erscheinen zu lassen.
Dies änderte sich mit Einführung des Steinschlosses, sodass Stücke wie der vorliegende Jagdsäbel keine Seltenheit mehr darstellten. An seiner Klinge sind die Läufe einer zweischüssigen Steinschlosspistole angebracht. Diese weisen das Kaliber .42 (10,67 mm) auf und sind abschraubbar, um sie von hinten laden zu können. Das Schloss ist in den Hirschhorngriff eingelassen, der Abzug liegt innerhalb des ornamental gestalteten Korbgefäßes. Die Pfanne weist einen Umschalthebel auf, der es erlaubt, die Läufe einzeln abzufeuern. Dazu wird er um 90 Grad geschwenkt.
Auf der Schlossgegenplatte ist der Name des zwischen 1807 und 1825 in Birmingham ansässigen Büchsenmachers J. Sanders eingraviert.1 Die auf den Läufen eingeschlagenen Beschussmarken „Oval mit P“, „gekreuzte Szepter“ und „Krone über V“ lassen eine Datierung der Waffe auf den Zeitraum von 1807 bis 1813 zu.
Stil und Ausstattung des Pistolensäbels deuten auf eine jagdliche Verwendung hin. Jedoch waren derartige Schusswaffenkombinationen zu dieser Zeit auch bei Offizieren der Kriegs- und Handelsmarine beliebt.
Abb. 9: Ein mit einer Pistole kombinierter Säbel aus der Werkstatt J. Sanders, Birmingham. Foto: Horst Held, http://www.horstheld.com.
Abb. 10: Der Umschalthebel für die Pfannen der beiden Läufe befindet sich auf der linken Waffenseite. Foto: Horst Held, http://www.horstheld.com.
Abb. 11: Der Knauf der Waffe ist als Adlerkopf gestaltet. Foto: Horst Held, http://www.horstheld.com.
Abb. 12 und 13: Das Umschalten zwischen den beiden Läufen ermöglicht eine drehbare Walze, die die Zündfunken in die entsprechende Pulverkammer fallen lässt. Mithilfe eines sternförmigen Schlüssels lassen sich die Läufe zum Laden abschrauben. Foto: Horst Held, http://www.horstheld.com.
Abb. 14: Die auf den Läufen eingeschlagenen Beschussmarken „Oval mit P“, „gekreuzte Szepter“ und „Krone über V“ lassen eine Datierung der Waffe auf den Zeitraum von 1807 bis 1813 zu. Foto: Horst Held, http://www.horstheld.com.