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© 1.Auflage
Gabi Haug 2017
© Illustration: Gabi Haug
© Umschlaggestaltung: Gabi Haug
© Layout: Gabi Haug
Hinweis: Die Personen und Namen in dieser Geschichte sind frei erfunden und entstammen meiner Fantasie.
Änlichkeiten mit heute noch lebenden Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7448-6289-9
Danke Euch, liebe Eileen und liebe Dana,
für die immer wieder geopferte Freizeit sowie für
die
Mühe und Geduld, die ich Euch mit meiner Legasthenie
(LRS) als Korrekturleserinnen bereitet habe.
Darum widme ich Euch in tiefer Zuneigung
diese Geschichte.
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Das Geschichtskapitel Flug in die Heimat
ist darüber hinaus noch eine ganz besondere
Hommage an meine Mädels Dana und Eileen,
die Neuseeland im Jahr 2012 erkundet und dort
auch gearbeitet haben.
Ein ebenfalls großer Dank geht an …
meine liebe Freundin Erika
für ihre ebenso wertvolle Unterstützung
Immer wieder ist in der Mythologie die Rede von Unsterblichkeit. Immer wieder tauchen solche Geschichten quer durch die Jahrhunderte in Fantasieerzählungen auf und handeln von Wesen, die nicht sterben sollen können, wenn man deren Unsterblichkeit nicht gerade mit Gewalt ein Ende setzt. Das haben schon andere Geschichtenschreiber und Autoren in ihren Geschichten, mehr oder weniger gelungen, zu beschreiben versucht.
Ich wage dies in dieser Geschichte nun auch einmal!
In dieser Erzählung habe ich Orte gewählt, die es gibt.
Orte, die für mich oder andere, eine Bedeutung haben
oder hatten und dennoch basiert diese Geschichte bis auf die Ortsnamen und ein paar kleinere geschichtliche Begebenheiten und Details - rein auf meiner Fantasie.
Die Geschichte beginnt am 21. Dezember 1858 in Neuseeland.
Neuseeland und die Erwähnung dieses Landes ist gleichzeitig auch ein Dank von mir an zwei mir lieb gewordene junge Frauen, die dort einige Monate verbracht haben, indem sie auf der Insel gearbeitet und das Land erkundet haben und die mir in den letzten Jahren als Korrekturleserinnen und Berater bei meinen Geschichten immer wieder helfend zur Seite gestanden haben.
Zusammen mit dem deutschen Professor für Geologie - Johann Franz Julius Haast - erreichte der Naturforscher Professor Paul Hoburg am 21, Dezember 1858 an Bord des Passagierdampfer Evening Star den Hafen von Auckland, Neuseeland.
Kurz nach der Ankunft trafen sie auf den österreichischen Geologen und Naturforscher Ferdinand von Hochstetter.
Die beiden Wissenschaftler Haast und Hochstetter entschlossen sich zu einer gemeinsamen Expedition, die sie zu den Drury-Kohlenfeldern und von dort aus weiter über Ruhte zum Aucklandfeld, dann zu den Goldfeldern der Coromandel-Halbinsel, den Kupferfeldern der Great-Barrier-Insel und schließlich zur Kawau-Insel und um das Gebiet um Nelson herumführen sollte.
Professor Hoburg hatte andere Interessen, denn er erklärte, er wolle unterhalb des Vulkan Mount Taranaki die Vegetation erforschen, dort vor allem die Waldgebiete mit ihren Rimu-, Rata-, Kamahi, Totara und Kaikawaka Bäumen und die dortige Fauna.
So verabschiedete sich Hoburg von seinen Kollegen und machte sich mit einigen angeworbenen Männern und seinem Schüler und Vertrauten, Mathias, zum Goblin Forest auf. Die Vegetation dort studieren zu wollen war jedoch nur ein Vorwand, um Beobachtungen für ein weitaus geheimeres Projekt machen zu können.
Während Professor Haast sich mit seinen Forschungen schnell einen Namen machte und so zum ersten anerkannten professionellen Wissenschaftler Neuseelands wurde, so machte Hoburg eine Entdeckung, die für immer ein Geheimnis bleiben sollte.
Der Professor befasste sich seit seinem Studium mit der Vision und dem Mythos um das ewige Leben: Der Unsterblichkeit.
Eine Vision, die wohl so alt ist, wie die Menschheit selbst. Schon die Neandertaler bestatteten ihre Toten mit Grabbeigaben, weil sie wohl an ein weiteres Leben geglaubt hatten, ebenso wie später die Pharaonen, die ihre Verstorbenen in ihren Totenpalästen den Pyramiden - bestatteten, dies alles mit großem Prunk, im Glauben an die Wiedergeburt und die Unsterblichkeit der Seele.
Der jeweilige Totenkult und die Bestattungsrituale hatten alle einen ähnlichen Gedanken, und zwar den, dass mit dem letzten Atemzug eines Menschen nicht alles endet, denn die Vorstellung vergessen zu werden, war und ist auch heute noch vielen Menschen unerträglich. So keimte auch im Professor immer die Hoffnung, dem Tod eines Tages durch eine spektakuläre Entdeckung ein Schnippchen schlagen zu können. Hoburg befasste sich dazu eingehend mit den alten Mythen, die sich um die Unsterblichkeit und das Wesen der Elfen rankten. Die Sagen der neuseeländischen Eingeborenen über dieses Volk nährten seinen Forscherdrang umso mehr. Diese Wesen - die Elfen - sollten ewig leben und, abgesehen von tödlichen Unfällen und Mord, nicht sterben, nicht erkranken und ab einem bestimmten Entwicklungsstadium nicht mehr altern können.
Das 378km südlich von Auckland gelegene Gebiet um den Mount Taranaki zog Hoburg bei seiner Expedition nahezu magisch an, denn der Goblin Forest in den mittleren Lagen des Gebietes hatte seinen Namen durch die dort beheimaten, knorrigen und dick bemoosten Bäume erhalten. In diesem Teil des Waldes sollte es laut den alten Maori-Legenden Feen und andere Zauberwesen geben. In der Mitte des Waldgebietes gab es laut der Sagen auch einen Platz, an dem Unsterbliche - Elfen - ihre Rituale zu den Gezeitenwechseln abhalten sollten. Selten jedoch betraten Sterbliche diesen Ort, denn die Ehrfurcht vor den Naturwesen war sehr groß. Doch Hoburg kannte, wenn es um seine Forschungen ging, keine Ängste und so gelangte er mit seinen Männern in das Gebiet des Waipoua Forest.
Drei Wochen hielten sie sich dort auf, ohne dass etwas geschah was man als bemerkenswerte Entdeckung hätte bezeichnen können. Dann jedoch gab es einen Hoffnungsschimmer und ein Lebenstraum, so glaubte der Professor, ging für ihn kurz bevor er schon aufbrechen wollte, mit einer Entdeckung in Erfüllung.
Eines Nachts bei Vollmond erschienen genau an jenem Platz, um den sich die alten Legenden der Maori rankten, einige hochgewachsene Männer. Es waren Krieger wie man an ihrer Kleidung und den Waffen erkennen konnte, die sie bei sich trugen. Krieger mit spitz zulaufenden Ohrmuscheln und fein geschnittenen, edlen Gesichtern. Ihre Augen waren leicht mandelförmig, ihre Pupillen leuchteten in seltsam kräftigen Farben. Sie hatten helle Haut und ihre Haare waren lang und von silberblonder bis goldblonder Farbe.
Die Elfen gelangten zu jeder Zeitenwende durch einen Baum geschütztes Portal an diesen Platz, denn sie lebten seit langem schon sehr zurückgezogen in einer durch Magie geschützten Stadt, die sie nur selten verließen. Kontakt mit den anderen Bewohnern Neuseelands vermieden sie, so gut es ging. Bei dem Portal handelte es sich um eines von zweien auf Neuseeland. Einst gab es viele dieser Pforten, die auf andere Kontinente der Erde geführt hatten, doch diese waren schon seit Ewigkeiten aus Sicherheits gründen unwiederbringlich verschlossen worden. Dieser Ort, den Hoburg mit seinen Begleitern beobachtete, war einer der beiden Plätze, an dem die Elfen ihre alten Traditionen fortführten und so kamen sie zu jeder Zeitenwende bei Vollmond für drei aufeinander folgende Nächte an diesen Platz, um dort der Erdgöttin zu huldigen.
Wie Hoburg bemerkte, schien der magische Platz auf die Elfen, die dort ihr Ritual abhielten, einen so großen Reiz und ein Sicherheitsgefühl auszuüben, dass diese ihre Anwesenheit nicht zu bemerken schienen, als sie dort ihr Ritual feierten und ihre Lieder sangen.
Mathias fragte den Professor beim ersten Morgengrauen: „Was habt Ihr geplant, Professor?“
„Ich hoffe inständig, dass sie in der heutigen Nacht wieder an diesen Platz kommen. Denn wie es aussieht werden sie es, da einer die von ihnen mitgebrachte Räucherschale dort im Gebüsch versteckt hat. Ich denke, sie beginnen mit ihrem Ritual erneut in der Dunkelheit. Heute Nacht ist Vollmond und ich habe in einem Buch über Okkultismus gelesen, dass bei Vollmond die Magie und die Kraft des Mondes, am stärksten sind. Selbst Druiden hielten in früheren Zeiten ihre Versammlungen bei Vollmond ab. Du weißt doch: Seit jeher wird dem Mond und besonders dem Vollmond viel Unheimliches zugesprochen. Denke an die Geschichten über die Werwölfe. So verehren fast alle früheren Kulturen den Mond als Gottheit, also warum sollten es die Elfen dann nicht auch tun, wo sie laut der Mythologie mit der Natur im Einklang leben?“
Hoburgs Männer lagen seit dem Sonnenuntergang im Gebüsch auf der Lauer. Sie hatten in der letzten Nacht bei dem Ritual der Elfen nur zugesehen, doch in dieser Nacht hatten sie anderes vor und zu ihrem Glück hatten alle Elfenkrieger, bis auf einen, den Platz noch vor der Morgendämmerung verlassen. Noch immer wussten der Professor und seine Männer nicht, wohin die Elfenkrieger verschwanden. Professor Hoburg befürchtete dem Geheimnis wohlmöglich nie auf die Spur kommen zu können und so wollte er sich die Möglichkeit nicht nehmen lassen, da diese gerade so günstig war, wenigstens einem der Elfen habhaft zu werden. Er beschloss zu versuchen, den Krieger, der sich nun alleine auf der Lichtung befand, in seine Hände zu bekommen.
Der Mond warf ein fahles Licht auf die Lichtung und ließ das blonde Haar des Elfen wie fließendes Silber erscheinen.
Der zurückgebliebene Elf trug Wildlederkleidung. An Waffen führte der Krieger zwei fein gearbeitete Dolche, deren Hefte mit dunkel gefärbtem Leder umwickelt waren, in einem Waffengurt, den er auf dem Rücken trug, mit sich.
Ein fahler Blitz erhellte auf einmal den nächtlichen Himmel. Ein Gewitter zog auf.
Tamarun Angotal aus dem Hause Kharal sah zum Himmel hinauf. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihm breit. Doch dieses Gefühl hatte nichts mit dem aufkommenden Gewitter zu tun, sondern mit einer Empfindung, die auf eine Gefahr hindeutete. Er konnte diese Gefahr zwar körperlich spüren, jedoch nicht recht zuordnen, da sich für ihn nichts Ungewöhnliches im Wald um ihm herum abzuspielen schien.
Tamarun griff nach seinem Pounamuanhänger, denn er an einer Kette um seinen Hals trug und den ihm vor Jahren sein Freund Purahi - ein Maorikrieger - als Zeichen ihrer Freundschaft geschenkt hatte. Dieses geschenkte Kleinod hatte Tamarun seit diesem Tag immer am Körper getragen, denn laut Purahi soll der Stein das Herz stärken und bei Verletzungen eine reinigende Wirkung auf das Blutsystem haben. Der Stein war somit reich an Energie.
„Los, dies ist unsere Chance! Er ist alleine!“, meinte Hoburg aufgeregt und befahl dennoch sehr leise: „Nehmt ihn gefangen! Versucht ihn nicht zu verletzen, denn ich brauche ihn möglichst unbeschadet. Wenn ihr seiner habhaft seid, dann fesselt ihn mit den Seilen.“
Es lauerte etwas in der Nähe. Tamarun spürte dies immer stärker. Er wusste, dass er nicht mehr länger an diesem heiligen Ort verweilen sollte. Er wollte gerade loslaufen …doch da war es schon zu spät. Eine Stimme hinter ihm meinte in englischer Sprache und äußerst abfällig: „Wo willst du denn hin, Freundchen?“
Tamarun verdrehte die Augen und dachte bei sich: ‘Diese unsäglichen Menschen müssen sie doch wieder einmal im Waldgebiet herumschleichen!‘
Nun hatten sie nicht nur ihren friedlichen Platz, den sie für ihre Rituale um der Natur zu huldigen nutzten, sondern auch ihn entdeckt. Er ahnte vorerst jedoch nichts Böses, denn in den Jahren seines Lebens hatte es immer einmal wieder Kontakt zu den Bewohnern Neuseelands gegeben. So wandte er sich um und sah sein Gegenüber aus seinen türkisfarbenen Augen an.
Die Männer, denen er nun gegenüberstand, begegneten ihm jedoch nicht zurückhaltend und achtsam wie es die Menschen meist bei einem Zusammentreffen taten, sondern wirkten äußerst feindselig und stürzten im gleichen Moment auf ihn zu.
Nur einen Wimpernschlag hatte er zu lange gewartet, um nach seinen Dolchen zu greifen. Er wurde von ihnen einfach niedergerungen. Die Schläge, die ihn trafen, waren hart und schmerzhaft. Er stöhnte vor Schmerz, als ein Tritt ihn in die Magengrube traf, da er die Arme hob um seine Kopf zu schützen, auf den ein anderer der Männer einschlug.
Doch damit beließen sie es nicht: Sie fesselten ihn, nachdem sie ihn so brutal zusammengeschlagen hatten, an Händen und Füßen. Tamarun biss sich auf die Lippen, als einer der Männer trotz seiner Wehrlosigkeit noch einmal zuschlug. Er unterdrückte den Schmerzenslaut so gut er konnte, denn Schmerz zu zeigen, das war nicht die Wesensart seiner Rasse und erst recht nicht die seine.
„Professor, was jetzt?“
„Packt ihn in erst einmal in den Käfig dort.“
Die Gesichtszüge des Menschenmannes, der anscheinend das Sagen in der Menschengruppe hatte, verzogen sich zu einem befriedigenden und äußerst süffisanten Lächeln, als er Tamarun nun in dem Käfig, in den man ihn gesteckt hatte, betrachtete. Offenbar hatten diese Menschen gewusst, dass sein Volk in dieser Nacht an diesen Ort kommen würde und den günstigen Augenblick genutzt ihn gefangen zu nehmen. Tamarun konnte den Grund dafür jedoch nicht erahnen.
Er rollte sich von Schmerzen gepeinigt in seinem Gefängnis zusammen, denn die Menschen überließen ihn nun erst einmal sich selbst.
Tamarun überlegte, was sie mit ihm anstellen konnten. Eines war für ihn gewiss: Egal was sie ihm antun würden, er würde sein Volk um keinen Preis an sie verraten. Am besten tat er erst einmal so, als verstünde er sie nicht. Er hatte im Moment auch das ungute Gefühl, dass das Schweigen der Männer kein gutes Zeichen war und dass man ihm einiges abverlangen würde und seine Gefangennahme ihm sogar den Tod bringen könnte. Er hatte schon so manchen Blick auf das menschliche Lusterlebnis des Tötens geworfen, wenn diese als Trophäenjäger Tiere jagten. Auch war er Augenzeuge nach einer Stammesfehde von Kannibalismus der Maori geworden. Der Sieger hatte den Körper seines getöteten Gegners zerstückelt und teilweise verzehrt. Natürlich war dies nicht geschehen um den Speisezettel der siegreichen Sippe zu erweitern, sondern aus rituellen Gründen. Davon abgesehen basierte der Verzehr von Fleisch und Blut eines Besiegten - auch bei den Trollen - auf der Vorstellung, sich die Kraft der Person mit dem Akt des Essens vollkommen einzuverleiben. Und er als Elf galt unter den Menschen als magiebehaftetes Wesen mit der Macht der Unsterblichkeit.
Er kannte deren okkulte Riten nicht; vielleicht glaubten die Männer an eine Machtübertragung und daran, mehr Kraft zu erlangen, wenn sie einen Elfenkrieger aßen…
Er hatte auch gewusst, dass ein Tag kommen konnte, an dem man ihn oder einen der Seinen entdeckte. Er hatte bereits darüber nachgedacht, wenn er denn einmal durch einen Gewaltakt sterben musste, wie so ein Tod wohl sein mochte. Natürlich kamen diese Gedanken nicht von ungefähr, denn Visionen hatte sich schon als richtig erwiesen. Doch wie hätte er es verhindern können? Konnte man sein Schicksal verhindern oder es verändern? Er wusste noch ja nicht einmal, ob er seinen Untergang erst recht herbeiführte, wenn er es wagte, gegen diese Menschen aufzubegehren. Doch selbst dazu fehlte ihm im Moment die Kraft.
Professor Hoburg war begeistert von dem Fang. Doch nun musste er den Elf unbedingt verhören. Es gab zwei Möglichkeiten, die er sich ausmalte: Entweder er erfuhr woher die Elfen kamen und wohin sie verschwanden, oder aber, wenn der Elf nichts preisgab, musste er ihn irgendwie nach Deutschland schaffen, um dort in seinem Labor an ihm forschen zu können. Es kam ihm nun wie eine göttliche Fügung vor, dass er ein Jahr zuvor im Keller seines elterlichen Besitzes ein altes, verschüttetes Gewölbe gefunden und sich dort in aller Heimlichkeit ein kleines Labor eingerichtet hatte. Er hatte sich nach einer kurzen Besprechung mit Mathias auch schon einen Plan zurechtgelegt: Betäubt würde er den Elf als seinen Neffen ausgeben, der nach einem Sturz bei ihrer Expedition durchs Land, sein Bewusstsein verloren hatte.
Einer der Männer hatte angefangen ihn in Maori auszufragen. Nach einigen weiteren Schlägen und der Androhung, dass er schon antworten würde, wenn man ihm erst einmal ein paar Finger oder Zehen abgeschnitten hätte, hatte Tamarun beschlossen, dann doch das ein oder andere Mal eine Antwort zu geben. In dieser kritischen, fast hoffnungslosen Situation wehrhaft zu bleiben, war nicht einfach. Er hatte einen Fehler begangen, obwohl er sogar die Seinen gewarnt hatte, aber wenn er Glück hatte und sie ihm helfen konnten, würde es besser sein, wenn er nicht einige seiner Körperteile verloren hatte.
„Tötet ihr mich nun?“, erkundigte sich Tamarun nach zwei Tagen ohne Nahrung, Wasser, ständigen Drohungen und Fragen danach, wo man die Seinen fände.
Hoburg grinste höhnisch, als ihm einer seiner Männer die in Maori gesprochenen Worte ins Englische übersetzte.
„Mir scheint er hat Todesangst, aber will sich dies um keinen Preis anmerken lassen. Sag ihm, ich werde mich noch eine Weile in Geduld üben, denn er ist mir lebend mehr von nutzen. Er soll das hier nun trinken.“
Tamarun funkelte den Professor wütend an und meinte: „I won´t drink that!“ >> Ich werde dies nicht trinken! <<
„Oh, dieser Kerl kann sich mit uns auf Englisch verständigen, das ist ja wunderbar!“ So wandte er sich dem Elf zu.
„Do as I say!“ >> Tu, was ich sage! <<
„No way!” >> Auf keinen Fall! <<, entgegnete Tamarun stur. „What next? Are you going to beat me up?“ >>Was nun? Wirst Du mich verprügeln? <<
Hoburg war es, der nun wütend wurde und den Elf ungehalten anfauchte: „Well, seems to me that you only understand the hard way…” >> Nun, wie mir scheint, verstehst du es nur auf die harte Tour... << Los Mathias, öffne den Käfig und hol ihn da raus!“
Der Mann zerrte mit Hilfe von zwei Begleitern Tamarun gewaltsam aus seinem Gefängnis. Einer der Männer verpasste ihm einen harten Tritt, der Tamarun in die Knie zwang.
„Ich glaube, der Kerl ist recht zäh, sodass wir lang unsere Freude mit ihm haben werden! Los, halte seinen Kopf fest. Nun wollen wir doch mal sehen, wer von uns am längeren Hebel sitzt! Bist du so weit, Mathias?“, fragte der Professor.
„Jawohl!“, antwortete dieser mit tonloser Stimme. „Na dann wollen wir mal“, grinste er. „Nun trink das!“
Tamarun presste seine Lippen fest zusammen.
Der Professor schlug ihm ins Gesicht, hielt ihm dann die Nase und den Mund zu, sodass Tamarun letzten Endes, als er das Gefäß an seine Lippen presst bekam, doch den Mund öffnete und die Flüssigkeit schluckten musste, um nicht zu ersticken.
Hoburg meinte daraufhin: „Good night, sleep tight…“ >> Gute Nacht, schlaf gut… << Aufmerksam beobachtete der Professor den Elf dabei, wie er langsam das Bewusstsein verlor.
„Was habt Ihr ihm gegeben?“
„Stechapfel!“, erwiderte der Professor nur knapp. „Lass die
Männer eine Trage bauen und ihn zum Hafen nach Auckland bringen.“
Tage später und nachdem die Männer, die sie begleitet hatten, zum Stillschweigen verpflichtet und dafür gut entlohnt worden waren, meinte Mathias: „Der Kapitän und seine Mannschaft erwarten uns.“
„Gut!“, meinte der Professor.
Als der Kapitän sich ihnen näherte, meinte Hoburg: „Lasst uns meinen Neffen an Bord schaffen und den armen Jungen nach Hause bringen!“ Er grinste dabei seinen Schüler hinter vorgehaltener Hand an.
Tamarun lag ohne Bewusstsein auf der Trage und bekam von alldem nichts mit. Weder, dass man ihn aus seiner Heimat entführte, noch von der langen Seereise nach Deutschland. Immer wieder, wenn er fast erwachte, wurde ihm das Betäubungsmittel eingeflößt.
Ralaran hatte ebenfalls etwas gespürt - eine Gefahr hinter sich, als er das Menschenreich verlassen und das Elfenreich durch das Portal betreten hatte, doch er konnte sich keinen Reim darauf machen. Da das Gefühl jedoch anhielt und Tamarun sich noch im Menschenreich aufhielt, war er nach kurzer Überlegung durch das magische Portal zurückgeeilt, das die Welten voneinander trennte. Er hatte gerade noch gesehen, dass man Tamarun in einen Käfig gesperrt und ihn weggeschleppt hatte. Doch alleine konnte der Elf gegen die Menschenmänner und deren Übermacht nichts ausrichten. Dann waren zu allem Unglück Blitze aufgezuckt und ein heftiger Wolkenbruch hatte eingesetzt. Er hatte kurz etwas im Licht des Blitzes funkeln sehen und danach gegriffen. Es war Tamaruns Kette mit dem magischen Anhänger gewesen. Ralaran war augenblicklich in die magische Ebene der Elfenwelt zurückgekehrt, um Hilfe bei den Seinen zu holen.
„Warum nur hatte es nur so heftig in der Menschenwelt regnen müssen?“, fragte sich die Herrin der Elfen und Verzweiflung lag in ihrer Stimme. Zwanzig Elfenkrieger waren schnell auf ihren Befehl an den Ort des Geschehens zurückgekehrt, doch der Regen hatte alle Spuren verwischt. Drei volle Tage und Nächte hatten die Krieger in kleinen Gruppen den Wald nach den Entführern Tamaruns durchforstet, doch hatten sie diese nicht finden können.
Betroffenheit machte sich nun bei ihrem Volke breit und lähmende Trauer erfüllte die Herzen des Herrscherpaars. Bitter würden die Menschen diese Tat bereuen müssen und die ansonsten jedem so freundlich gesonnenen Elfen trauten von nun an keinem Menschen, ja selbst den eingeborenen Maori, nicht mehr. Wohl hatten sie schon zuvor mit ihrer magischen Kunstfertigkeit das Schicksal einer Bedrohung aufzuhalten versucht, doch nun mussten sie feststellen, dass ihr Volk den Sterblichen wohl zu arglos gegenübergetreten war. Tamarun, ihr geliebter Ziehsohn, war verschwunden und nur eine Hoffnung blieb: Ihn vielleicht irgendwann einmal heil wieder zu sehen.
Noch an Bord des Schiffes meinte Professor Hoburg zu seinem Schüler Mathias: „Ich habe im Keller meines Hauses ein kleines Versuchslabor eingerichtet. Es gibt dort auch einige Räume um jemanden dort sicher gefangen zu halten und ich gedenke diese für den Elfen noch speziell herzurichten, damit wir dort ganz im Geheimen und ungestört an ihm forschen können. Ich habe dieses Kellergewölbe selbst erst vor gut zwei Jahren entdeckt. Außer Cläre und nun dir, Mathias, weiß niemand etwas davon. Es sind drei Räume, alle mit schweren Eisengittertüren versehen. Kein Mensch wird jemals auf die Idee kommen zu vermuten, dass wir jemanden dort eingesperrt haben könnten und somit auch nicht nach ihm suchen.“
„Wer sollte dies auch, Professor! Die Sippe dieses Individuums wird ihn nicht finden können und wohl auch bei den Behörden keine Vermisstenanzeige aufgeben“, meinte Mathias und grinste breit.
„Mathias, ich fiebere vor Freude! So gesehen ist das Leben an sich eine schlimme Folter, wenn man weiß, dass es Unsterbliche gibt. Stell dir vor wir kämen hinter das ganz spezielle Geheimnis der Elfen und wir könnten ewig leben und du würdest das Geheimnis mit Cläre und mir teilen! Die Vergangenheit wird nur noch in unseren Gedanken existieren und die Zukunft geht immer und ewig weiter. Wir wären es, die sich an die Stelle der göttlichen Autorität setzen könnten.“
Endlich, nach langen fünfzehn Wochen einer einigermaßen ruhigen, aber dennoch anstrengenden und beschwerlichen Seereise von Auckland über Napier, ging es von dort aus nach Port Chalmers in der Region Otago, weiter nach Australien in die Port-Phillip-Bucht, und von dort aus nach Adelaide, Singapur, zur Kronkolonie Colombo - Ceylon. Die Seepassage führte sie weiter nach Damietta über den ligurischen Hafen La Spezia, den Camillo Benso Conte von Cavour gerade ausbauen ließ und weiter nach Tilbury. In dem englischen Hafen hatten sie noch einen zweitägigen Aufenthalt und nun waren der Professor und sein Gehilfe mit dem angeblichen Neffen des Professors wieder in Hamburg und somit in der Heimat angelangt. Den betäubten Unsterblichen hatten sie von der Anlegestelle aus in einer Nacht- und Nebelaktion in eine Kutsche geschafft und waren dann nach Heidelberg aufgebrochen.
Professor Hoburgs Tochter Cläre war über alle Maße erfreut ihren Vater nach so langer Abwesenheit wieder daheimzuhaben. Lange - fast zwei Jahre - war er fort gewesen und die junge Frau war mit ihren dreiundzwanzig Jahren mittlerweile selbst zur Ärztin geworden. Sie hatte ihr Promotionsexamen nach schweren Kämpfen und Konflikten um die Dissertation von Frauen geschrieben, die ihr in den Weg gestellten Hürden überwunden und ihren Doktortitel mit Auszeichnung bestanden. Vorreiterin in diesem Kampf und somit Cläres Vorbild war Dorothea Erxleben, die auf Befehl des preußischen Königs 1754 als erste Frau Deutschlands an der Universität Halle zur Promotion im Fach Medizin zugelassen worden war.
Als Hoburg seiner Tochter den bewusstlosen Elf zeigte, war die junge Frau überaus beeindruckt von dessen Wesen und begeistert, als ihr Vater sie bat, ihm gemeinsam mit Mathias bei den Forschungen an ihm zu helfen.
„Weißt du, Clärchen, es darf niemand erfahren, dass er hier ist“, meinte ihr Vater ernst. „Die Naturwissenschaft steckt voller Rätsel und du weißt auch wie viele Forscher es gibt, die für ihre Ideen und Versuche heftig angefeindet werden. Es gibt zu diesen Wesen und ihrer Unsterblichkeit sehr viele ungelöste Fragen, die einer Antwort und vor allem, wenn wir diese bekommen, auch stichhaltigen Beweisen bedürfen. Wir haben nun das unschätzbare Glück ein Exemplar dieser Spezies in den Händen zu haben. Ach mein Kind, ist das nicht wunderbar?“
„Ja Vater, das ist es und ich werde dir dabei helfen alle Beweise zusammen zu tragen, egal wie lange es dauern wird.“
Tamarun erwachte in einem dunklen Raum. Er war benommen und äußerst verwirrt. Er spürte alsbald die Kette an seinem linken Bein und die, die um seine Handgelenke lag. Voller Entsetzenblickte er sich um und fragte sich, wo er sich befand. War er von den Menschen hierhergebracht worden, um gefoltert zu werden? Er stand vorsichtig auf, als er bemerkte, dass die Fußfessel ihm Raum für Schritte gab und so durchmaß er mit kleinen Schritten den Raum. Groß war dieser nicht! In der einen Ecke fand er eine Vertiefung. In dieser führte ein etwa handbreit großer Schacht senkrecht nach unten. Auf einmal bemerkte er, dass er nicht länger alleine in dem Raum war. Er blickte hinüber zu der Gestalt, die regungslos im Raum stand und ihn zu beobachten schien. Auf einmal wurde es heller im Raum, denn die Person hatte eine Laterne angezündet. Tamarun erkannte nun den Menschen, der ihm ins Gesicht geschlagen und ihm diesen widerwärtigen Trank eingeflößt hatte. Der Mann, denn die anderen Menschenmänner Professor genannt hatten, meinte zu ihm: „Toilet bowl“ und Tamarun verstand, dass er in das Loch seine Notdurft verrichten konnte.
„Was wollt Ihr von mir?“, fragte Tamarun zuerst im Maori, besann sich dann jedoch darauf, dass der Mensch die maorischen Worte nicht verstanden hatte und stellte seine Frage in Englisch: „What do you want with me?"
Der Mensch machte einige Schritte auf ihn zu. „Du bist von mir auserwählt worden mein Forschungsobjekt zu sein. Ich will die Geheimnisse der Unsterblichkeit deiner Rasse erkunden. Mit dir und den Versuchen an dir, werde ich Großes erreichen!“
Tamarun ahnte was das für ihn bedeutete. Diese Menschen würden ihn quälen um an ihr Ziel zu kommen. Doch noch hoffte er von den Seinen befreit zu werden. Er ahnte nicht, dass seit seiner Gefangennahme Monate vergangen waren und er sich nicht mehr in seiner Heimat befand. Er wusste auch nicht, wie er sich dem Fremden gegenüber verhalten sollte. Er versuchte vor dessen Hand, die nun nach ihm griff, zurückzuweichen.
„Wage es nicht vor mir zurückzuweichen, du wirst es bereuen! Sei dir ebenso gewiss: Hier findet dich niemand. Dein Volk kann dir nicht zur Hilfe kommen, denn du nicht mehr in deinem Land.“
Tamarun schluckte. „Nicht mehr in meinem Land?“, brachte er fragend und ungläubig über die Lippen.
„Du bist in meiner Heimat, Tausende von Seemeilen von der Deinen entfernt. Niemand außer mir und meinen engsten Vertrauten weiß überhaupt von deiner Existenz und dass du dich in unseren Händen befindest. Du wirst dich damit abfinden müssen. Und du allein bist es, welcher die Auswirkungen zu tragen hat, wenn du mir einen Grund lieferst um dich hart anzupacken, solltest du nicht kooperativ sein.“
Cläre war begierig darauf, den Elf untersuchen zu dürfen. Da lag er nun und konnten sich weder wehren noch weglaufen. Sie untersuchte ihn mit akribischer Genauigkeit, strich mit den Fingern durch sein Haar. Sie war beeindruckt von seinem langen silberblonden Haar, seinen türkisfarbenen Augen und von seiner blassen Haut. Sie untersuchte ihn sorgfältig und machte bei dieser Gelegenheit seinen Oberkörper frei, hörte seine Herztöne und die Lunge ab, untersuchte seine Ohren und prüfte seine Reflexe an Armen und Beinen. Sie prüfte an verschiedenen Stellen seine Schmerzunempfindlichkeit indem sie ihn zwickte oder ihn mit einer Nadel malträtierte. Als Wissenschaftlerin der Medizin hegte sie ebenfalls die Hoffnung, der angeborenen Unsterblichkeit der Elfen gemeinsam mit ihrem Vater auf die Spur zu kommen. Schon früh hatte ihr Vater ihr Geschichten über die Unsterblichen vorgelesen, später hatte er dann ihre wissenschaftliche Lernbegierde geweckt und daher war sie auch mit Freuden der Medizin und Wissenschaft verfallen. Die Begeisterung war nun jedoch größer als bei anderen Versuchsobjekten, denn der Elf konnte im Gegensatz zu anderen sprechen, wie sie wusste. So nahm sie sich vor, ihm auch die deutsche Sprache beizubringen, damit dieser sich auch in ihrer Sprache verständlich machen konnte.
Anfangs wehrte sich Tamarun - der immer in Ketten gehalten wurde - mutig gegen alles, was man versuchte ihm aufzuzwingen. Der Professor versuchte ihn immer wieder zu befragen. Reagierte Tamarun nicht auf die Fragen so erntete er dafür Schläge, die ihm von Mathias verpasst wurden. Danach erklärte ihm der Professor: „Du kannst mir glauben, dass ich das hier lieber auf freundliche Weise tun würde. Aber ich werde alles tun, was nötig ist, um zu erreichen, was ich mir zum Ziel gesetzt habe.“
Doch was auch immer dieser Professor erreichen wollte, Tamarun hatte nicht vor, ihm dabei zu helfen.
Nach einer weiteren solcher Drohungen ihm etwas anzutun, wenn er nicht antworten wolle, hatte man ihn auf eine Liege geschnallt. Der Professor krempelte seine Ärmel hoch. „Glaub mir, Elf, ich bekomme was ich will, also sag: Wie kann einer der Euren die Unsterblichkeit auf ein sterbliches Wesen übertragen? Wenn du es mir nicht sagst, dann wird die Erforschung dir heute umso mehr wehtun, da ich langsam doch die Geduld mit dir verliere.“
Als Tamarun wieder nicht antwortete, seufzte der Professor auf. „Gib mir das Skalpell dort.“
Er sah Tamarun noch einmal in die Augen. „Nun überlege es dir, denn sonst musst du wohl oder übel ertragen, was wir für Versuche mit dir machen werden.“
Tamarun schwieg jedoch und so setzte der Professor das Skalpell an und schnitt ein Stück Fleisch aus dem Unterarm. Der Schmerz war groß, sein Blut floss.
„Nun, wir werden dann erst einmal sehen, wie lange die Heilung einer Verletzung bei dir braucht.“
Tamarun schloss die Augen und versuchte seinen Peiniger zu ignorieren.
Die Wunde hatte sich innerhalb weniger Zeit geschlossen und war am nächsten Tag so gut wie verheilt. Daraufhin hatte Tamarun sich geweigert, weiterhin Nahrung zu sich zu nehmen.
„Sterben - also deine Seele gehenlassen - willst du also, dies durch Auszehrung deines Körpers, Elf?“, hatte Cläre nach sechs Tagen gefragt. „Nein mein Hübscher, das wirst du nicht. Wir werden dies zu verhindern wissen, denn du bist ein zu wertvolles Forschungsobjekt für uns, als das wir dies zulassen würden. Wir werden so lange an dir experimentieren, bis wir wissen, was wir wissen wollen!“
Der Professor hatte ihn auf den Untersuchungstisch festgeschnallt. Cläre hatte seinen Kopf angehoben und ihm einen Löffel Brei an die Lippen gehalten. Wie erwartet hatte Tamarun sich erneut verweigert und dabei die Zähne und Lippen fest aufeinandergepresst.
„Gut, wie du willst. Auch, kein Problem. Es geht auch anders“, hatte der Professor erklärt. „Cläre, halte ihm die Nase zu!“
Als Tamarun dann schließlich nach Luft schnappen musste, hatte der Professor ihm jedoch nicht nur einfach den Löffel in den Mund gesteckt, sondern einen Schlauch und ihm diesen dann den Schlund hinab bis in den Magen geschoben. „Nun wirst du eben von uns zwangsernährt!“, hatte er erklärt. Der Schlauch wurde danach wieder entfernt und zu jeder Mahlzeit erneut eingeführt.
Nachdem Tamarun diese Tortur einige Tage durchgestanden hatte, hatte er letzten Endes kapituliert und freiwillig die Mahlzeiten, die man ihm gebracht hatte, zu sich genommen.
Professor Hoburg beobachtete sein Versuchsobjekt, wie er Tamarun nannte, über weitere Tage. Zuerst musste Tamarun zwei Wochen in völliger Dunkelheit verbringen, danach setzten sie ihn ebenso lang dem Licht aus. Man ließ ihn nicht schlafen. Der Professor protokollierte dabei jede noch so kleine Geste.
„Wie ich mir schon gedacht habe!“, meinte Hoburg. „Anscheinend könnt ihr Elfen euch auch bei Licht ausruhen und so etwas wie einen Erholungsschlaf finden, doch die völlige Finsternis ist es, die euch mehr zu schaffen macht. Vielleicht solltest du doch mit mir reden, wenn du nicht möchtest, dass ich dieses Wissen gegen dich nutze. Du bist ziemlich stur, Elf. Du könntest dir weitere Versuche und damit Leiden ersparen.“
Tamarun sah ihn nur verächtlich an.
„Na gut, es wird somit nur ein wenig länger dauern, bis ich dich dazu bringe, mir das zu geben, was ich will. Aber es wird gelingen, da bin ich mir sicher.“
Hoburg, wie auch seine Tochter, sprachen mit Tamarun nur noch Deutsch. Tamarun hatte die Sprache schnell gelernt und nun sprach er sie auch gut, doch er gab weiterhin nichts über sein Volk preis. Nicht nur den Professor, sondern auch Cläre ärgerte dies und noch mehr, wenn Tamarun meinte: „Niemand hat das Recht andere zu entführen und gefangen zu halten, nur weil sie anders sind. Ihr Menschen seid schlecht und der, den du deinen Vater nennst, hat mich aus Aotearoa - dem Land der langen weißen Wolke - entführt. Ich verachte euch zutiefst dafür!“
Da Tamarun auch weiterhin nicht bereit war Auskunft darüber zu geben, warum sein Volk unsterblich war, unternahm der Professor weitere Versuche. Er begann an dessen Sehkraft zu forschen und stellte dabei fest, dass der Elf in der Dämmerung genauso gut wie bei Licht sehen konnte. Eine Erklärung für diese enorme Schärfung des Sehsinnes fand er jedoch bei diesen Versuchen nicht. Die Fähigkeit Gerüche wahrzunehmen ein ebensolches Phänomen. Dieser Geruchssinn war ebenso ausgeprägt wie alle anderen Sinne des Elfen, die mehr denen der Tiere anstelle derer der Menschen glichen. Dennoch: Um einen Geruch aufzunehmen musste Tamarun nicht eines Tieres gleich schnuppern. Die Versuche an seinem Gehör zeigten, dass dieses so empfindlich war, dass Tamarun bestimmte Töne, die von außerhalb des Raumes kamen, auch noch sehr gut wahrnehmen konnte, wenn selbst manche Tiere sie nicht mehr zu hören schienen. Als die Versuche abgeschlossen waren, begann Hoburg durch Mathias Mithilfe am Temperaturempfinden von Tamarun zu forschen. Mathias steckte den Elfen dafür zunächst mehrmals in ziemlich heißes Badewasser.
„Na Mistkerl, wie geht es dir?“, meinte Mathias eines Morgens.
Der Gehilfe des Professors blieb seit zwei Tagen außerhalb der Reichweite der Kette stehen, da Tamarun ihn nach den Torturen mit heißem Wasser versucht hatte, anzugreifen. Der Angriff war zwar misslungen, hatte dem Gehilfen jedoch einen Nasenbruch beschert, da es Tamarun gelungen war, ihn am Bein fassend noch zu Fall zu bringen, bevor er ganz aus seiner Reichweite entkommen war.
„Hier ist Brot und Wasser, du Tier. Iss!“, näselte Mathias.
Tamarun bedachte ihn mit einem schon als unverschämt zu bezeichnenden Lächeln.
„Was grinst du Dreckskerl so blöde?!“
„Du näselst gerade so schön, wenn auch deine Beleidigungen mir gegenüber - wie immer - ein klein wenig zu derb sind. Das tut weh, nicht?“, dann nahm er das Brot, aß es und trank das Wasser.
Tamarun machte sich schon lange keine Sorgen mehr darüber, ob man ihm etwas in sein Getränk hineingeschüttet oder der Nahrung etwas zugesetzt hatte, dass ihm den Willen rauben konnte. Er hatte gerade den letzten Bissen geschluckt, da fuhr Mathias ihn an: „Los komm her, du Scheusal! Wird es bald!?“
„Was habt Ihr nun schon wieder mit mir vor?“, fragte
Tamarun, blieb jedoch auf seinem Stuhl sitzen. Er weigerte sich, einfach so zu gehorchen, denn etwas Gegenwehr hatte er immer noch in sich. Dass dies allerdings keine gute Idee gewesen war, stellte er schnell fest, denn Mathias eilte nun trotz des mit Bedacht gehaltenen Abstands auf ihn zu, um ihm dann die Hand nun mit voller Wucht ins Gesicht zu schlagen.
„So! Das tut nun wohl auch weh! Und nun wirst du mitkommen, denn wir machen mit dir eine neue kleine Wasserprobe.“ Mathias löste die Ketten von der Wandhalterung. Mit den Worten: „Los jetzt, bevor ich mich vergesse, Subjekt“, zerrte Mathias Tamarun in den Nebenraum, wo der Professor und dessen Tochter schon auf sie warteten.
„Zieh dich aus Elf, und steige in den Wasserbehälter dort“, meine Hoburg und sah Tamarun nicht einmal an.
„Nein!“
Cläre und Mathias stürmten gleichzeitig auf Tamarun zu. Er stürzte zu Boden und sie rissen ihm regelrecht die Kleidung vom Leib. Danach steckten sie ihn mit auf den Rücken gefesselten Händen in den mannshohen Wasserbehälter und ließen so viel kaltes Wasser ein, dass Tamarun gerade noch so mit der Nase aus dem Wasser herausschaute.
Drei Stunden stand er nun schon in dem eiskalten Wasser, bis er leicht zu zittern begann. Nach einer weiteren Stunde bat er: „Bitte… lasst… mich …. hier raus“
„Es ist vermutlich auch für dich kein angenehmes Gefühl im kalten Wasser zu stehen. Dennoch, der Versuch geht weiter. Mund auf!“, befahl der Professor und schob ihm das Thermometer zwischen die Lippen. „Clärchen notiere: 33,5°C Köpertemperatur und er zittert leicht.“
Cläre sah ihren Vater fragend an. „Lassen wir ihn noch drin und seine Temperatur weiter absinken?“
„Ja!“ Dann wandte er sich an Mathias: „Mathias, wir brauch noch Eis, hole welches aus dem Eiskeller. Der Eishändler hat in der Frühe drei neue Blöcke gebracht und einen habe ich von ihm für das Kühlen unseres Fisches zerstoßen und in Eimer füllen lassen.“
Mathias lachte, während er sich auf den Weg machte und meinte: „Wenn der alte Amrun wüsste für was für einen Fisch er das Eis zerschlagen hat, dann würde er aber Augen machen!“
„Lass dies dumme Geschwätz und spute dich!“, meinte Cläre daraufhin.
Zwei weitere Stunden ließen sie ihr nun immer stärker frierendes Opfer in dem Eiswasser ausharren. Mathias hatte auf das Geheiß des Professors immer wieder Eis gebracht und dem Wasser hinzugegeben. Ab und zu hatte Cläre einen Eimer Wasser aus dem Behälter abgeschöpft, sonst wäre Tamarun das Wasser wohl schon in Mund und Nase gelaufen. Seine Lippen waren mittlerweile blau, seine Muskulatur wies die ersten Lähmungserscheinungen auf.
„Seine Körpertemperatur ist unter 25,5 °C gesunken, doch er ist immer noch bei Bewusstsein. Sein Puls ist etwas langsam geworden.“ Cläre sah ihren Vater fragend an und meinte: „Vater, sollten wir ihn nun nicht doch besser rausholen? Nicht, dass ihm seine Extremitäten noch absterben.“ Sie bedachte dabei durch den durchsichtigen Behälter seine unteren Extremitäten mit einem merkwürdigen Blick. „Sein Penis und sein Hodensack sind ziemlich geschrumpft“, bemerkte sie und trat dann zu ihrem Vater.
„Die Kälte lässt sie schrumpfen, das ist ein natürlicher Vorgang!“, erklärte ihr Vater.
In diesem Augenblick schloss Tamarun die Augen und sein Kopf kippte nach vorne. Da Cläre und ihr Vater die Köpfe über den Aufzeichnungen zusammengesteckt hatten, bemerkten sie dies nicht und Mathias war noch einmal losgelaufen um noch mehr Eis zu holen. Wasser drang Tamarun in Mund, Nase und Augen. Er bekam keine Luft mehr. Doch er verspürte keine Panik, auch wenn er langsam ertrank. Wie viele Sekunden blieben ihm noch, bis er endlich sterben konnte?