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ADRIAN FRANKE

AMERICAN
FOOTBALL

image ALLES, WAS MAN WISSEN MUSS image

REGELN
TAKTIKEN
HINTERGRÜNDE

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American Football

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

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© 2018 by Meyer & Meyer Verlag, Aachen

3. aktualisierte Ausgabe 2020

Auckland, Beirut, Dubai, Hägendorf, Hongkong, Indianapolis, Kairo, Kapstadt, Manila, Maidenhead, Neu-Delhi, Singapur, Sydney, Teheran, Wien

image Member of the World Sport Publishers’ Association (WSPA)

9783840313318

eISBN 9783840337185

E-Mail: verlag@m-m-sports.com

www.dersportverlag.de

INHALT

1Einleitung

Legende

2Die Basis: Geschichte, Ursprung, Verbreitung

3Die Grundlagen

3.1Wie funktioniert American Football?

3.2Offense? Defense? Die Positionen

3.2.1Die Offense

3.2.2Die Defense

3.2.3Kurz und knapp – die Positionen im Football

4Die Offense

4.1Der Weg zum Passglück

4.2Shotgun, Pistol und Spread: Die Formationen

4.3Das Passspiel

4.3.1Der Quarterback

4.3.2Der Route Tree – wohin laufen die Receiver?

4.4West Coast, Air Coryell und Erhardt-Perkins: Die Systeme

4.4.1Air Coryell

4.4.2West Coast Offense

4.4.3Erhardt-Perkins-Offense

4.4.4Die Air Raid Offense

5Das Laufspiel

5.1Das Zone-Blocking

5.2Das Man-Blocking: Gap, Power und Co.

5.3Das Option-Run-Game

5.3.1Exkurs: Die Wildcat Offense

6Die Defense

6.1Linebacker und Defensive Line, 4-3 und 3-4: Die Front Seven

6.1.14-3-Defense

6.1.24-3 Over und 4-3 Under

6.1.33-4-Defense

6.1.4Exkurs: Die 85er Bears und die 46-Defense

6.2Cornerback und Safety: Die Secondary

6.2.1Zone Coverage

6.2.2Exkurs: Die Tampa-2-Defense

6.2.3Man Coverage

6.3Pass-Rush und Blitzing

6.3.1Exkurs: Dick LeBeau und der Zone Blitz

7Special Teams

8Der Rahmen der NFL

8.1Der Draft

8.1.1Wie funktioniert der NFL-Draft?

8.2Die Free Agency und der Salary Cap

8.2.1Franchise Tag, Transition Tag: Die Waffen der Teams

8.2.2Der Salary Cap

9Entwicklungen im Football: Die Zukunft des Spiels

9.1Exkurs: Die „Five-Across-Formation”

9.2Exkurs: Analytics – Football und der Zahlenwahn

10Moderne Offenses: Andy Reid und zwei Gruden-Schüler revolutionieren die NFL

10.1Run Pass Options – das Trend-Play

10.2Bunch Formations: Alles eng beieinander

10.3Motion, und alles, was darauf folgt

Anhang

Das American-Football-Wörterbuch

Literaturverzeichnis

Bildnachweis

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EINLEITUNG

„Football? Nein, danke. Das hat für meinen Geschmack viel zu viele Unterbrechungen, das dauert doch viel zu lange. Und überhaupt: Warum spielt nicht jeder Angriff und Verteidigung?“ Ich erinnere mich noch gut daran, wie meine damalige Freundin und heutige Frau von einem Auslandspraktikum aus Texas zurückkam und versuchte, mir „America‘s Game“ schmackhaft zu machen. 2007 war das, und meine ganze sportliche Aufmerksamkeit gehörte dem Fußball.

Doch die Neugier gewann die Oberhand – und es dauerte nicht lange, ehe dieses tolle Spiel mich in seinen Bann gezogen hatte. Anfangs waren es noch die großartige Athletik und das Spektakel auf dem Platz, je länger ich allerdings dabeiblieb, desto größer wurde mein Interesse an Strategie, Spielweise, Taktik und den grundverschiedenen Systemen, die offensiv wie defensiv eingesetzt wurden.

Warum ist es beispielsweise sinnvoll, auf einen Blitz mit einem Screen-Pass zu reagieren? Weshalb lohnt sich Play Action gegen einen aggressiven Pass-Rush? Wo liegt der Vorteil für den Quarterback in der Shotgun-Formation? Welche grundsätzlichen Denkweisen liegen den diversen offensiven wie defensiven Ansätzen zugrunde? Und warum können komplett verschiedene Systeme auf ihre Art und Weise Erfolg haben?

Kurzum: Die Mischung aus Komplexität, Taktik, Emotionen und genauso großartiger wie vielseitiger Athletik ließ mich nie wieder los. Umso mehr freut es mich, dass Football in Deutschland Jahre nach dem Ende der NFL Europe wieder ein stetig wachsendes Publikum findet und sich mehr und mehr Menschen die Nächte am Sonntag, Montag und Donnerstag um die Ohren schlagen, um die Primetime-Spiele aus der NFL live zu schauen. Die NFL-Community in Deutschland wächst kontinuierlich, das durfte ich auch im Rahmen meiner Tätigkeit als NFL-Redakteur für SPOX über die letzten Jahre feststellen.

Dabei steht allerdings jeder, der gerade seine ersten passiven Footballerfahrungen gesammelt hat, vor einem riesigen Berg an Statistiken, Spielzügen, Fachausdrücken, historischen Entwicklungen, Namen und vielem, vielem mehr. Ein Dickicht an scheinbar undurchdringlichen Bezeichnungen, schlicht eine ganz eigene Welt. So jedenfalls ging es mir damals, und je stärker mein Freundeskreis von meiner Leidenschaft beeinflusst wurde („Wie, du bleibst die Nacht über wach, um Football zu schauen?!“), desto häufiger wurden auch die Fragen danach, wie Football überhaupt funktioniert.

Football ist ein komplexer, ein vielschichtiger Sport. Auch wenn man durch die Emotionen rund um die Spiele, die große Show und die physisch beeindruckenden Athleten schnell in den Bann dieses Spiels gezogen wird, so liegt die wahre Schönheit – das ist zumindest meine Meinung – doch in seiner Taktik. Sie liegt in den Game-Plans, welche die Coaches Woche für Woche spezifisch für den nächsten Gegner entwickeln, dem permanenten Agieren und Reagieren auf dem Platz, aber auch in den Coordinator-Kabinen oben im Stadion. Wer hat sich welchen Trick ausgedacht, und was hat der Gegner als Antwort parat? Fällt der gegnerische Coach darauf herein, wenn man nach drei Laufspielzügen aus einer Formation aus der gleichen Aufstellung plötzlich wirft? Welche Nuancen geben letztlich den Ausschlag und entscheiden über Sieg oder Niederlage? Wie wohl kein anderer Sport wird Football der Bezeichnung „Rasenschach“ gerecht.

All das brachte mich auf die Idee für dieses Buch: Es ist das Ergebnis eigener Leidenschaft und dem Wunsch, diese Leidenschaft auch bei Footballneulingen oder einfach generell Interessierten zu entfachen. Mit dem Grundlagenkapitel sollen daher zunächst die Einsteiger abgeholt werden, während es anschließend taktisch deutlich mehr zur Sache geht. So sollen auch erfahrenere Footballfans auf ihre Kosten kommen. Sind einzelne Begriffe doch noch unklar, so schafft das Footballwörterbuch Abhilfe.

Im Laufe des Buchs habe ich daher häufig mit Schaubildern gearbeitet, um Formationen, Spielzüge und Taktiken besser veranschaulichen zu können. Ohne eine Visualisierung wirken die Spielzüge und Footballtheorien ansonsten sehr abstrakt und abschreckend, die Grafiken sollen dort Abhilfe schaffen. Die Legende für die Positionsbezeichnungen hierfür sieht wie folgt aus:

LEGENDE

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DIE BASIS:

GESCHICHTE, URSPRUNG, VERBREITUNG

Was in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einigen US-Colleges, darunter in Harvard, Brown und Yale, gespielt wurde, war noch gewissermaßen eine Mischung aus Football und Fußball. Eine Mischung mit fließenden, mitunter spontan angepassten Regeln. Klar war aber immer: Es bildete sich eher früher als später eine Art Menschentraube, wobei beide Teams versuchten, den Gegner nach hinten zu befördern. Diese Kollisionen waren so brutal, dass die in Harvard und einige Jahre später auch in Yale stets am Montag ausgetragenen college-internen Duelle schnell einen eigenen Namen hatten – „Bloody Monday“ (Francisco, 2016, S. 4).

Aufgrund der Brutalität hatte diese Tradition nur eine kurze Lebenszeit, doch der Funke war übergesprungen. Während die großen Schulen zunächst ein Verbot aussprachen, wurde in kleineren Colleges weiterhin gespielt. Und nach dem Ende des blutigen Bürgerkriegs 1865 startete Football seinen rasanten Aufstieg.

Für viele ist das Duell zwischen Princeton und Rutgers am 6. November 1869 eine Art Startschuss für den Sport. Es war das erste Footballspiel zwischen zwei verschiedenen Colleges, wenngleich noch mit gänzlich anderen Regeln: 25:25 statt 11:11, kicken war erlaubt, den Ball mit der Hand zu tragen, nicht. Es gab keine „Free Kicks“ und ein Touchdown – damals noch „Tor“ genannt – brachte einen Punkt, kurzum: Der Einschlag des Fußballs war noch dominant. Rutgers gewann mit 6:4.

Doch so unkoordiniert all das aus heutiger Sicht wirken mag – Football verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Immer mehr Schulen an der Ostküste begannen, gegeneinander zu spielen, was mitunter gar nicht so einfach war. Die verschiedenen Schulen nämlich hatten unterschiedliche Regeln, insbesondere, was die Frage angeht: Darf der Ball mit der Hand getragen werden oder nicht? Nach vier Jahren, in denen zumeist schlicht nach dem Regelverständnis des Heimteams gespielt wurde, hatten alle Beteiligten schließlich genug und so trafen sich die Verantwortlichen der Colleges Columbia, Princeton, Rutgers und Yale 1873, um einen Regelkatalog zu entwerfen.

Dieser orientierte sich zunächst noch stark am Fußballregelwerk aus England, wurde aber bald wieder diskutiert. Harvard, das den rugbynäheren Stil bevorzugte und deshalb dem ersten Treffen ferngeblieben war, setzte nach und nach Änderungen durch. So gab es erste Anpassungen, um Spiele gegen Yale austragen zu können; und 1876 wurde ein neuer Regelkatalog ins Leben gerufen – dieses Mal mit deutlich mehr Rugbyelementen. Auch die Anzahl der Spieler wurde reduziert sowie die Maße des Felds und die Anzahl der Schiedsrichter vorgegeben. Seit 1880 stehen im Collegefootball nur noch 11 Spieler auf dem Platz, eine Regel, die Walter Camp 1880 nach längeren Diskussionen schließlich durchsetzen konnte (Francisco, 2016, S. 10). Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Walter Camp einen Einfluss auf die Entwicklung des Footballs haben würde. Eher das genaue Gegenteil war der Fall.

Camp, von 1877 bis 1882 selbst aktiver Spieler für Yale, machte sich für die Aufhebung der Regel, die gezieltes Blocken für den Ballträger verbot, stark. Er reichte den Vorschlag für die Einführung der Line of Scrimmage sowie den Snap und, damit einhergehend, für den klaren Ballbesitz je eines Teams ein. Die Grundlage für den Football, wie er heute gespielt wird.

Er hatte Anteil an neuen Punkteregelungen für Touchdowns und Field Goals, auf denen noch heute die Aufteilung (sechs Punkte für einen Touchdown, drei für ein Field Goal) basiert, sowie an der Einführung von All-American-Teams und dem Collegeverband NCAA – beide ebenfalls bis heute präsent. Bei einer großen Innovation allerdings stellte sich ausgerechnet Camp lange quer: Der Vorwärtspass wäre, hätte Camp alleine das Sagen gehabt, 1906 mutmaßlich nicht eingeführt worden.

Zu diesem Zeitpunkt hatte der Football bereits seine erste große Krise durchlebt, aufgrund der enormen Brutalität war die Einführung des Vorwärtspasses unumgänglich geworden. Enorme Proteste angesichts von Todesfällen auf dem Platz (mehr dazu in Kap. 4.1) brachten das Spiel Anfang des 20. Jahrhunderts an den Rand des Verbots.

Der nächste Schritt hin zur Professionalisierung war zu Beginn des neuen Jahrhunderts derweil schon abgeschlossen, obwohl damals eigentlich alle Spieler noch Amateure sein sollten: William Heffelfinger gilt als der erste – zumindest der erste dokumentierte – Spieler, der für seinen Einsatz in einer Footballpartie bezahlt wurde. 500,- US-Dollar erhielt Heffelfinger am 12. November 1892, nachdem die beiden in Pittsburgh angesiedelten Teams Pittsburgh Athletic Club und Allegheny Athletic Association vor dem direkten Duell gegeneinander um die Dienste des Linemans gebuhlt hatten. Allegheny verdoppelte kurzerhand die 250,- US-Dollar, die der Rivale geboten hatte und Heffelfinger sorgte durch einen selbst verursachten und zum Touchdown zurückgetragenen Fumble für die einzigen Punkte in dem Stadtduell.

Erst Jahre später wurde durch einen Abrechnungszettel offiziell klar, dass Allegheny für Heffelfingers Einsatz bezahlt hatte. Nach der Partie ging Heffelfinger, wie damals üblich, zurück in seinen ganz normalen Job bei der Eisenbahn, bis ein anderer unabhängiger Klub ihn anfragte. Allegheny derweil, wie aus dem gleichen, in der Hall of Fame ausgestellten Dokument hervorgeht, bezahlte nur eine Woche später 250,- US-Dollar für die Dienste eines anderen Spielers und verpflichtete zudem in der darauf folgenden Saison drei Spieler für eine Einsatzprämie von 50,- US-Dollar pro Partie.

Insbesondere auf Collegeebene wuchs das Spiel in den folgenden Jahren rasant, Collegefootball war bis in die 1920er-Jahre hinein mit weitem Abstand die Hauptfootballattraktion. Doch die 1920 als APFA (American Professional Football Association) gegründete und 1922 schließlich umbenannte NFL wurde in ihrem Werben um die landesweit bekannten Collegestars aggressiver – und spendierfreudiger. Die Verpflichtung von Harold Grang, der sich seiner Rolle als Zuschauermagnet bewusst war und sich dementsprechend ebenfalls bezahlen ließ, durch die Chicago Bears 1925 war hier ein Meilenstein, es folgten Deals für einige weitere bekannte Collegespieler sowie letztlich die Einführung des Drafts 1935.

All das trug dazu bei, dass sich mehr prominente Athleten und mehr Zuschauer für Profifootball interessierten und das Spiel an Einfluss und insgesamt an Größe gewann. Die NFL war damit aber noch längst nicht am Ziel angekommen, vielmehr musste Football lange noch dem Baseball den Vortritt lassen. Selbst über 40 Jahre später, also lange nach der Einführung des Vorwärtspasses, steckte Football noch in einer Art Identitätskrise und verschloss sich vielerorts gegen den Pass, was zur Stagnation in der Entwicklung des Spiels und auch im öffentlichen Interesse und in der Reichweite führte. Es war eine zähe Entwicklung, die in Kap. 4 genauer erzählt wird, bis hin zum Spiel, wie wir es heute kennen. Auf und abseits des Platzes.

Darüber hinaus hatte die NFL als Produkt phasenweise noch einen sportinternen Konkurrenten: Die AFL (American Football League) wurde 1960 primär von Teambesitzern, denen eine Expansion-Franchise innerhalb der NFL verweigert wurde, gegründet und hatte neun Jahre Bestand. Es gelang den AFL-Teams früh, Collegespieler anzuziehen und so auch lukrative TV-Verträge abzuschließen – alles in direkter Konkurrenz zur NFL. In der Regular Season und auch in den Play-offs spielten beide Ligen komplett für sich, lediglich im Championship Game, dem heutigen Super Bowl, standen sich ab der 1966er-Saison das beste AFL-Team und das beste NFL-Team gegenüber: Die Green Bay Packers (NFL) schlugen die Kansas City Chiefs (AFL) in jenem ersten Super Bowl mit 35:10.

1970 erfolgte der komplette Zusammenschluss beider Ligen, die 10 AFL-Teams – darunter neben den Chiefs die Buffalo Bills, Houston Oilers, Los Angeles Chargers, Denver Broncos und Oakland Raiders – bildeten ab diesem Zeitpunkt gemeinsam mit den Baltimore Colts, den Cleveland Browns und den Pittsburgh Steelers die American Football Conference innerhalb der NFL. Noch heute unterteilt sich die NFL in die AFC und die NFC (National Football Conference). Die Verschmelzung der AFL und der NFL unter dem Mantel der NFL inklusive gemeinsamer Spielpläne sowie eines gemeinsamen Drafts war für den Football ein elementarer Schritt auf dem Weg hin zur Erschließung des landesweiten Marktes.

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DIE GRUNDLAGEN

Wer dieses Buch in der Hand hält, hat vermutlich zumindest schon die eine oder andere rudimentäre Footballerfahrung gesammelt – sei es durch eine TV-Übertragung, einen Super Bowl, oder eventuell auch über einen Freund oder Verwandten, der selbst spielt. Gleichzeitig werden sicherlich auch Leute sich das Buch gekauft haben, die in der Materie schon deutlich tiefer drin sind und sich eher für die taktischen Wurzeln und Dinge wie die Feinheiten des Zone Blitzes oder die Besonderheiten der Offense der New England Patriots interessieren.

Dieses Kapitel, insbesondere sein Anfang, soll unter anderem dazu dienen, eine gemeinsame Grundlage zu schaffen. Welche Rolle kommt welcher Position zu? Was ist der Unterschied zwischen einem MIKE Linebacker und einem WILL Linebacker? Warum gibt es so viele verschiedene Wide-Receiver-Typen? Welche Spieler bilden die Interior Offensive Line?

Kurzum: Wie funktioniert American Football überhaupt?

3.1WIE FUNKTIONIERT AMERICAN FOOTBALL?

Die harten Fakten: So geht Football in der NFL

1.Gespielt wird 11:11, wobei jeweils eine Offense (Team A) und eine Defense (Team B) auf dem Platz stehen. Wechselt der Ballbesitz – etwa nachdem gepunktet wurde, oder aber nachdem die Defense den Ball erobert hat –, schickt Team A seine Defense und Team B seine Offense auf das Feld. Im Gegensatz also beispielsweise zum Fußball handelt es sich in der Offensive und in der Defensive um jeweils verschiedene Spieler.

2.Per Münzwurf wird vor dem Spiel entschieden, wer den ersten Ballbesitz erhält. Das Team, das den Münzwurf gewinnt, darf entscheiden, ob es zunächst seine Offense oder lieber seine Defense auf das Feld schickt. Entscheidet es sich für die zweite Variante, so hat der Gegner den Ball zu Beginn des ersten Viertels. Hat Team A den Ballbesitz zum Start des Spiels erhalten, bekommt Team B zu Beginn der zweiten Hälfte den Ball als Erstes.

3.Das Spiel ist unterteilt in vier Viertel, ein Viertel dauert 15 Minuten.

4.Die Halbzeitpause findet zwischen dem zweiten und dem dritten Viertel statt und beträgt 12 Minuten.

5.Das Feld ist von Endzone zu Endzone 100 Yards (etwa 91,4 m) lang und 53 Yards (etwa 48 m) breit.

6.Jedes Team darf pro Halbzeit drei Time-outs nehmen. Zwei Minuten vor der Halbzeitpause sowie zwei Minuten vor dem Ende stoppt die Uhr jeweils automatisch (die sogenannte Two-Minute-Warning).

7.Eine Offense erhält Punkte, wenn sie im Ballbesitz in die gegnerische Endzone kommt und so einen Touchdown erzielt (sechs Punkte) und wenn sie den Ball zum Field Goal durch die Torstangen des Gegners kickt (drei Punkte). Nach einem Touchdown kann sie durch den Extrapunkt – vereinfacht gesagt, ein sehr kurzes Field Goal – einen weiteren Punkt erringen. Sie kann alternativ auch versuchen, nach dem Touchdown von der Zwei-Yard-Linie nochmals mit einem Spielzug in die Endzone zu kommen. Gelingt diese sogenannte Two-Point-Conversion, erhält die Offense neben den sechs Punkten für den Touchdown zwei weitere Zähler. Die Defense kann einen Extra-Punkt-Versuch blocken und bei einer Two-Point-Conversion einen Turnover, also wenn sie der Offense den Ballbesitz abnimmt, kreieren. Schafft sie es hierbei irgendwie, den Ballbesitz zu erobern und den Ball in die Endzone zu tragen, erhält das Team zwei Punkte.

8.Eine Defense kann nach einem Turnover ebenfalls einen Touchdown erzielen, der genauso sechs Punkte einbringt. Hierzu muss sie den Ball direkt nach dessen Eroberung – also nach einer Interception oder einem Fumble – in die gegnerische Endzone zurücktragen. Außerdem erringt die Defense zwei Punkte, wenn sie den gegnerischen Ballträger in der gegnerischen Endzone zu Boden bringt – ein sogenannter Safety. Einen Safety gibt es auch dann, wenn sich ein Offense-Spieler in der eigenen Endzone, also der Endzone des Teams, dessen Offense gerade auf dem Feld steht, eine Strafe leistet.

9.Punkten kann außerdem auch das sogenannte Special Team, das primär für Punts, Field Goals und Kick-Offs zuständig ist. Sowohl ein Punt als auch ein Kick-Off kann zum Touchdown zurückgetragen werden, das gilt ebenfalls für geblockte oder zu kurz geratene Field-Goal-Versuche.

Die Reaktionen eines Fußballfans, der gerade sein erstes Footballspiel schaut, sind meist genauso ähnlich wie nachvollziehbar: Ganz unabhängig von den einzelnen Spielzügen und komplexen, vielschichtigen Bewegungen auf dem Feld springen meist schnell die häufigen Unterbrechungen, hin bis zu Werbepausen zwischen zwei Spielzügen, ins Auge.

Während ein Fußballspiel, wenn auch mitunter nur bedingt flüssig, unter dem Strich aber doch zweimal 45 Minuten durchläuft, liegt dem American Football eine andere Idee zugrunde. Es ist eine Idee, die das Spiel äußerst strategisch macht und tatsächlich den Namen „Rasenschach“ verdient: Statt von Halbzeit zu Halbzeit wird beim Football von Spielzug zu Spielzug gedacht.

Das grundlegende Ziel ist zunächst vergleichsweise simpel. Das Team, das in Ballbesitz ist, hat seine Offense auf dem Platz. Es versucht, in Ballbesitz in die gegnerische Endzone zu gelangen. Das gegnerische Team versucht, mit seiner Defense genau das zu verhindern. Entweder, indem sie die Offense häufig genug stoppt und keinen oder nur geringen Raumgewinn zulässt (dazu gleich mehr), oder indem sie der Offense den Ball abnimmt, also einen „Turnover“ kreiert. Dafür gibt es zwei Möglichkeiten: Ein Verteidiger fängt einen Pass ab, ehe der Ball den Boden berührt. Dann spricht man von einer Interception. Oder aber einem Verteidiger gelingt es, dem Spieler in Ballbesitz den Ball aus der Hand zu schlagen. Der dann auf dem Boden liegende Ball ist frei und kann sowohl von der Offense als auch von der Defense aufgenommen werden.

Hier wird der nächste Unterschied zum Fußball deutlich: Zwar wird im Football ebenfalls 11:11 gespielt, doch werden die Offensive und die Defensive eines Teams von unterschiedlichen Spielern gebildet. Ein Quarterback also wird beispielsweise niemals in der Defense seines Teams zu finden sein.

Die Offense hat allerdings nicht etwa unendlich viel Zeit, geschweige denn unendlich viele Chancen, um in die gegnerische Endzone zu gelangen. Es gilt, sich durch Pässe und Laufspielzüge schrittweise fortzubewegen: Jeweils maximal vier Versuche (also vier Spielzüge oder auch „Plays“) hat eine Offense, um mindestens 10 Yards zu überbrücken. Gelingt ihr das, erhält sie an der Stelle, an der sie von der Defense zuletzt gestoppt wurde, vier neue Versuche, oder „Downs“. Man spricht deshalb von „First Down“, „Second Down“ und so weiter.

Jeder Spielzug läuft grundsätzlich gleich ab: Offense und Defense stehen sich an einer gedachten Linie, der „Line of Scrimmage“, gegenüber, der Ball liegt am Boden. Der Center startet den Spielzug, indem er den Ball durch seine Beine zurück an einen Mitspieler, meist den Quarterback, übergibt, beziehungsweise dem Spieler den Ball durch seine Beine zuwirft. Ab dann versucht die Offense, ihren Plan – sei es ein Pass oder einen Run – umzusetzen und die Defense versucht im Gegenzug, genau das zu verhindern. Dabei kann aber nicht einfach jeder Offense-Spieler in Richtung der gegnerischen Endzone loslaufen: Maximal fünf Spieler laufen bei einem Passspielzug Routes, während fünf für das Blocken zuständig sind. Dazu kommt der Quarterback.

Die genaue Zusammensetzung ist so: Von den elf Spielern einer Offense müssen sich mindestens sieben Spieler direkt an der Line of Scrimmage aufstellen. Fünf davon bilden die Offensive Line, also die Blocker. Von den sieben direkt an der Line positionierten Spielern dürfen nur die beiden je außen aufgestellten Spieler den Ball fangen. Die restlichen vier Spieler stehen entweder deutlich hinter der Line (Quarterback, Running Backs) oder aber zumindest ein Stück weit dahinter (in aller Regel Wide Receiver).

Jedes Down also ist kostbar, jedes Down ist ein eigener Spielzug – es ist die Basis für die strategische Vielfalt im Football. Denn während die Offense ihrerseits versuchen wird, mit einer Mischung aus Läufen sowie langen und verschiedensten kurzen Pässen schwer ausrechenbar zu bleiben, reagiert die Defense mit vorsichtigeren und aggressiveren Spielzügen, mit auf die Passverteidigung ausgelegten Formationen und mit besser für die Run-Defense geeigneten Aufstellungen. So ist es ein ständiges Agieren und Reagieren, mit dem besseren Ende meist für das Team, dessen Coaches die Anfälligkeiten des Gegners genau wie mögliche Lücken in dessen Taktik besser und effizienter zu nutzen wissen.

Ein Beispiel: Die Offense beginnt ihren Ballbesitz an der eigenen 20-Yard-Linie, also 20 Yards vor der eigenen Endzone. Der erste Pass gelingt direkt, wird vom Receiver gefangen und sorgt für einen Raumgewinn von 13 Yards, ehe die Defense den Spieler in Ballbesitz stoppt. Somit steht die Offense jetzt an der 33-Yard-Linie. Dann aber läuft es nicht mehr so gut: Ein nicht komplettierter Pass des Quarterbacks („Incompletion“) bei First Down, ein Laufspielzug, der nur drei Yards einbringt, bei Second Down. Bei Third Down schafft die Offense nur weitere drei Yards. In der Summe hat sie mit First, Second und Third Down also sechs Yards erspielt, somit fehlen noch vier Yards, um ein neues First Down zu erlangen.

Gelingt es der Offense im vierten Versuch nicht, ein neues First Down zu erreichen, geht der Ballbesitz an der Position, an welcher die Offense von Team A gerade noch stand, direkt an die Offense von Team B über. Daher wählen Teams, wenn auch der dritte Versuch nicht zum neuen First Down gereicht hat, meist den „Punt“: Dabei schießt der Punter von Team A den Ball in die gegnerische Hälfte, wo Team B den Schuss fangen und zurücktragen darf. Wo auch immer dieser sogenannte Return endet, übernimmt schließlich die Offense von Team B. Landet der Punt in der Endzone, beginnt die Offense von Team B an der eigenen 20-Yard-Linie. Hierbei ist ein gewisses Maß an Vorsicht geboten, denn der Returner kann einen Touchdown erzielen, wenn er nach dem Punt (oder auch nach dem Kickoff) mit dem Ball in der Hand, ohne zu Boden zu gehen, bis in die gegnerische Endzone kommt.

Die Alternative zum Punt und dazu, das Fourth Down auszuspielen und so ein neues First Down zu erreichen, ist das Field Goal. Das allerdings macht erst ab einer gewissen Nähe zur gegnerischen Endzone (etwa ab der gegnerischen 35- oder 40-Yard-Linie) Sinn – andernfalls hätte der Kicker keine realistische Chance, das Field Goal tatsächlich zu verwandeln. Hat eine Offense also ein Fourth Down beispielsweise an der gegnerischen 30-Yard-Linie, wird sie sich häufig für den Field-Goal-Versuch entscheiden.

3.2OFFENSE? DEFENSE? DIE POSITIONEN

Vergleicht man den Football mit anderen Sportarten, hier liegt der Vergleich mit dem Fußball der Einfachheit halber nahe, dann lässt sich schnell eine stärkere Unterscheidung zwischen den Positionen feststellen.

Sicher, der Linksverteidiger hat im Fußball andere Aufgaben als der Mittelstürmer. Gleichzeitig aber ist das Spiel mehr im Fluss und die Spieler sind, ob durch taktische Vorgaben oder durch die Spielsituation bedingt, auch positionsfremd unterwegs. So gibt es eben doch konkrete Überschneidungen zwischen den Aufgaben des Mittelstürmers und denen des Linksverteidigers, alleine aufgrund der Natur des Spiels.

Im Football dagegen sind die Positionen in ihren Aufgaben deutlich spezifischer und bringen auch physisch gänzlich unterschiedliche Anforderungen mit. Daher ist ein zumindest grober Überblick unabdingbar, um die taktischen Entwicklungen und Nuancen im weiteren Verlauf zu verstehen.

3.2.1Die Offense

Im Zentrum von allem steht in der heutigen NFL der Quarterback (QB). Er bekommt bei jedem Offense-Spielzug – Trickspielzüge und dergleichen bleiben zunächst einmal außen vor – den Ball. Entweder, um ihn an einen Running Back, Fullback, Wide Receiver oder Tight End zu übergeben, um einen Pass zu werfen, oder aber auch, um selbst mit dem Ball loszulaufen. Und nicht nur das: Der Quarterback sagt auch eigenständig Veränderungen des Spielzugs unmittelbar vor dem Snap an, er muss die Defense lesen und dementsprechend reagieren. Er ist der Chef auf dem Platz und prägt eine Offense maßgeblich. Mehr zum Quarterback gibt es in Kapitel 4.3.1.

Ob der Quarterback Erfolg hat oder nicht, hängt zu einem beträchtlichen Teil von seiner Offensive Line ab: die fünf Spieler, die sich vor dem Snap an der Line of Scrimmage aufstellen. Deren Aufgabe ist es, entweder den Weg für einen Laufspielzug freizuräumen, oder, bei einem Passspielzug, den Quarterback zu schützen, damit der den Ball werfen kann.

Die Offensive Line enthält unter anderem den Center (C), der, wie der Name bereits vermuten lässt, in der Mitte der Line positioniert ist. Seine Aufgabe ist es nicht nur, den Ball an den Quarterback zu übergeben und so den Spielzug zu starten. Die allermeisten Teams legen es auch in die Aufgabe des Centers, anhand der gegnerischen Aufstellung unmittelbar vor dem Spielzug mögliche Änderungen innerhalb der Pass-Protection oder des Run-Blockings anzusagen. Links und rechts vom Center sind die beiden Guards (G), man spricht bei diesem Dreigespann auch von der „Interior Offensive Line“, sowie daneben die beiden Tackles (T). Diese fünf Spieler bilden die Offensive Line.

Wählt die Offense einen Laufspielzug, geht der Ball in die Hände des Running Backs (RB/HB), auch „Halfback“ genannt. Der Running Back steht entweder hinter oder leicht versetzt neben dem Quarterback und bekommt den Ball direkt übergeben oder aber zugeworfen, ehe er dann im Idealfall seinen Blockern (also primär der Offensive Line, häufig ergänzt durch einen Tight End und Wide Receiver) folgt. Ein Running Back muss in der NFL heute allerdings vielseitig sein: Er spielt meist auch eine Rolle als Receiver im Passspiel und muss darüber hinaus in der Lage sein, in der Pass-Protection auszuhelfen.

Deutlich seltener geworden ist derweil die Position des Fullbacks (FB), Teams setzen in ihren Standardformationen stattdessen eher auf einen weiteren Wide Receiver. Ein klassischer Fullback ist vor allem ein zusätzlicher Run-Blocker und Pass-Protector, wird gelegentlich aber auch als Receiver eingesetzt, um die Defense auf dem falschen Fuß zu erwischen. Diese Art des Fullback-Einsatzes gehörte fest zum Repertoire von Kyle Shanahan bei den Atlanta Falcons 2016 – und nicht umsonst investierten die San Francisco 49ers, Shanahans neues Team, vor der 2017er-Saison für die Position ungewöhnlich viel Geld, als sie Kyle Juszczyk verpflichteten. Viele Teams allerdings führen inzwischen einen klassischen Fullback gar nicht mehr in ihrem Kader.

Die, vereinfacht gesagt, moderne Mischung aus Blocker und Receiver ist der Tight End (TE). Ein klassischer Tight End besticht durch diese Vielseitigkeit: Er kann In-Line, also direkt neben einem der beiden Offensive Tackles, positioniert werden und so als sechster Blocker fungieren. Gleichzeitig kann man ihn aber auch auf einer Wide-Receiver-Position aufstellen, sodass er als zusätzlicher Receiver eingesetzt wird. Diese Flexibilität – New Englands Rob Gronkowski ist das Musterbeispiel dafür, gefolgt von Kansas Citys Travis Kelce – gibt der Offense einen großen Vorteil. Ein solcher Tight End macht es für die Defense schwieriger, zu antizipieren, ob ein Lauf- oder ein Passspielzug kommt. Außerdem kann die Offense so mögliche Match-up-Vorteile nutzen, etwa wenn klar wird, dass ein physisch unterlegener Linebacker dafür zuständig ist, den Tight End gegebenenfalls zu decken.

Fehlt noch eine Offense-Position: der Wide Receiver (WR). Aufgrund der zunehmenden Fokussierung auf das Passspiel haben die Wide Receiver deutlich an Wert zugenommen. Teams setzen immer häufiger auf Formationen mit drei Wide Receivern gleichzeitig auf dem Feld, zumal es hier gänzlich verschiedene Spielertypen für verschiedene Aufgaben gibt.

Da wäre der groß gewachsene, physische Receiver, der gleichzeitig aber auch Explosivität mitbringt, wie beispielsweise Tampa Bays Mike Evans oder Atlantas Julio Jones. Oder der eher kleinere Slot-Receiver, der vor allem die Mitte des Felds für kürzere Pässe bearbeitet – Julian Edelman von den Patriots wäre hierfür ein aktuelles Beispiel, genau wie Jarvis Landry. In der Mitte des Felds werden auch größere, physisch stärkere Wide Receiver, vom Körperbau her ähnlich den Outside-Receivern, eingesetzt, beispielsweise Larry Fitzgerald bei den Arizona Cardinals. Als Outside-Receiver sieht man derweil neben den Evans-Jones-Typen auch wendige, explosive Wide Receiver. Aktuelle Beispiele hierfür sind Antonio Brown von den Pittsburgh Steelers und auch Odell Beckham Jr. von den New York Giants.

3.2.2Die Defense

Die Aufgabe, diese Vielzahl an verschiedenen Wide-Receiver-Typen zu verteidigen, kommt in aller Regel vor allem den Cornerbacks (CB) zu – dementsprechend ist die Wertschätzung für Cornerbacks, auch finanzieller Natur, ebenfalls auf dem Vormarsch. Die oberste Aufgabe des Cornerbacks ist es, Wide Receiver zu decken und auch hier gibt es verschiedene Spielertypen, um auf die unterschiedlichen Wide Receiver reagieren zu können. Gleichzeitig muss ein Cornerback auch Qualitäten in der Run-Defense haben.

Das gilt auch für Safeties, bei denen man grob in zwei Kategorien unterscheiden kann: Der Strong Safety (SS) ist meist der größere, physischere Spieler und spielt näher an der Line of Scrimmage. Er deckt häufig Tight Ends und ist gut in der Run-Defense. Der Free Safety (FS) dagegen ist nicht selten der Spieler, der am weitesten von der Line of Scrimmage entfernt agiert. Er muss die Offense in Sekundenschnelle lesen können, Laufwege von Receivern antizipieren und so verstehen, wo er einem Cornerback helfen kann. Insbesondere Safeties werden in manchen Defenses auch gerne als Blitzer, also als zusätzliche Pass-Rusher, eingesetzt, um den Quarterback zu attackieren und ihn zu Boden zu bringen. Natürlich ist die Unterteilung hier nicht immer so klar, das hängt stark von der Art und Weise ab, wie die Defense spielt – mehr dazu in Kap. 6.2. Cornerbacks und Safeties werden durch den Oberbegriff „Defensive Backs“ zusammengefasst.

Die Coverage-Aufgaben der Defensive Backs soll primär die Defensive Line (in einer 4-3-Defense) sowie die Defensive Line in Kombination mit den Outside Linebackern (in einer 3-4-Defense) vereinfachen. Unter der Defensive Line versteht man die Spieler, die sich vor dem Snap gegenüber der Offensive Line aufstellen. Dabei unterteilt man in Defensive Tackles (DT) und Defensive Ends (DE), wobei die Ends außen und die Tackles innen positioniert werden. Die Tackles sind die schwersten, stärksten Spieler einer Defense, insbesondere in einer 3-4-Defense müssen sie es oftmals mit zwei Offensive Linemen gleichzeitig aufnehmen. In der 4-3-Defense sind die beiden Defensive Ends, in der 3-4-Defense die beiden Outside Linebacker (OLB) die primären Pass-Rusher. Die Unterschiede zwischen der 4-3- und der 3-4-Defense werden in Kap. 6.1 ausführlicher erklärt.

Von der „Front Seven“ spricht man mit Blick auf die Kombination aus Defensive Line und Linebackern. Die Linebacker sind die Spieler, die hinter der beziehungsweise rund um die Defensive Line positioniert sind – lässt sich von „to back the line“, also „die Line unterstützen“, herleiten. Ihre Aufgaben sind grundsätzlich vielseitig: vom Verteidigen kurzer Pässe, indem etwa ein Tight End gedeckt wird, über das Blitzen, also das Attackieren des Quarterbacks, bis hin zu Run-Verteidiger-Aufgaben, ist alles dabei. Dabei werden allerdings auch die Linebacker in unterschiedliche Kategorien eingeteilt.

Zunächst die 4-3-Defense, also vier Defensive Linemen und drei Linebacker. Hier gibt es drei unterschiedliche Linebacker-Positionen: den SAM (Strongside), MIKE (Middle) und WILL (Weakside). Die Namen, zumindest die in Klammern gesetzten fachlichen Bezeichnungen, verraten bereits einiges über die Position. Der Middle Linebacker ist der zentral positionierte Linebacker. Er steht mittig hinter der Defensive Line, in vielen Defenses ist er auch der Chef auf dem Platz, der sogenannte Quarterback der Defense. Bedeutet: Er ist dafür verantwortlich, Spielzüge anzusagen, die Offensivformation zu lesen und, wenn notwendig, entsprechende Veränderungen unmittelbar vor dem Snap vorzunehmen. Gleichzeitig muss er auch den meisten Raum der drei Linebacker abdecken, Spieler decken und den Run verteidigen können. Carolinas Luke Kuechly ist der Prototyp für einen modernen Middle Linebacker, ähnlich wie Seattles Bobby Wagner.

Der Strongside Linebacker spielt – auch hier verrät es der Name – in aller Regel auf der „Strongside“, also vom Center aus gesehen die Seite, auf der mehr Spieler an der Line of Scrimmage positioniert sind. Sie müssen sehr gute Run-Verteidiger sein, nicht selten bekommen sie es mit einem Fullback oder anderen Lead-Blockern zu tun. Ein SAM Linebacker muss heute zudem in der Lage sein, Tight Ends zu decken, weshalb er explosiver