McCoy - im Schatten des Todes

Hans-Jürgen Raben

Published by BEKKERpublishing, 2019.

Inhaltsverzeichnis

Title Page

McCoy - im Schatten des Todes

Klappentext

Die Spur des weißen Todes – Teil 1 – Todes-Coup in Amsterdam | 1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

Die Spur des weißen Todes – Teil 2 – Jagd auf ein Phantom | 1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8.Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18.Kapitel

Die Spur des weißen Todes – Teil 3 – Der Racheschwur | 1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19.Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24.Kapitel

Die Spur des weißen Todes – Teil 4 – Abrechnung im Libanon | 1. Kapitel

2. Kapitel

3. Kapitel

4. Kapitel

5. Kapitel

6. Kapitel

7. Kapitel

8. Kapitel

9. Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

– Unabhängige Bonusgeschichte – | Ein Kuss vor dem Tod | Eine Steve McCoy – Story

ENDE

McCoy – Im Schatten des Todes

––––––––

image

GESAMTBAND UM DIE SPUR des weißen Todes

von Hans-Jürgen Raben

––––––––

image

MAFIA-THRILLER MIT dem Geheimagenten Steve McCoy

––––––––

image

IMPRESSUM

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© Roman by Author

© Cover: Pexels und Unsplash mit Kathrin Peschel, 2019

Lektorat: Kerstin Peschel

© dieser Ausgabe 2019 by Alfred Bekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen in Arrangement mit der Edition Bärenklau, herausgegeben von Jörg Martin Munsonius.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de

––––––––

image

INHALT:

Teil 1 – Todes-Coup in Amsterdam

Teil 2 – Jagd auf ein Phantom

Teil 3 – Der Racheschwur

Teil 4 – Abrechnung im Libanon

Bonusgeschichte – Ein Kuss vor dem Tod

image
image
image

Klappentext

image

Wenn man sie so reden hört, könnte man meinen, dass es sich um seriöse Geschäftsleute handelt. Dabei sind es nur miese Gangster, die mit der Sucht nach Rauschgift ihr schmutziges Geschäft betreiben und hierbei das Leiden und den Tod ihrer Kunden in Kauf nehmen. Steve McCoy, der Geheimagent und Einzelgänger, hat für diese Verbrecher kein Verständnis. Der Handel mit Drogen gehört für ihn zu den schlimmsten Machenschaften, die es gibt, ihm hat er den Kampf angesagt.

Schnell merkt er, dass hier sein alter Rivale aus Chicago, der Mafiaboss Lucio Aurelio, den er aus einem Fall um Al Capones Vermächtnis kennt, seine dreckigen Hände im Spiel hat, und das kann nur eins bedeuten: Diese Sache ist weitaus schmutziger und gefährlicher als sie aussieht, denn Aurelio hat in der gesamten Unterwelt Verbündete. Und sie alle verfolgen nur ein Ziel – ihn zu töten! McCoy muss alle Register seines Könnens ziehen, doch reicht es aus ...

Mit der Bonusgeschichte „Ein Kuss vor dem Tod“

***

image
image
image
image

Die Spur des weißen Todes – Teil 1 – Todes-Coup in Amsterdam

1. Kapitel

image

Juni 1986, in der Nähe von Amsterdam.

„Das sind sie!“ Der Mann regulierte die Schärfe an seinem Zeiss-Glas ein wenig. „Kein Zweifel, es ist der Wagen.“

Die beiden anderen Männer, die im Schatten gestanden hatten, traten neben den Sprecher. Einer spuckte seinen Kaugummi aus. „Sind nicht gerade pünktlich!“ Er hatte einen ziemlichen üblen Ostküstenakzent.

„Dann wollen wir mal anfangen“, bemerkte der Kerl mit dem Fernglas. Er blickte die beiden anderen an. „Ihr habt hoffentlich nicht vergessen, wie wir vorgehen. Es muss so schnell gehen, dass die gar nicht begreifen, was passiert.“

Sie bückten sich und hoben die Gewehre auf, die vor ihnen auf der Erde lagen. Es waren moderne Schnellfeuergewehre vom Typ M 16, deren kleinkalibrige Patronen eine enorme Durchschlagskraft besaßen. Sie zogen die Ladeschlitten zurück und beförderten das erste Geschoss in den Lauf. Jetzt konnten sie Dauerfeuer schießen, bis das Magazin leer war.

Die Lichter eines Wagens waren inzwischen nähergekommen. Jetzt beschrieben die Scheinwerfer einen Bogen und begannen zu schwanken.

Der Wagen hatte die feste Straße verlassen und war auf den schmalen Feldweg eingeschwenkt. Der Weg führte zu einem ehemaligen Bauernhaus, das von einem Ehepaar bewohnt wurde und dort Antiquitäten sowie selbst angefertigtes Kunsthandwerk verkaufte – falls sich jemand hierher verirrte. In Wirklichkeit diente diese Tätigkeit nur als Tarnung.

Die drei Bewaffneten marschierten hintereinander über die Krone des Deiches. Sie ließen sich Zeit, denn sie hatten alles ausreichend geplant.

Das Fahrzeug kam jetzt schnell näher. Es war ein mittelgroßer Lieferwagen mit einer Aufschrift an der Seite, die man bei der Dunkelheit nicht erkennen konnte.

Plötzlich trat der Fahrer des Wagens heftig auf die Bremse, und das Fahrzeug kam schleudernd zum Stehen.

Die drei Männer grinsten. Schließlich hatten sie den hölzernen Balken vor einer halben Stunde selbst über den Weg gelegt. Sie teilten sich jetzt und gingen von verschiedenen Seiten auf ihr Ziel zu. Sie ließen sich immer noch Zeit.

Ihre Berechnungen waren richtig gewesen. Als sie den Wagen fast erreicht hatten, öffneten sich die Türen. Zwei Männer stiegen aus, die sich in holländischer Sprache leise unterhielten.

Eine Kleinigkeit unterschied sie allerdings von normalen Lieferwagenfahrern. Sie hielten Pistolen in den Händen, nahmen jedoch nicht ernsthaft an, dass ihnen irgendeine Gefahr drohte.

„Pfoten hoch!“, schallte es aus der Dunkelheit im breiten amerikanischen Slang. Der Mann war im Streulicht der Scheinwerfer nur schwach zu erkennen. Man sah deutlich die Waffe in seinen Händen.

Die beiden Holländer warfen sich einen raschen Blick zu und hoben ihre Pistolen.

Jeder von ihnen konnte nur einen einzigen Schuss abfeuern. Gleich darauf brachen sie im Kugelhagel der drei Schnellfeuergewehre zusammen.

„Idioten!“, knurrte der Anführer der Amerikaner, als die Waffen schwiegen. „Es wird höchste Zeit, dass man diesen Dilettanten das Geschäft aus der Hand nimmt. Los, Jungs, an die Arbeit!“

Sie wuchteten den Balken zur Seite und brachten die beiden Toten in den Laderaum des Lieferwagens. Inzwischen hatte ein leichter Nieselregen eingesetzt, der die Spuren schnell verwischen würde. Und im Übrigen verirrte sich sehr selten jemand hierher. Denn selbst in dem winzigen Holland gab es noch ein paar einsame Plätze.

Anschließend zwängten sich die drei auf die Sitzbank des Wagens, und rumpelnd setzte sich die Kiste in Bewegung.

Es dauerte nicht mehr lange, bis die Gebäude in Sicht kamen. Der ehemalige Bauernhof war T-förmig angelegt. Eine draußen aufgehängte Stalllaterne verbreitete angenehmes Licht.

Der Wagen fuhr direkt vor den Haupteingang. Der Motor erstarb, und die Scheinwerfer erloschen.

Sekunden später öffnete sich die Haustür, und ein Mann von vielleicht vierzig Jahren trat ins Freie. In der Hand trug er eine weitere Stalllaterne, die sein wettergegerbtes Gesicht beleuchtete.

Er wollte gerade an den Wagen treten, als die Fahrertür aufgerissen wurde. Eine Gewehrmündung senkte sich auf seine Brust. „Keinen Laut und keine Bewegung, wenn du die nächste Minute noch erleben willst.“

Der Mann stand wie erstarrt, während ihn die drei umringten. Ein Wink, und sie verschwanden im Haus. „Wer ist noch hier?“, erkundigte sich der Anführer.

„Nur meine Frau“, murmelte der Holländer. „Wir sind immer allein. Was wollt ihr von uns? Wo sind Jan und Chris?“

„Wenn du die beiden Typen meinst, die diese Karre gefahren haben, dann findest du sie im Laderaum. Sie haben leider nicht auf meine Anordnung gehört, und jetzt sind sie tot. Deine erste Aufgabe wird sein, sie so verschwinden zu lassen, dass niemand sie findet. Bei den vielen Sümpfen in dieser Gegend wird das nicht allzu schwer sein.“

Sie hatten inzwischen einen gemütlich eingerichteten Wohnraum erreicht. Eine Frau von Ende dreißig starrte den Eindringlingen mit offenem Mund entgegen.

„Mach keine Dummheiten!“, rief ihr Mann scharf auf Holländisch.

„Hier wird englisch gesprochen“, befahl der Anführer der Amerikaner.

„Was wollt ihr von uns?“, fragte der Holländer.

„Wir sind eure neuen Partner. Das Geschäft läuft weiter wie bisher. Mit dem einzigen Unterschied, dass wir mit drin hängen und dass wir die Preise ein wenig anheben werden.“

Der Holländer war blass geworden. „Von welchem Geschäft sprechen Sie?“

Der Amerikaner grinste. „Mister van Laar, verkaufen Sie uns nicht für dumm. Sie sind doch Piet van Laar?“

Der Holländer nickte.

„In Ihrem Schuppen dort drüben gibt es ein gut getarntes Labor, in dem man Heroin der allerbesten Qualität herstellen kann. Wir wissen alles über Sie und Ihre Frau, Mister van Laar. Sie sind beide Chemiker, und Sie betreiben Ihr kleines Privatlabor schon seit sechs Jahren, ohne dass jemand den geringsten Verdacht geschöpft hat.“

„Woher wissen Sie das alles?“

Der Amerikaner lächelte boshaft. „Meine Organisation verfügt über eine Menge Möglichkeiten. Wir haben unsere Informationen und unsere Verbindungen. Wir stießen durch Zufall auf Ihren kleinen Betrieb mit seinen Lieferanten und seinem kleinen Abnehmerkreis. Wir finden, dass man Ihr Geschäft erheblich ausbauen müsste. Deswegen haben wir uns die Freiheit genommen, uns an Ihrem Geschäft zu beteiligen.“

„Und wenn ich nicht will?“ Piet van Laar wusste, dass diese Frage eigentlich überflüssig war, und die Antwort hätte er sich auch selber geben können.

Der Amerikaner lächelte immer noch. „Wir brauchen nur einen von Ihnen beiden als Chemiker. Wir wissen, dass Sie im Labor gleich gut sind. Also können Sie sich entscheiden, ob Sie mit uns zusammenarbeiten, oder ob Sie überhaupt nicht mehr arbeiten – Sie oder Ihre Frau.“

Piet van Laar nickte. „Ich habe verstanden.“

„Das freut mich. Sie können mich übrigens Rico nennen, und das da sind Ron und Mitch. Sie werden ein bisschen darauf achten, dass in Zukunft alles glatt geht. Ich schlage vor, dass wir uns jetzt die Räume ansehen. Den Wagen können wir anschließend entladen. Wie viel Morphinbase hat er mitgebracht?“

„Etwa zehn Kilo“, murmelte van Laar.

Rico nickte. „Daraus kann man ein Kilo Heroin herstellen. Das ist nicht sehr viel. Wir werden dafür sorgen, dass die Liefermengen erhöht werden. Wir sind sogar bereit, neues Kapital einzuschießen. Gegen gute Zinsen, versteht sich.“

Piet van Laar schloss die Augen. Seit er sich auf dieses Geschäft eingelassen hatte, wusste er, dass es eines Tages ein bitteres Erwachen geben würde. Jetzt war es so weit, und er ahnte dunkel, dass er aus den Fängen dieser amerikanischen Gangster nie wieder herauskommen würde. Er war bereit zu bezahlen, wenn er wenigstens seine Frau retten konnte ...

image
image
image

2. Kapitel

image

Steve McCoy steuerte den Wagen aufmerksam durch das Verkehrsgewühl von Washington. Es geschah recht selten, dass ihn der Boss in die Zentrale holte. Der Boss – das war Colonel Greene, und er war Leiter des DSR, wie diese geheime Dienststelle zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens in Kurzform genannt wurde.

Department of Social Research war die Tarn-Bezeichnung dieser Dienststelle, die dem Justizministerium, unterstellt war. Colonel Greene war nur dem Justizminister selbst verantwortlich. Er hatte eine schlagkräftige Organisation geschaffen, die das organisierte Verbrechen mit den modernsten Techniken bekämpfte. Mit Sozialforschung hatte das allerdings nichts zu tun.

Die wichtigste Waffe des Departments waren allerdings die im geheimen operierenden Agenten. Hervorragend ausgebildete Einzelkämpfer, denen modernste Hilfsmittel zur Verfügung standen. Denn alle Technik und alle Computer konnten den Mann nicht ersetzen, der nur auf sich und seine Intelligenz angewiesen, den einsamen Kampf an der Front führte.

Steve McCoy dachte kurz darüber nach, wie sein Weg bis zum heutigen Tag gewesen war. Er war jetzt etwa zehn Jahren dabei. Colonel Greene hatte ihn direkt aus dem Militärdienst geholt und für das Department rekrutiert. Steve war verzweifelt, zornig und unendlich traurig gewesen, nachdem seine Freundin Jill bei einer Auseinandersetzung zwischen Gangster getötet worden war. Die Gangster hatten keine Rücksicht auf Unbeteiligte genommen, und das hatte in Steve einen unauslöschlichen Hass verankert. Colonel Greene hatte ihm einen Weg gezeigt, wie er seine Wut auf das organisierte Verbrechen sinnvoll einsetzen konnte.

Er fuhr durch die Pennsylvania Avenue, an der FBI-Zentrale vorbei. Einige Blocks weiter kam das Weiße Haus in Sicht. Wenig später bog er ab, und nach etwa einer halben Meile erreichte er das fast unscheinbar aussehende Backsteingebäude, in dem sich die Zentrale befand.

Auch in den benachbarten Blocks waren Behörden untergebracht. Nichts an dem Gebäude verriet seine Funktion. Die lange Fassade mit den gleichmäßigen Fensterreihen sah so aus wie Dutzende anderer Bürogebäude in Washington.

Er steuerte seinen Wagen die Rampe hinunter, die in die Tiefgarage führte. Dort unten befand sich der Fuhrpark der Organisation: Beschattungs- und Überwachungsfahrzeuge, rollende Abhörstationen, und neutrale Dienstwagen.

Steve rollte vor die Panzertür und bremste. Er stieg aus und legte seine Handfläche auf eine Glasscheibe neben dem Tor. Es dauerte ein paar Sekunden, bis eine grüne Lampe kurz aufleuchtete. Steve wusste, dass ihn eine Kamera kontrollierte. Außerdem hatte der Computer seine Fingerabdrücke mit den gespeicherten Informationen verglichen. Gleich kam noch die zweite Kontrolle.

Eine mechanische Stimme plärrte auch schon los: „Bitte Ihre Identifikation. Sprechen Sie langsam und deutlich.“

Steve nannte sein Kennwort und wusste, dass jetzt der Stimmenanalysator in Funktion trat. Sekunden später glitt das Panzertor langsam zur Seite. Steve fuhr ein Stück in die Garage hinein, bis sich das Tor hinter ihm wieder schloss.

Der Zugang durch die Garage war besonders gesichert. Der Haupteingang von der Straße war weniger spektakulär. Hier gab es einen normalen Empfangstresen. Denn in den unteren Etagen des Gebäudes befanden sich einige andere Firmen, die keine Ahnung hatten, wer da über ihnen wirklich residierte.

Steve parkte seinen Wagen, stieg aus und ging die paar Schritte zum Lift hinüber. In die oberen Stockwerke kam man nur mit einem speziellen Code.

Summend glitt der Lift nach oben. Steve fragte sich, weshalb ihn Greene in das Hauptquartier bestellt hatte. Meistens trafen sie sich an einem neutralen Ort. Der Colonel hatte nicht mal eine Andeutung gemacht, worum es ging.

Steve schritt einen langen Gang entlang, und er musterte die Türen rechts und links. Einem Uneingeweihten hätten die Aufschriften an den Bürotüren nicht verraten, was sich in Wirklichkeit dahinter verbarg.

Schließlich betrat er einen großen Raum mit einem riesigen Sitzungstisch. An der Schmalseite hingen eine amerikanische Fahne und das Bild des derzeitigen Präsidenten. Der Raum besaß große Fenster, aus denen man bis zum Potomac blicken konnte. Natürlich war der Raum abhörsicher, denn an diesem Tisch fiel so manche Entscheidung zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens.

Steve kannte den Mann gut, der dort mit hinter dem Rücken verschränkten Armen auf ihn wartete.

„Sie sind wie immer sehr pünktlich“, begrüßte ihn Colonel Greene.

„Sie haben es diesmal sehr geheimnisvoll gemacht“, entgegnete Steve McCoy, während sie sich die Hände schüttelten.

„Der Grund dafür ist ganz harmlos. Ich kann die Zentrale im Augenblick nicht verlassen, und ich muss Ihnen ein paar Dinge zeigen, zu denen ich Ihre Meinung hören will.“

„Also, wo brennt’s?“

Greene schüttelte den Kopf. „Das weiß ich noch nicht. Sie sollen sich zuerst einige Fotos ansehen. Kommen Sie mit.“

Steve folgte dem Colonel in einen Nachbarraum, der wie ein kleines Kino eingerichtet war. Etwa drei Dutzend Sessel waren vor einer Leinwand angeordnet. An der Rückwand gab es die üblichen Öffnungen, aber im Raum selbst befanden sich auch verschiedene Projektoren und Bildschirme.

Sie setzten sich, und Greene gab dem unsichtbaren Vorführer ein Zeichen. Im Raum wurde es dunkel, und gleichzeitig erschien der Umriss der hellen Projektionsfläche auf der Leinwand. Dann kam das erste Bild.

Steve beugte sich ein Stück vor. Das Bild war in schwarz-weiß aufgenommen und sehr grobkörnig. Vermutlich mit einem hochempfindlichen Film und anschließend stark vergrößert worden.

Auf dem Bild konnte man einige Männer in Mänteln und mit Hüten erkennen, die alle an dem Fotografen vorbei zu starren schienen.

„Das Foto stammt von Interpol, Amsterdam“, erläuterte Colonel Greene. „Wir haben es von der Interpol-Zentrale in Paris per Funkbild bekommen. Deshalb ist auch die Qualität ziemlich schlecht.“

„Und weshalb schickt Interpol uns dieses Foto?“

„Es ist eine ganze Serie. Der Interpol-Mann in Amsterdam hat einen französischen Ganoven beschattet, der im Verdacht steht, einen europäischen Rauschgift-Ring zu leiten. Bisher war diesem Mann nichts nachzuweisen. Er scheint ziemlich schlau zu sein. Die Kollegen in Europa sind schon ganz verzweifelt.“

„Und wir sollen ihnen helfen?“, fragte Steve.

Greene schüttelte den Kopf. „Nein, sie wollen uns helfen.“

„Das werden Sie mir sicher erklären.“

Greene nickte. „Dieses Foto und auch die anderen sind auf dem Amsterdamer Flughafen Schiphol aufgenommen worden. Der Mann von Interpol hat den französischen Gangster dorthin verfolgt, wo unser Franzose auf die Maschine aus New York wartete. Er holte dort drei der Fluggäste ab.“

Steve betrachtete das Foto. „Wer ist denn der Franzose?“

„Der Mann im Vordergrund. Um ihn brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Sehen Sie sich den Mann dahinter an. Er interessiert uns ganz besonders.“

„Das Gesicht ist nicht zu erkennen. Aber die beiden restlichen Männer sind gut zu sehen.“

„Die haben wir schon identifiziert.“

„Und wer sind sie?“

Colonel Greene lächelte. „Das sage ich Ihnen später.“ Er drückte auf einen Knopf an einem kleinen Schaltpult vor seinem Sessel, und das nächste Bild erschien auf der Leinwand. Die Männer hatten ihre Position kaum verändert, nur der verdeckte Mann war ein bisschen mehr zu sehen.

Steve schüttelte den Kopf. „Das reicht noch nicht.“

Greene holte das nächste Foto. Jetzt war ein Teil des Gesichtes zu erkennen. Greene drückte wieder den Knopf.

Jetzt hätte man den Mann erkennen können, wenn sich nicht ein unbekanntes Hindernis ins Bild geschoben hätte.

„Der Interpol-Mann hat mit einer normalen Kamera fotografiert und dabei ein Teleobjektiv benutzt“, erklärte Greene. „Er durfte schließlich nicht auffallen. Die Bilder sind nicht besonders gut, und das Beste, das wir haben, kommt als Nächstes.“

Steve konzentrierte sich auf das Foto. Der Kopf des verdeckten Mannes war jetzt endlich zu sehen, aber er hatte ihn gedreht, sodass nur sein Halbprofil zu erkennen war.

„Das ist doch nicht möglich“, murmelte Steve.

„Erkennen Sie ihn?“, fragte Greene hastig.

Steve lehnte sich zurück. „Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, dass es sich um Lucio Aurelio handelt. Den Mafiaboss aus Chicago, der den Bandenkrieg um Capones Vermächtnis überlebt hat. Gibt es mehr Bilder?“

„Nein, aber Ihre Antwort reicht mir schon. Unsere Auswerter waren sich überhaupt nicht sicher, ob es sich um Aurelio handelt. Sie kennen diesen Kerl am besten, da Sie mit ihm schon aneinandergeraten sind. Sie haben ihn spontan erkannt, und ich bin jetzt sicher, dass er es ist. Wie ich Ihnen schon sagte, haben wir die beiden anderen, die zusammen mit ihm in der Maschine angekommen sind, bereits identifiziert. Es sind zwei kleine Mafiosi aus seiner Familie, die vermutlich als Leibwächter fungieren. Er hat nicht zuletzt durch Sie in letzter Zeit seine besten Leute eingebüßt, sodass er jetzt auf die zweite Wahl zurückgreifen muss.“

„Was macht Aurelio in Amsterdam?“, fragte Steve.

„Genau das möchten wir auch gern wissen“, antwortet Colonel Greene.

Steve grinste. „Ich nehme an, dass ich es herausfinden soll.“

„Wer sonst?“, nickte Greene. „Sie kennen Aurelio, und Sie waren auch schon in Amsterdam. Die Einsatzleitung hat für Sie bereits alle notwendigen Unterlagen zusammengestellt. Wir haben die Dossiers der beiden Mafioso und ein paar spärliche Informationen von Interpol. Immerhin wissen wir, wo sich Aurelio in Amsterdam aufhält, nämlich in einem exklusiven Hotel, wo die Nacht dreihundert Gulden kostet.“

„Das kann er sich leisten“, warf Steve ein.

Greene seufzte. „Mit seinen verbrecherischen Geschäften hat er immer genügend verdient. Ich bin sicher, dass er auch jetzt wieder an einem krummen Ding dreht.“

„Ich werde versuchen, ihm ein wenig die Pläne zu verderben.“

„Seien Sie vorsichtig, denn wenn er Sie sieht, wird er durchdrehen. Sie haben ihm in Chicago das Geschäft vermasselt.“

„Aber er selbst hat seinen Kopf leider immer wieder aus der Schlinge gezogen. Es wird langsam Zeit, dass Aurelio auch einmal bezahlt, und nicht nur seine Leute, die er rücksichtslos opfert, wenn Gefahr droht.“

Greene drückte an der Schalttafel wieder einige Knöpfe. Das Bild auf der Leinwand verblasste, und die Raumbeleuchtung erreichte ihre normale Helligkeit. „Leider haben wir keine Informationen, mit welcher Art von Geschäften sich Aurelio in Amsterdam beschäftigen könnte. Da es offenbar eine Verbindung mit diesem Franzosen gibt, liegt der Verdacht nahe, dass es sich um Rauschgift handeln könnte.“

Steve nickte. „Aurelio hat auch in der Vergangenheit keine Scheu vor diesem tödlichen Stoff gehabt. Nach den Rückschlägen der letzten Zeit versucht er es vielleicht wieder mit einem lukrativen Geschäft. Nichts bringt so viel Geld wie der Handel mit Rauschgift – und Amsterdam ist der zentrale europäische Umschlagplatz für das Gift.“

„Das haben unsere Experten auch schon festgestellt. Was in Amsterdam geschieht, geht uns zwar nichts an, aber sobald ein Mafiaboss darin verwickelt ist, geht es uns sehr wohl etwas an, denn mit tödlicher Sicherheit soll das Rauschgift in die Vereinigten Staaten transportiert werden. Der Justizminister ist sehr besorgt über die steigende Flut von Rauschgift. Er will, dass wir mit allen Kräften dagegen ankämpfen.“

„Das würden wir auch ohne das Wort des Ministers tun“, meinte Steve. „Wer ist übrigens dieser geheimnisvolle Franzose?“

„Er heißt Pierre Caillou – sofern das sein richtiger Name ist. Streng genommen ist er kein Franzose, sondern Korse. Aber er darf Sie nicht interessieren, denn unsere europäischen Kollegen haben uns dringend aufgefordert, die Finger von ihm zu lassen. Er gehört ihnen. Wir müssen das respektieren, wenn wir in Zukunft mit ihnen zusammenarbeiten wollen.“

Steve hob die Schultern und lächelte. „Ich habe Ihre Worte zur Kenntnis genommen, aber ich gehe doch davon aus, dass den Europäern meine Identität unbekannt bleibt.“

Greene nickte. „Selbstverständlich.“

„Dann wird sich doch ein Unbekannter um diesen Franzosen kümmern dürfen?“

„Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen“, entgegnete Greene und grinste seinen besten Agenten an.

„Ich nehme an, dann ist alles gesagt.“ Steve McCoy erhob sich.

Greene blieb sitzen. Nach einer kurzen Pause sagte er: „Da ist noch etwas, das Sie wissen müssen.“

„Ja?“

„Rico Fontana ...“

„Was ist mit ihm?“, unterbrach Steve scharf.

„Sie haben ihn vor einiger Zeit in New York auf dem Flughafen aus dem Verkehr gezogen, als er einen Container voll Gold an sich bringen wollte.“

„Oh, ja, ich erinnere mich gut an den Fall. Er hätte es beinahe geschafft, denn er ist ein verdammt hartnäckiger Bursche.“

„Nun“, druckste Colonel Greene, „seitdem saß er in Untersuchungshaft.“

„Saß?“

„Ja. Er ist seit fast einer Woche frei. Der Fall war ziemlich kompliziert. Es dauerte einige Monate, die Anklageschrift vorzubereiten, und die Anklagen selbst wurden immer dünner. Seine Verteidiger beantragten schließlich, ihn gegen Kaution freizulassen.“

„Das ist ja unglaublich“, kommentierte Steve leise. „Manchmal fragt man sich, wofür man diesen Job tut, wenn diese Kerle anschließend durch die Maschen des Gesetzes schlüpfen.“

„Es ist genau das Gesetz, das wir verteidigen“, erwiderte Greene. „Es mag Mängel haben, aber es ist kein schlechtes Gesetz. Es lohnt sich trotzdem, dafür einzutreten, wenn auch manchmal mit Zähneknirschen.“

Steve seufzte. „Sie haben recht. Eine Frage noch: Wer hat die Kaution für Fontana hinterlegt?“

„Kein Geringerer als Lucio Aurelio.“

Steve setzte sich wieder. „Das ist in der Tat eine Überraschung. Das heißt, wir müssen auch mit Fontana rechnen. Ich werde mich darauf einstellen, diesem sympathischen Zeitgenossen im alten Europa wieder zu begegnen. Die Freude wird auf beiden Seiten groß sein. Er hasst mich wie die Pest.“

„Ich fürchte auch, dass Sie auf ihn stoßen. Aber denken Sie daran, dass Sie in Holland sind. Sie werden dort keinerlei Unterstützung haben, und die holländische Polizei sieht es nicht gern, wenn auf ihrem Boden Streitereien von Dritten ausgetragen werden.“

„Ich arbeite fast immer allein. Warum soll es diesmal anders sein.“

„Eine geringe Unterstützung werde ich Ihnen geben. Eine weibliche.“ Greene lächelte.

Steve schloss die Augen. Oh, nein, dachte er. Wieder so eine Hilfe, auf die man den ganzen Tag aufpassen muss.

„Sie heißt Sheila York“, erläuterte Greene. „In Amsterdam wird sie die Verbindungsstelle übernehmen. Über sie läuft der Kontakt zu mir. Ansonsten können Sie das Mädchen auch mit anderen Aufgaben betrauen.“

„Wahrscheinlich ist sie eine Anfängerin“, bemerkte Steve düster.

„Es bleibt Ihnen überlassen, wie weit Sie Sheila York einsetzen. Sie wird Ihnen schon nicht in Ihren Job hineinreden. Sie soll nur eine Art Verbindungslinie schaffen, eine kleine Art von Rückendeckung. Der Job in Amsterdam wird gefährlich, und mir sind die Hände gebunden. Ich bin beruhigter, wenn ich jemanden in Ihrer Nähe weiß, der mir wenigstens sagen kann, was Sie in den letzten vierundzwanzig Stunden gemacht haben.“

„Das klingt sehr vertrauensvoll“, sagte Steve sarkastisch.

„Manchmal sind Sie ziemlich eigensinnig.“

„Schon gut, ich akzeptiere Ihren Vorschlag.“

„Das Mädchen wird sich in Amsterdam bei Ihnen melden. Sie weiß, wo Sie wohnen, und dann können Sie sich mit ihr treffen. Sie kann Ihnen durchaus einige Routine-Tätigkeiten abnehmen: Recherchen, Beschattung. Im Notfall kann sie sich auch verteidigen. Haben Sie noch eine Frage?“

„Nein, keine mehr.“

„Dann wünsche ich Ihnen viel Glück.“

image
image
image

3. Kapitel

image

Die Maschine der KLM landete pünktlich in Schiphol. Der Pilot setzte den schweren Vogel sanft wie eine Feder auf. Anschließend   rollten sie an den Flugsteig, und die Passagiere gelangten durch den vorderen Ausgang über die Rollbrücke trockenen Fußes in die Ankunftshalle.

Es regnete nämlich in Holland.

Die Gepäckbänder waren mit Aufklebern aus aller Herren Länder übersät, was ziemlich bunt aussah. Die Abfertigung ging zügig vor sich, und die Zöllner machten nur Stichproben. Schiphol war ein ziemlich großer Flughafen, und er hatte, wie Steve wusste, einen der besten Duty-Free-Shops der Welt. Als Ankömmling hatte er jedoch leider keine Gelegenheit, die Probe aufs Exempel zu machen.

Der Zöllner warf nur einen kurzen Blick auf seinen Koffer und winkte ihn dann durch. Auch eine genauere Untersuchung hätte diesem Spezial-Gepäckstück kaum sein Geheimnis entlockt. Es gab hervorragend getarnte und abgeschirmte Geheimfächer, die auch bei einer Durchleuchtung sehr schwer zu entdecken waren. In ihnen war einiges an technischem Spielzeug verborgen, vor allem aber Waffen und Munition.

Als er aus dem Flughafengebäude trat, stand er genau vor dem Taxistand. Rasch überquerte er die paar Meter, in denen man nass wurde, und ließ sich in den Fond einer Chevrolet-Limousine sinken.

Der Fahrer drehte sich fragend um, und Steve nannte ihm den Namen seines Hotels, das man für ihn gebucht hatte.

Der Fahrer fuhr wie der Teufel. Steve hätte den behäbigen Holländern einen solchen Fahrstil überhaupt nicht zugetraut. Von Schiphol ins Zentrum von Amsterdam war es eine ziemliche Strecke über die Autobahn, aber sein Taxi schaffte die Fahrt in genau zwanzig Minuten, und das war eine recht gute Leistung – vor allem, wenn man die roten Ampeln nicht alle ernst nahm.

Steves kleines Hotel lag schräg gegenüber dem „Marriott“, in dem sich Lucio Aurelio einquartiert hatte. Die Fahrt kostete dreiunddreißig Gulden, und Steve bezahlte die Summe aus einem Umschlag, den er von der Operationsabteilung erhalten hatte. Die Spezialisten hatten an alles gedacht, sogar daran, dass nicht überall auf der Welt der Dollar die Landeswährung war.

Nachdem er die Formalitäten im Hotel erledigt und sich eingerichtet hatte, nahm er das Marriott näher in Augenschein. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, doch das Pflaster glänzte noch vor Nässe.

Der riesige Bau war hell beleuchtet. Steve schob sich durch die Drehtür und gelangte in die Halle. Aufmerksam sah er sich um, bis er den Schreibtisch mit dem Hotelpapier entdeckte. Er nahm einen leeren Umschlag, klebte ihn zu und marschierte damit zur Rezeption.

„Ich habe eine Nachricht für Mister Aurelio aus New York“, sagte er und drückte dem Portier den Umschlag in die Hand.

Der Mann nahm den Umschlag entgegen und studierte seine Liste. Dann drehte er sich um und steckte den Umschlag in das Fach mit der Nummer 416.

Damit hatte Steve zwei Informationen mit einem Schlag. Er kannte Aurelios Zimmernummer, und er wusste, dass der Mafioso nicht im Hotel war. Denn sein Schlüssel hing am Haken. Er war ziemlich sicher gewesen, dass Aurelio sich unter seinem richtigen Namen eingetragen hatte – schließlich wurde er nicht von der Polizei gesucht.

Steve wandte sich ab, machte ein paar Schritte, drehte sich wieder um und schnippte mit den Fingern, als sei ihm plötzlich etwas eingefallen. „Ich glaube, es ist doch besser, wenn ich Mister Aurelio anrufe. Geben Sie mir die Nachricht doch zurück.“

Der Portier reichte ihm den Umschlag. „Wie Sie wollen.“

Steve war sicher, dass der Mann den unbedeutenden Vorfall schon nach kurzer Zeit vergessen würde. Der Portier in einem solchen Hotel musste wesentlich wichtigere Dinge im Kopf behalten.

Dann schlenderte Steve gemütlich zu den Lifts hinüber und trat in eine der Kabinen, als wohnte er hier. Er drückte auf den Knopf für den vierten Stock.

In der Etage begegnete ihm kein Mensch. Vor der Nummer 416 blieb er stehen und betrachtete das Schloss. Es war eines der üblichen Hotelschnappschlösser, das für einen ernsthaften Profi kein besonderes Hindernis darstellte. Er allerdings besaß kein Handwerkzeug, um das Schloss zu öffnen. Und eine Beschädigung wollte er nicht riskieren. Aurelio hätte solch einen Schaden bemerken können.

Steve fuhr wieder hinunter und wartete in der Nähe der Rezeption, bis der Portier wieder einmal verschwunden war. Dann ging er rasch zu einem der Mädchen und sagte: „Nummer 416 bitte.“

Sie reichte ihm den Schlüssel, ohne ihn groß anzusehen. Er wandte sich ab, ehe es ihr einfiel, sich sein Gesicht einzuprägen. Steve wusste, dass dieses Spiel riskant, aber seine beste Chance war.

Erneut nahm er den Weg, den er schon kannte. Er schloss das Zimmer auf und trat rasch ein. Es war früher Abend, und er schätzte, dass Aurelio nicht so bald zurückkommen würde. Trotzdem musste er sich beeilen, denn seine Vermutung war schließlich keine Gewissheit.

Das Zimmer war mit der üblichen Standardeinrichtung internationaler Hotels ausgestattet. Der Raum war vielleicht ein bisschen größer als üblich. Mit professioneller Routine durchsuchte Steve die Schränke und Schubladen. Soweit es möglich war, bewegte er keinen Gegenstand von seinem Platz. Er wusste, dass die meisten Menschen schon die geringsten Veränderungen bemerken würden, ein so misstrauischer Mensch wie Aurelio sowieso.

Es sah so aus, als handle es sich nur um einen Zwischenaufenthalt des Gangsters, als seien die Anzüge nur in den Schrank gehängt worden, damit sie nicht zerknitterten. Vielleicht suchte Aurelio sich inzwischen eine angemessenere Unterkunft als dieses unpersönliche Hotel.

Für das Bad genügte ein kurzer Blick, aber dann trat er doch einen Schritt näher und hob mit einem kräftigen Ruck den Deckel des Wasserkastens ab. An der Innenseite war mit Klebestreifen eine handliche Pistole spanischen Fabrikats befestigt. Die alten Tricks sind doch unausrottbar, dachte Steve lächelnd.

Er drückte den Deckel wieder auf den Kasten und wandte sich noch einmal dem Schlafraum zu. Der Nachttisch war bis auf die obligate Bibel leer. Der Koffer lag auf der Gepäckablage, eine große Reisetasche stand im Schrank. Beides war leer.

Steve bückte sich und sah unter das Bett. Es gab nur einen kleinen Zwischenraum zwischen Bett und Fußboden. Doch er war groß genug, ein schmales Diplomatenköfferchen dazwischenzuschieben.

Vorsichtig zog Steve das schwarze Köfferchen hervor. Die Schnappschlösser waren verschlossen, aber er hatte sie in drei Minuten geöffnet. Das war nun wirklich kein Problem. Solche Fertigkeiten hatten zu seiner Ausbildung gehört.

Der Koffer enthielt nur einen dünnen Aktenordner mit einigen Blättern Papier, mit denen er nichts anzufangen wusste. Es konnte sich um ganz normale Geschäftskorrespondenz handeln, aber auch um verschlüsselte Dinge. Auf jeden Fall wunderte er sich, was Aurelio nach diesen Unterlagen mit Kunst zu tun hatte. Denn dass der Mafioso auch nur einen Hauch von Kunstverstand besaß, wäre ihm ziemlich neu gewesen.

Jedenfalls merkte er sich die Adresse der Kunsthandlung, mit der eine Geschäftsbeziehung zu bestehen schien. Der Laden befand sich an der Prinsengracht. Feine Adresse.

Unter dem Ordner lag noch ein von Hand beschriebener Zettel. Darauf stand: Pierre Caillou – Dienstag – 21.00 Uhr Lido.

Und darunter: Feier am Donnerstag 20.00 Uhr Veranda Pavillon.

Ganz unten stand schließlich noch eine Telefonnummer – so sah sie jedenfalls aus – und in einer Klammer dahinter der Name Rico.

Steve legte alles wieder in das Köfferchen, wie er es vorgefunden hatte. Danach verschloss er die Schnappschlösser sorgfältig und schob den Koffer an die gleiche Stelle unter das Bett. Er achtete darauf, dass keine verräterische Falte in der Tagesdecke, die bis zum Boden reichte, zurückblieb.

Anschließend dachte er kurz nach, während er das Zimmer verließ.

Steve war klar, Fontana musste sich irgendwo in Holland aufhalten. Die Telefonnummer würde ihn auf die Spur des Gangsters führen.

Dienstag, das war heute, wollte sich Aurelio mit Pierre Caillou, dem Franzosen treffen. Bis zum Treffen war noch eine Stunde Zeit. Das musste reichen, um festzustellen, was der Lido war. Der Name klang nach einem Nachtklub. Der Franzose musste eine Schlüsselfigur sein, wenn Aurelio sich mit ihm häufiger traf. Es konnte nicht schaden, den beiden ein wenig auf die Pelle zu rücken.

Das Treffen am Donnerstag verriet ihm zunächst gar nichts. Offenbar ging es um eine Feier in einem Restaurant. Nun, er würde sich wahrscheinlich auch diesen Termin nicht entgehen lassen.

Der Lift brachte ihn wieder in die Halle, und er warf den Schlüssel in den dafür vorgesehenen Schlitz am Tresen. In Kürze würde er wieder an seinem Haken baumeln, und kein Mensch würde sich daran erinnern, dass in der Zwischenzeit jemand Aurelios Zimmer betreten hatte. Ohne sich weiter umzusehen, verließ Steve das Hotel.

image
image
image

4. Kapitel

image

Rico Fontana säuberte sich mit einem Stilett die Fingernägel. Der Aufenthalt in dieser Einöde ging ihm langsam auf die Nerven. Der Himmel war täglich bleiern grau, und rings um ihn gab es nur flaches Sumpf- und Weideland bis zum Horizont.

Fontana ließ das Stilett mit einer oft geübten Bewegung in die Halterung zurückschnappen. Helen van Laar sah erschrocken auf. Sie saß am anderen Ende des Raumes und beschäftigte sich mit einer Strickarbeit. Er musste grinsen, als er sie so sah. Alles wirkte wie bürgerliche Gemütlichkeit, und dabei stellte diese Frau seit Jahren gemeinsam mit ihrem Mann Heroin im Privatlabor her. Allerdings schien sie sich über Konsequenzen noch niemals Gedanken gemacht zu haben.

„Sind Sie schreckhaft, meine Gnädigste?“, erkundigte er sich höhnisch.

Sie biss die Lippen zusammen, antwortete aber nicht. Sie hatte Angst vor ihm, und das war auch gut so.

Dabei wirkte Fontana äußerlich nicht wie ein Mann, vor dem man Angst haben musste. Er war in der letzten Zeit etwas fülliger geworden, seine Reflexe waren jedoch noch genauso gut wie früher. Er konnte fabelhaft mit einem Messer umgehen und beherrschte so ziemlich alle Schusswaffen der Welt. Außerdem kannte er die schmutzigen Tricks und wendete sie auch an. Das Einzige, was er nicht kannte, war ein Gewissen.

Er stand auf und schob das Messer in die Tasche. „Ich werde mal sehen, was Ihr Mann treibt. Ron, du passt auf, dass sie keine Dummheiten macht.“

Ron, der die Füße auf den Tisch gelegt hatte und in einem Comic-Heft las, nickte nur.

Fontana stampfte nach draußen und überquerte den Hof. Piet van Laar war im Labor, und Fontana hoffte sehr, dass er ihn dabei erwischte, wie er faulenzte.

Er öffnete die Tür zum Nebengebäude geräuschlos und schlich bis zu der getarnten Wand. Inzwischen kannte er den geheimen Öffnungsmechanismus. Er betätigte ihn nach kurzem Lauschen, und ein Stück der Wand schob sich zur Seite.

Dahinter lag ein kleines, hell beleuchtetes Laboratorium, in dem es brodelte und dampfte. Van Laar hatte einen Atemschutz umgebunden und kontrollierte einige Geräte.

„Fleißig, fleißig!“, bemerkte Fontana.

Van Laar fuhr herum und starrte ihn erschrocken an. „Was wollen Sie hier? Sie sehen doch, dass ich zu tun habe!“

Fontana trat einen Schritt näher. „Wir wollen, dass Sie langsam mit dieser kleinen Menge fertig werden. Es wird Zeit, dass der Stoff in den Handel kommt. Wir haben neue Abnehmer, und die warten schon ganz begierig auf den neuen Stoff. Wir versprechen uns in Zukunft eine Menge von Ihrem Labor.“

Van Laar schüttelte den Kopf. „Man kann die Kapazität nicht beliebig ausbauen. Das Arbeiten mit dieser Droge ist nicht ungefährlich.“

Er nahm einen weiteren Atemschutz hoch und reichte ihn Fontana. „Sie sollten das hier lieber umbinden.“

„Wie rücksichtsvoll.“ Fontana band das Ding doch lieber um, denn er wusste genau, wie gefährlich die Prozedur der Umwandlung von Morphinbase in Heroin sein konnte, auch wenn es chemisch recht einfach klang.

Man erwärmt zunächst in einem Wasserbad eine Mischung aus Morphinbase und Essigsäureanhydrid sechs Stunden lang auf fünfundachtzig Grad Celsius, um unreines, aufgelöstes Heroin zu erhalten. Danach gibt es mehrere Reinigungsprozesse, in deren Verlauf sich das Heroin erst kristallisiert und dann zu einem feinen Pulver wird, das sich in Wasser auflöst. Je weißer das Pulver, desto mehr ist es geschätzt.

Wenn jedoch das Verhältnis zwischen Morphinbase und Essigsäureanhydrid nicht stimmt, oder wenn die Temperatur zu hoch oder zu niedrig ist, dann kann unter Umständen das ganze Labor in die Luft fliegen. Auf jeden Fall wäre das Endprodukt nicht rein genug, um vom schwarzen Markt akzeptiert zu werden.

Nebenbei ist Essigsäureanhydrid ein überaus ätzender Stoff, der Haut und Lungen angreift.

Dies alles wusste Rico Fontana, und er hätte hier nicht als Chemiker stehen wollen. Aber bevor sie van Laar zur Mitarbeit zwangen, hatten sie sich über seine Qualifikation erkundigt. Er hatte in diesem Geschäft noch nie einen Fehler begangen, sondern seit Jahren immer nur erstklassige Ware geliefert.

„Wann sind Sie fertig?“, fragte Fontana und deutete in die Runde.

„Ich bin bei der letzten Reinigungsstufe. Es wird nicht mehr lange dauern. Vielleicht noch zwei Stunden.“

„Gut“, nickte Fontana. „Und wie rein wird der Stoff sein?“

„Ich erwarte eine gute Qualität. Die Reinheit wird schätzungsweise achtundneunzig Prozent betragen.“

„Sehr gut. In diesem Fall kann der Stoff ein bisschen gestreckt werden. Das erhöht die Umsätze.“ Fontana lachte. „Wir werden das Zeug morgen nach Amsterdam bringen. Haben Sie etwas Passendes, um den Beutel darin zu verstecken?“

„Sicher. Für solche Fälle haben wir immer ein paar Dinge auf Lager. Es wird nur in Zukunft schwieriger werden, wenn größere Mengen transportiert werden sollen.“

Fontana winkte ab. „Das lassen Sie meine Sorge sein. Dafür werden wir eine Lösung finden.“

„Wie soll das Ganze denn weitergehen?“

„Das habe ich Ihnen doch schon einmal erklärt. Alles geht weiter wie bisher. Mit. dem einzigen Unterschied, dass Sie ab sofort wesentlich mehr Stoff verarbeiten werden. Wie Sie vielleicht festgestellt haben, wurde die Lieferfirma von uns bereits ausgewechselt. Die Morphinbase kommt in Zukunft über einen anderen Kanal. Aber dieser Weg wird ebenso zuverlässig sein. Sie persönlich werden von uns bezahlt. Und glauben Sie mir: Es wird sich lohnen. Auch der Weg zum Verteiler bleibt gleich. Denn genau darauf ist es uns angekommen. Ihr Labor und der Weg nach Amsterdam.“

„Wer steckt hinter Ihrer Organisation?“, fragte van Laar.

Fontanas Gesicht wurde zur Maske. „Das fragen Sie lieber nicht noch einmal. Doch ich kann Sie beruhigen. Es handelt sich um zwei höchst wirkungsvolle Organisationen, die in diesem Falle eine Kooperation geschlossen haben. Wir erwarten für die Zukunft ein gutes Geschäft.“

„Und was wird aus uns? Wollen Sie und Ihre Leute die ganze Zeit auf dem Hof bleiben? Wollen Sie uns weiter auf Schritt und Tritt belauern? Das halten wir nicht durch!“

„Aber, aber!“ Fontana hob mahnend den Zeigefinger. „Wer wird denn gleich so ausfallend werden! Wir werden Sie bald verlassen. Nämlich dann, wenn wir uns überzeugt haben, dass auf Ihre Zusammenarbeit Verlass ist. Sie stecken ohnehin viel zu tief in dem Geschäft drin, um den Hals noch aus der Schlinge ziehen zu können. Und unser Arm reicht verdammt weit, vergessen Sie das nicht! Wir kriegen Sie – oder Ihre Frau!“

Van Laar senkte den Blick. „Ich weiß“, sagte er leise. „Sie haben uns in der Hand. Wir werden tun, was Sie sagen. Ich wüsste auch nicht, was wir anderes anfangen sollten.“

„Sehr vernünftig“, lobte Fontana. „Ich sehe, wir werden uns noch gut verstehen. Bringen Sie Ihrer Frau noch bei, dass sie uns ein wenig freundlicher ansieht, dann werden Sie uns bald nur noch von Zeit zu Zeit sehen. Wir möchten auch nicht unbedingt auffallen, und drei Männer in dieser verlassenen Gegend fallen ganz sicher auf. Ich werde bald Bescheid aus Amsterdam bekommen, wie die Dinge dort stehen. Bis jetzt scheint sich alles ganz prächtig zu entwickeln.“

Van Laar wandte sich ab. „Ich muss mich jetzt um meine Arbeit kümmern. Entschuldigen Sie mich.“

„Na, klar. Genau das wollte ich ja überprüfen. Machen Sie Ihre Arbeit, und wir werden keine Probleme haben. Was ich noch wissen wollte: Sind Sie sicher, dass man die beiden Toten nicht finden wird?“

Van Laar nickte kurz. „Dieser Sumpf gibt von dem, was er einmal verschlungen hat, nichts frei. Es wird auch nicht daran gedacht, diesen Teil in absehbarer Zeit trockenzulegen. Das ganze Gebiet wird unverändert so bleiben, da brauchen Sie keine Sorgen zu haben.“

„Sehr schön. Aber auch in dieser Beziehung sollten Sie immer daran denken, dass Sie ebenso tief in der Sache drin hängen. Schlagen Sie sich also jeden Gedanken aus dem Kopf, die Zusammenarbeit mit uns eines Tages zu kündigen. Das wäre Ihr Ende.“

„Das ist mir klar.“ Van Laar sah bekümmert aus.

image
image
image

5. Kapitel

image

Steve hatte sich getäuscht. Das Lido war kein Nachtklub, sondern ein Restaurant – und zwar ein gutes. Die Mafiosi wurden eben immer bürgerlicher. Sie trafen sich nicht mehr in schummrigen Nachtlokalen, sondern in Drei-Sterne-Restaurants. Die Preise konnten sie sich ja leisten. Und warum sollte nicht auch ein Mafioso einen guten Geschmack haben!

Als Steve das Lido betrat, war er zunächst enttäuscht. Es lag direkt an einer Gracht und machte den Eindruck eines Ausflugslokals, in dem man nachmittags Kaffee trinken konnte. Dann eilte aber sofort ein dunkel gekleideter Herr auf ihn zu, der ihm den Mantel abnahm.

„Sie wollen speisen?“

Steve entdeckte jetzt den Durchgang in den nächsten Raum. Er nickte. Ja, er wollte speisen – hier aß man nicht so einfach. Er war froh, sich ordentlich gekleidet zu haben: Anzug aus der Londoner Bond Street, Hemd von Turnbull & Asser, Schuhe von Lobb. Auf eine Krawatte hatte er verzichtet.

„Ich erwarte noch eine Dame“, verkündete er.

Der Holländer nickte verständnisvoll. „Haben Sie einen Tisch bestellt?“

Steve schüttelte den Kopf. „Nein, leider nicht. Ich hoffe, das macht keine Schwierigkeiten?“

„Nein, an einem Tag wie heute sind wir nicht ausgebucht. Die Saison ist vorbei.“ Er hob bedauernd die Schultern. „Möchten Sie solange hier warten und einen Drink zu sich nehmen?“

Steve trat einen Schritt nach vorn und spähte in das Speiselokal. Die Zeit des Treffpunktes war bereits überschritten. Er entdeckte Lucio Aurelio sofort. Und auch den anderen Mann erkannte er nach den Fotos als den Franzosen Pierre Caillou. Die beiden waren tief in ihr Gespräch vertieft. Er hoffte, dass der Mafioso ihn nicht sofort sah.

„Geben Sie mir bitte den Tisch dort.“ Steve zeigte auf einen Tisch ganz in der Nähe, aber im Rücken von Aurelio.

Der Kellner nickte und enteilte.

Steve steuerte die Bar im Vorraum an und sah im Vorbeigehen in einen Spiegel. Gute Kleidung war eine seiner Schwächen. Dafür gab er ziemlich viel Geld aus, und er kaufte mit Vorliebe in London, wo es seiner Meinung nach die beste und eleganteste Herrenkleidung gab. Er nickte seinem Spiegelbild belustigt zu und schwang sich auf einen Barhocker.

Er hatte gerade einen trockenen Martini in der Hand, als Sheila York das Restaurant betrat. Ihr Blick streifte ihn flüchtig, dann wanderte er suchend weiter. Sie erkannte ihn jedoch nicht.

Sie hatte am Nachmittag telefonisch mit ihm Kontakt aufgenommen, da sie ja wusste, wo er wohnte, und ihm ihr Aussehen beschrieben. Steve hatte sie kurz entschlossen ins Lido bestellt, da ein einzelner Mann in einem solchen Restaurant sicher auffallen würde. Auf ein Pärchen dagegen würde niemand achten.

Steve lächelte und hob grüßend die Hand, als ihr Blick ihn ein zweites Mal streifte. Sie stutzte und kam langsam näher. Auch als sie vor ihm stand, schien sie sich noch nicht ganz sicher zu sein.

„Ich bin der, den Sie suchen.“ Er lächelte.

Sie atmete erleichtert aus. „Ich habe Sie nach der Beschreibung des Colonels nicht erkannt, Mister McCoy. Er hat nicht gesagt, dass Sie so exzellent gekleidet sind.“

„Nennen Sie mich Steve, wenn wir schon zusammenarbeiten. Wie lange sind Sie eigentlich schon in Amsterdam?“

„Ich bin einen Tag vor Ihnen angekommen. Colonel Greene hat mir genaue Instruktionen erteilt. Ich soll Ihnen helfen und Ihre Anordnungen befolgen. Also bin ich hier.“

Steve lächelte. „Kommen Sie, gehen wir hinein. Sie sind eingeladen, und ich verspreche Ihnen, dass Sie eine solche Küche in den Vereinigten Staaten kaum finden werden.“

Der Oberkellner erwartete sie und führte sie an den bestellten Platz. Für einen kurzen Moment streiften sich seine Blicke mit denen Caillous, doch der Franzose schenkte ihm keine weitere Beachtung. Aurelio saß sowieso mit dem Rücken zu ihm. Die beiden hatten die Vorspeise bereits hinter sich gebracht. Eine Flasche Wein stand im Kühler neben dem Tisch.

Steve studierte die Karte und achtete dabei auf das Gespräch der beiden Männer hinter sich. Die Tische standen allerdings so weit auseinander, dass nur Bruchstücke zu verstehen waren.

Sie entschieden sich für überbackene Forelle vorneweg und als Hauptgericht Tournedos. Dazu bestellte Steve einen trockenen Burgunder.

„Auf meiner Karte stehen überhaupt keine Preise“, flüsterte Sheila.

Steve lachte. „Sie haben die Damenkarte. In solchen Häusern gibt es immer zwei Karten. Die Damen sollen sich nicht durch irgendwelche Nebensächlichkeiten, wie Preise, ablenken lassen.“

Der Kellner servierte jedem von ihnen eine Auster. Das war offenbar eine Aufmerksamkeit des Hauses.

Sheila beäugte das glibberige Ding misstrauisch. „Was ist denn das?“

„Das ist eine Auster, meine Liebe. Haben Sie denn noch nie eine gegessen?“

Sie schüttelte den Kopf. „Ich bin im Mittleren Westen aufgewachsen. Da gibt es solche Viecher nicht. Und was mache ich jetzt damit?“

Steve zeigte ihr, wie man die Auster zu sich nahm. Auch er konnte dem salzig-wässrigen Geschmack nicht viel abgewinnen.

Sheila schüttelte sich. „Das schmeckt ja scheußlich! Und das halten manche Leute für eine Delikatesse?“

Steve zuckte die Schultern. „So ist das nun mal.“

In diesem Augenblick registrierten seine geschärften Sinne eine Veränderung der Lautstärke hinter sich. Das musste der Franzose sein, denn Aurelios Stimme kannte er zur Genüge.

Caillou sprach englisch mit starkem Akzent. „Sie müssen mehr liefern. Die Abnehmer warten.“

Aurelios Antwort war nur zum Teil zu verstehen. „... habe ich veranlasst. Schon in Kürze ... über den Laden an der Prinsengracht ... Lieferungen werden folgen ... Qualität ausgezeichnet ...“