BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe
der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Manuel Prieto/Norma
eBook-Produktion:
César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-5956-5
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Sonora-Amigos
1
Als wir den Rio Grande erreichten, war um uns her schwarze Nacht. Doch drüben auf der anderen Seite leuchteten die Lichter einer kleinen Stadt. Wir kannten ihren Namen nicht. Aber dort drüben war Texas.
Wir waren in den letzten Tagen und Nächten ständig nach Osten geritten, gejagt von Banditen, die uns den Revolverlohn abjagen wollten, den wir uns in Sonora schwer genug verdient hatten.
Revolverlohn in Form einiger Silberbarren, die unser Packpferd trug.
Zehn Mann stark waren wir von Nogales aus nach Sonora geritten. Nur zwei von uns hatten überlebt, nämlich Vance Masterton und ich.
Nachdem wir den vereinbarten Revolverlohn erhalten hatten, machten wir uns wieder auf den Heimweg.
Aber es hatte sich wohl in ganz Sonora herumgesprochen, dass die letzten zwei Revolvermänner einer Fehde mit ihrem Revolverlohn auf dem Heimweg waren. Wir entkamen zwar mit viel Glück einigen Hinterhalten, wurden jedoch nach Osten gejagt. Überall war uns der Weg nach Norden verlegt.
Doch jetzt – am Rio Grande –, da waren wir unseren Verfolgern wohl entkommen.
Denn die Nacht war schwarz.
Und drüben lag Texas.
Wir mussten nur noch durch den Fluss auf die andere Seite.
Dort drüben in der Stadt, deren Lichter so freundlich blinkten, war gewiss Sicherheit – so hofften wir wenigstens.
Vance Masterton lachte leise. Obwohl er leicht angeschossen war und vom langen Reiten gewiss böse Schmerzen hatte, war er nun voller Triumph. Er sagte lachend: »Das war’s wohl, Sonora-Amigo, nicht wahr? Nur noch eine Viertelmeile durch diesen Fluss, der zu dick ist, um daraus trinken, und zu dünn, um darin pflügen zu können. Ich freue mich schon auf ein paar süße Sünden. Also, vorwärts!«
Er ritt an.
Und ich folgte ihm mit unserem Packtier, das für rund zehntausend Dollar Silberbarren trug.
Er hatte mich Sonora-Amigo genannt, aber das war natürlich nicht mein Name. Auch ich nannte ihn manchmal Sonora-Amigo, denn wir waren in Sonora Freunde geworden.
Mein Name ist Quade, Virgil Quade.
Es gab ein paar Leute auf dieser Erde, die fluchten, wenn sie meinen Namen hörten.
Nun, wir ritten also in den schlammigen Fluss und verließen uns in der so verdammt schwarzen Nacht darauf, dass dies hier die Furt war und wir nicht in Treibsand geraten würden. Als Richtungsziel dienten uns nur die Lichter der Stadt.
Als das Wasser unseren Tieren bis unter die Bäuche reichte, hielten wir an und lauschten. Wir machten unsere Ohren so richtig auf.
Zuerst hörten wir nur das Keuchen unserer armen Tiere, die wahrhaftig aus dem letzten Loch pfiffen.
Dann vernahmen wir das Plätschern des Flusses. Ein paar Fische sprangen.
Irgendwo am Ufer schrie ein Nachtvogel.
Ich wünschte mir in diesem Moment die Augen eines Uhus. Dann hätte ich mich in der schwarzen Nacht mitten im Fluss nicht so hilflos gefühlt. Die Lichter der Stadt reichten nicht bis zum Rio Grande. Denn weil dieser nach jedem Hochwasser immer wieder sein Bett veränderte, hatte man die Stadt weit genug vom Fluss entfernt errichtet.
Wir hörten dann plötzlich noch etwas.
Es war Hufschlag. Ja, da ritt eine Mannschaft. Es waren unsere Verfolger. Auch ihre Pferde stolperten. Man hörte es. Sie waren also trotz der schwarzen Nacht immer noch auf unserer Fährte. Aber das war kein Wunder. Denn sie hatten ein paar Hunde dabei, die einmal für die Sklavenjagd abgerichtet worden waren.
Nun, sie kamen also, und sie hatten uns fast erwischen können.
Vance Masterton lachte wieder leise.
»Wir sind schon zwei prächtige Burschen, Sonora-Amigo, nicht wahr? Das macht uns so leicht keiner nach. Wenn wir drüben sind, werden wir sie auslachen. Wir werden ihnen unser Gelächter über den Rio schicken, oha!«
Er ritt weiter in den Fluss hinein.
Ich sagte nichts, folgte ihm wortlos mit unserem schwer beladenen Packtier.
Und ich machte mir Sorgen, weil ich mich mit Pferden auskannte.
Es war mir schon einmal passiert, dass mir ein schweißnasses Pferd in einem kalten Fluss unter dem Sattel verreckte, weil es einen Herzschlag erlitt.
Auch diesmal waren unsere Tiere schweißnass, am Ende ihrer Kräfte und kreislaufmäßig gewiss ganz besonders labil.
Der Rio Grande war zwar nicht eiskalt, aber dennoch konnte er einen Schock verursachen.
Der Rio Grande führte zu dieser Zeit mehr Wasser als normal. Es war zwar noch kein Hochwasser, doch strömte er stärker und war er tiefer als sonst.
Wir merkten bald schon, dass wir in der schwarzen Nacht die Furt nicht genau gefunden hatten. Bei Tage war sie durch Stangen an beiden Ufern genau gekennzeichnet, zwischen denen man in gerader Linie reiten musste.
Wir waren etwas von der Furt abgekommen. Und so gerieten wir mit unseren völlig erschöpften Tieren auf schlammigen Grund. Oha, ich wusste, dass unter dem zähen Schlamm der Treibsand lauerte, besonders in der Flussmitte, wo die Strömung verhinderte, dass sich Schlamm auf dem Treibsand absetzt.
Ich spürte, wie unsere Pferde die Gefahr zu ahnen begannen und in Panik geraten wollten. Sie schnaubten nervös. Ihr Instinkt warnte sie.
Unsere Verfolger, angeführt von den Hunden, würden gleich am Fluss auftauchen. Und wenn sie anhielten und warteten, bis ihre Pferde sich beruhigt hatten, würden sie uns sicherlich im Fluss hören können.
Das Packpferd an der Leine begann plötzlich zu kämpfen. Nun war es von Panik erfasst. Es versuchte, von mir wegzukommen, zerrte an der Leine. Ich zerrte ebenfalls an der Leine, um es neben mir zu halten, und rief beruhigende Worte.
Vance Masterton, der vor uns durch den Fluss ritt, rief zurück: »Verdammt, was ist los mit dem Gaul? Bist du zu blöd, um ein Packpferd durch diesen verdammten Fluss zu führen?«
Oha, er war erschöpft, angeschossen mit einer bösen Wunde über einer Rippe, hatte Schmerzen und war am Ende seiner Kraft.
Ich konnte ihm seine Worte nicht übelnehmen.
Ja, ich achtete nicht einmal darauf, denn ich hatte zu viel mit dem verrückt gewordenen Tier zu tun.
Und dann sackte es plötzlich weg, es stand im Fluss nicht mehr auf seinen Beinen, aus welchen Gründen auch immer. Es legte sich auf die Seite und begann sich zu drehen, so dass es mit dem Bauch nach oben zu liegen kam.
Es lag gewiss an der schweren Last auf seinem Rücken. Diese Last zog mächtig. Ich begann zu begreifen, dass unser Packtier einen Schock erlitt, der es ohnmächtig werden ließ oder gar tötete.
Ich riss an der Leine, wollte es bei mir halten, nicht abtreiben lassen. Denn wir befanden uns jetzt mitten im Fluss. Mein Pferd verlor den Grund unter den Hufen und begann schnaubend zu schwimmen, selbst schon halb in Panik, als hätte es begriffen, was mit seinem Artgenossen geschah.
Nun fluchte ich wild.
Vance Masterton fluchte mit und rief irgendwelche Fragen. Er wusste, dass ich in der Klemme saß, konnte mir jedoch nicht helfen. Wahrscheinlich war es ihm unmöglich, sein schwimmendes Pferd in der Strömung zu wenden.
Ich zog wieder an der Leine, an der das abtreibende Packpferd hing.
Und da riss die Leine.
Ich heulte böse auf, versuchte mein schwimmendes Sattelpferd nach rechts zu ziehen, um dem abtreibenden Packpferd zu folgen.
Doch mein Sattelpferd gehorchte nicht – jedenfalls nicht sofort. Ich wusste, dass ich das abtreibende Packpferd in der schwarzen Nacht gewiss nicht finden würde.
Ich hatte keine Chance.
Und so ging uns in dieser Nacht mitten im Rio Grande für zehntausend Dollar Silber verloren.
Wir retteten nur unser nacktes Leben.
Als wir dann endlich auf unseren keuchenden Pferden das Texasufer erreichten, knickten den Tieren die Beine ein, und wir machten, dass wir aus den Sätteln kamen.
Wir hockten am Boden und sagten eine Weile nichts, keuchten nur.
Dann sprach Vance Masterton mit vor böser Wut zitternder Stimme: »So wird man vom Schicksal verarscht. Da reitet man hinüber nach Mexiko und entscheidet einen Krieg zwischen einem mächtigen Haziendero und einem nicht weniger mächtigen Minenbesitzer, bekommt für zehntausend Dollar Silber, weil der Minenbesitzer mit unserer Hilfe Sieger wurde, und fühlt sich so richtig großartig, und dann verreckt ein verdammter Gaul mitten im Fluss, reißt das verdammte Halteseil, und man steht wieder ganz am Anfang. Oder hast du die Hoffnung, dass wir morgen bei Tag den toten Gaul mit dem Silber irgendwo an den Ufern oder auf einer Untiefe finden?«
»Kaum«, erwiderte ich. »Die Nacht ist so schwarz wie der Orkus. Und der Gaul kann ebenso gut gleich hier festhängen wie fünfzig Meilen weiter flussabwärts. Doch wenn Letzteres der Fall sein sollte, wird er vielleicht von anderen Leuten gesehen, so dass diese früher an die Packlast herankommen als wir. Wir haben verdammt wenig Chancen. Und bevor wir morgen mit der Suche beginnen können, brauchen wir frische Pferde. Und vorher noch musst du zu einem Wundheiler, der sich auf Schusswunden versteht. Einen solchen Mann aber finden wir nur in der Stadt.«
Das sah er ein. Ich hörte es an seinem zustimmenden Knurren.
Dann lauschten wir über den Fluss.
Der war breit. Doch in der Nacht hörten wir drüben die Hunde kläffen, auch das Schnauben und Wiehern der Pferde. Wir konnten nichts sehen, doch wir wussten, dass unserer Verfolger jetzt berieten, ob sie uns nach Texas folgen oder aufgeben sollten.
Sie waren mexikanische Bandoleros, also Straßenräuber. Sie wussten, dass sie sich in keiner texanischen Stadt blicken lassen durften. Sonst würden sich die Bürger zusammenrotten und sie über den Rio Grande jagen. Kein Ort hier am Fluss durfte da irgendwelche Schwächen zeigen. Sonst hatte er ständig unter Bandoleros zu leiden. Vielleicht waren sie auch nicht mehr zahlreich genug, weil die meisten von ihnen die lange Jagd gar nicht durchgehalten hatten.
Wir verharrten noch eine Weile.
Dann sahen wir drüben ein Feuer leuchten. Sie hatten also ein Camp aufgeschlagen, um auszuruhen. Nein, sie würden nicht kommen. Die Jagd war aus.
Aber wir hatten dennoch unsere Silberbarren verloren.
Und wenn man es richtig bedachte, dann hatte uns das Schicksal regelrecht verarscht – und das nach Strich und Faden.
Wir erhoben uns.
Unsere Pferde hatten sich hingelegt. Wir hatten sie zuschanden geritten. Trotzdem war alles umsonst gewesen, verdammt! An diesen guten, treuen und unschuldigen Tieren hatten wir uns versündigt, sozusagen ein Verbrechen an ihnen begangen.
Doch so sind wir Menschen.
Immer wieder streben wir rücksichtslos nach Gewinn. Wenn es uns nützt, dann beuten wir auch die Treue der Tiere gnadenlos aus.
Als wir die Sättel und das wenige Gepäck von den stöhnenden Tieren zerrten, da verspürte ich ein Gefühl der Schuld, und ich kam mir wahrhaftig gemein vor.
Dann aber erinnerte ich mich daran, dass die Welt oft genug auch zu mir gemein gewesen war. Besonders als Kind und als Halbwüchsiger hatte ich die Gnadenlosigkeit des Lebens zu spüren bekommen, bis ich herausfand, dass die Schwachen schneller untergehen als die Starken und dies unter allen Lebewesen so ist.
Nein, Menschlichkeit und Güte hatte ich niemals kennengelernt.
Wir gingen mit unseren Sätteln und dem wenigen Gepäck auf die Lichter der Stadt zu. Und auch unsere Gewehre hatten wir bei uns.
Es war nicht sehr weit bis zur Stadt, etwa eine Viertelmeile bei leichter Steigung. Am Tag konnte man von der Stadt aus gewiss wunderschön auf den Fluss und dessen Biegung hinabblicken – auch weit hinüber nach Mexiko.
Aber jetzt war Nacht, und zu sehen waren nur die Lichter der Stadt.
Wir stolperten über die kleinsten Bodenunebenheiten, weil wir hundemüde waren und keine Hand vor den Augen sehen konnten. Endlich erreichten wir den staubigen Wagenweg, der von der Furt heraufkam.
Nun ließ es sich besser gehen.
Wir waren arglos, was die Stadt da vor uns betraf. Wir würden uns Pferde kaufen, ein wenig ausrüsten, ausruhen bis zum Morgen und Vances Wunde versorgen lassen. Dafür würden wir bezahlen. In unseren Taschen waren noch ein paar Dollars und Silberpesos. Von Besuchern wie uns lebte diese Stadt nicht zuletzt. Also würde sie freundlich zu uns sein. Schließlich waren wir ja auch Texaner.
2
So erschöpft, verbittert und ausgebrannt wir auch waren, hatten wir dennoch unsere früheren Lektionen nicht vergessen.
Und so suchten wir nicht zuerst nach einem Saloon oder einer Bodega, um unseren Hunger und Durst zu stillen, auch nicht nach einem Store, um Vorräte und Ausrüstung zu kaufen – nein, wir suchten nach dem Mietstall.
Denn zuerst mussten wir frische Pferde haben.
Dies allein würde uns frei und unabhängig machen. Auf einem Pferd konnte man jederzeit weiter.
Und selbst wenn die Stadt freundlich und friedlich war, so konnte man niemals wissen, was kommen würde.
Drüben im östlichen Sonora hatte es sich herumgesprochen, dass die beiden überlebenden Revolvermänner – Pistoleros hieß es drüben – mit Silber für zehntausend Dollar unterwegs nach Texas waren.
Und so konnte es sein, dass noch andere Hombres scharf darauf waren, nicht nur die Bande, die uns mit Hunden folgte.
Als wir die ersten Gebäude der Stadt erreichten, sahen wir, dass sich links des staubigen Wagenwegs der Mietstall befand. Es gab hier einige Corrals und Koppeln. Der Wagenhof der Post- und Frachtlinie schloss sich an.
Wir konnten nun endlich in die Stadt hineinsehen. Denn überall fielen Lichtbahnen aus Fenstern und offenen Türen. Vor den Hauseingängen hingen Laternen. Auch der Wagenhof und der Platz vor dem Mietstall waren von Laternen erhellt. Überhaupt war die doch recht kleine Stadt ganz besonders hell erleuchtet. Deshalb war sie uns von der anderen Seite aus sehr viel größer erschienen.
Doch so hell die Stadt auch beleuchtet war, Leben war kaum zu bemerken. Wir sahen kaum eine Bewegung auf den Plankengehsteigen längs der Adobehäuser oder unter den Arkaden.
Ein paar Pferde standen da und dort an den Haltebalken, auch einige Wagen waren abgestellt, doch sonst wirkte die Stadt wie ausgestorben.
Die Zeit des Abendessens war längst vorbei.
Um diese Zeit schliefen solche Städte noch nicht – und wenn, dann nicht mit Festbeleuchtung.
Wir hielten wie auf ein stillschweigendes Kommando an.
Hinter uns war die Nacht, vor deren Schwärze wir uns gewiss nicht abhoben.
Bisher begleitete uns unser Sporenklingeln. Doch wir legten unsere Sättel und unser Gepäck auf den Boden, knieten nieder und nahmen unsere Sporen ab.
Dann warfen wir uns wieder die Sättel mit den Satteltaschen und den Gewehren in den Sattelholstern über die Schultern und stolperten weiter.
Nun waren wir leiser.
Kein einziges Wort sprachen wir. Und dennoch war eine völlige Übereinstimmung zwischen uns. Wir hatten eine bestimmte Witterung bekommen. Noch hofften wir, dass wir uns täuschten.
Aber was auch los sein mochte mit dieser Stadt, wir brauchten Pferde.
Ohne Pferde waren wir so hilflos wie Fische in einem austrocknenden Tümpel, die das nächste Hochwasser nicht mehr erleben würden.
Im Hof des Mietstalls legten wir Sättel und Gepäck nieder. Aber wir zogen die Gewehre aus den Sattelholstern und luden sie möglichst leise durch.
Dann traten wir ein.
Im Vorraum hockte ein alter Bursche auf der großen Futterkiste und schnitzte an einem Ding herum, das mal ein hölzerner Kochlöffel werden konnte. Neben ihm lagen schon zwei solcher Kochlöffel in fertigem Zustand.
Der alte Bursche sah uns aus schrägen Falkenaugen an und nickte dann mit seinem Glatzkopf, wobei seine Segelohren sich bewegten.
»Meine Ohren sind noch gut«, sagte er, »doch ich habe euch wahrhaftig nicht gehört. Seid ihr am Ende Geister?«
Wir grinsten nur.
Dann fragte ich: »Kamen Fremde in die Stadt?«
Er nickte sofort bereitwillig: »Sicher«, erwiderte er. »Fünf harte Nummern. Langreiter. Oh, die armen Pferde! Und auch ihr seht mir so aus, als hättet ihr eure Tiere zerbrochen. Der Fluss hat euch den Pferdeschweiß nicht von den Hemden gewaschen.«
Ich nickte, tauschte mit Vance einen Blick und sagte: »Wir wollen zwei Pferde, gute. Wo stehen welche? Wenn sie draußen im Corral sind, dann hol sie herein, damit wir sie begutachten können. Los, Oldie!«
Oh, ich war sonst zu alten Burschen nicht so grob. Denn ich wusste immer, dass ich – wenn ich Glück hatte – eines Tages auch mal ein alter Bursche sein würde, so wie jeder großmäulige und großspurige Lümmel. Da kam jeder mal an die Reihe.
Doch jetzt war ich angespannt und nervös. Auch Vance ging es so. Wir witterten Verdruss und wollten raus, weg von hier.
Der alte Excowboy und Zureiter betrachtete uns mit einem Blick der Nachsicht und des weisen Wissens. Wahrscheinlich ahnte er, wie unsere nervliche Verfassung war. Wie unsere körperliche Verfassung war, konnte er mühelos erkennen.
Vielleicht dachte er bei unserem Anblick an zwei Wölfe auf der Flucht, die schon zu lange gejagt wurden und bei der nächsten Gelegenheit um sich beißen würden.
»Ich habe hier einige Hundertdollarpferde«, sagte er und erhob sich von der Futterkiste. »Und weil es Hundertdollarpferde sind, stehen sie im Stall. Es kommen nämlich in den schwarzen Nächten immer wieder Pferdediebe herüber. Da in den ersten fünf Boxen auf der linken Seite, da sind die feinen Tierchen.«
Wir nickten stumm und gingen, um uns die Tiere im Laternenschein anzusehen.
Hundertdollarpferde waren es nicht. Man konnte zurzeit in Texas schon für zwanzig Dollar ein recht gutes Tier bekommen. Diese da waren etwa fünfzig wert.
Und das sagten wir dem Stallmann und fügten hinzu, dass wir freiwillig sechzig Dollar für den Braunen und den Schecken zahlen würden.
Er starrte uns im Laternenschein an und begriff, dass wir nicht handeln, sondern ihm die Ohren lang ziehen würden. Denn wir standen gewissermaßen auf brennenden Sohlen.
Vielleicht strömten wir rücksichtslose Härte aus, gnadenlose Gefährlichkeit.
Er nickte.
»Gemacht«, sagte er. »Ich werde im Stallbüro die Quittungen ausstellen, damit man euch nicht als Pferdediebe hängen kann, hahaha!«
Sein Lachen war misstönig und konnte die Spannung nicht lockern.
Es war dann keine zehn Minuten später, als wir mit unseren neuen Pferden den Stall verließen. Obwohl die Tiere gesattelt waren, ritten wir nicht. Wir führten sie dicht am Kopfgeschirr, hielten uns zwischen ihnen, gingen also Schulter an Schulter und hatten die Tiere rechts und links von uns als Deckung.
In den freien Händen hielten wir die Gewehre am Kolbenhals gefasst und mit den Fingern am Abzug.
So gingen wir weiter in die Stadt hinein und erreichten den Store.
Hier hielten wir an.
Vance ging hinein. Ich blieb draußen und wartete lauernd. Ja, ich konnte etwas wittern.
Diese Stadt war zu hell erleuchtet und zu still. Es war mir, als hockten die Bürger dieser Stadt alle mit angehaltenem Atem in ihren Häusern und warteten.
Immerzu dachte ich an die fünf Reiter, von denen der Stallmann uns erzählte, an die fünf harten Nummern auf abgehetzten Pferden.
Verdammt!
Immer wieder dachte ich dieses Wort.
Vance kam etwas schief herausgehinkt. Er hatte sich zwei gefüllte Säckchen, die zusammengebunden waren, über eine Schulter geworfen, so dass er die Hände nicht zum Tragen gebrauchen musste.
Er hängte die beiden gefüllten Säckchen ans Sattelhorn.
»Hast du auch was für deine Wunde gekauft?« So fragte ich.
»Sicher«, knurrte er.
Wir verhielten noch einige Sekunden zwischen unseren Pferden.
Plötzlich lachte er leise und sagte dann: »He, was kann uns schon passieren? Wir haben das Silber doch gar nicht mehr. Und wenn die fünf Hombres deswegen hier auf uns gewartet haben, dann können wir unsere Enttäuschung an sie weitergeben, oha!«
Ja, so war es wohl wirklich. Vielleicht sah er es richtig.