Vorwort

So gut wie jeder in der Entwicklung, Produktion oder Forschung tätige Ingenieur, Techniker bzw. Naturwissenschaftler muss sich regelmäßig mit dem Messen elektrischer oder nichtelektrischer Größen beschäftigen. Das Kompendium Messtechnik und Sensorik, dessen fünftes Kapitel in Form dieses E-Books ausgekoppelt wurde, behandelt die dafür relevanten messtechnischen Grundlagen aus anwendungsorientierter Sicht. Es ist für das Selbststudium gedacht. Zusätzlich wird dem/der Leser/-in auf www.messtechnik-und-sensorik.org ein aus Multiple Choice-Fragen bestehender, frei zugänglicher Online-Test angeboten, bei dessen Bestehen er/sie sich ein von mir unterzeichnetes persönliches Fortbildungszertifikat zusenden lassen kann.

Das Kompendium ist als Grundlagenüberblick zwischen rein akademischer Theorie und ausschließlich gerätebezogener Anwendungspraxis angesiedelt. Es möchte auf effiziente Art das notwendige Basis-Know-how vermitteln, um messtechnische Aufgabenstellungen auf einer fundierten Grundlage selbständig anzugehen.

Das Kompendium wendet sich einerseits an im Beruf stehende Ingenieure, Techniker und Naturwissenschaftler, die messtechnische Systeme einsetzen oder dies planen. Andererseits an Studierende und Lehrende in technischen Bachelor- und Masterstudiengängen, die mit diesbezüglichen Fragestellungen in Lehrveranstaltungen oder studentischen Arbeiten (Abschlussarbeiten, Praktika, Studienarbeiten) befasst sind. Gleichermaßen sind diejenigen adressiert, die in weiterführende technische Ausbildungen involviert sind z.B. an Techniker- und Meisterschulen.

Der Autor hat eine Professur für Regelungstechnik und Elektrische Messtechnik an der Universität der Bundeswehr München inne ( www.unibw.de/regelungs-und-messtechnik bzw. www.prof-boettcher.de ). Mit der in diesem Kompendium behandelten Thematik beschäftigt er sich außer in einer einschlägigen Lehrveranstaltung in vielen Projekten mit Studierenden. Parallel dazu führt er laufend industrielle Kooperationsvorhaben bevorzugt mit mittelständischen Unternehmen durch.

Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern viel Freude bei der Lektüre.

München/Neubiberg, im August 2019

Jörg Böttcher

Oszilloskop und Spektrumanalysator

Messtechnik findet sich in nahezu allen automatisierten technischen Systemen. Sie ist dort oftmals impliziter Bestandteil der kompletten Hard- und Softwarestruktur und als solche für den Nutzer oft nicht direkt sichtbar. Explizit erkennbar ist Messtechnik dagegen, wenn der Nutzer diese in Form von Messgeräten anwendet. Dies kann z.B. im Labor, Prüffeld oder auch im Wartungseinsatz erfolgen. Paradebeispiel eines wohl den meisten Lesern schon bekannten Messgeräts ist das Multimeter, das als Handgerät oder Laborgerät Spannungen, Ströme, ohmsche Widerstände und teilweise auch weitere Größen wie Frequenzen oder (mit beiliegenden Sensoren) Temperaturen messen kann. Insbesondere im Labor finden sich etliche Hilfsgeräte, die für messtechnische Aufgabenstellungen dort meist benötigt werden, darunter z.B. Netzteile oder Signalgeneratoren. Wir wollen in diesem Kompendium weder auf deren inneren Aufbau eingehen noch uns mit der praktischen Gerätebedienung beschäftigen. Ersteres ist für die messtechnische Praxis nicht relevant, letzteres lernt man gerätespezifisch am besten bei der konkreten Arbeit damit.

Zwei etwas komplexere Messgeräte wollen wir dennoch etwas genauer betrachten. Dies ist zunächst das Oszilloskop, das Spannungsverläufe periodischer sowie einmaliger Signale über der Zeit darstellt. Außerdem geht es um den Spektrumanalysator, der über eine gewisse Messzeit ein Spannungssignal beobachtet und dann die darin enthaltenen Frequenzanteile („Spektrum“) grafisch ausgibt. Obwohl beide Gerätearten zunächst nur elektrische Spannungen messen können, lassen sich alle anderen messtechnischen Größen ebenfalls damit darstellen, insofern sie in elektrische Spannungen umgeformt werden. Insbesondere bei von Sensoren generierten Signalen ist dies interessant. Exemplarisch sei die Analyse des Signals eines Beschleunigungssensors genannt, der an einem laufenden Motorgehäuse angebracht ist und dadurch dessen Schwingungsverhalten erfasst. Sämtliche mit Oszilloskop und Spektrumanalysator durchgeführten Signalanalysen lassen sich in ähnlicher Art auch implizit z.B. mit Embedded Systemen im Rahmen einer nachfolgenden automatisierungstechnischen Lösung realisieren.

Oszilloskop

Ein Oszilloskop sieht von vorne betrachtet meist in etwa so aus, wie dies in Bild 1 vereinfacht skizziert ist. Über sog. BNC-Buchsen - einem koaxialen Bajonett-Anschluss bereits aus den späten 1940er-Jahren, im Kürzel ergänzt um die zwei Anfangsbuchstaben der Entwickler Paul Neill und Carl Concelman - können ein bis max. acht Spannungssignale für eine Anzeige im Display angelegt werden (Bild 2).

Bild 1: Oszilloskop

Bild 2: X- und Y-Empfindlichkeit

Die X-Achse stellt im Normalbetrieb die verstrichene Zeit dar. Die vergangene Zeit zwischen zwei hierzu im Display eingeblendeten senkrechten Hilfslinien (sog. Division, div) kann in einem weiten Bereich eingestellt werden. Man spricht hierbei von der horizontalen Empfindlichkeit bzw. dem horizontalen Ablenkkoeffizienten. Ebensolches gilt für die Y-Achse, die bzgl. der Spannungsdarstellung skaliert werden kann. Hiermit zusammen hängen auch die Einstellungen des Anfangs der Signaldarstellung in horizontaler Position ( t = 0) und der Nulllinie (Ground GND). Wir werden gleich sehen, dass wir für den Signalbeginn bei t = 0 eine sog. Triggerbedingung signalseitig definieren. Die im Display links gezeigten Signalverläufe vor diesem Zeitpunkt stellen somit die Vergangenheit dar. Letzteres ist möglich, da das Oszilloskop kontinuierlich die Signale einliest und dabei immer eine gewisse Signalhistorie speichert.