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Inhalt

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Über dieses Buch

Über die Autorin

Titel

Impressum

Widmung

Prolog

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Danksagung

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SEAL Team 12 – Aus dem Dunkel

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SEAL Team 12 – Gefährliche Suche

SEAL Team 12 – Im letzten Augenblick

Über dieses Buch

Der Verräter ist mitten unter ihnen …

DIA-Agentin Hannah Geary will Rache! Ein Verräter in den Reihen der Navy hat ihren Partner getötet und sie ins Gefängnis gebracht. Der Schuldige ist noch immer auf freiem Fuß und in zwielichtige Waffengeschäfte verstrickt. Um ihm das Handwerk zu legen, ist Hannah auf die Hilfe des Militärs angewiesen. SEAL Luther Lindstrom entdeckt schon bald eine heiße Spur, und zusammen eröffnen sie die Jagd. Zum ersten Mal seit Langem wird Hannah nicht nur von Rachegedanken beherrscht, denn der attraktive SEAL weckt verwirrende Gefühle in ihr …

eBooks von beHEARTBEAT – Herzklopfen garantiert.

Über die Autorin

Marliss Melton hat fast überall in der Welt gelebt, da ihr Vater Diplomat war. Ihr Mann ist aus der Marine ausgeschieden. Sie nutzt ihre Weltkenntnis und ihre Militärkontakte, um realistische und aufrichtige Romane zu schreiben.

MARLISS MELTON

SEAL Team 12

GEBROCHENE VERSPRECHEN

Aus dem amerikanischen Englisch
von Ralf Schmitz

In Erinnerung an Pat Tillman, der seine Footballkarriere an den Nagel hing, um U. S. Army Ranger zu werden. Dieser unglaubliche Patriot kam am 22. April 2004 bei einem Feuergefecht im Südosten von Afghanistan ums Leben. Er war gerade mal siebenundzwanzig Jahre alt. Wenn Lebensjahre nach Mut, Opferbereitschaft und Hingabe bemessen würden, hätte Pat Tillman jedoch länger gelebt als die meisten. Mit Sicherheit hat er intensiver gelebt.

Für meinen Bruder, dessen stille Integrität sich im Helden meines Buches widerspiegelt.

Prolog

Santiago de Cuba

3. September, 15 Uhr 46

Das hohe Sirren eines Moskitos riss Hannah aus ihrem Drogenschlaf. Sie setzte sich auf, ihr pochte das Herz in der Erwartung höchster Gefahr, ihr Körper war schweißgebadet. Sie fand sich allein und desorientiert in einem Raum, den sie ganz allmählich deutlicher erkennen konnte.

Wo bin ich?

Abgesehen von dem Moskito und dem Trommeln ihres Herzschlags hörte sie nur, wie draußen vor dem vergitterten Fenster der Regen niederprasselte. Sie hatte das Bewusstsein zuvor schon einmal wiedererlangt, lange genug, um unter sich die schwankenden Bewegungen eines Boots wahrzunehmen. Doch davon spürte sie nun nichts mehr. Offenbar befand sie sich wieder an Land.

Schwach vor Hunger und Durst schwang Hannah die Beine über die Bettkante. Die Drogen, die ihren Organismus verseuchten, bewirkten, dass die Wände näher rückten, der Boden sich nach oben hob und gegen ihre bloßen Fußsohlen prallte. Sie hielt still, bis diese unliebsame Wirkung nachließ.

Sie saß in einer trostlosen Zelle zwischen vier steinernen Wänden, einer Tür und einem Fenster. Die Pritsche, auf der sie hockte, war mit Ketten an der Wand hinter ihr aufgehängt. Nahebei gab es einen primitiven Abort, von dem ein übler Gestank aufstieg.

Warum bin ich hier? Was ist passiert?

Hannah presste die Finger gegen ihre feuchtkalte Stirn und versuchte, gegen die plötzlich aufsteigende Übelkeit anzudenken. Erinnerungen schossen ihr durch den Kopf: Wie sie im Rückspiegel ihres Mustangs einen braunen Lieferwagen mit einem glänzenden Kühlergrill näher kommen sah und sich eine Frau mit flammend rotem Haar aus dem Beifahrerfenster beugte und mit einem Gewehr auf sie zielte. Pop! Der gedämpfte Schuss traf einen der Hinterreifen von Hannahs Wagen. Sie umklammerte das Lenkrad und versuchte, das Auto unter Kontrolle zu halten.

Damit war ihr Versuch, die Behörden zu verständigen, vereitelt. Aus Rache stieg Hannah wütend auf die Bremse, worauf der Transporter krachend auf ihren Wagen auffuhr. Crash!

Der Mustang war noch in Bewegung, als sie die Fahrertür aufstieß und hinaussprang. Wenn sie nicht schleunigst wegkam, würden diese Leute sie umbringen, genau wie sie es mit ihrem Kollegen getan hatten. Doch sie lief einem Riesenkerl mit hellen Augen in die Arme, der offenbar schneller in die Gänge gekommen war als sie. Er packte sie, sein Griff war wie ein Schraubstock, und drückte ihr einen feuchten Lappen aufs Gesicht. Hannah hielt die Luft an, doch während sie sich zu befreien versuchte, stiegen ihr beißende Chloroformdämpfe in die Nase. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie die Frau sich mit Spezialwerkzeug in der Hand zu dem Hinterreifen des Mustangs hinabbeugte. Sekunden später hatte sie ihn geflickt und aufgepumpt, stieg dann in das Auto und fuhr davon. Der Mann drängte Hannah in den Laderaum seines Transporters. Ihr war klar, dass er sie töten würde, weil sie zu viel wusste.

Bloß dass sie nicht tot war … jedenfalls noch nicht.

Statt sie zu töten, hatte er ihr eine Spritze verpasst und sie auf ein Boot verfrachtet, das endlos auf stürmischer See dahinschaukelte.

Hannah stand mit unsicher zitternden Knien auf. Damit der Raum nicht vor ihren Augen schwankte, musste sie sich mit beiden Händen den Kopf halten. Da entdeckte sie zwei Schüsseln vor der Tür auf dem Boden stehen und schlurfte darauf zu.

In einer war Wasser, in der anderen Reis. Sie sank auf die Knie und sog das Wasser in ihren ausgetrockneten Mund. Den Reis aß sie mit mehr Bedacht und betete, dass ihm nicht mehr von den Drogen beigemischt waren, die sie – wie lange eigentlich? – bewusstlos gehalten hatten.

Schon seit Tagen.

Während sie kaute und schluckte, prüfte sie die Tür vor ihr. Sie bestand aus Edelstahl, war fest in der Wand verankert und hätte gut in eine Schweizer Bank gepasst, mal abgesehen von der Klappe, durch die man ihr vermutlich ihr Essen hingeschoben hatte. Ein Blick hindurch offenbarte auf der anderen Seite einen verlassen daliegenden, weiß getünchten Korridor.

Als sie die Schüsseln geleert hatte, kam Hannah auf die Beine und wollte herausfinden, wo sie war. Sie ging zum Fenster und sah hinaus. Regen prasselte auf das, was sie für einen zwei Stockwerke tiefer liegenden, gefliesten Innenhof hielt. Die Vegetation in Gestalt von Bougainvillea hatte das Areal fest im Griff. Kreuz und quer wuchsen Ranken über den altertümlichen Hof und schienen etwas zu strangulieren, das früher mal ein Brunnen gewesen war. Im Schatten eines Eingangs standen zwei lateinamerikanisch aussehende Männer in Kampfanzügen. Beide trugen Gewehre bei sich. Hannah war offenbar in so etwas wie einer alten Festung eingesperrt.

Jenseits der Mauer fegte der strömende Regen über ein turmalingrünes, breites, tiefes und wie ein Hufeisen geformtes Gewässer. In Anbetracht der eigentümlichen Farbe des Wassers und der den Sandstrand säumenden Palmen konnte sie sich irgendwo in der Karibik oder sogar in Äquatornähe an der Pazifikküste befinden. Protzige Hotels auf der anderen Seite der Bucht verrieten, dass es in dieser Gegend Tourismus gab. So nah und doch so fern kündeten sie höhnisch von Freiheit.

Hannah fröstelte trotz der drückenden Schwüle. Wenn sie nach drei Jahren des Studiums von Satellitenbildern und topografischen Karten nicht herausfinden konnte, wo sie war, würde sie auch sonst niemand hier aufspüren, selbst wenn es gelänge, die Verkettung bizarrer Ereignisse zu rekonstruieren, die sie hierher gebracht hatte.

Sie hätte genauso gut über den Rand der Welt gefallen sein können.

1

Naval Air Station Annex Dam Neck

Virginia Beach

16. September, 20 Uhr 12

»Wir werden uns das nicht gefallen lassen«, versicherte Luther seinen Untergebenen.

Die aus vier Männern bestehende SEAL-Einheit saß auf der Veranda des Shifting Sands Club, im Hintergrund verdüsterte sich der Himmel und die Wellen des Atlantiks schlugen an den Strand. Durch die Fenster des Restaurants drang Gelächter und das Klirren von Geschirr. Das über dem Meer tobende Gewitter hatte bis auf die SEALs alle nach drinnen vertrieben. Aus dem Restaurant hinter ihnen fiel gerade genug Licht, dass Luther jeden Einzelnen der um den steinernen Verandatisch Versammelten erkennen konnte. Chief Westy McCaffrey hatte sich in Vorbereitung auf seinen Einsatz in Malaysia einen Vollbart zugelegt. Teddy »Bear« Brewbaker war ein schwarzer Marineunteroffizier und ebenso breit wie hoch. Und Vinny De Innocentis, genannt der Pate und gerade mal neunzehn Jahre alt, besaß eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem jungen Al Pacino.

Luther Lindstrom war der OIC, der Kommandierende Offizier der Einheit. Als Vollblutamerikaner und Überflieger aus der oberen Mittelschicht von Houston hätte Luther bis zum heutigen Tag geschworen, dass Uncle Sam nichts falsch machen konnte, doch angesichts der Erkenntnisse des Navy CIS war er auf schwindelerregende Weise seiner Illusionen beraubt worden.

»Ein verdammtes Vertuschungsmanöver«, erklärte Westy und trank einen Schluck Bier.

Was sonst? Vor einer Woche war ihnen von Admiral Johansen versichert worden, dass Commander Lovitt sich für das Fiasko an Bord der USS Nor’easter würde verantworten müssen, doch dann hatte der NCIS von seinen Ermittlungen Abstand genommen und den falschen Mann beschuldigt.

Und jetzt sollte ihr Zugführer, Lieutenant Gabe Renault, alias Jaguar, für die Verbrechen angeklagt werden, für die in Wahrheit Commander Lovitt verantwortlich war.

»Die Navy will einen Skandal vermeiden«, stimmte Luther zu.

»Wie sollen wir beweisen, dass Commander Lovitt Jaguar umbringen wollte?«, schimpfte Teddy. »Überlegt doch mal. Alle sind tot.« Er hob eine fleischige Hand und begann, die Toten an seinen Fingern abzuzählen. »Der DIA-Beamte, der seine Nase vor einem Monat in die Sache gesteckt hat, starb bei einem Autounfall. Der zweite, der uns das Notizbuch beschaffen sollte, wurde nicht mehr gesehen. Danach hat sich sein Executive Officer eine Kugel in den Kopf geschossen. Wen haben wir noch?«

Niemanden, dachte Luther. Lovitt hatte ganze Arbeit geleistet und seine Spuren verwischt, bloß Jaguar hatte er nicht so einfach kaltmachen können. Dessen Erinnerungsvermögen war allerdings aufgrund von Posttraumatischen Belastungsstörungen getrübt.

»Aber, Scheiße, wir können doch nicht bloß hier herumsitzen!«, rief Vinny aus und schlug auf den Tisch.

Luther massierte sich die verspannten Nackenmuskeln. Er wollte auch nicht mitansehen, wie Jaguar für die von Lovitt verursachte Katastrophe verknackt wurde, doch auf welche Weise konnten sie beweisen, dass der Commander zur Verantwortung zu ziehen war, wenn nicht durch ihre Zeugenaussagen, die das NCIS jedoch offensichtlich ignoriert hatte?

»Sir.«

Luther blickte auf. Da stand Sebastian León, der zur Überraschung aller vier Männer unversehens aus der Dunkelheit aufgetaucht war. Der Master Chief des SEAL-Teams 12 besaß die Gabe, immer dann aufzutauchen, wenn er am dringendsten gebraucht wurde. Luther hoffte, dass dem auch jetzt so war.

Sebastian salutierte kurz und ließ sich neben Vinny auf die Bank fallen. »Ich habe Neuigkeiten«, sagte er. Wegen seines wie immer ausdruckslosen Gesichts konnte man unmöglich vorhersagen, ob es sich um gute oder schlechte Nachrichten handelte. »Das FBI glaubt, Hannah Geary gefunden zu haben«, teilte er in einem Englisch mit, in dem ein leichter Akzent mitschwang. »Sie wollen, dass wir helfen, sie rauszuholen.«

Die Männer wechselten kurz Blicke.

»Rausholen? Also lebt sie noch?«, fragte Vinny erstaunt.

»Ja, sie lebt«, bekräftigte Sebastian. »Wo sie ist, wollte man mir aber nicht verraten.«

Luther hatte früher schon mit dem FBI zusammengearbeitet. »Wer leitet die Ermittlungen?«, wollte er wissen, weil er sich fragte, ob sie rein zufällig oder mit Vorbedacht um Hilfe gebeten wurden.

»Einer ihrer Topleute. Special Agent Valentino.«

Luther zog die Augenbrauen hoch. Valentino war eine Legende, seit er riesige Drogenkartelle gesprengt und zwei Unberührbare aus der italienischen Mafia dingfest gemacht hatte. Warum sollte er sich für das Verschwinden einer einzelnen Frau interessieren?

»Ich bin dabei«, meldete sich der stets rastlose Westy. »Bis zu meinem nächsten Einsatz bleiben mir noch zwei Wochen.«

»Ich begleite Sie, Chief«, sagte Luther. »Ich würde dem FBI gern einen Floh ins Ohr setzen, falls da nicht schon längst einer drinsitzt.«

»Das sind die Kontaktinformationen, Sir.« Sebastian gab Luther ein zusammengefaltetes Blatt Papier.

»Hey, wenn wir Gearys Zeugenaussage kriegen, haben wir womöglich was in der Hand, um Jaguar reinzuwaschen«, folgerte Vinny.

Luther rechnete fest damit. In seinem Kopf nahm eine Strategie Gestalt an. Er ließ sich einen Moment Zeit, um das Ganze zu durchdenken. »Okay, Leute, wir gehen folgendermaßen vor: Westy und ich spüren Geary auf und bringen sie hierher, damit sie für uns aussagen kann. Master Chief, Sie und Vinny müssen in die Wohnung des Executive Officer einbrechen und dort nach Beweisen dafür suchen, dass Miller sich nicht selbst umgebracht hat.«

»Ich würde das lieber allein machen, Sir«, sagte der Master Chief leise. SEALs gingen stets zu zweit oder in kleinen Gruppen vor, niemals allein. Luther sah Sebastian fragend an.

»Wir könnten uns alle vor Gericht verantworten müssen, wenn Jaguar verurteilt werden sollte«, erklärte dieser. »Da genügt es im Moment, wenn einer von uns die Grenzen überschreitet.«

Da war etwas dran, und da Sebastian den höchsten Rang innehatte, den man als Matrose erreichen konnte, wäre schon ein Kongressbeschluss erforderlich, um ihm seine Pensionsansprüche zu streichen. »Sie haben recht«, nickte Luther und wandte seine Aufmerksamkeit Teddy zu. »Teddy, Sie und Vinny halten bei den Special Operations die Stellung, während Westy und ich im Einsatz sind.«

»Jawohl, Sir«, brummten beide, fraglos enttäuscht, weil sie nicht aus dem Büro herauskamen.

Ein Blitz erhellte die entschlossenen Gesichter der Männer, gefolgt von Donnergrollen über ihnen, und ein Regentropfen klatschte auf Luthers Wange. »Wir machen alle jeden Abend Meldung. Jaguars Verhandlung beginnt am Freitag. Ich möchte, dass Sie alle um null achthundert in Galauniform im Gerichtsgebäude aufschlagen. Noch Fragen?«

Die Männer sahen einander an. »Nein, Sir.«

»Machen wir Schluss für heute.« Nun, da sie einen Plan hatten, konnte Luther es nicht abwarten, die Kugel ins Rollen zu bringen. Er stand auf und überragte so seine Kameraden.

Als der einzige anwesende Offizier fühlte er sich den Mitgliedern seines Teams ebenso verpflichtet wie Jaguar, der als Zugführer sein unmittelbarer Vorgesetzter war. »Jaguar wird für diese Sache nicht in den Bau gehen, Jungs«, versicherte er seinen Kameraden und sah mit festem Blick in die Runde. »Ich hole Sie um null vierhundert ab, Chief«, fügte er an Westy gerichtet hinzu, bevor er sich abwandte.

»Gute Nacht, Sir«, riefen die Männer.

Luther lief die Stufen zum Parkplatz hinunter. Als er in seinen Ford F150 sprang, ging der Regen erst richtig los. Die Scheibenwischer schwangen im höchsten Tempo hin und her, während er zu seinem in der Vorstadt gelegenen Mietshaus im Ranchstil fuhr. An kostspielige Bleiben war für Luther nicht zu denken, jedenfalls nicht mehr. Nach seinem Abschied von der NFL hatte er seinen privilegierten Lebensstil aufgeben müssen. Als er in seine Auffahrt bog, registrierte er die abgedunkelten Fenster und zog eine Flunsch. Niemand wartete auf ihn, aber hey, das war okay so. Seit er Veronica den Laufpass gegeben hatte, konnte er wenigstens wieder hoch erhobenen Hauptes durchs Leben gehen. Immer noch besser, alleine zu sein, als sich zum Narren halten zu lassen. Den Fehler würde er nicht noch einmal machen.

Er hastete zum Eingang und wandte den Blick von dem fast leer geräumten Wohnbereich ab, als er Licht machte. Seine Exverlobte hatte, abgesehen von dem lodengrünen Sofa, das zu schwer war, um es von der Stelle zu bewegen, sämtliche Möbel mitgenommen.

Er kickte seine Turnschuhe weg und streifte das feuchte T-Shirt ab. Es war eine Affenschande, dass Jaguar im Bau saß, aber irgendwie war Luther auch dankbar dafür. So konnte er seine Energie darauf verwenden, Lovitts Niederträchtigkeit und Jaguars Unschuld zu beweisen, was eindeutig besser war, als in seinem verwaisten Haus herumzutigern und sich zu fragen, an welchem Punkt seine Heiratspläne aus dem Ruder gelaufen waren.

Ronnie war hübsch gewesen, gebildet und kam aus einer intakten Familie. Woher hätte er wissen sollen, dass die körperliche Anziehung verpuffen und diese Frau sich mit anderen Kerlen einlassen würde, sodass er wie ein Idiot dastand? Seine Absicht, ein normales, einfaches Leben zu führen, war von Ronnies Kompliziertheit untergraben worden.

Wenn er sich jemals wieder verlobte, würde er sichergehen, dass seine Zukünftige etwas auf dem Kasten hätte, aber keinesfalls schwierig wäre, sondern eine vernünftige Frau mit Sinn fürs Praktische und häuslichen Träumen.

Er hasste es, wenn ein gut durchdachter Plan schiefging.

FBI Hauptquartier

Washington, D. C.

17. September, 10 Uhr 42

Special Agent Rafael Valentino sah kein bisschen so aus wie der abgebrühte FBI-Agent, den Luther sich vorgestellt hatte. Er trug einen schwarzen Rollkragenpullover zu einem silbergrauen Armani-Anzug. Sein grau meliertes, ebenholzschwarzes Haar war von der breiten Stirn zurückgekämmt, wodurch sein Aussehen eher an den berühmten NBA-Trainer Pat Riley erinnerte als an einen Veteranen des NYPD, der er dem Messingschild an der Wand hinter seinem polierten Schreibtisch zufolge tatsächlich war.

»Setzen Sie sich«, bat Valentino mit gedämpfter Baritonstimme.

Luther und Westy nahmen auf eleganten Ledersesseln Platz, während Valentino bedächtig die Aktenstapel auf seinem Schreibtisch durchging. Der Mann musste auf die vierzig zugehen, doch abgesehen von den grauen Strähnen wirkte er deutlich jünger. »Ich habe hier eine Aussage, die Ihr Master Chief gegenüber der Militärpolizei in Quantico gemacht hat, nachdem Miss Gearys Fahrzeug dort gefunden worden war«, sagte er leise. Er schlug eine Akte auf und blätterte darin. »Offenbar war Miss Geary mit Informationen nach Quantico unterwegs, die Ihren Commander mit Waffendiebstahl in Verbindung brachten?«

»Richtig«, antwortete Luther.

Valentino lehnte sich gegen die hohe Rückenlehne seines thronartigen Sessels und sah aus seinen dunklen, undurchdringlichen Augen zuerst Luther und dann Westy an. Luther hatte den deutlichen Eindruck, dass der Mann ihren Charakter einschätzte. »Ich werde Ihnen nun etwas verraten, das innerhalb dieser vier Wände bleiben muss«, teilte er ihnen dann mit.

Luther hielt die Luft an.

»Uns ist bekannt, dass Ihr Commander Waffen gestohlen hat.«

Erleichterung kam in Luther auf, wurde jedoch durch Valentinos nächste Worte gleich wieder zunichtegemacht.

»Aber fürs Erste müssen wir ihn gewähren lassen. Wir wollen den Mann, für den er arbeitet – eine Person, die sich selbst ›das Individuum‹ nennt.«

Was du nicht sagst! Luther warf Westy, in dessen blauen Augen ein Funkeln lag, einen erstaunten Blick zu.

»Das Individuum beliefert diverse politische Gruppierungen in der ganzen Welt«, fügte Valentino hinzu. »Die gestohlenen Waffen gelangen in Nigeria, Haiti und im Jemen in die Hände unberechenbarer Splittergruppen. Ich bin sicher, Sie begreifen, wie gefährlich das ist.«

»Absolut«, sagte Luther. Kaum zu glauben, dass Lovitt bei derartigen Machenschaften die Hände im Spiel hatte. Wäre es nicht großartig, wenn sie das belegen könnten? »Ich nehme an, Sie haben Beweise dafür, dass Lovitt darin verwickelt ist?«, wollte er wissen und fragte sich zugleich, was er tun musste, um ihn in die Finger zu kriegen.

Valentino sah ihn nur an. »Wir haben eine E-Mail abgefangen, die wir bis zu Lovitts IP-Adresse zurückverfolgen konnten. Darin geht es um eine bestimmte zur Verschiffung bereite Fracht. Aber fürs Erste behalte ich diesen Hinweis für mich.«

»Wer ist das Individuum?«, fragte Westy geradeheraus, wie es seine Art war; er hasste lange Wortwechsel.

»Tut mir leid«, gab Valentino mit ausdrucksloser Miene zurück. »Unsere Ermittlungen haben einen kritischen Punkt erreicht. Da kann ich mir keine undichte Stelle erlauben.« Er zog einen zweiten Stapel Papiere zu sich heran. »Aber ich kann Ihnen verraten, dass das Individuum Miss Geary kennt. Möglicherweise ist das der Grund, warum sie noch am Leben ist.«

Aber … Luther sah Westy an. Sie hatten angenommen, Lovitt sei für das Verschwinden der Frau verantwortlich.

»Einer der Käufer des Individuums ist ein Kubaner, ein potenzieller Revolutionär namens Pinzón. Nach unseren Erkenntnissen hält er auf seinem in Santiago gelegenen Stützpunkt eine Amerikanerin fest.«

Luther hob die Augenbrauen. »Santiago … Kuba?«

»Richtig.«

»Wie ist Geary denn von Quantico nach Kuba gelangt?«, fragte er konsterniert.

»Sie war nie in Quantico. Wir haben eine Weile gebraucht, bis uns das klar wurde«, gab der FBI-Agent zu. »Vor allem weil die Wachen in Quantico sich daran erinnern konnten, eine Rothaarige in einem grünen Mustang durchgewunken zu haben. Erst als wir in Erwägung zogen, dass diese Frau nicht Miss Geary war, ergaben sich auch andere Richtungen für unsere Ermittlungen.«

Er schlug eine weitere Akte auf und las daraus vor. »Am 29. August um 14 Uhr 23 berichteten Autofahrer der State Police von einer Verfolgungsjagd auf der Interstate 95 südlich von D. C. Spätere Anrufer meldeten einen Unfall mit mindestens einem Verletzten, in den ein Kleintransporter und ein Mustang verwickelt waren.« Er blickte auf. »Wir vermuten, dass Miss Geary zu diesem Zeitpunkt in dem zweiten Fahrzeug entführt wurde. Ihr Wagen wurde später in Quantico sichergestellt, er hatte einen geflickten Hinterreifen und wies Anzeichen eines erst vor Kurzem erfolgten Zusammenstoßes auf.

Die Spur verlief sich, bis die Polizei von Occoquan uns Videoaufnahmen von einem Mann vorlegte, der eine Frau, zu der Miss Gearys Beschreibung passte, auf eine gestohlene Yacht verschleppte. Bei diesem Mann handelte es sich um Misalov Obradovic.« Valentino entnahm der Akte zwei Fotografien und schob sie über den Schreibtisch, damit die beiden SEALs prüfend einen Blick darauf werfen konnten.

Westy blickte missmutig auf das Foto des Mannes. »Kommt mir bekannt vor.«

»Das sollte er auch«, sagte der FBI-Agent. »Obradovic ist ein serbischer Auftragsmörder. Er und seine Frau standen jahrelang ganz oben auf unserer Fahndungsliste. Mit einer Perücke sieht seine Frau Miss Geary ähnlich genug, um mit ihrem Ausweis in Quantico durchzukommen. Wir glauben, sie hat den Wagen dagelassen, um uns in die Irre zu führen.«

Luther prägte sich die Züge der versteinert dreinblickenden Verbrecher ein. Hannah Geary ist bestimmt vor Angst durchgedreht, überlegte er, als er über sie nachdachte.

»Was die Yacht angeht, ist es mir gelungen, ihren Weg mithilfe kommerzieller Satellitenbilder und des Schiffsfunkverkehrs zu verfolgen. Alles weist auf den Zielort Santiago hin.«

»Warum schicken Sie nicht Ihre eigenen Leute hin, wenn Sie wissen, wo sie ist?«, fragte Luther. Es musste einen Grund dafür geben, dass Valentino sich ausgerechnet an sie gewandt hatte.

»Weil ich schon mal so weit war«, gab dieser zu und legte eine elegant wirkende Hand auf die gerade geschlossene Akte. »Das Individuum ist für uns kein Unbekannter; wir wissen seit Jahren von seinen Machenschaften. Als ich ihm das letzte Mal so dicht auf den Fersen war, ist er einfach von der Bildfläche verschwunden. Wenn er Wind davon bekommt, dass ich zum entscheidenden Schlag aushole, bricht er seine Zelte ab, noch ehe ich den Beweis, mit dem ich ihn dingfest machen kann, in der Hand halte. Ich brauche Sie, um meine Ermittlungen zu verschleiern«, kam der FBI-Agent auf den Punkt.

Luther sah ihn lange nachdenklich an. »Einverstanden«, sagte er schließlich, »aber wir wollen eine Gegenleistung. Wenn diese Frau, Geary, noch lebt und wohlauf ist, möchten wir sie uns ausleihen.« Dann fasste er Jaguars Lage zusammen und erklärte, dass Geary ihn womöglich entlasten konnte.

Valentinos nachtdunkle Augen verrieten, dass er alle Möglichkeiten gegeneinander abwog. »Sie bitten mich darum, ihr Wohlergehen in Ihre Hände zu legen«, stellte er klar. »Das Individuum könnte sie jederzeit wieder ins Visier nehmen.«

»Schon klar«, sagte Luther. »Aber ich denke, wir sind in der Lage, auf sie aufzupassen, Sir.« Er warf Westy einen Blick zu, der daraufhin nickte.

Valentino musterte sie mit gesenktem Kopf. »Na schön«, stimmte er schließlich zu. »Wenn Sie Geary aus ihrer gegenwärtigen Lage befreien, kann sie meinetwegen bei Ihnen bleiben, bis meine Ermittlungen abgeschlossen sind. Aber ich bestehe darauf, dass Sie mir regelmäßig Bericht erstatten und mich über ihren Zustand auf dem Laufenden halten.«

»Machen wir«, nickte Luther. »Wo fangen wir an?«

Valentino legte den SEALs eine Karte zur Ansicht vor. Luther erkannte darauf die Ostküste von Kuba und die vertrauten Umrisse von Guantanamo Bay, wo er wegen Combatschießübungen viel Zeit verbracht hatte. Nicht weit von Santiago, am Eingang der Bucht, befand sich ein an ein Fort erinnerndes Gebäude, das Valentino rot eingekreist hatte.

»Gehen wir’s gemeinsam durch«, schlug er höflich vor.