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Christoph Krachten

Tesla oder: Wie Elon Musk die Elektromobilität revolutioniert

Impressum

Christoph Krachten

Tesla oder: Wie Elon Musk die Elektromobilität revolutioniert

Copyright ©nuvarande Verlagsgesellschaft mbH

Sanderstraße 29

12047 Berlin

1. Auflage, Juli 2021

Lektorat: Wort für Wort GmbH & Co. KG

Fachlektorat: Frank Zons

Cover: bureau brut, Köln

Gestaltung und Satz: bureau brut GbR, Köln

Gesamtherstellung nuvarande Verlagsgesellschaft mbH

eISBN 978-3-98577-001-4

Die vorliegende Publikation ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte vorbehalten. Die Verwendung der Texte und Abbildungen, auch auszugsweise, ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verlags urheberrechtswidrig und daher strafbar. Dies gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzung oder die Verwendung in elektronischen Systemen. Es wird darauf hingewiesen, dass die im Buch verwendeten Soft- und Hardware-Bezeichnungen sowie Markennamen und Produktbezeichnungen der jeweiligen Firmen im Allgemeinen warenzeichen-, marken- oder patentrechtlichem Schutz unterliegen. Alle Angaben und Programme in diesem Buch wurden mit größter Sorgfalt kontrolliert. Weder Autor noch Verlag können jedoch für Schäden haftbar gemacht werden, die im Zusammenhang mit der Verwendung dieses Buches stehen.

Inhalt

Vorwort

1Alles, was Sie über Tesla wissen wollen, obwohl Sie nie auf die Idee gekommen wären, danach zu fragen

2Elektromobilität

3Warum Teslas so günstig sind

4Die Wiedergeburt des Elektroautos

5Tesla – der ewige Betatest

6Elektroauto vs. Verbrenner

7Die ständige Revolution

8Geschichte wiederholt sich – Tesla als das neue Apple

9Geht nicht gibt’s nicht

Vorwort

Dieses Buch sollten Sie nicht lesen, wenn es nach der deutschen Autolobby gegangen wäre. Eigentlich gab es einen Vertrag mit einem deutschen Fachverlag, aber der bekam kalte Füße. Konkret schrieb mir der Verlag, dass es für ihn nicht möglich sei, ein Buch zu veröffentlichen, in dem die These vertreten wird, dass Tesla eine Versöhnung von Technologie und Ökologie gelungen sei. Dies sei eine fragwürdige Aussage für einen Verlag, zu dessen Hauptgeschäftspartnern große deutsche Autokonzerne gehörten. Im weiteren Verlauf wurden dann die Fakten bezweifelt, es wurde moniert, dass meine Quellen Websites wie Tesmanian.com seien (dieses Problem habe ich in einer Viertelstunde behoben und für jeden Fakt Belege an anderer Stelle gefunden), dass bestimmte Aspekte lang, andere hingegen kurz beschrieben seien usw. Zum Schluss wurden „Gutachtende“ anonym zitiert, die als renommierte Fachjournalistinnen und -journalisten mit dem Manuskript nicht zufrieden seien. Eine Kritik war, dass der Kasten über das Model S deutlich umfangreicher war als die Kästen über andere Tesla-Fahrzeuge. (Ich denke, dass ich das auch nicht ändern werde, da beim Model S als erstem Großserienauto von Tesla sehr viel Grundlegendes zu erklären ist, was bei den anderen Fahrzeugen dann nicht mehr nötig ist. Verzeihen Sie mir also dieses Missverhältnis.) Mit anderen Worten: Der Verlag wehrte sich mit Händen und Füßen gegen die Veröffentlichung und er betonte mehrfach, dass es sich nicht um eine Verschwörung handeln würde, was ich aber auch nie unterstellt habe und auch nicht unterstellen würde. Eine Verschwörung ist auch gar nicht notwendig. Ich habe einige Jahre als Motorjournalist für auto motor und sport TV bei VOX gearbeitet und kenne die Branche ganz gut. Die Motorpresse ist eine eingeschworene Gemeinschaft des Gebens und Nehmens. Tatsächlich empfinden es zahlreiche Journalistinnen und Journalisten als ein Privileg, von den Autoherstellern zu den Autopräsentationen an die schönsten Orte auf der Welt geflogen zu werden und dort bestens untergebracht und verwöhnt zu werden. Sie werden regelmäßig mit Testfahrzeugen bedacht und erhalten über ihren Presseausweis Rabatte auf Neufahrzeuge. Bei Volkswagen sind es zum Beispiel 15 Prozent Rabatt auf das Fahrzeug und 30 Prozent auf die Sonderausstattung. All das macht Tesla nicht. Mir ist deshalb absolut bewusst, dass der Widerstand gegen dieses Buch nicht aufhören wird. Deswegen danke ich Ihnen sehr, dass Sie es gekauft haben, obwohl Sie vielleicht etwas Schlechtes darüber gelesen haben. Ich kann Ihnen auf jeden Fall versprechen, dass der Inhalt minutiös recherchiert wurde und ich mir sehr viel Mühe dabei gegeben habe. Zudem berichte ich von meinen Erfahrungen während meiner ersten „unglaublichen Reise in einem total verrückten Elektroauto“, die nicht ausschließlich positiv waren. Bei der Recherche bin ich auf zum Teil wirklich verblüffende Ergebnisse gestoßen. Nichts von diesen Fakten ist irgendwie geheim. Es hat gereicht, ein wenig Daten zusammenzutragen und bekannte Sachverhalte miteinander zu verknüpfen. So werden Sie erfahren, dass selbst ein Model S im Schnitt weniger Energie verbraucht als eine Fahrt im ICE 3, dass der Braunkohletagebau in Brandenburg mehr als 60-mal so viel echten Wasserverlust verursacht wie die Gigafactory in Grünheide oder dass der zusätzliche Stromverbrauch von Elektroautos minimal ist, weil pro 100 Kilometer Strecke für die Raffination von Benzin und Diesel zehn Kilowattstunden Strom benötigt werden. Über all das und einiges mehr wird hier in Deutschland ungern berichtet und es werden lieber Falschinformationen verbreitet. Der Wasserverbrauch der Gigafactory ist dafür ein typisches Beispiel. Warum der Wasserverband weiter mit einer ursprünglich beantragten Wassermenge von jährlich 3,6 Millionen Kubikmetern argumentiert, bleibt rätselhaft, weil erstens diese Menge im Moment gar nicht diskutiert wird, zweitens die zukünftige Fertigung in der, laut Tesla, größten Batteriefabrik trocken erfolgt und drittens für das Gewerbegebiet ein weiteres Wasserwerk gebaut wird, das einen möglichen Engpass in der Zukunft gar nicht entstehen lässt. Sprich: Ich habe das alles nachrecherchiert und versuche nicht, durch das Weglassen wichtiger Informationen einen falschen Eindruck zu erwecken. Deswegen gibt es in diesem Buch auch eine Menge Kritik an Tesla, aber eben nur da, wo sie berechtigt ist. Zum Beispiel habe ich mit ehemaligen Mitarbeitenden gesprochen und ihre Arbeitsbedingungen waren nicht unbedingt familienfreundlich. Tesla versucht mit allen Mitteln, Gewerkschaften herauszuhalten – und damit eine wichtige Interessenvertretung der Beschäftigten. Es gibt technische Probleme, der Service hat Verbesserungspotential usw. Das ändert aber nichts daran, dass Tesla mit seinen Superchargern das beste Ladenetz hat, die beste Software, beeindruckende Autos herstellt und eben tatsächlich Umwelt und Technologie zusammenbringt. Und wenn der Verlag dann gerne hätte, dass ich schreibe, dass das eben nicht der Fall sei, dann muss ich dem widersprechen. Teslas verlieren nicht deutlich an Reichweite, wenn man mit maximaler Geschwindigkeit unterwegs ist. Das liegt ganz einfach daran, dass man in Deutschland gar nicht so oft mit Höchstgeschwindigkeit fahren kann und so eben nur auf maximal 120 bis 130 km/h im Durchschnitt kommt. Und dann muss ich auch anmerken, dass es nicht okay ist, mit 250 km/h auf der Autobahn unterwegs zu sein. Schon über der Richtgeschwindigkeit von 130 km/h kann man davon ausgehen, mit 20 Prozent an den Unfallkosten beteiligt zu werden, weil so hohe Geschwindigkeiten einfach nicht sicher sind. Selbst wenn Verkehrsaufkommen, Wetter und Straßenbeschaffenheit es erlauben würden, bleiben zu viele Unwägbarkeiten, die bei solchen Geschwindigkeiten Lebensgefahr bedeuten. Ein lieber Freund und Kollege hat auf diese Weise durch eine Windbö seinen Tod gefunden. Wobei das Model S bei dieser Geschwindigkeit über eine deutlich bessere Straßenlage verfügt als so manche große deutsche Luxuslimousine und sicherer fährt. Teslas können sich nur schwer überschlagen. Darauf gehe ich näher ein im Kapitel über die erheblichen Vorteile der Konstruktion eines Elektroautos gegenüber einem Verbrenner. Ich werde mich also in diesem Buch nicht an den Verschwörungstheorien über Tesla beteiligen. Alle Fakten in diesem Buch sind also belegt und auch auf Plausibilität überprüft. Überall da, wo ich Zweifel hatte, habe ich mehrfach nachrecherchiert oder auch nachgerechnet, habe mit Fachleuten gesprochen und Daten von Motorjournalistinnen und -journalisten gegenchecken lassen. Dabei bin ich auf zum Teil verblüffende Ergebnisse gestoßen. Ich bin Wissenschaftsjournalist und deshalb den Umgang mit harten Fakten gewohnt. Recherchieren Sie gerne nach. Die Quellen finden Sie über einen QR-Code und so können Sie selbst alles überprüfen. Ich freue mich auf Nachrichten von Ihnen mit weiteren Informationen. Schreiben Sie mir gerne unter tesla@nuvarande.de. Das Buch werde ich in weiteren Auflagen ständig aktualisieren und ergänzen.

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Teslas laden an Superchargern

Foto: Christoph Krachten

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Alles, was Sie über Tesla wissen wollen, obwohl Sie nie auf die Idee gekommen wären, danach zu fragen!

Aufgewachsen bin ich in der goldenen Nachkriegszeit, Generation Babyboomer, Jahrgang 63. Schon in meiner Jugend begannen die Menschen, Dinge zu hinterfragen, zu protestieren. Hoimar von Ditfurth erklärte im ZDF erstmals einer größeren Öffentlichkeit den Klimawandel. Zu dieser Zeit nahm ich mit zwei Freunden am Wettbewerb Jugend forscht teil und wir untersuchten den Strunder Bach, ein kleines Rinnsal, das von Bergisch Gladbach bis nach Köln floss und auf dem Weg die Abwässer zahlreicher Industriebetriebe aufnahm. Wir gewannen einen Sonderpreis für die Erforschung der Umwelt. Die Grünen wollten in den Bundestag und der Rhein wurde immer sauberer. Auf der einen Seite nahm Umweltschutz einen immer größeren Raum in der Politik ein, auf der anderen Seite begann ein dramatischer technologischer Wandel. Meine Generation wuchs in einem vermeintlichen Konflikt zwischen Ökologie und Technologie auf. An der Nordsee baute ein Konsortium eine für damalige Verhältnisse riesige Windkraftanlage, die nicht funktionierte, den Growian. Die Abkürzung stand für Großwindanlage. Böse Zungen behaupteten, dass sie nur gebaut wurde, um zu beweisen, dass Windkraftanlagen nicht funktionieren. Errichtet wurde die Anlage von der Maschinenbaufirma MAN, dem Institut für Aerodynamik und Gasdynamik der Universität Stuttgart und der Universität Regensburg. 1983 wurde sie in Betrieb genommen und stand bis zum Betriebsende 1987 die meiste Zeit still. 1987 kam auch das erste Serien-Elektroauto heraus, der Mini-El aus Dänemark, ein Kabinenroller mit einem Sitzplatz, und zwei Kinder fanden noch mit dem Rücken zur Fahrtrichtung Platz. Es war also weniger ein Auto als eine fahrende Kiste. Und sie war so schlecht konstruiert, dass die Verkaufszahlen nach anfänglichen Rekorden einbrachen und das Unternehmen in die Pleite rutschte. Ein deutscher Elektroauto-Enthusiast sammelte Geld und holte die Produktionsanlagen nach Deutschland. Er verbesserte das Fahrzeug immer weiter, aber beließ es bei einer sehr einfachen Bauweise. Das in CityEL umbenannte Fahrzeug war so einfach konstruiert, dass man Selbstbaukurse absolvieren konnte, um sich seinen eigenen CityEL zu bauen. Aber auch dieser Unternehmer musste mit seiner Firma Citycom Insolvenz anmelden. Der Kabinenroller war im Tesla-Zeitalter einfach nicht mehr zeitgemäß. Trotzdem kann man Karl Nestmeier nicht genug danken dafür, diese Vision gegen alle Widerstände aufrechterhalten zu haben. Er hatte – fast wie ein kleiner Elon Musk – eine für die Verhältnisse des CityEL gigantische Fabrik gebaut. Doch dieses Fahrzeug war halt ökologisch im besten Sinne, klein, sparsam, langsam und mit einer traurigen Reichweite von real 20 Kilometern. Als jemand, der ökologisch und technologisch interessiert war, empfand ich in dieser Zeit eine gewisse Schizophrenie. Technologie vs. Ökologie. Dass irgendwann mal ein Genie kommen würde, um beides zu vereinen, das hätte ich im Traum nicht für möglich gehalten. Als ich Anfang der 80er Jahre vor einem der ersten Homecomputer, dem ZX81, saß oder den ersten Rechner mit Magnetblasenspeicher ausprobierte, den ersten Tabletcomputer mit Windows Pen, das erste Mobiltelefon – da schwang auch immer ein schlechtes Gewissen mit. Man hatte immer das Gefühl, etwas Falsches zu tun, und konnte den ökologischen Wandel nur mit angezogener Handbremse voranbringen. Mein erster Neuwagen war ein 2CV, eine Ente von Citroën. Werbespruch: „I fly bleifrei!“ Ein Gefährt (Auto konnte man es nicht so richtig nennen, dafür fehlte zu viel oder war einfach nicht praktikabel, wie zum Beispiel ein Autoradio – dafür war die Ente einfach zu laut), das mit einigen Modifikationen zur Urversion der ersten Fahrzeuge gehörte, deren Motor bleifreies Benzin akzeptierte. Damals ein großer Fortschritt, das Nonplusultra der ökologischen Fortbewegung. Später war es dann ein VW Sharan, den ich auf Biosprit umrüsten ließ. Aber dann, Ende der 90er Jahre, wagte ich den großen Schritt zum kleinen Elektrofahrzeug und kaufte mir einen CityEL für den täglichen Weg in die Stadt und zurück. Zur gleichen Zeit hatte auch General Motors ein damals revolutionäres Elektrofahrzeug auf den Markt gebracht, den EV1. Ein wenig blitzte damals schon die Annäherung von Technologie und Ökologie auf. Der Autokonzern wollte damit den neuen kalifornischen Umweltgesetzen gerecht werden. Aber die Autokonzerne kämpften zugleich gegen diese Gesetze und kippten sie dann auch. Die EV1, die man von General Motors nur leihen konnte, wurden wieder eingesammelt und verschrottet. Das Ende des Elektroautos … damals. Und wir, die wir in dem Spannungsfeld zwischen Ökologie und Technologie aufwuchsen, mussten dort erstmal verbleiben. Dabei wussten wir sehr genau, dass es nicht sein konnte, dass das alles nicht funktionierte. Viele von uns waren schon damals, wie heute die Schülerinnen und Schüler mit Fridays for Future, sehr an Wissenschaft und Technologie interessiert und eben auch an Ökologie. Wir, die den Mathe- und Physik-Leistungskurs belegten, waren keine Rüdigers mit Aktenkoffer, sondern Ökos mit Schlabberhemd und Jutebeutel. Schon damals war uns eigentlich klar, dass Technologie ein Teil der Lösung sein könnte, aber wir jungen Menschen hatten da nichts zu melden. Wobei sich mir durch meine Jugend-forscht-Arbeit eine einmalige Möglichkeit bot. Ich fing mit 17 als Reporter beim Westdeutschen Rundfunk an. Ich lernte schnell, dass Medien durch gut recherchierte aufklärerische Arbeit ihren Beitrag dazu leisten können, die Welt ein bisschen besser zu machen. Und auch an meiner Schule trieb ich den Medienwandel voran und produzierte mit „Negrom“ die erste Schülerzeitung auf Video, die mich in den 80er Jahren eine gewisse Bekanntheit erlangen ließ. In den Medien hatte ich schnell meinen Platz gefunden und brachte es immerhin in die Redaktion einer der erfolgreichsten deutschen Fernsehsendungen in den 90er Jahren: Schreinemakers live. Für mich waren die Medien mein Platz, wo ich die Chance sah und bis heute nutze, Menschen aufzuklären hinsichtlich der Versuche der Konzerne und Lobbyisten, Technologie und Ökologie gegeneinander auszuspielen. Denn auch wenn Ökologie inzwischen mit Technologie vorangetrieben wird, viele sehen darin immer noch einen Gegensatz und sie hängen stoisch an alten Technologien, wie an einer Religion. Sie beten alles an, was raucht, qualmt und knattert, und das wider besseres Wissen. Wenn Betrugssoftware entwickelt wird, um eine aussterbende Technologie am Leben zu erhalten, dann ist das nicht nur irrational, sondern entlarvt einen nahezu religiösen Eifer, an der „guten“ (eigentlich schlechten) alten Zeit festzuhalten.

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Der CityEL

Foto: Christoph Krachten

Es ist vier Uhr morgens. Gerade haben Felix Bahlinger vom YouTube-Kanal Felixba, Volker Quaschning, Professor für erneuerbare Energien, und ich eine Petition für Elektromobilität auf change.org gestartet. Es ist mühsam, weil das Thema Ladenetz, um das es geht, nicht gerade das emotional mitreißendste ist. Wir wollen mit der Petition vor allem erreichen, dass das Ladenetz für Menschen, die ihr E-Auto nicht von Tesla gekauft haben, endlich verbessert wird, damit sie nicht bei ihrem ersten Urlaub mit dem E-Auto entnervt aufgeben. Aber wir haben vielleicht ein wenig von dem Pioniergeist, den Elon Musk hatte, als auch er sich einer scheinbar unlösbaren Aufgabe gegenübersah. Und wie schwierig diese Aufgabe ist, erkennt man, wenn man all diejenigen beobachtet, die ihm nacheifern. Dabei hat Musk die Patente von Tesla 2014 freigegeben. Aber selbst mit dieser Pionierarbeit ist es nahezu unmöglich, etwas so Großes wie einen Autohersteller aus dem Boden zu stampfen. Nicht von ungefähr ist Tesla seit 100 Jahren der einzige Autohersteller in der westlichen Welt, der als Start-up angefangen und es bis zur Massenproduktion geschafft hat. Es gibt einfach zu viele Hürden und die größte ist die Produktion großer Stückzahlen mit einer verkaufbaren Qualität. Und vielleicht ist Musk ja ein Superhirn, das in der Lage ist, solche Herkulesaufgaben zu stemmen. Ein wenig gehört da wahrscheinlich auch ein Reality Distortion Field dazu, ein realitätsverzerrendes Feld, das spätestens seit Steve Jobs bekannt ist. Denn noch im Jahr 2021 kämpft Tesla weiterhin mit Qualitätsproblemen, über die die Tesla-Fangemeinde jedoch sehr gerne hinwegsieht. Aber dieses Reality Distortion Field hat tatsächlich auch zum Ergebnis, dass er es geschafft hat, wiederverwendbare Raketen zu konstruieren und in Serie zu fertigen, ein Satelliten-Kommunikationsnetzwerk erfolgreich ins Weltall zu schießen, ein Gehirnimplantat zu entwickeln, das der Menschheit ermöglichen soll, Künstliche Intelligenz zu kontrollieren, das Unternehmen OpenAI mitzugründen, das mit GPT-3 eine bahnbrechende Künstliche Intelligenz entwickelt hat, und wer weiß noch was. In einem Interview hat er mal gesagt, dass er nie Ruhe findet und immer Ideen hat. Und es sind wirklich absolut geniale Ideen bei Tesla entstanden, auf die niemand sonst gekommen ist bzw. hatte niemand den Mut dazu, sie umzusetzen, oder verfügte über die entsprechenden Ressourcen. Außerdem geht es nicht nur um eine, sondern wahrscheinlich um hunderte Ideen. Dabei stammte die erste gar nicht von Tesla, sondern von AC Propulsion, der Firma, die aus dem Ökomobil Elektroauto einen Sportwagen baute, den tzero, um zu demonstrieren, was mit einem Elektroauto damals möglich war. Dann kamen allerdings die Ideen von Tesla reihenweise. Eine entscheidende, die überhaupt erst das Tor zum Elektroauto der Zukunft ebnete: das Temperaturmanagement der Batteriezellen, damit sie sich stets im optimalen Temperaturbereich befinden. Und eine weitere Idee: Tesla eröffnete schon Stores auf der ganzen Welt, als die Firma erst ein paar Roadster verkauft hatte. Auch das war eine außer gewöhnliche Idee, um frühzeitig an Autokäuferinnen und -käufer zu kommen, denn die waren es gewohnt, in ein Autohaus zu gehen.

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Tesla Store München

Foto: Tesla Motors Inc.

Der Tag, der alles änderte

Und in einem solchen Store sah ich den Tesla Roadster zum ersten Mal in München und hörte die Wasser-Glykol-Mischung um die Batteriezellen gluckern, während das Fahrzeug geladen wurde. Es war fast ein Erweckungsmoment. An diesem Tag wusste ich, dass ich mal einen Tesla fahren würde, selbst wenn ich ihn mir vom Munde absparen müsste. Es war, als würde mit dem Tesla Roadster ein Traum wahr werden. Bis zu diesem Zeitpunkt bzw. bis zu dem Tag, als ich das erste Mal vom tzero hörte, bedeutete Elektromobilität für mich Verzicht: peinlich schmale Reifen, Fahreigenschaften für Fahrerinnen und Fahrer mit Hut, Reichweiten von maximal einer Strecke zum Arbeitsplatz, auch eher nicht einem Aufprallunfall gewachsen, eher eine Notlösung als eine Lösung. Aber als ich dieses Fahrzeug sah, eröffnete sich eine neue Welt für mich, denn plötzlich gesellten sich zu mir ganz andere Leute, die jetzt Elektroautos ausprobieren wollten. Noch waren es nicht die Schrauber, Rennautofans oder Linksfahrenden auf deutschen Autobahnen. Dafür fehlen einem Tesla einfach die Schmierstoffe. Wenn man unter einem Tesla gelegen hat, dann ist man eben nicht ölverschmiert. Unter einem Model S ist nur eine glatte Titanplatte zu sehen, die die Batterie vor Beschädigungen schützt und nach zehntausenden Kilometern und zahlreichen Bodenberührungen noch aussieht wie am ersten Tag, weil Titanlegierungen eben sehr, sehr hart sind. Es fehlt etwas für diese Leute, die wahrscheinlich eher den Pirelli-Kalender in der Werkstatt aufhängen als einen Kunstkalender. Das charakterisiert es vielleicht schon ein bisschen. Denn mit einem Tesla wird eine Gruppe von Menschen angesprochen, die sich für neue Technik interessiert, für die aber Verzicht nicht in Frage kommt. Es sind neugierige Menschen, die etwas wagen – und wenn es der Kauf eines Autos mit einer Technik ist, die es vorher so noch nicht gab, noch dazu von einem Hersteller, den es vorher nicht gab. Mit anderen Worten: Selbst wenn sie dafür die Katze im Sack kaufen müssen, von der sie nicht wissen, ob es eher eine Schmusekatze oder ein Raubtier sein wird oder etwas komplett Psychotisches, was Katzen ja auch gerne mal sind, wagen sie diesen Schritt. Es ist also schon ein bisschen eine Mischung aus verrückt, idealistisch und wagemutig, die Menschen dazu bewegt, einen Tesla zu kaufen.

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Roadster

Der Tesla Roadster ist das erste Serienauto im Weltraum, dieser spezielle Tesla ist auch der erste produzierte Tesla und war an Elon Musk ausgeliefert worden. Als Testfracht für den Start der ersten Falcon-Heavy-Rakete am 6. Februar 2018 von Musks Unternehmen SpaceX gesucht wurde, kam Musk auf die Idee, den ersten Tesla weltweit Geschichte schreiben zu lassen. Und das hatte der Tesla Roadster schon zuvor geschafft: Er war das erste wirklich praktikable Elektroauto weltweit. Dagegen waren sämtliche Versuche vorab, praxistaugliche Elektroautos zu bauen, einfach nur Fehlversuche. Selbst große Autohersteller wie Peugeot/Citroën mit dem 106 electrique/Saxo oder General Motors mit dem EV1 sind krachend gescheitert. Sie konnten die eigentlichen Probleme wie Reichweite und Haltbarkeit der Batterie nicht lösen. Und der Roadster hatte zusätzlich noch atemberaubende Beschleunigungswerte. Trotzdem war es kein Großserienauto, aber immerhin ein Serienauto. Der Tesla Roadster wurde ab dem 17. März 2008 weitestgehend von Hand gefertigt. Lediglich knapp 2.500 Stück landeten auf den Straßen. Obwohl praxistauglich, war das Fahrzeug Technologieträger für viele erstmals eingesetzte Systeme, wie die gesamte Leistungselektronik und das Temperaturmanagement der Batterie. Beide zusammen, die flüssigkeitsgekühlte Batterie und eine Elektronik, die in Sekundenbruchteilen die benötigte Energie bereitstellte, waren die Schlüsseltechniken des Roadsters und wurden dort erstmals in Serie produziert. Und es funktionierte. Zum ersten Mal zeigte sich damit, dass Elektroautos konkurrenzfähig waren, dass sie praxistauglich waren und tatsächlich längere Strecken zurücklegen konnten. Allerdings gab es noch kein Supercharger-Netz, der Roadster lud auch nur einphasig, so dass man eine Lademöglichkeit benötigte und es dann trotzdem noch einige Stunden dauerte, den 56-Kilowattstunden-Akku vollzuladen. Und schon damals schaffte der Roadster gut 350 Kilometer Strecke mit einer Akkuladung. Das war absolut bahnbrechend 2008. Nie zuvor hatte ein Elektroauto mit diesen Fahrdaten so etwas geschafft. Und der Roadster war kein Testwagen, sondern ein Serienfahrzeug. Produziert wurde er von Lotus im englischen Hethel. Der Roadster basierte nämlich auf dem Elise von Lotus und wurde deswegen auch von Lotus gefertigt. Dabei stammte die Leistungselektronik vom Unternehmen AC Propulsion, das überhaupt zum ersten Mal einen Elektrosportwagen mit diesen Leistungsdaten als Prototyp gebaut hatte. Die Erfahrungen mit dem tzero flossen sämtlich in den Bau des Roadsters ein. Und der erreichte damit für damalige Zeiten absolute Traumwerte. Die ersten Roadster beschleunigten noch mit 5,7 Sekunden von 0 auf 100 km/h, später wurden dann 3,7 Sekunden erreicht. Damit der Akku nicht zu schnell leergesaugt wurde, war die Höchstgeschwindigkeit auf 201 km/h beschränkt. Trotzdem lag die Reichweite bei flotter Fahrt immer noch bei 200 Kilometern und es wurden sogar bis zu 500 Kilometer erreicht. Während Fachleute bemängelten, dass die Akkus schnell altern würden, ging Tesla davon aus, dass der einzige Grund für die schnelle Alterung niedrige oder hohe Temperaturen seien. Und Tesla behielt recht. Das ist schon frappierend, dass da ein junges Unternehmen eine sehr einfache Erkenntnis gewinnt und die alteingesessenen Autohersteller nicht mal im Ansatz auf diese Idee gekommen sind. Mit einfachen Versuchen hätte man das ja herausbekommen können. Jedenfalls hielten die Roadster-Batterien deutlich länger, als die skeptischen Fachleute vermuteten. Bis zu 200.000 Kilometer sind dokumentiert. Mit dem Tesla Roadster und seiner Praxistauglichkeit wurden dann so viele Erkenntnisse gewonnen, dass 2012 die Zeit reif war für ein neues Modell. Jetzt sollte es nicht mehr ein Fahrzeug für die sehr kleine Zielgruppe der vermögenden Sportwagenfreaks sein, sondern eine Familienlimousine, für die man aber immer noch etwas Kleingeld brauchte. Beim Roadster zeigt sich übrigens, wie langfristig Elon Musk plant. Die Platine hat er mit einem Schriftzug versehen lassen: „Made on Earth by humans“. Den Plan, einen Roadster in den Weltraum zu schicken, hatte er offenbar schon 2008. Zehn Jahre später, 2018, setzt er ihn in die Tat um. Elon Musk hat also immer einen Plan, sogar einen Masterplan. Am 2. August 2006 wurde er veröffentlicht

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Tesla Roadster 2008

Foto: IFCAR

Und der Roadster soll bald wieder aufleben. Wie das genau aussehen wird, ist allerdings ziemlich unklar, nachdem Tesla mit dem Model S Plaid+ das Serienauto mit der höchsten Beschleunigung aller Zeiten auf den Markt gebracht hat. Viel Neues kann da ein Roadster nicht bieten. Eines scheint Musk aber auf jeden Fall für den neuen Roadster zu planen: Er soll einen von SpaceX mit konstruierten Raketenantrieb mit Kaltgas bekommen. Bis zu 1,8 Meter in der Luft soll er damit „fliegen“ können.

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Tesla Roadster 2022

Foto: Smnt

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Tesla-Masterpläne

Masterplan 1 – 2. August 2006

Build sports car

Use that money to build an affordable car

Use that money to build an even more affordable car

While doing above, also provide zero emission electric power generation options

Masterplan 2 – 20. Juli 2016

Create stunning solar roofs with seamlessly integrated battery storage

Expand the electric vehicle product line to address all major segments

Develop a self-driving capability that is 10X safer than manual via massive fleet learning

Enable your car to make money for you when you aren’t using it

Warten auf den Battery Day

Jetzt ist es halb fünf nachmittags und für mich dehnt sich die Zeit wie Kaugummi. Wie ein kleines Kind warte ich auf den Moment des Jahres oder sogar des Jahrzehnts. Dieser Tag wird vielleicht in die Geschichte eingehen. Es wird vielleicht der Tag sein, an dem die traditionellen Autohersteller realisieren, dass sie den Anschluss verpasst haben, dass Elon Musk sie am Nasenring durch die Manege führt: der Tesla Battery Day am 22. September 2020. Und ich sollte nicht enttäuscht werden. Enttäuscht wurden nur die Medien, die in großen Teilen die Tragweite der Präsentation nicht begriffen. Doch die Fachwelt bescheinigte den neuen Batterien einen erheblichen Vorsprung vor der Konkurrenz. Was da verkündet wurde, war nicht mehr und nicht weniger als eine Revolution. Hier wurden kaum neue Technologien präsentiert, aber die bestehende Technik wurde so optimiert, dass Batterien deutlich günstiger mit deutlich mehr Kapazität produziert werden können. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Jetzt geht es erstmal um Grundsätzliches.

Es war ein bisschen wie bei der Präsentation des iPods von Apple: Ein MP3-Player? Da gibt es doch schon hunderte! Allerdings verstanden damals noch nicht mal die Fachleute die Revolution bei Apple. Danach krempelte der Computerhersteller die weltweite Musikindustrie um und anschließend mit dem iPhone die Kommunikation. Überhaupt scheinen bei Tesla immer wieder Parallelen zu dem Elektronikriesen aus dem Silicon Valley durch. Nur: Tesla ist noch krasser. Schon jetzt wurde die deutsche Konkurrenz von Elon Musk vorgeführt, als er den Bau der Gigafactory in Grünheide bei Berlin ankündigte und dann tatsächlich innerhalb von 18 Monaten