Volker Mariak:
Die Spirale der Gewaltkriminalität –
Tierquälerei und Tiertötung als Vorstufe der Gewalt gegen Menschen. Kriminologische Beiträge zur Prüfung einer Verrohungsthese
© 2017 Volker Mariak
Verlag und Druck: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg
Umschlaggestaltung, Illustration: tredition GmbH, Hamburg
ISBN Taschenbuch: 978-3-7439-7159-2
ISBN Hardcover: 978-3-7439-7160-8
ISBN e-Book: 978-3-7439-7161-5
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Volker Mariak
Tierquälerei und Tiertötung als Vorstufe der Gewalt gegen Menschen. Kriminologische Beiträge zur Prüfung einer Verrohungsthese
„Der Mensch, der die menschlichen Gefühle nicht ersticken will, muß sich den Tieren gegenüber mit Güte verhalten; weil der, der unmenschlich gegenüber den Tieren ist, auch hart mit den Menschen wird. Wir können die Seele eines Menschen an der Verhaltensweise gegenüber den Tieren erkennen.“
(Immanuel Kant [1724 - 1804], Philosoph, Quelle: Aphorismen.de, Aphorismen zum Thema: Gefühl, URL 001)
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„Vom Tiermord zum Menschenmord ist nur ein Schritt und damit auch von der Tierquälerei zur Menschenquälerei.“
(Leo [Lew] Nikolajewitsch Graf Tolstoi [1828 – 1910], russischer Dichter und Schriftsteller, Quelle: Aphorismen.de, Aphorismen zum Thema: Gefühl, URL 002)
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„Die absichtliche Verwandlung eines Lebewesens in ein Bündel von Leiden und stummer Verzweiflung ist ein Verbrechen – was sollte eigentlich sonst ein Verbrechen sein?“
(Prof. Dr. Robert Spaemann, Philosophisches Institut der Universität München, Quelle: Bildung und Mensch e. V., Berühmte Vegetarier, URL 003)
Die vorliegende Schrift ist nicht allein gedacht für den wissenschaftlichen Diskurs. Sie wendet sich ebenfalls an das breite Spektrum der Tierschützer und an Kreise interessierter Leser, die zunächst einen kurzen, informativen Überblick über die Gewaltthematik gewinnen möchten.
In diesem Sinne beinhaltet die Arbeit das Anliegen, die ethische, soziokulturelle und rechtliche Problematik der Tierquälerei aus einem Blickwinkel darzustellen, der über das verursachte Leid am Tier hinaus die Gefahr zunehmender Gewaltbereitschaft und Gewaltanwendung auch für das mitmenschliche, soziale Umfeld der Täter verdeutlicht. Viel zu lang wurde Tierquälerei sowohl im psychosozialen als auch im rechtlichen Bereich als wenig relevantes, das gesellschaftliche Zusammenleben nur geringfügig störendes Verhalten bewertet.
Diese Tendenz, Tierquälerei mehr oder weniger als Ordnungswidrigkeit, als „Kavaliersdelikt“, einzustufen, findet sich auch heute noch in der bundesdeutschen Rechtsprechung -trotz der ab dem ersten August 2002 erfolgten Erhebung des Tierschutzes zum Staatsziel. Im Gegensatz dazu haben in den USA kriminologische und psychologische Studien bereits sehr früh gezeigt, wie gefährlich ein Unterschätzen der betreffenden Tätergruppe ebenfalls für ihre Mitmenschen sein kann. Dort hat man aus den Forschungsresultaten juristische Konsequenzen gezogen und Profiling sowie strafrechtliche Sanktionen auf diese Gefahr abgestimmt.
Mittlerweile belegen auch deutsche Studien, dass ein deutlicher Zusammenhang zwischen Tierquälerei und der Gewalt gegen Menschen besteht. Auf diese wissenschaftlich fundierten Aussagen wird in späteren Textabschnitten näher einzugehen sein.
Zitiert wurden im Vorspann zu dieser Schrift die Aphorismen dreier herausragender Persönlichkeiten zum Thema Tierquälerei. Alle drei verweisen auf deutliche Parallelen zwischen dem Sachverhalt Tierquälerei und der Gewalt gegen Menschen. Die Liste entsprechender Einschätzungen ließe sich mühelos und fast beliebig erweitern. Frühe Philosophen und Vordenker, heutige Fachwissenschaftler – sie alle vereinigt der Schluss, dass Gewalt gegen Tiere auch das Fundament für Gewalt gegen Menschen legt. Und nicht ohne Grund steht der berühmte Ausspruch von Immanuel Kant über diesen Zusammenhang von Tierquälerei und Gewalt gegen Menschen an erster Stelle der genannten Zitate. Mit seiner klaren Aussage, dass Tierquälerei ebenfalls zu Unbarmherzigkeit und Brutalität gegenüber Mitmenschen führe und damit indirekt zu einer Gefährdung des menschlichen Zusammenlebens, verdeutlichte Kant die so genannte Verrohungsthese, die dann auch die erste Tierschutzgesetzgebung wesentlich beeinlusste. Präzise heißt es bei Kant in seinen Ausführungen zu den „metaphysischen Anfangsgründen der Tugendlehre“:
„In Ansehung des lebenden, obgleich vernunftlosen Teils der Geschöpfe ist die Pflicht der Enthaltung von gewaltsamer und zugleich grausamer Behandlung der Tiere der Pflicht des Menschen gegen sich selbst weit inniglicher entgegengesetzt, weil dadurch das Mitgefühl an ihrem Leiden im Menschen abgestumpft und dadurch eine der Moralität, im Verhältnisse zu anderen Menschen, sehr diensame natürliche Anlage geschwächt und nach und nach ausgetilgt wird; […]“
(Kant, Immanuel: „Die Metaphysik der Sitten“, Teil: „Episodischer Abschnitt. Von der Amphibolie der moralischen Reflexionsbegriffe: das, was Pflicht des Menschen gegen sich selbst ist, für Pflicht gegen andere zu halten“, § 17, Sammlung Hofenberg, vollständige Neuausgabe mit einer Biographie des Autors, Hrsg.: Karl-Maria Guth, 2. Auflage, Berlin, 2016, S. 224 f.)
Die gängige Interpretation der Kantischen Tierethik verweist darauf, dass Kant mit dieser Aussage nicht etwa das Unrecht anprangerte, welches betroffenen Tieren widerfährt: Der Tierquäler handle in seinen Augen nur verwerflich, weil er seine Pflicht gegen sich selbst und seine Mitmenschen verletzt. Indem er Tiere quäle, beschädige er seine moralische Integrität und mindere ebenfalls seine sozial wertvolle Fähigkeit zur Empathie. Diese besondere menschliche Fähigkeit sei zum Erhalt des Sozialgefüges Gesellschaft aber „sehr diensam“ und somit unbedingt zu bewahren. Den Tieren werde mit dieser philosophischen Überlegung ein eigener moralischer Status abgesprochen. (Kant, a. a. O., S. 224 f.; siehe dazu: URL: 004, Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften [drze], Kapitel III.: „Kernfragen der ethischen Diskussion. Der moralische Status von Tieren und Menschen.“, Abschnitt: „1. Tiere haben keinen genuinen moralischen Status: sie sind nicht um ihrer selbst willen schützenswert.“)
Die vorgenannten moralpädagogischen Argumente des Immanuel Kant lassen somit folgende Deutung zu: Nicht um der Tiere willen, sondern einzig um der Menschen willen soll Tierquälerei unterbleiben. Natürlich ist diese spezielle Tierethik im Zeitablauf nicht ohne vehemente philosophische Kritik geblieben. Eines der wichtigsten Gegenargumente kam bereits von Arthur Schopenhauer, der sich als Vollender der Kantischen Philosophie sah und das mit der Verrohungsthese scheinbar verbundene anthropozentrische Weltbild (der Mensch als Maß aller Dinge) entschieden verneinte. Schopenhauer, der die Bildung von Tierschutzvereinen sehr befürwortete, selbst Mitglied im Frankfurter Tierschutzverein (Frankfurt am Main) war, und ebenfalls den damals neugegründeten Münchener Tierschutz unterstützte, schrieb damals:
„Die Tierschutzgesellschaften, in ihren Ermahnungen, brauchen immer noch das schlechte Argument, dass Grausamkeit gegen Tiere zu Grausamkeit gegen Menschen führe;
– als ob bloß der Mensch ein unmittelbarer Gegenstand der moralischen Pflicht wäre, das Tier bloß ein mittelbarer, an sich eine bloße Sache! Pfui!”
(URL: 005, Arthur Schopenhauer, zitiert bei: Becker, Herbert: „Kant, Schopenhauer und die Tiere“, in: Tierethik – Tierrechte, Schlagwort: Kant, 20. 12. 2012)
In einer anderen Stellungnahme wendet sich Schopenhauer entschieden gegen den – aus seiner Sicht - von Kant propagierten Sonderstatus des Menschen und die folgliche Herabsetzung des Eigenwertes der Tiere:
„Also bloß zur Übung soll man mit Tieren Mitleid haben, und sie sind gleichsam das pathologische Phantom zur Übung des Mitleids mit Menschen. Ich finde, O solche Sätze empörend und abscheulich.” (URL: 005, Schopenhauer, zitiert bei: Becker 2012)
Aus der Sicht Schopenhauers beleidigt Kant die „echte Moral“, wenn er unterstellt, dass Tiere bloße Sachen sind, die man als Mittel zum moralischen Zweck benützen müsse. Für Schopenhauer waren Menschen und Tiere weitgehend wesensgleich. Und in der Tat klingt die philosophische Forderung, lediglich Menschen als Geschöpfe mit sittlich verbindlichem Eigenwert zu begreifen, arrogant, ethisch schlicht falsch und wäre – bei Umsetzung dieses Gedankens in reales Handeln – katastrophal für unsere Umwelt. Der Kantische Satz, dass der Mensch keine Pflicht gegen irgendein anderes Wesen habe als allein gegen seine Mitmenschen, könnte - falsch verstanden und angewandt - nicht nur zu einem ethisch-philosophischen Desaster hinleiten.
Zwei Hauptpunkte lassen die Kantische These jedoch in einem neuen Lichte erscheinen und sollten zu tieferem Nachdenken führen:
a)
Es liegen Forschungsarbeiten vor, die aktuell zeigen, dass die Tierethik Immanuel Kants einer Neubewertung bedarf. Insbesondere die Arbeit der Moraltheologin Dr. Heike Baranzke legt nahe, dass die nicht nur wissenschaftlich eingefahrene Interpretation der Kantischen These als tierfeindlich auf einem Falschverständnis beruht. Folgt man dieser Autorin, so zeigt sich bei Kant das Verbot der Tierquälerei als absolut und ohne jedweden anderen Handlungsspielraum: Dieses Tabu zähle Kant zu den kategorisch verbindlichen, vollkommenen Pflichten des Menschen gegen sich selbst und nicht etwa nur gegenüber den Mitmenschen. Es befinde sich ebenfalls nicht unter den mehr oder weniger beachtenswerten Pflichten zur Selbstkultivierung. Mit dieser speziellen Einordnung des Tier-quälereiverbots in die Pflichtenlehre gewinnt aber auch die Verrohungsthese ein anderes argumentatives Gewicht: Sie taugt nur noch bedingt als Begründung des Tierquälereiverbots, da der zwischenmenschliche Aspekt nun weniger bedeutsam ist. (Baranzke, Heike: „Würde der Kreatur?: Die Idee der Würde im Horizont der Bioethik“, Epistemata – Würzburger wissenschaftliche Schriften, Reihe Philosophie, Verlag: Königshausen und Neumann, August 2002; siehe dazu auch: URL 006, Baranzke, Heike: „Wer Tiere quält, der quält auch Menschen“, In: Eulenfisch, Limburger Magazin für Religion und Bildung, Nr. 36, 2015)
Mit vorstehender Neuinterpretation der Kantischen Tierethik resultiert nicht nur eine philosophische Ehrenrettung, sondern ebenfalls die Abwertung der Verrohungsthese. Und genau hieraus ergibt sich der zweite Problempunkt:
b)
Philosophisch korrekt lässt sich das Verbot der Tierquälerei bei Kant nun von der Verrohungsargumentation abkoppeln. Es handelt sich primär nicht mehr um eine Fremdverpflichtung gegenüber den Mitmenschen.
Menschen sind - der neuen Auslegung entsprechend - streng verpflichtet, Tierquälerei zu unterlassen, weil ihre eigene, persönliche moralische Integrität auf dem Spiel steht. Damit erhält die Unterlassung von Tierquälerei eine neue Qualität: Sie gerät nicht mehr zu einem bloßen „Charakterbonus“, den man sich je nach Lust und Laune verdienen mag oder nicht. (URL 006, Baranzke; vgl. auch: URL 007, Franzinelli, Emil: „Rezension zu ‚Das Tier’. Teils eine gelungene Einführung, teils eine Theologen-Polemik“, in: Tierbefreiung – Das aktuelle Tierrechtsmagazin,)
Nicht nur für den Tierschutz ergeben sich aus dieser Position Kardinalfragen: Ist die Verrohungsthese damit wissenschaftlich unhaltbar und vom Tisch? Sollte man nicht lieber Schopenhauer folgen, wenn er meint, dass die Tierschutzorganisationen mit ihren Ermahnungen und dem Aufzeigen der Parallelen zwischen Tierquälerei und Gewalttaten gegen Menschen „schlechte Argumente“ vorbringen? Ist die Annahme einer Kausalität zwischen diesen beiden Variablen vielleicht nur wissenschaftlicher Unfug, der besser unterbliebe? Welche Handlungsstrategie ergibt sich auf dieser Basis für eine pragmatisch ausgerichtete Präventionsarbeit in Sachen Gewalttat? Die rein philosophisch-ethische Argumentation führt die Moraltheologin Baranzke zu folgenden, zumindest kriminologisch irritierenden Fragen:
„Ist es denn überhaupt wahr, dass jeder, der einen Menschen quält, zuvor ‚zur Übung’ Tiere gequält hat, und wird ein Tierquäler notwendiger Weise zum Menschenmörder? Weder die eine noch die andere These wird sich wohl beweisen lassen. Aber selbst eine empirisch belegbare Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer rohen Behandlung von Menschen nach tierquälerischen Praktiken wäre als primäre Begründung für ein Verbot von Tierquälerei tierethisch sowenig akzeptabel wie der fiktive kausale Zusammenhang zwischen Tierquälerei und Menschenfreundlichkeit für die Forderung von Tierquälerei zur Verbrechensprävention.“ (URL 006, Baranzke)
Zunächst stimmt es natürlich, dass nicht ausnahmslos jeder der Tiere quält, dann auch zum Menschenquäler und Mörder mutiert. Dies ist eine unzulässige Vereinfachung und hier selbst als rhetorische Frage unfair, denn eine solche Behauptung stellt niemand mit wissenschaftlichem Ernst auf.
Anders sieht es aus mit einer empirisch belegbaren Wahrscheinlichkeit der Kausalität zwischen tierquälerischen Praktiken und der „rohen“ Behandlung von Menschen. Wir werden in nachfolgenden Kapiteln sehen, wie sadistische Mehrfachmörder vom Schlage eines Peter Kürten oder Frank Gust sowohl Gewalt gegen Tiere als auch gegen Menschen verübten, wie Tierquälerei und das Abschlachten von Tieren ihren Lebenslauf bestimmten. Und wie sie selbst davon berichteten, dass Tierquälerei bzw. Tierschlachtung in ihrer Kindheit zum Schlüsselreiz des abweichenden Verhaltens geriet. Diese „rohe“ Behandlung von Menschen wurde in der so genannten Probierphase ohne Zweifel zunächst an Tieren eingeübt.
Des Weiteren soll im zweiten Teil dieser Arbeit gezeigt werden, dass die Relation „Gewalt gegen Tiere – Gewalt gegen Menschen“ nicht nur ein isoliertes Phänomen sadistischer Mehrfachmmörder darstellt: Wie anfangs erwähnt, liegen zahlreiche wissenschaftlicher Studien vor, die - empirisch-statistisch abgesichert - genau diese Verknüpfung mit hoher Wahrscheinlichkeit für ein breites Spektrum abweichenden Verhaltens belegen. Eine Auswahl entsprechender Forschungsresultate wird daher in späteren Arbeitsabschnitten vorgestellt und erörtert.
Mit Blick auf den von Baranzke infrage gestellten Zusammenhang sei hier ergänzend ein Sachverhalt aus dunkelster deutscher Vergangenheit genannt, der ebenfalls in mehreren Arbeiten angesprochen und in einem Interview mit Dr. Charles Patterson, dem Autor von „Eternal Treblinka“ (Patterson, Charles: „Eternal Treblinka: Our Treatment of Animals and the Holocaust“, Lantern Books, New York, 2002) auf den Punkt gebracht wird.
Patterson verweist in seiner außergewöhnlichen Arbeit auf „die industrialisierte Schlachtung von sowohl Menschen als auch Tieren in der modernen Zeit“:
„Es geht um die Gleichheit in den Einstellungen und Methoden die hinter der Behandlung von Tieren durch unsere Gesellschaft stecken und der Art, in der Menschen sich durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch häufig gegenseitig misshandelt haben, in aller stärkster Form während des Holocausts. Manche Leute werden über diese Parallele vielleicht überrascht sein, aber wie ich in dem Buch darlege, war die Ausbeutung von Tieren das Model und die Inspiration für die Grausamkeiten die Menschen sich gegenseitig angetan haben, dabei sind die Sklaverei und der Holocaust sicher zwei der wohl dramatischsten Beispiele dessen.“
(URL 008, Schwarz, Richard: „Richard Schwarz interviewt Charles Patterson: Ein Interview mit dem Autor von Eternal Treblinka“, Januar 2002) Und später führt Patterson seinen Standpunkt weiter aus:
„Nach meiner Ansicht war und ist die Ausbeutung und Schlachtung von Tieren das Model und der Impetus für menschliche Unterdrückung und Gewalt – Krieg, Terrorismus, Sklaverei, Genozid und die endlosen anderen Grausamkeiten, die wir Menschen weiterhin aneinander ausüben. Ich zeige in dem Buch, wie die Versklavung (‚Domestizierung’) von Tieren zur menschlichen Sklaverei geführt hat, wie das Züchten von domestizierten Tieren zu Zwangssterilisierungen, Euthanasiemorden und Genozid geführt hat und wie die Fließband-Schlachtung von Tieren zur Fließband-Schlachtung von Menschen führte.“
(URL 008, Schwarz; siehe auch: URL 009, VgT-Dokumentation zur Zeitgeschichte des Holocausts an den Nutztieren: „Tier-Mensch-Vergleich und Holocaust-Vergleich, mit einer Einleitung von Dr. Erwin Kessler, Präsident des VgT.ch.
Weiterhin: URL 010, Vegane Gesellschaft Österreich: „Über den sogenannten ‚KZ-Vergleich’“, Wien)
Es fällt schwer, nach dem Studium dieser Forschungsarbeit einen nur „fiktiven kausalen Zusammenhang zwischen Tierquälerei und Menschenfreundlichkeit“ (Zitat: Baranzke) zu sehen bzw. die Verrohungsthese zu negieren. Und noch unverständlicher erscheint die Leugnung tierquälerischer Praktiken als Ausgangspunkt und Übungsfeld für die „rohe Behandlung“ (Zitat: Baranzke) von Menschen. Völlig abzulehnen ist daher die praktische Vermeidung einer Strategie der Verbrechensprävention, die auf genau diese offensichtliche Relation „Tierquälerei – Gewalt gegen Menschen“ abhebt.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Hier soll keinesfalls einem neuen Speziesismus das Wort geredet werden, der frei nach der gängigen Kant-Interpretation davon ausgeht, dass Tiere als bloße „Sachen“ keinen eigenen moralischen Status besitzen und nur mit Blick auf das Wohl des Menschen als „Krone der Schöpfung“ für eben dieses „Überwesen“ relevant sind.
Dies wäre, wie bereits betont, ethisch eindeutig der falsche Weg, denn es lassen sich keine moralisch fundierten Beweise finden, die Benachteiligungen von Tieren gegenüber uns Menschen rechtfertigen könnten. Es würde sich schlicht um eine Form von „Gruppenegoismus“ der Lebensform Mensch handeln. (Siehe dazu: URL: 004, Deutsches Referenzzentrum für Ethik in den Biowissenschaften [drze], Kapitel III.: „Kernfragen der ethischen Diskussion. Der moralische Status von Tieren und Menschen.“, Abschnitt 2.1.1: Tierinteressenposition)
Bei allem ethisch-philosophischen Purismus darf jedoch nicht verkannt werden, dass aus kriminologisch-pragmatischer Sicht mit dem Phänomen Tierquälerei oftmals deutliche Warnzeichen für spätere Gewalttaten an Menschen vorliegen.
Es kann nicht im Sinne ethischer Postulate sein, wenn diese Anzeichen realiter von Eltern, Lehrern, der Polizei und Justiz schlicht ignoriert würden – so, wie es leider mit schrecklichen Folgen in der Vergangenheit bereits geschehen ist. Die wissenschaftlich untermauerte Annahme, dass Gewalt gegen Tiere in bestimmter gesellschaftlicher Situation ebenfalls zur Gewalt gegen Menschen führt, hat ihre bittere Berechtigung – egal, ob man sie nun als ethisch unzulässiges Verrohungsargument abqualifiziert oder nicht.
Daraus resultiert dann auch, dass die Ermahnungen der Tierschutzorganisation mit ihren Hinweisen auf die Biografien von Gewalttätern und ihre Erfahrungen in Sachen Tierquälerei bzw. Tiertötung nicht einfach nur als „schlechte Argumente“ (Zitat: Schopenhauer) zu begreifen sind: Im Endeffekt helfen sie, durch Prävention sowohl das Leben von Tieren als auch das von Menschen zu bewahren. Bei Baranzke heißt es dazu jedoch:
„Das Aufzeigen etwaiger negativer Konsequenzen – z.B. der zunehmenden persönlichen Abstumpfung sowie der sozialen Auswirkungen – sind zwar erlaubte pädagogische Hilfsmittel, durch die unmündige Kinder klug überredet und zur vernünftigen Einsicht angeleitet werden können. Aber es wäre ein ethischer Irrtum, sich eventuell einstellende Konsequenzen einer Handlung mit dem ethischen Grund zu verwechseln, durch den sie verboten ist, dass nämlich niemand berechtigt ist, ohne vernünftige, allgemein einsehbare Begründung Schmerzen und Leiden zu verursachen.“ (URL 006, Baranzke)
Zunächst fällt bei dieser Argumentation natürlich ins Auge, dass es nicht einfach um die kluge Überredung unmündiger Kinder geht: Mit Blick auf das Holocaust-Beispiel von Charles Patterson haben wir dort eine perfide Tötungsmaschinerie, die zunächst auf Tiere angewandt wurde (man denke an die berüchtigten Chicagoer Schlachthöfe) und dann als „Vorbild“ für die industrielle Menschen-Tötung diente. Sicher wird niemand die Erfinder der NS-Todeslager als „unmündig“ verharmlosen. Aber auch sadistische Mehrfachmörder und Tierquäler lassen sich nicht einfach pädagogisch klug zur Besserung überreden. Das gezeichnete Bild verfälscht das Problem „Gewalttat“, indem es unangemessen verniedlicht.
Natürlich ist niemand berechtigt, ohne vernünftige Begründung Schmerzen und Leiden zu verursachen. Und selbstverständlich kann man stets an das ethisch Gute im Menschen appellieren - nur: was ist, wenn der Erfolg ausbleibt? Tierquälerei und Tiertötung sind in Deutschland leider an der gesellschaftlichen Tagesordnung und sogar gesetzlich akzeptiert – obgleich wir längst ein Staatsziel Tierschutz benannten:
Jährlich werden in in Deutschland nach Auskunft der Bundesregierung rund 100.000 Schafe, 350.000 Rinder und etwa sechs Millionen Schweine „fehlbetäubt“ in die Schlachtung geschickt. Das heißt, diese Tiere sind bei Bewusstsein, wenn sie aufgeschlitzt und ausgeweidet, also lebendig zerlegt werden. (URL 011, Lohman, David: „Fehlbetäubungen lassen sich ‚nie gänzlich ausschließen’“, in: BSZ Bayrische Staatszeitung, Rubrik: Landtag, 08. 01. 2016)
Ein weiteres Beispiel: Das betäubungslose Schächten von Tieren ist gesetzlich verboten – allerdings besteht eine Ausnahmeregelung gemäß TierSchG § 4a Abs. 2 Nr. 2, die aus zweifelhaften religiösen Gründen dieses blutige, grausame Ritual gestattet. Immerhin weist man für das Jahr 2015 die offizielle Zahl von 2.488 derart gequälten und getöteten Schafen aus (eigene Erhebung bei staatlichen Stellen, V.M.).
Die Dunkelziffer für illegale „Hinterhofschlachtungen“ dürfte sich nach fundierten Schätzungen im sechsstelligen Bereich bewegen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch Kinder und Jugendliche in die religiöse „Notwendigkeit“ des betäubungslosen Schächtens eingewiesen und somit in diese Massentierquälerei und die Massentiertötungen hineinsozialisiert werden. Dies geschieht alljährlich in Deutschland zum muslimischen Opferfest Kurban Bayrami. Und selbst die christliche Kirche toleriert das rituelle Schächten im Namen der Religionsfreiheit. Auf Anfrage des Autors erfolgte für die evangelische Kirche in Deutschland z. B. die Stellungnahme durch den EKG-Ratsbeauftragten für agrarsoziale Fragen, Dr. Clemens Dirscherl. Auf den Hinweis, dass bereits Kinder und Jugendliche zum Opferfest in die rituelle Schächtung von Tieren einbezogen werden, heißt es in der Antwort:
„Die Anwesenheit von Kindern ist als kulturelle Form religiöser Sozialisation zu sehen. Und das ist an sich nicht verwerflich. Gleichwohl stellt sich auch hier die Frage nach der Praxis des Schächtens, eines möglichst professionellen leidensfreien und schnellen Ausblutens des Tieres.“
(Antwort des EKG-Ratsbeauftragten für agrarsoziale Fragen, Dr. Clemens Dirscherl per E-Mail an den Autor, V. M.) Erinnert sei hier an die Warnung der US-amerikanischen Ethnologin Margaret Mead:
„Eines der gefährlichsten Dinge, die einem Kind passieren können, ist ein Tier zu töten oder zu quälen und einfach damit davonzukommen.“
(URL 012, Mead, Margaret, zitiert in: Peta Deutschland e. V.: „Menschen, die Tiere quälen, belassen es selten dabei …“, Informationen für Staatsanwälte, Richter, Polizeibeamte und Pädagogen, PDF-Broschüre, Stuttgart)
Nur am Rande sei hier auf politische und wirtschaftliche Zusammenhänge hingewiesen, die selbst in einer Demokratie -allein durch das Wirken rein finanzbestimmter Machtfaktoren -für eine prosperierende Fleischindustrie fast um jeden Preis sorgen. (Siehe dazu zum Beispiel: Kaplan, Astrid: „Solange es Schlachthäuser gibt, wird es Schlachtfelder geben“, trafo Verlagsgruppe, Berlin, 2010, S. 17)
Wenn also in unserer deutschen Gesellschaft eine Einsicht in fundamentale ethische Postulate offensichtlich so wenig möglich ist, wie die grundsätzliche Durchsetzung des veganen Lebensstils, dann bleibt die Frage nach sinnvollem weiteren Vorgehen im Bereich der Gewaltprävention. Sollte man in dieser gesellschaftlichen Situation nicht soweit wie möglich die Rettung von Leben anstreben und damit auf den kleinsten gemeinsamen Nenner setzen?
Der Gordische Knoten vorgenannter Ethik-Diskussion lässt sich zertrennen, wenn man den berechtigten ethischen Anspruch und wissenschaftlich abgesicherte kriminologische Erfahrungswerte auseinanderhält: Das strikte Verbot der Tierquälerei muss eine tierethisch akzeptable Begründung erhalten, indem man den eigenen moralischen Status der Tiere postuliert.
Zugleich aber darf auf praktischer Ebene eine Verkettung von Variablen nicht abgelehnt werden, die kriminologisch eindeutig für den Schutz beider Lebensformen, Mensch und Tier, unabdingbares forensisches Wissen liefert. Ansonsten wären andersmeinende Philosophen in der Pflicht, zum Beispiel den Hinterbliebenen der Opfer von sadistischen Serienmördern des Typs Frank Gust zu erklären, warum Psychiatrie und Justiz erst auf den Plan traten, als der Übergang von der Tiertötung zur Menschentötung bereits vollzogen war. Am Ende dieser Überlegungen soll ein Zitat von Dr. Astrid Kaplan weiteren Stoff zu tieferem Nachdenken bieten:
„Da es einen Zusammenhang zwischen der Gewalt gegenüber Tieren und der Gewalt gegenüber Menschen gibt, müssen wir jede Form von Gewalt ernst nehmen und möglichst schnell eingreifen, um zu verhindern, daß sich daraus noch mehr Gewalt entwickelt. [...] Ein effektiver Umgang mit Tiermissbrauchsfällen durch Exekutivbeamte, Staatsanwälte und Gerichte kann den Unterschied zwischen einer Drosselung oder einer Eskalation der Gewalt bedeuten.“ (Kaplan 2010, a. a. O., S. 257)
Anzufügen ist hierbei, dass die „Mentalität des Wegschauens“, wie die Kriminologin Petra Klages es in ihrer sehr lesenswerten neuen Schrift formuliert, in unserer Gesellschaft eine besondere Perfektion erlangt hat. (Begriff nach Klages, a. a. O., S. 61)
Diese „Kunst“ der Unterlassung und Problemausblendung (oder sollte man besser sagen: Inkompetenz?) findet sich natürlich auch in den mit Gewaltdelikten befassten deutschen Behörden. Ein Beispiel dazu: Während im US-amerikanischen Rechts- und Kriminalsystem Missbräuche von Tieren bereits im Rahmen des Profiling beachtet und analysiert werden, geschieht in Deutschland – nichts dergleichen. Bis heute ignoriert man den wissenschaftlich belegten Sachverhalt, dass Tierquälerei oftmals der erste Schritt zur Gewalt gegen Menschen ist. (siehe dazu: Klages, a. a. O., S. 17)
Mit Blick auf die Klärung des Begriffes „Verrohungsthese“ sollte man jedoch im zukünftigen wissenschaftlichen Diskurs besser von einer These unbegrenzter Gewalteskalation und Enthemmung sprechen: Wir haben es hier nicht mit Wirtshausschlägereien und gelegentlichem Rowdytum zu tun, sondern oft genug mit Serien-Vergewaltigern, Mehrfachmördern und – folgt man Charles Patterson – NS-Killern, die auch vor einem Genozid nicht halt machten.
Es ist hilfreich, vor der Darlegung nachfolgender Straftäter-Biografien und ausgewählter wissenschaftlicher Studien zur Gewalt gegen Menschen und Tiere wichtigste Begriffe abzuklären. Dazu gehört zunächst auch ein kurzer Überblick über das deutsche Tierschutzrecht, da dieses für unsere Gesellschaft den justiziellen Handlungsrahmen determiniert.
Am ersten August 2002 wurde in Art. 20a unseres Grundgesetzes das Staatsziel Tierschutz aufgenommen. Seit diesem Tage besitzt der Tierschutz in der Bundesrepublik Verfassungsrang. Der Staat ist damit im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung verpflichtet, Tiere durch vollziehende Gewalt und Rechtsprechung zu schützen. Der präzise Text findet sich zum Beispiel auf der Internetseite des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft:
„In Artikel 20a Grundgesetz wurden nach dem Wort ‚Lebensgrundlagen’ die Wörter ‚und die Tiere’ eingefügt (so genannte ‚Drei-Wort-Lösung’). Artikel 20a Grundgesetz hat nunmehr folgende Fassung: ‚Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.’“
(URL 013, Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft [BMEL], Internetseite des BMEL, Thema: Tierschutz, Bericht: „Stellung des Tierschutzes im Grundgesetz“, Bonn und Berlin)
Aus der Erhebung des Tierschutzes in den Verfassungsrang resultieren weitgreifende Besserungen. Dennoch ist es nicht abwegig, wenn kritische Stimmen von einer „Verfassungslyrik“ sprechen, weil entscheidende Ziele wie etwa das Verbandsklagerecht politisch nicht oder nur zögerlich umgesetzt werden. Von besonderem Interesse ist die Frage, welches Strafspektrum den mit Tierquälerei befassten Gerichten zur Verfügung steht, denn bereits daran lässt sich der gesellschaftliche Stellenwert entsprechender Verbote erkennen.
Das Tierschutzgesetz (TierSchG) weist im elften Abschnitt die Straf- und Bußgeldvorschriften aus. Von zentraler Bedeutung - und daher noch vor den Vorschriften zur Einziehung von Tieren (TierSchG § 19) oder zum Verbot der Tierhaltung (Tier-SchG § 20) stehend - sind die Rechtsnormen der Paragrafen 17 (Straftaten) und 18 (Ordnungswidrigkeiten). (Hirt, Almuth, Maisack, Christoph, Moritz, Johanna: „TierSchG – Tierschutzgesetz mit TierSchHundeV, TierSch-NutztV, TierSchVersV, TierSchTrV, EU-Tiertransport-VO, TierSchlV, EU-Tierschlacht-VO - Kommentar“, 3. Auflage, Verlag Franz Vahlen, München 2016. S. 483 ff.)
Gemäß TierSchG § 17 Abs. 1 und 2 können Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren verhängt werden. Der Paragraf hebt ab auf die Tötung von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund oder die Zufügung erheblicher Leiden oder Schmerzen aus Rohheit. Ebenfalls unter Strafe gestellt wird hier die länger anhaltende oder sich wiederholende Zufügung erheblicher Schmerzen oder Leiden. Nur am Rande sei bemerkt, dass alle Nicht-Wirbeltiere somit ungeschützt bleiben.
Mit dem Paragrafen 17 TierSchG und der Ausschöpfung seiner Strafmöglichkeiten ist somit ein deutlicher Strafeffekt und ebenfalls eine gewisse präventive Wirkung zu erzielen.
Beachten sollte man jedoch, dass die maximal zu verhängende Freiheitsstrafe (drei Jahre) für wiederholte oder anhaltende, brutalste Tierquälerei bis hin zum Tod noch weit unter der maximalen Freiheitsstrafe für Delikte wie Diebstahl (StGB § 242 und § 243) und Betrug (StGB § 263) liegt. Für letztgenannte StGB-Delikte ist eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren vorgesehen. Davon ausgenommen sind jedoch so genannte „besonders schwere Fälle“, die entsprechend härter geahndet werden.
Der § 18 TierSchG regelt die Verhängung von Bußgeldern. Er ist also auf Ordnungswidrigkeiten und nicht auf Straftaten ausgerichtet. In TierSchG § 18 Abs. 1 Nr. 1 wird ausgeführt: Ordnungswidrig handelt generell, wer vorsätzlich oder fahrlässig einem Wirbeltier erhebliche Leiden, Schmerzen oder Schäden zufügt und dabei nicht aus einem vernünftigen Grund heraus agiert. Der Paragraf richtet sich ausschließlich an die Halter und Betreuer von Tieren.
Für die Mehrheit der Tatbestände nach Paragraf 18 Tier-SchG kann ein Bußgeld bis zu 25.000 Euro verhängt werden. In bestimmten Fällen liegt die Bußgeld-Obergrenze jedoch bei 5.000 Euro. Zu ergänzen ist, dass hier – im Gegensatz zum Strafverfahren - nicht die Staatsanwaltschaft ermittelt, sondern die Verwaltungsbehörde eigenständig handelt (Landratsamt, Bürgermeisteramt, usw.). Diese kann bei Verdacht einer Straftat jedoch an die Staatsanwaltschaft abgeben (Hirt, Maisack, Moritz 2016, a. a. O., S. 549 f.)
Mit den vorgenannten Bußgeldhöhen bewegt man sich etwa auf dem Sanktionsniveau der Paragrafen 117 OWiG (Ordnungswidrigkeit „Unzulässiger Lärm“) oder 121 OWiG (Ordnungswidrigkeit „Vollrausch“).
Kritische Tierschützer beobachten seit langem, wie eindeutige Straftatbestände der Tierquälerei in der deutschen Rechtspraxis mehr und mehr als bloße Ordnungswidrigkeiten wahrgenommen und entsprechend milde geahndet werden. Und wer meint, die Verhängung der Höchstsummen im Bußgeldverfahren sei bei Sachverhalten wie der Zufügung erheblicher Leiden und grausamster Schmerzen bis zum Tode üblich, der sieht sich realiter eines Besseren belehrt:
Mit Blick auf die Entscheidungen unserer Rechtsprechung ist es leider fast ausgeschlossen, dass selbst erheblich verrohte Täter jemals eine Haftstrafe erhalten. Auch bei übelsten Delikten wie etwa der betäubungslosen „Hinterhofschächtung“ zahlreicher Opfertiere am Kurban Bayrami (muslimisches Opferfest) oder dem x-ten, erneut medienwirksam berichteten Skandal in deutschen Massentierhaltungen oder Großschlachtereien werden – wenn es überhaupt zum Gerichtsverfahren kommt – Sanktionen ausgesprochen, die nicht nur engagierte Tierschützer an der effektiven Arbeit unserer Justiz zweifeln lassen. (siehe dazu etwa: Mariak, Volker: „Konkurrierende Staatsziele. Religionsfreiheit vs. Tierschutz“, Kapitel 5.1.3.: Justiz und Tierschutz, Verlag: tredition, Hamburg 2016, S. 198 ff.; des Weiteren: URL 014, PETA Deutschland e. V., Bericht: „Erschütterndes Filmmaterial aus angeblicher Vorzeige-Bio-Schlachterei in Baden-Württemberg“, Stand: 2009 bzw. 2012; weiterhin: URL 015, Norddeutscher Rundfunk: „Schweinemäster wegen Tierquälerei verurteilt“, in: NDR Fernsehen, Sendung: „Hallo Niedersachsen“, 02. 08. 2016; siehe auch: URL 016, Stampe, Verena: „Erstes Strafverfahren zum Schächten“, in: Magazin „PROVIEH – respektiere leben.“, PROVIEH – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e. V., Bundesgeschäftsstelle Kiel)
Die Vielzahl „moderater“ richterlicher Entscheidungen aufgrund zweifelhafter gesetzlicher Vorgaben spricht Bände. Sie legt für engagierte Laien die Interpretation nahe, dass generell nach dem Motto „Es sind ja nur Tiere“ verfahren wird. Schließlich gelten gemäß StGB Tiere immer noch als Sachen. Interessant ist in diesem Kontext eine Stellungnahme der Partei „DIE LINKE“, die zeigt, dass man auch in der Politik zentrale Tierschutzprobleme nicht mehr ignorieren kann und zugleich auf einen wichtigen Schwachpunkt der Normen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) hinweist:
„Vor zehn Jahren wurde das Staatsziel Tierschutz in der Verfassung verankert. Derzeit erleben wir eine breite gesellschaftliche Debatte über Rolle und Wesen der Landwirtschaft. In diesem Zusammenhang stellt die Bundesregierung Vorschläge zur Überarbeitung des Tierschutzgesetzes vor. Dabei geht es in erster Linie um die Übernahme einer neuen EU-Richtlinie zu Tierversuchen. Alles andere ist längst überfällige Kosmetik. Die Grünen präsentieren gar ein völlig neues Tierschutzgesetz. Wie jedoch verbessert sich konkret der Status der Tiere? Im deutschen Tierschutzgesetz ist vom Schutz der Mitgeschöpfe die Rede – eine erstaunlich religiöse Nuance im Nebenstrafrecht. Und das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) sagt klar (§ 90a Satz 1): ‚Tiere sind keine Sachen.’ Allerdings regelt Satz 3 des gleichen Paragraphen, dass die für Sachen geltenden Vorschriften auch auf Tiere anzuwenden seien! Diese Doppelnatur des Tieres in der Rechtsordnung – einerseits keine Sache, jedoch zu behandeln wie eine Sache - wird durch ein Staatsziel Tierschutz nicht beseitigt.“
(URL 017, DIE LINKE im Bundestag: Tierschutz – Themenpapiere der Fraktion)
Ein Blick in das Strafgesetzbuch (StGB) und zugehörige Kommentare zeigt folgendes vielsagende Beispiel:
Für den Paragrafen 242 StGB (Diebstahl) wird unter der Überschrift „Der strafrechtliche Begriff der Sache“ ausgeführt, dass die Herausnahme des Tieres aus dem zivilrechtlichen Sachbegriff (§ 90a S.1 BGB) keinen Einfluss auf das Strafrecht habe. Daran ändere auch der Paragraf 90a BGB nichts. Der Sachbegriff sei dem Zweck des StGB und seinem natürlichen Wortsinn gemäß auszulegen, so dass zum Beispiel im Sinne des § 242 „[…] auch ein Tier eine Sache ist […]“. (Dreher, Eduard, und Tröndle, Herbert: Strafgesetzbuch und Nebengesetze, Beck’sche Kurz-Kommentare, Bd. 10, 46., neubearbeitete Auflage, C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung, München 1993, S. 1378)
Wie Fachanwälte zu diesem Thema ausführen, ist aus der Normendefinition und den Rechtskommentaren Folgendes zu schließen:
„Im Strafrecht wird in verschiedenen Vorschriften von ‚Tieren oder anderen Sachen’ gesprochen. Auch damit kommt zum Ausdruck, dass Tiere von der gesetzgeberischen Denke her grundsätzlich zur Gruppe der Sachen gehören.“
(URL 018, Barth Christine, und John, Jörg: „Sind Tiere Sachen?“, in: Website: Tierecht aktuell, Mitschke & Collegen – Rechtsanwälte, Heidelberg und Stuttgart, 2006 – 2017)
So gesehen haben wir es im Fall auch der ärgsten Tierquälerei – juristisch-logisch korrekt - nur mit „lebenden Sachen“ und „Sachbeschädigung“ zu tun, rechtlichen Bewertungen, die bezeichnend sind für die konfuse, widersprüchliche Gesetzgebung in BGB und StGB. Dass sich an dem „gestörten“ Verhältnis der Justiz zum Tierschutz auch aktuell nicht allzu viel geändert hat, zeigt u. a. eine Untersuchung des Johann Heinrich von Thünen-Instituts.
Anliegen der Studie war die Eruierung von Konfliktpunkten zwischen Veterinärämtern und Staatsanwaltschaften, beispielhaft für die Länder Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen und speziell mit Blick auf die Problematik Nutztiere:
„Ziel der explorativen Untersuchung war es, mögliche Probleme in der Verfolgung von Verstößen gegen Tierschutzgesetze im Nutztierbereich zu identifizieren und Verbesserungsvorschläge zu sammeln. Der Ausgangspunkt für die Studie war die Aussage von Amtstierärzten, dass eindeutige Verstöße gegen das Tierschutzgesetz von den Justizbehörden (Staatsanwaltschaften, Gerichten) nicht als solche gesehen und entsprechend nicht strafrechtlich verfolgt würden.“
(URL 019, Bergschmidt, Angela: „Eine explorative Analyse der Zusammenarbeit zwischen Veterinärämtern und Staatsanwaltschaften bei Verstößen gegen das Tierschutzgesetz“, in: Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für ländliche Räume, Wald und Fischerei, Thünen-Institut für Betriebswirtschaft, Thünen Working Paper 41, Braunschweig, Juli 2015)
Erläutert wird des Weiteren die Vorgehensweise der Forscher im Rahmen des Themenkreises Tierschutz: