3. Auflage 2013, Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN 978-3-848290-40-6
© Dr. Jens Kegel, Berlin. Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigung, Übersetzung, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Alle in diesem Buch enthaltenen Angaben, Ereignisse, Sachverhalte usw. wurden vom Autor nach bestem Wissen erstellt. Sie erfolgen ohne jegliche Verpflichtung oder Garantie. Der Autor übernimmt daher keinerlei Verantwortung und Haftung für vorhandene Unrichtigkeiten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen, Firmennamen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen.
Dr. Jens Kegel studierte Germanistik, Geschichte, Pädagogik und Psychologie. Nach zwei Staatsexamen folgten ein Fernstudium „Werbetexten“ und ein Promotionsstudium im Bereich Germanistische Linguistik. Seit fünfzehn Jahren arbeitet Jens Kegel als Texter, Autor, Ghostwriter und Berater für verbale Unternehmenskommunikation. Er schreibt die unterschiedlichsten Textsorten und wendet zugleich aktuelle Erkenntnisse aus verschiedenen Wissenschaftsbereichen an. Der leidenschaftliche Viel-Leser übersetzt für Praktiker die neuesten Erkenntnisse aus Linguistik, Psychologie, Neurologie und bereitet sie methodisch in Vorträgen und Seminaren auf.
www.jens-kegel.de
Sechsundzwanzig Buchstaben verdienen Geld und erwirtschaften Gewinn. Worte bewegen Waren und schaffen Werte. Sätze erzeugen Images und bilden Marken. Texte entscheiden über Wohl oder Weh, Top oder Flop. Mündliche und schriftliche Sprache ist Wertschöpfer, Gewinnbringer und optimales Kommunikations-Instrument in einem – wenn man sie denn wirklich nutzt.
Heute gewinnen jene, die optimal kommunizieren, weil der Kommunikations-Wettbewerb längst den Produktwettbewerb abgelöst hat. Selbst wenn in einigen Bereichen kein Wettbewerbs-Druck herrscht, müssen es alle tun. Organisationen haben darum erkannt, dass sie sich durch einheitliche grafische Zeichen vom ganzen Rest abheben können. Sie besitzen ein Corporate-Design, welches sie – zu Recht – mit Argusaugen bewachen. Das wichtigere Zeichensystem Sprache aber darf jeder nach Gutdünken verwenden. E-Mails, Geschäftsbriefe, Anzeigen, Pressemitteilungen, Reden, Internet-Texte… So einheitlich das grafische Erscheinungsbild, so durcheinander das sprachliche. Verschiedene Textproduzenten aus einem Haus erzeugen einen bunten Salat unterschiedlicher Aussagen und Stile, was einer integrierten Kommunikation zuwiderläuft. Der wichtigste Grund für den laxen Umgang mit dem wichtigsten Kommunikations-Instrument liegt in zwei fundamentalen und weit reichenden Fehleinschätzungen. Irrtum eins: Sprache transportiert lediglich Informationen. Irrtum zwei: Jeder kann sie optimal benutzen. Diese allerorten anzutreffenden Grundannahmen missachten, dass Worte viel mehr sind als Transporter für Informationen. Zugleich meinen wir: Was jeder jeden Tag verwendet, wird alltäglich und darum unwichtig. Wir denken über Worte, Sätze und Texte meist ebenso wenig nach wie über die Luft, welche wir atmen. Wenn aber die Pressemitteilung wieder mal im Papierkorb landet, die Rede nur Gähnen hervorruft, die Broschüre mit Missachtung gestraft wird und die Argumentation am Kunden vorbei argumentiert, macht sich Ratlosigkeit breit. Zudem wurde Geld verschwendet. Kurioserweise klammern auch Standardwerke der Unternehmens-Kommunikation die wichtigste Basis ihres Themas aus. Sie machen oft einen großen Bogen um die Sprache, obwohl nur sie es ist, mit der die viel beschworenen Ziele überhaupt erst erreicht werden können.
Dieser unbefriedigenden Situation stehen eine Reihe neuer Erkenntnisse gegenüber. In den oft geschmähten Geisteswissenschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten stille Revolutionen ereignet, die jedoch in der täglichen Kommunikations-Praxis nur geringen Widerhall finden. Einfach darum, weil nur wenige Informationen den Weg aus dem Elfenbeinturm hinab in die Ebenen der täglichen Kommunikation schaffen. Den Raum dazwischen füllen heute wie vor fünfzig Jahren Ratgeber, die von Journalisten, Volkswirten und selbsternannten Stilwächtern verfasst werden. Viele dieser Autoren nehmen oft lediglich ihr eigenes Sprachgefühl zu Hilfe. Sie reduzieren gutes Deutsch auf orthografisch und grammatisch richtiges Deutsch. Zudem hinken ihre Kenntnisse in wichtigen Teilen oft dem aktuellen Stand der Wissenschaft hinterher.
Dieses Buch will aus all diesen Gründen übersetzen und vermitteln. Es zeigt, wie wir unsere Sprache optimal nutzen. Es kombiniert neue Erkenntnisse aus Linguistik, Psychologie und Neurologie mit den Erfahrungen eines Praktikers, der seit Jahren an den Schnittstellen zwischen Text, Kommunikation und Marketing arbeitet. Eine Fülle realer und fiktiver Beispiele beweist, wie die graue Theorie alltagsbunt wird – damit Sprache ihre Potenzen voll entfalten kann. Als Wertschöpfer, Gewinnbringer und optimales Kommunikations-Instrument.
Menschen in der ganzen Welt fallen auf die Knie angesichts eines Kreuzes.1 Sie verstehen einen stilisierten Halbmond oder ein Hexagramm als Zeichen für ihre Religion. In der Wüste von Peru gibt es auf der Ebene von Nazca übergroße Vögel, die nur vom Flugzeug aus als solche zu erkennen sind. Die Nazis in Deutschland symbolisierten ihre „Bewegung“ mit der Swastika, einem Kreuzzeichen, das nicht nur auf vier Kontinenten zu finden ist, sondern ursprünglich auch als Glücks-bzw. Heilszeichen verwendet wurde. Hinter all diesen Zeichen stehen ganze Religionen, Dogmen, Glaubensgrundsätze. Die Zeichen stehen stellvertretend für etwas anderes und bekommen im Laufe ihrer Geschichte eine manchmal erschreckend wirkungsvolle Eigendynamik. Warum einfache Striche oder andere Zeichen so wirkungsmächtig werden können, untersucht eine Wissenschaft, die nicht genau zugeordnet werden kann – Semiotik. Sie förderte aber wichtige Erkenntnisse zutage, mit denen professionelle Kommunikatoren täglich zu tun haben.
Der Begriff Semiotik umfasst ein Phänomen, von dem wir ständig umgeben sind, das wir in den verschiedensten Ausprägungen kennen, welches uns aufgrund seiner Omnipräsenz jedoch nicht mehr auffällt – Zeichen und ihre Wirkungen. Die meisten denken hier zuerst an grafische Elemente wie Logos oder Piktogramme, an das Schild auf der Toilette oder die Ampel im Straßenverkehr. Zeichen können aber weit mehr Sachverhalte sein, und ihre Erforschung ist demnach ein – wie Fontane sagen würde – weites Feld. Die Einschätzung von Charles Morris zur Semiotik aus dem Jahr 1938 hat von ihrer Aktualität nichts eingebüßt. Sie ist Hinweis auf die Vielfalt des Untersuchungsgebietes und deutet zugleich an, worauf Kommunikations-Profis in Organisationen und Agenturen, wollen sie integriert kommunizieren, achten sollten:
„Es ist zweifelhaft, ob Zeichen jemals zuvor von so vielen Menschen aus so vielen Perspektiven untersucht worden sind. Zum Heer der Forscher gehören Linguisten, Logiker, Philosophen, Psychologen, Biologen, Anthropologen, Psychopathologen, Ästhetiker und Soziologen“ (zit. nach: Nöth 2000: XI).
Zeichen bestehen nach klassischer Auffassung aus einem Zeichenträger, sie besitzen eine Bedeutung und Bezeichnung. Als Zeichenträger können verschiedene Sachverhalte fungieren: eine Schranke vor dem Parkplatz, eine Tür mit Piktogramm, ein Gebäude, ein Arm mit der entsprechenden Bewegung, ein Mensch, der Sprache produziert, die Hintergrundmusik in einer Arztpraxis, eine Holzplatte mit aufgemalten Farben, der bröckelnde Putz im Besucherzimmer, der Staub auf der Grünpflanze, die fleckige Krawatte und so weiter und so fort. Anhand dieser kleinen Auswahl wird schon deutlich, dass Organisationen und ihre Personen viel mehr Zeichen aussenden, als wir gemeinhin glauben.
Selbst der von einer Person oder einem Gegenstand ausgehende Geruch ist in der Lage, als potentieller Zeichenträger zu fungieren, wenn Menschen diesem Sachverhalt – bewusst oder unbewusst – eine Bedeutung beimessen. Dabei sind Zeichen nicht an sich vorhanden, sondern werden durch Interpretation, durch Zuschreibung von Sinn erst zu einem solchen gemacht.
Der Rauch, welcher über dem Wald aufsteigt, ist erst einmal Rauch als Produkt eines Verbrennungsvorgangs. Wenn niemand ihn sieht und deutet, kann er auch kein Zeichen sein. Für einen Feuerwehrmann hingegen kann er die Bedeutung besitzen: Feuer im Wald. Ein Indianer deutet ihn vielleicht als negatives Signal für einen bevorstehenden Krieg mit dem Nachbarstamm, ein Verhungernder deutet ihn – positiv – als das Vorhandensein von Menschen und die nachfolgende Rettung. Auch komplette Gebäude können Zeichen sein. Hier einige Auszüge aus einem Interview mit zwei Architekten (Ansgar und Benedikt Schulz), die im Jahr 2011 mit dem Neubau der Leipziger Propsteikirche beauftragt wurden: „Es wird zeigen, dass ein Gebäude an dieser Stelle Kraft ausstrahlt nach außen […]. Dann ist am vorderen Hochpunkt ein sehr großes, ein riesengroßes Fenster in Erdgeschossebene eingeschnitten, und über dieses Fenster entsteht ein Kontakt […] mit dem Innenraum. […] Der Austausch des Inneren direkt mit der Stadt, das war uns ganz wichtig. […] Die Frage, was ist Kirche im 21. Jahrhundert, haben wir eben damit beantwortet mit dieser besonderen Offenheit und Transparenz“ (MDR, Radio Figaro, FIGARO trifft, 31.08. 2011).
Ob die von den Architekten bewusst geplanten Bedeutungen nach dem Bau auch wirksam werden können, liegt nicht am Zeichenträger allein, sondern natürlich auch an den Interpreten dieser Zeichen. Genauso ist es mit Sprache. Für einen Buschmann aus dem Amazonas ist das verbale Zeichen Steuererklärung nur ein unverständliches Strichmuster, eine Verkehrsampel ohne jegliche Bedeutung und ein Hundert-Euro-Schein höchstens für den Gang ins Gebüsch zu verwenden. Für einen Stadtbewohner hingegen ist die Spur, welche ein gefährliches Raubtier im Amazonas hinterlässt, lediglich der Abdruck auf dem Erdboden, dem man keine Bedeutung beimessen muss. Eine Wolke deutet der Handy tragende Europäer als willkommenen Schattenspender und nicht als Vorbote für drohendes Unwetter. Die Sonne ist für ihn nur ein Stern, der Licht und Wärme verbreitet, mitnichten aber eine göttliche Person. Dieser Vorgang, einem Sachverhalt, einer Entität, eine Bedeutung beizumessen, ist wiederum Teil eines anderen:
„Der Prozeß der Erzeugung und Weitergabe von Sinn (die Semiose) kommt erst dann zustande, wenn jemand (ein Interpret) eine Verbindung zwischen einer Einheit, die dabei Ausdruck wird (ein Laut, eine atmosphärische Erscheinung, ein Bild usw.) und einer Einheit herstellt, die als Inhalt fungiert“ (Volli 2002: 28).
Erst der Mensch macht also aus einem beliebigen Sachverhalt ein Zeichen, indem er diesem eine Bedeutung zuschreibt und dieses interpretiert. Die Semiotik geht nach Umberto Eco2 sogar davon aus, dass alle Kulturphänomene Zeichen sind bzw. zu einem solchen werden können. Am Beispiel des Throns demonstriert er, dass ein und derselbe Gegenstand mehrere Funktionen aufweisen kann (Eco 1988: 311). In seiner ersten Funktion ist der Thron ein Sitzmöbel. In zweiter dient er Repräsentationszwecken, denn die Funktion des Sitzens kann genauso gut ein Schemel erfüllen. Nun wird klar, dass die zweite Funktion hier die erste überlagert, was nicht nur beim Thron, sondern bei vielen anderen Gegenständen geschehen kann. Zusammenfassend schlussfolgert Eco zu den verschiedenen Funktionen von Gegenständen, dass „im Laufe der Geschichte erste und zweite Funktionen oft Verlusten, Wiedereroberungen, Substitutionen verschiedener Art unterworfen (sind)“ (ebd.: 315). Damit aber noch nicht genug, denn welche Funktionen primär, sekundär und eventuell tertiär sind, hängt nicht vom Gegenstand selbst ab, sondern von verschiedenen Einflüssen, der Zeit und den Menschen, die den Sachverhalten diesen Funktionen zuordnen. Folgende Schlussfolgerungen lassen sich aus dem bisher Gesagten ziehen:
Das Ziel professioneller Kommunikation sollte im Idealfall darin bestehen, den zu interpretierenden Sachverhalt aus der schier unendlichen Menge der uns alle umgebenden Zeichen herauszuheben. Kunden, Aktionäre, Mitarbeiter, Journalisten… müssen also aus der Fülle der sie täglich umgebenden Zeichen die von unserer Organisation ausgesandten als für sich selbst (!) besonders wichtig empfinden, um sie im ersten Schritt überhaupt wahrnehmen und im zweiten interpretieren zu können. Daraus resultieren zwei zentrale Aufgaben:
Als Muster-Beispiel für den zweiten Punkt sei hier auf die grafischen und typografischen Zeichen zweier Weltmarken verwiesen – NIVEA und Coca Cola. In den 70-er Jahren legte Beiersdorf schrittweise das Corporate Design von NIVEA fest, welches sich zuvor über Jahrzehnte herausgebildet hatte. Bis heute hält der Konzern daran fest, was dazu führt, dass die NIVEA-Creme immer und überall sofort erkannt wird. Das liegt am serifenfreien Schriftzug und der unverwechselbaren Farbkombination. Mindestens genauso wichtig ist aber, ein Zeichen über Jahrzehnte unverändert fortzuführen, damit es sich überhaupt in den Köpfen der Menschen festsetzen kann. Im Anschluss an die Festlegung des Designs für die Cremedose entwickelte das Unternehmen eine Reihe weiterer Pflege-Produkte, so dass sich der positiv besetzte Name NIVEA zu einer Dachmarke entwickeln konnte, die ihre verschiedenen positiven Assoziationen auf andere Produkte übertragen konnte und weiterhin kann. Wer in einer Drogerie gezielt nach NIVEA-Produkten aus verschiedenen Kategorien Ausschau hält, wird dies bestätigen können.
Das andere Beispiel, Coca Cola, beweist, dass einfache Schriftzüge keine unabdingbare Voraussetzung sind, um auf Dauer in die Köpfe der (lernenden) Kunden zu gelangen. Das Zeichen der braunen Brause ist an Schreibschrift angelehnt und weitaus verschlungener als jenes von NIVEA. Es wird aber ebenso überall auf der Welt dem entsprechenden Produkt zugeordnet, weil es a) über Jahrzehnte in allen Medien penetriert wurde und b) in der Grundsubstanz gleich geblieben ist.
Dass ein grafisches Zeichen, je länger es kommuniziert wird, umso stärker erkannt wird, ist natürlich bekannt. Wenig bekannt dürfte sein, dass aufgrund der gestiegenen Informationsvielfalt dies nicht nur für grafische, sondern für alle anderen Zeichen eines Unternehmens zutreffen kann und soll. Dass zum Beispiel eine einheitliche Unternehmenssprache aufgrund des Wesens der Sprache natürlich nicht so einfach umzusetzen ist wie ein Corporate Design, liegt auf der Hand, sollte aber als Ziel festgelegt werden, gerade weil Sprache quantitativ am weitesten und tiefsten wirkt.3
Die zweite Komponente neben der Form, der materiellen Gestalt, die aus einem Sachverhalt erst ein Zeichen macht, ist die Bedeutung. Sie wird diesem Sachverhalt erst durch einen Interpreten beigemessen, der zwischen dem sensorisch Wahrgenommenen und einer im Gedächtnis gespeicherten Bedeutung eine Verbindung herstellt. Wenn diese Verbindung nun einen hohen Grad an Konventionalität aufweist, benennen viele Menschen den z.B. gesehenen Sachverhalt mit einem Wort.
Ein Beispiel dazu: Die allermeisten Deutschen sagen zu einer hoch gewachsenen Pflanze mit einem verholzten Stamm und Tausenden Blättern Baum. Warum ein solches Gewächs nun gerade Baum heißt, liegt nicht im Wesen des Baumes begründet und kann auch nicht aus ihm erschlossen werden. Die Pflanze mit dem verholzten Stamm könnte auch Blubsiblub heißen oder Krazunkel. Der Deutsch Sprechende hat also – aus welchen Gründen auch immer – dieser Pflanze eine bestimmte Bezeichnung verliehen, welche wir erst lernen müssen. Die Wissenschaft spricht in diesem Fall von Arbitrarität, was meint: Es besteht zwischen Zeichen und Sachverhalt eine beliebige Beziehung, die willkürlich ist.
Diese Willkürlichkeit bezieht sich allerdings nur auf den Prozess der Bezeichnung selbst. Besitzt ein Sachverhalt innerhalb einer Sprachgemeinschaft erst einmal einen Namen, sind alle Mitglieder dieser Gemeinschaft daran gebunden, um überhaupt kommunizieren zu können. Wir alle müssen also einen Baum Baum und können ihn nicht plötzlich Krazunkel nennen. Dies ist nicht etwa negativ, sondern macht Kommunikation zwischen Menschen erst möglich:
„Der gemeinschaftliche Besitz von Bedeutung ist die Bedingung der Möglichkeit für die Aktualisierung der Zeigehandlung, für die Einbettung der Bedeutung in die Welt, d.h. für die Herstellung eines konkreten Bezugs zur Welt und zu den Anderen“ (Trabant 1996: 92).
Abweichend verhält es sich natürlich mit neuen Sachverhalten, die noch keine Bezeichnung besitzen. Hier sind die Sprachbenutzer frei in ihrer Wahl, greifen aber auch häufig auf Bestehendes zurück, wie das Beispiel Computer erkennen lässt.4 Für das Zeichensystem Sprache gibt es aber auch Ausnahmen, die lautmalerischen Begriffe, so genannte Onomatopoetika. Sie versuchen, den Klang, welchen ein Gegenstand oder Lebewesen verursacht, lautmalerisch nachzubilden und so eine Einheit aus Inhalt und Form herzustellen. Damit ist die Bezeichnung nicht mehr willkürlich, sie orientiert sich an einer Gegebenheit. Im folgenden Satz sind gleich sieben dieser lautmalerischen Begriffe enthalten:
Wenn morgens auf dem Bauernhof der knurrende Hofhund an der Tür kratzt und diese sich knarrend öffnet, flattert mit lautem Kikeriki der Hahn zum Mist und weckt so die im Schlaf sanft schnurrende Katze.
Dass es allerdings nicht gelingt, das Geräusch sprachlich in einer 1:1-Relation nachzubilden, wird klar, wenn wir uns lautmalerische Begriffe in verschiedenen Sprachen ansehen: bellen, bark (engl.), abbaiare (italien.), aboyer (franz.), skälla (schwedisch). Obwohl schwedische Hunde nicht anders bellen als englische oder französische, bezeichnen Angehörige einer Sprachgemeinschaft das Geräusch entsprechend des phonetischen Inventars, welches ihre Sprache hergibt. Die Bezeichnung einer Sache, ihren Namen, müssen wir in den meisten Fällen also lernen.5 Babys lernen, dass die Wortfolge M-a-m-a jene Person benennt, die sie mit Nahrung, Wärme und Geborgenheit versorgt. Sie lernen, dass ein aufgeregtes „Nein!“ als Warnsignal aufzufassen ist, um etwas Geplantes nicht zu tun.6 Bei anderen Zeichen hingegen lässt sich – im Gegensatz zur Sprache – leichter erkennen, ob die Bezeichnungen einen bestimmten Grund haben oder nicht. So zeigen gerade viele Piktogramme in hochstilisierter und verkürzter Form jenen Sachverhalt, der ihre Bedeutung ausmacht. Ein Warnschild vor einer Kurve, die nach rechts führt, zeigt einen Pfeil nach rechts; ein Schild, das vor Stau warnt, zeigt dicht gedrängte Autos; das Zeichen für Flucht zeigt einen laufenden Menschen in der gewünschten Richtung. Die Ursache dafür liegt in der Funktion dieser Zeichen begründet. Weil jeder Mensch die Bedeutung sofort erkennen muss, ohne sie zu lernen, dürfen sie nicht willkürlich, also arbiträr sein.
Die wenigen Beispiele verweisen auf eine Gruppe von Zeichen, die dem repräsentierten Sachverhalt ähnlich sind, den Ikons. Diese werden meines Erachtens generell viel zu wenig verwendet, insbesondere in Textsorten, die ein Gefälle zu überbrücken haben. So müssen zum Beispiel Gebrauchsanweisungen viel mehr Zeichen verwenden, die den Gegenstand zeigen. Den Verbraucher bzw. Nutzer interessieren in der Regel keine Zusammenhänge und Hintergründe; er will aus dem gekauften Produkt einen Nutzen ziehen. Betrachtet man allein die genannte Textsorte auf das Nicht-Vorhandensein von Zeichen, die das Gesehene wiedergeben, wird man schnell zu der Erkenntnis gelangen, dass hier noch sehr viel zu tun ist.
Die Erkenntnis, die für die Unternehmenskommunikation zu ziehen ist, lautet: Rezipienten deuten die von einer Organisation ausgesandten Zeichen leichter und schneller im gewünschten Sinn, wenn a) unsere Zeichen eindeutig und klar sind, b) die Form möglichst adäquat den Inhalt widerspiegelt und c) das Erkennen und Deuten mit möglichst geringem Aufwand zu bewerkstelligen ist. Organisationen kommunizieren aber nicht nur mit Sprache, sondern mit unterschiedlichen Zeichensystemen, die aufeinander Bezug nehmen, einander ergänzen und stützen (der Idealfall) oder aufheben bzw. konterkarieren (der Kommunikations-Gau) und darum auch immer im Zusammenhang zu sehen sind. Das Logo steht mit den Texten, mit dem Firmengebäude, den Gesprächen am Telefon und allen anderen Zeichen(-systemen) im Zusammenhang und in wechselseitiger Beziehung. Die Hochglanzbroschüre wird zur Makulatur, wenn der Kunde in einer heruntergekommenen Baracke einem unfreundlichen Mitarbeiter mit beflecktem Kittel begegnet, der ihn schlecht gelaunt abserviert. Bei unseren Kommunikationspartnern entsteht also auf der Basis aller Zeichen ein Gesamtbild, das berühmte Image. Die folgende Tabelle zeigt einige Beispiele von Zeichen verschiedener Systeme, die von Organisationen ausgesandt werden. Die Übersicht ist natürlich nicht vollständig und kann es auch nicht sein, weil jeder Sachverhalt zum Zeichen für irgendetwas werden kann, wenn Menschen ihm eine Bedeutung zusprechen und dies auch kommunizieren. Die Beispiele belegen, dass Bedeutungen auch subjektiv sind und gegenteilig aufgefasst werden können. Dies wiederum ist für professionelle Kommunikatoren immer dann wichtig, wenn sie es mit verschiedenen Zielgruppen zu tun haben. Es führt zum Beispiel dazu, dass ein Zeichen bei verschiedenen Zielgruppen Unterschiedliches bedeutet.
Positive Beispiele | Negative Beispiele | |
Architektur | • der Größe des Unternehmens angemessenes Firmengebäude • Büro eines Anwalts in einem Gründerzeithaus |
• bröckelnder Putz im Eingangsbereich • Villa als Repräsentanz für einen Handwerker |
Raum | • Tageslicht in Tagungsräumen • ausreichend Platz zwischen den Stuhlreihen |
• muffige Vorhänge • enger Vortragssaal • Unordnung im Empfangsraum für Büroorganisation |
Bilder Grafik Farbe | • Landschaftsaufnahmen des Inhabers • CI-Farben in Teppichen, an Möbeln, in Bildern7 |
• Aktbilder in einer Anwaltskanzlei • rote Möbel beim Psychologen |
Musik Töne | • einfach zu lernendes akustisches Logo (Telekom) • sanfte Klassik in der Zahnarztpraxis |
• Hardrock in der Telefonschleife einer Physiotherapie • Maschinengeräusche im Verhandlungszimmer |
Zeit | • pünktliche und zeitlich effektive Meetings • Meetings auf dem Höhepunkt der Leistungskurve der Mitarbeiter |
• Unpünktlichkeit • Projekte vor dem geplanten Termin fordern |
Gestik | • ruhige Gesten eines ruhigen Menschen • die Faust auf dem Tisch, wenn die Person allen Grund hat, wütend zu sein |
• einstudierte und damit nicht-authentische Gesten • Gesten im Widerspruch zum Gesagten |
Kleidung | • zurückhaltende Farben, die dem jeweiligen Typ entsprechen • geputzte Schuhe |
• Freizeitkleidung beim Vorstellungsgespräch • Designer-Anzug (Praktikant) |
Geruch | • Frischluft in Veranstaltungsräumen • dezentes, unterschwellig wirkendes Parfüm |
• verrauchter Büroraum • penetrant wirkendes Parfüm • nach Reinigungsmittel riechendes Büro |
Geräusche | • gedämpftes Besprechungszimmer | • Nadeldrucker • offenes Fenster |
Film | • Imagefilm, der Zeichen verwendet, die dem Zielimage entsprechen | • Film, der Schattenseiten des Unternehmens auf youtube veröffentlicht |
Auto | • Mitarbeiter von VW fahren Golf. • Freiberufler fährt mit verschmutztem Geländewagen beim Kunden vor. |
• Wirtschaftsprüfer einer internationalen Kanzlei fährt alten Franzosen. • Praktikant fährt mit Oberklasse-Limousine zum Gespräch. |
Ökologie | • Ein Produzent für Solarzellen fährt Elektroautos. • Ein Unternehmen führt „green meetings“ durch. |
• Ein Bio-Bauer fährt einen amerikanischen „Straßenkreuzer“. • Umweltministerium strahlt nachts Dienstgebäude an. |
Verhalten | • selbstbewusst, aber nicht arrogant • stilsicher gegenüber Geschäftspartnern |
• devot gegenüber Vorgesetzten • herablassend gegenüber Praktikanten |
Sprache | • chronologische Argumentation • Verwendung von Worten, welche die Zielgruppe versteht |
• ausschweifende, phrasenreiche Rede • Schachtelsätze voller Termini |
Wenn Sie beim Lesen der Beispiele Widersprüche anmeldeten und/oder protestierten, dann ist dies gerechtfertigt. Vielleicht haben Sie auch die Wertung (positivnegativ) vertauscht. Das ist normal und liegt im Wesen der Semiose. Individuen messen bestimmten Sachverhalten Bedeutungen in einem bestimmten Kontext zu. Wir haben es also mit mehreren Variablen zu tun; den Zeichen sendenden Institutionen, den Interpreten und der Situation. So kann zum Beispiel der völlig verdreckte Landrover des Freiberuflers unter bestimmten Voraussetzungen positiv gedeutet werden. Unter anderen Bedingungen wird dasselbe Auto im selben Zustand als Arroganz gewertet.8 Die in das Besprechungszimmer dringenden Geräusche aus der Werkhalle können in einem Fall positiv gewertet werden (Management und Arbeiter arbeiten auf einer Ebene); in einem anderen Fall stören die Geräusche die Besprechung. Ähnlich kontextabhängig werden auch Gerüche wahrgenommen.
Im Idealfall werden sich Unternehmen erst einmal der (potentiellen) Zeichenhaftigkeit ihres Tuns und der Fülle der von ihnen ausgesandten Zeichen bewusst. Sie erkennen, auf welchen Kanälen sie welche Zeichen aussenden. Im zweiten Schritt orientieren sich alle von einem Unternehmen ausgesandten Zeichen am schriftlich fixierten Unternehmens- bzw. Personen-Image. Einmal festgelegt, wird mit seiner Hilfe auch sehr schnell sichtbar, welche Zeichensysteme und Einzelzeichen bereits in der Lage sind, das angestrebte Image zu kommunizieren und zu festigen und welche es torpedieren.
Organisationen sollten auch olfaktorische und auditive Zeichen, sprich: Gerüche und Töne, in ihrem Kommunikations-Konzept beachten. Was im ersten Moment überflüssig erscheint, hat eine große Bedeutung, denn beide Zeichensysteme wirken auch unterschwellig, also im umfassenden und Entscheidungen steuernden Unterbewusstsein. Mittlerweile haben Wissenschaftler beide Systeme untersucht. Daraus wiederum resultieren breite, im Moment jedoch nicht einmal in Ansätzen genutzte Anwendungsbereiche für die Unternehmenskommunikation, denn:
„Die Augen können wir schließen und uns notfalls die Ohren zustopfen, um uns vor grauenvollen Anblicken und betäubendem Lärm zu schützen; die Luft können wir aber nur kurzfristig anhalten. Vom ersten bis zum letzten Atemzug umgeben uns Duftmoleküle und drängen auf Wahrnehmung“ (Hatt/Dee 2008: 45 f.).
Eine Hotelkette in den USA hat sich diesen Fakt bereits zunutze gemacht. Betritt der Gast die Lobby des Hotels, trifft er auf einen leichten Duft von Apfelkuchen. In der Folge werden Gedächtnisinhalte beim Gast aktiviert, die mit dem Geruch verbunden sind; bei der überwiegenden Mehrzahl der Gäste dürften dies positive Emotionen wie Geborgenheit und Wärme sein. In der Folge überträgt der Gast die durch Konditionierung gelernten Emotionen auf das Hotel und schafft hier eine neue Verbindung zwischen Geruch, Emotion und Hotel. Weil Menschen immer dann Inhalte besonders dauerhaft lernen, wenn diese an verschiedene Sinnesbereiche gekoppelt sind, hält auch die Kombination von Bild und Duft besonders lange (vgl. ebd.: 172, 188).
Auch in anderen Bereichen spielen Düfte eine große Rolle. So hat sich zum Beispiel gezeigt, dass bei Bewerbungs- oder Einstellungsgesprächen jene Bewerber bei männlichen Chefs schlechte Karten hatten, die Parfüm benutzten; dabei war es egal, ob die Bewerber männlich oder weiblich waren. Männer, welche Gespräche mit parfümierten Kandidaten durchführten, hielten die duftenden Bewerber für weniger geeignet und misstrauten deren Eigenschaften und Leistungen (vgl. ebd.: 180).9
Für die Unternehmenskommunikation ergeben sich hierdurch ganz neue Handlungsfelder. Dabei ist eine Besonderheit zu beachten, die wiederum mit der Arbeitsweise unseres Gehirns, der Konzentration von Duftmolekülen und drei Schwellenkonzentrationen zusammenhängt. In der Wahrnehmungsschwelle riechen Probanden etwas, können aber nicht genau sagen, was es ist. Die Duftmoleküle haben es also geschafft, einen Reiz auszulösen, der bereits wahrgenommen und bewusst werden kann. Hat die Konzentration die Erkennungsschwelle überschritten, dann wissen die Menschen, was sie riechen. Hier riecht es nach Popcorn, hier nach Motoröl, hier nach Fichtennadeln. Nach der Unterscheidungsschwelle, der dritten, ist der Duft so stark, dass er von anderen Düften unterschieden werden kann, wenn mehrere auf einmal auf den Probanden einströmen (vgl. ebd.: 190). Entscheidend ist nun, dass man seine Kunden am POS oder bei anderen Gelegenheiten nicht wahllos „beduftet“ und konzeptlos die Menge der verströmten Moleküle an der Unterscheidungsschwelle ausrichtet. Es ist sinnvoll, zuerst die Art des Duftes am Zielimage und den Kommunikaten der anderen semiotischen Systeme auszurichten. Anschließend muss geklärt werden, an welcher Schwelle dieser spezifische Duft anzusetzen ist und ob er überhaupt bewusst werden soll. Dies hängt, wie bei allen Fragen der Kommunikation, immer von den anderen Faktoren ab: Raum, Zeit, Produkt, Zielimage…
Das Unternehmen „starwood“, welches mehrere Hotelketten betreibt, orientiert sich zum Beispiel daran, dass sich in den ersten zehn Minuten entscheidet, ob ein Gast bleibt, geht oder sogar zum Stammkunden wird. Es passt demnach Möbel, Farben, Logos, Musik und Geruch einem zuvor festgelegten Image an und plant, jeder einzelnen Hotelkette einen spezifischen Duft zuzuweisen (vgl. ebd. 188). Wie Betreiber von Hotels können wir Düfte auch im privaten Bereich positiv nutzen. Der US-Amerikaner Alan Hirsch hat angeblich herausgefunden, dass Frauen mehrere Kilogramm leichter wirken, „wenn sie ein Parfüm mit frischen, floralen Duftnoten tragen. […] Wer um Jahre jünger aussehen will, der sollte es mit ein paar Tropfen Pampelmusensaft hinterm Ohr versuchen. Hirsch testete verschiedene Saftsorten bei Frauen und Männern und ließ Männer anschließend schätzen, wie alt die Damen wohl seien. Das überraschende Ergebnis: ‚Frauen, die nach rosa Pampelmusen rochen, erschienen bis zu sechs Jahre jünger, als sie waren’“ (ebd.: 182 f.).
Wenn auch solche Untersuchungen mit Vorsicht zu begegnen sind, zeigen sie doch, dass Menschen mit mehreren Zeichensystemen kommunizieren und diese einander beeinflussen können. Dies schließt ebenso das Reich der Töne ein. Mittlerweile haben sich einige Agenturen, Musiker und Komponisten diese Tatsachen zunutze gemacht und einen neuen Teilbereich des Marketings geschaffen. Audiobranding ist zwar noch relativ jung, die Grundlagen dafür sind aber – evolutionär bedingt – viel älter als die Menschen selbst. Töne locken an und vertreiben. Sie verwirren und täuschen. Manchmal aber bezirzen sie auch und senden eine ähnliche oder gleiche Botschaft wie andere Zeichensysteme. Ein äußerst einfaches, dafür aber omnipräsentes akustisches Markenzeichen ist die Tonfolge der Telekom. Es handelt sich um fünf Töne, deren Dauer identisch ist. Vier von ihnen sind auch in der Tonhöhe gleich, nur einer weicht nach oben hin ab. Es handelt sich bei dem Intervall um eine große Terz, also den zweiten Ton eines Dur-Dreiklangs. Dies ist nicht unwichtig, denn Dur wird, zumindest für europäische Ohren, häufig als optimistischer, fröhlicher oder offener als das Tongeschlecht Moll empfunden. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die meisten Volkslieder in Dur stehen.
Wichtig ist, dass das Telekommunikations-Unternehmen dieses einmal eingeführte akustische Markenzeichen, wo immer es nur möglich ist, ertönen lässt. Zugleich besteht eine grafische Verbindung zum Logo, denn hier finden sich vier der fünf Punkte wieder. Der vierte, identisch mit dem akustischen „Ausreißer“, wird durch das T gebildet. Dieses Beispiel zeigt auch vorbildlich, wie Zeichensysteme im Sinne integrierter Kommunikation kooperieren und eine Linie verfolgen.10 Ein anderes, aus meiner Sicht jedoch negatives Beispiel ist die Brauerei Krombacher, welche ohne Not die über Jahre gelernten Bilder und Tonfolgen variiert bzw. geändert hat. In der Pressemitteilung vom 09.09.2010 heißt es anlässlich dieser Änderungen:
„[…] Der Krombacher Fan wird dabei weiterhin die wohlvertrauten Bilder der bewaldeten Seenlandschaft mit der mittlerweile schon legendären Krombacher Insel zu sehen bekommen. Hier werden Tradition, Kontinuität und Wiedererkennbarkeit gewahrt, der Blick auf die berühmte Naturszene ist gleichwohl ein anderer. […] Das ganze 33 Sekunden lange Opus – und das ist die nächste Innovation – ist unterlegt mit einer neuen Musik, die mit rockig-härterem, aber trotzdem eingängig-melodischem Gitarrensound daherkommt. Dabei ist man der Rocktruppe Simple Minds treu geblieben, denn ein weiteres Mal bedient man sich aus dem Fundus der britischen Rockband.“
Die Pressemitteilung ist aus zwei Gründen interessant, einem inhaltlichen und einem sprachlichen. Der erste Grund: Offenbar hat es im Unternehmen Diskussionen darüber gegeben, eine über Jahre eingeführte, vertraute und darum gelernte Zeichenfolge (Musik) abzuändern.11 Darum versucht der Text, Kontinuität durch Explikation herzustellen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass der eigentlichen Zielgruppe nun eine andere Musik präsentiert wird. Zu vermuten ist, dass die Wenigsten wissen, dass beide Melodien von einer Rock-Gruppe stammen. Für die Konsumenten ist dies auch drittrangig. Der zweite Grund bezieht sich auf den vorletzten Satz des Textausschnitts. Das Relativ-Pronomen das („und das ist die nächste Innovation“) kann potentiell rückwärts und nach vorn verweisen. Das kann sich auf die Dauer des „Opus’“ beziehen oder auf die neue Musik. Der Kontext legt zwar nah, dass der Autor die Musik meint, er (der Kontext oder der Autor?) sollte aber immer darauf achten, dass die Referenz, also die Verbindung zwischen Pronomen und Referenzausdruck, immer eindeutig ist und beim ersten Lesen verstanden werden kann.
Obwohl Sprache mit Abstand jenes Zeichensystem darstellt, mit dem wir hochdifferenziert kommunizieren können, wird ihm seitens professioneller Kommunikatoren manchmal nur ungenügend Aufmerksamkeit geschenkt. Das ist jedoch ganz natürlich, denn nach einer Lernphase im Kindesalter bedienen wir uns dieses Systems täglich und denken folglich nicht mehr darüber nach. Sprachliches Handeln empfinden wir darum als automatisch ablaufenden Reflex wie zum Beispiel das Atmen, dem man natürlich auch keine bewusste Aufmerksamkeit mehr widmet. Im Folgenden sehen wir uns einige Besonderheiten des Zeichensystems an, um es bewusster verwenden und optimieren zu können.12
a) Arbitrarität
Wie wir bereits gesehen haben, beruhen die meisten sprachlichen Zeichen auf Übereinstimmung. Sie haben sich herausgebildet und müssen von den Mitgliedern einer Sprech- und Sprachgemeinschaft anerkannt werden, damit Kommunikation funktioniert. Mimik und Gestik – um ein Gegenbeispiel zu nennen – basieren nicht auf Übereinstimmungen, was es so schwer macht, sie zu kontrollieren und zu steuern, obwohl dies einige so genannte Rhetorik-Trainer ihren Schützlingen suggerieren. Dass Sprache auf Konventionen, auf Übereinkunft, auf gemeinsam geachteten und beachteten Regeln beruht, hat einen wesentlichen Vorteil. Wir können sie bewusst anwenden und sind nicht auf bloße Aktion und Reaktion angewiesen.
b) Motivation/Motiviertheit
Eng mit dem Merkmal der Arbitrarität hängt die so genannte Motivation oder Motiviertheit zusammen. Sie bezeichnet das Phänomen, dass bestimmte Elemente in der Sprache nicht willkürlich festgelegt werden, sondern logische und nachvollziehbare Motive bzw. Ursachen zu erkennen sind. Dies bezieht sich auf verschiedene Bereiche der Wortbildung. So liegt zum Beispiel das Motiv / die Ursache für die Zusammensetzung zweier Einzelworte zum Begriff Geschäftspartner darin, die Besonderheit dieses Partners herauszustreichen. Es ist eben kein privater Partner, sondern ein geschäftlicher. Phonetisch motiviert sind lautmalerische Begriffe wie kratzen, klirren und Interjektionen wie ach, nanu, piep piep, ächz und andere. Auch bei Metaphern finden wir Motiviertheit, denn bei den Worten Stuhlbein und Baumkrone wird klar, wo die etymologische Ursache für diese Begriffe zu suchen ist.
Für die Unternehmenskommunikation spielt Motiviertheit vor allem dann eine Rolle, wenn es darum geht, neue Begriffe und Metaphern zu finden, um plausibel zu argumentieren und nach Möglichkeit bei den Lesern und Hörern halbwegs ähnliche Vorstellungen zu erzeugen.
c) Brücke über zeitliche und räumliche Entfernungen
Auch wenn Zeichen aus anderen Systemen heute dank elektronischer Medien ebenfalls gespeichert und über große Entfernungen transportiert werden können, ist diese Eigenschaft eine der herausragenden von Sprache. In der Kommunikation ist sie in unterschiedlicher Form und aus verschiedenen Gründen wichtig. Unternehmen können weltweit mit Stakeholdern kommunizieren, sich mit ihrer Hilfe verschiedenen Besonderheiten der Kommunikationspartner anpassen und so ein Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen aufbauen. Entscheidend ist natürlich wieder, dass alle verbalen Aussagen parallel zueinander laufen und keine Widersprüche aufweisen.
d) Wechsel der Positionen
Noch vor wenigen Jahren war der Wechsel zwischen aktivem Textproduzenten und scheinbar passivem Rezipienten nur in so genannter Face-to-face-Kommunikation möglich. Heute wechseln alle am Prozess der verbalen Kommunikation Beteiligten ständig die Position. Der Vorteil liegt darin, dass Organisationen verbal schnell auf ihre Kommunikationspartner reagieren können. Mit Bildern oder anderen ausgesandten Zeichen ist dies nicht möglich. Allerdings liegt auch in der Möglichkeit, sofort zu reagieren, die große Gefahr, die wir bei Politikern fast täglich beobachten können. Ausgesprochenes wird mittels Medien zunehmend konserviert, woraus die Notwendigkeit erwächst, besonders vorsichtig mit Äußerungen umzugehen. Auf der anderen Seite – dies ist gerade beim Mittelstand zu beobachten – fühlen sich Organisationen von der zunehmenden (Über-)Fülle der kommunikativen Möglichkeiten überfordert. Sie haben das unbestimmte Gefühl, alle möglichen Medien, welche vorhanden sind, auch zu nutzen. Im Ergebnis kommunizieren sie häufig auf allen mäßig.
e) Bewusstes Handeln
Auch wenn es uns nicht mehr bewusst ist, handeln wir sprachlich bewusst. Dieses Kriterium ist eines der wesentlichen, denn wer bewusst handelt, kann seine Ziele besser erreichen. Auch wenn zum Beispiel Stimmtraining oder Schulung von Mimik und Gestik sinnvoll erscheinen, so können wir diese Zeichen in der Regel nicht willentlich steuern, im Gegenteil. Menschen spüren, wenn wir mimische und gestische Zeichen aussenden, die antrainiert oder übertrieben sind. Sprachliche Zeichen hingegen sind planbar, das Ziel lässt sich antizipieren. Jetzt kommt es darauf an, den Agierenden klar zu machen, dass sie Sprache auch gezielt verwenden und eben nicht wie im Alltag.
f) Flexibilität
Sprache ist nicht nur flexibel, sie ist das flexibelste Zeichensystem überhaupt. Dies betrifft alle Elemente auf allen Ebenen und schließt auch den Kontext sprachlicher Gestaltung mit ein. Leider nutzen nur wenige Organisationen diesen großen Schatz und ziehen sich (aus Angst, etwas falsch zu machen) hinter die Mauer „Gewöhnlichkeit“ zurück. Wer wie die anderen verbal kommuniziert, ist erst einmal auf der sicheren Seite. Er sticht aber auch nicht hervor. Wer also in einer Zeit, in welcher der Kommunikations-den Produktwettbewerb ablöst, gewöhnlich formuliert, wird auch als gewöhnlich wahrgenommen.
Unsere Welt ist voller Sachverhalte, die alle zum Zeichen für etwas werden können, aber nicht müssen. Es bedarf erst eines Interpreten, der diesen Sachverhalt mit einer Bedeutung versieht, ihn interpretiert und so zum Zeichen macht. Organisationen senden Zeichen auf unterschiedlichen Kanälen: Text, Grafik, Architektur/Räume, Zeit, Mimik, Gestik, Töne, Kleidung, Geruch, Fahrzeugflotte, Verhalten, verbale und nonverbale Kommunikation… Wenn Organisationen erfolgreich integriert kommunizieren wollen, sollten sie sich aller Zeichen, welche sie bereits aussenden, bewusst werden und diese am schriftlich fixierten Image ausrichten. Dass Sprache hierbei die wichtigste Funktion erfüllt, ist klar. Wir senden mit ihrer Hilfe die meisten und wichtigsten Zeichen, zudem ist fast jeder Mitarbeiter daran beteiligt. Die Sprache bildet darüber hinaus ein schier unerschöpfliches Zeichenreservoir, welches aufgrund seiner Kombinationsmöglichkeiten in höchstem Maße flexibel ist. Es kommt darauf an, diesen unerschöpflichen Fundus geplant zu nutzen, um die Ziele zu erreichen.
1 Dass dieses Kreuz ursprünglich ein Folterinstrument war, ist vielen nicht bewusst. Man stelle sich nur Daumenschrauben oder Streckbänke als Symbol für eine (Frieden predigende) Religion vor.
2 Eco ist nicht in erster Linie Schriftsteller, sondern ein weithin bekannter Wissenschaftler, der grundlegende Werke zur Semiotik verfasst hat, die für Kommunikatoren viel Interessantes bieten.
3 Manchen Organisationen ist nicht bewusst, dass ein Slogan, also ein verbales Merkzeichen, ebenso wirkt wie ein grafisches. Es wird verändert und modifiziert. Das wiederum verwirrt den Kunden, der keine Kontinuität erkennen kann. Wichtiger wäre, einen Slogan über Jahrzehnte zu verwenden und nicht wahllos zu ersetzen.
4 Die Begriffe Festplatte, Datenspeicher, Laufwerk, Maus, Tastatur und andere sind nicht im eigentlichen Sinne arbiträr, also willkürlich. Sie verwenden bereits vorhandene Bezeichnungen und beziehen diese auf neue Sachverhalte.
5 Das Beispiel der Swastika belegt, wie sich Bedeutungen ändern (können). Bei den Indern hatte das Zeichen die (neutrale) Bedeutung des Sonnenrads. Für die Nazis wiederum wurde das (positive) „Hakenkreuz“ zum zentralen Symbol ihrer Ideologie und Herrschaft; nach 1945 steht das (negative) Hakenkreuz auf dem Index und wird zu Recht als verfassungsfeindlich betrachtet.
6 Ähnlich verhält es sich z.B. mit Hunden, die ja auch erst lernen müssen, welchem Wort welche Bedeutung beizumessen ist.
7 Ein sehr gutes Beispiel hierfür sind die Travel-Charme-Hotels. Sie verwenden nicht nur überall im Hotel, sondern auch in allen Medien ein bestimmtes Orange.
8 Die Wirtschafts-Zeitschrift „Impulse“ widmet sich in ihrer September-Ausgabe des Jahres 2011 auf mehreren Seiten dem Auto und den Zeichen, welche sich nach Anlass und handelnden Personen richten sollten.
9 Die Ursache könnte darin liegen, dass Männer aus evolutionärer Sicht „wissen“, dass Düfte dazu dienen können, über die wahren Absichten zu täuschen oder abzulenken.
10 Unternehmen dürfen sich nicht dazu hinreißen lassen, über Jahre kommunizierte Zeichen zu ändern, weil die Mitarbeiter ständig mit ihnen konfrontiert werden. Mitarbeiter sind nur in zweiter Linie Zielgruppe dieser Zeichen.
11 Das typische Flötenmotiv der ursprünglichen Musik ist einem unspezifischen Klangteppich gewichen, aus dem der Hörer kein musikalisches Motiv mehr heraushören kann. Die Zielgruppe hat also – im akustischen Sinne – nichts mehr, was sie lernen, woran sie sich erinnern kann. Demnach besteht also keine Verbindung mehr zwischen der Folge von Tönen, dem Unternehmen und dem Produkt.
12 Es gibt noch mehr, die anderen interessieren jedoch eher die Linguisten, Philosophen und Semiotiker.
Alle Welt führt heute einen Begriff im Munde und bezieht ihn auf Personen, Produkte, Unternehmen, Parteien und Institutionen. Dieser Geschäftsführer besitzt ein positives Image, jener Politiker ein schlechtes. Dieses Unternehmen hat ein tendenziell negatives, jenes ein tendenziell positives. Viele Äußerungen, in denen der Begriff auftaucht, implizieren, dass Image vom jeweiligen Sachverhalt oder Individuum unabhängig wäre oder ihm aufgepfropft würde – weit gefehlt:
„Image ist das subjektive, das persönliche Vorstellungsbild, das sich Menschen – Einzelpersonen oder Gruppen – bewußt und/oder unbewußt von einer Person, einer Sache, einem Land, einer Ideologie oder einem sonstigen Meinungsgegenstand machen. Eine ausschließlich bewußt rationelle Erfassung und Verarbeitung der Umwelt und des Umweltgeschehens ist wegen der Fülle von Eindrücken nicht möglich. So entsteht das Image nicht nur auf der Basis von Wissen, Erfahrung und glaubhaften Informationen, sondern auch von Emotionen (Erwartungen, Wünschen, Hoffnungen, Ängsten...) und sozialen Umfeldeinflüssen (Gruppenzugehörigkeit, Lebensstil, Ideologie...). Das Image ist damit nicht als eine rein bildhaft visuelle Vorstellung zu verstehen, es ist multidimensional“ (Pflaum/Bäuerle 1995: 175).
Image ist heute eine entscheidende Größe, wenn es darum geht, Unterschiede zu kommunizieren und dauerhaft in den Köpfen der Menschen zu verankern. Dabei spielt Sprache naturgemäß eine entscheidende Rolle, wenn sie denn entsprechend genutzt wird.
Die wichtigsten Begriffe der Definition sind: bewusst, unbewusst, rational, emotional, multidimensional. Ein Image wird also aus verschiedenen Quellen gespeist. Diese Komplexität, und aus der Handlungsperspektive heraus, bringt der in der Psychologie synonym gebrauchte Terminus Einstellungen