© 2015 Dritte Auflage by Horst Hanisch, Bonn
© 2013 Zweite Auflage by Horst Hanisch, Bonn
© 2010 Erste Auflage by Horst Hanisch, Bonn
Gelistet im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek.
Der Text dieses Buches entspricht der neuen deutschen Rechtschreibung.
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Die Ratschläge in diesem Buch sind sorgfältig erwogen, dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Eine Haftung des Autors und seiner Beauftragten für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird auf das geschlechtsneutrale Differenzieren, zum Beispiel Mitarbeiter/Mitarbeiterin weitestgehend verzichtet. Entsprechende Begriffe gelten im Sinne der Gleichbehandlung für beide Geschlechter.
Idee und Entwurf: Horst Hanisch, Bonn
Lektorat: Alfred Hanisch, Bonn; Andrea Böttcher, Köln; Annelie Möskes, Bornheim (ab 3. Auflage)
Layout und Gestaltung: Horst Hanisch, Bonn
Umschlaggestaltung: Christian Spatz, engine-productions, Köln; Horst Hanisch, Bonn
Fotos: Umschlag: Christian Spatz, engine-productions, Köln; alle anderen Fotos und Zeichnungen: Horst Hanisch, Bonn
Herstellung und Verlag: Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN-13: 978-3-8448-8226-1
Carl Rudolf Miele
Unternehmer
„Die Kunst, sich bemerkbar, geltend, geachtet zu machen, ohne beneidet zu werden; sich nach den Temperamenten, Einsichten und Neigungen der Menschen zu richten, ohne falsch zu sein; sich ungezwungen in den Ton jeder Gesellschaft stimmen zu können, ohne weder Eigentümlichkeit des Charakters zu verlieren, noch sich zu niedriger Schmeichelei herabzulassen.“
(Quelle: Freiherr von Knigge, „Über den Umgang mit Menschen“)
Die essenzielle Empfehlung des Freiherrn war, im Umgang mit anderen Menschen „eine gewisse Geschmeidigkeit, Nachgiebigkeit, zu rechter Zeit Verleugnung und Heiterkeit des immer gleich gestimmten Gemüts“ an den Tag zu legen. Das ist auch heute noch gültig.
Ohne Stil zum Erfolg? Davon kann auch heute keine Rede sein. Im Gegenteil: Etikette und Benimmregeln gewinnen wieder an Bedeutung. Eine Studie der Universität Darmstadt kam sogar zu dem Ergebnis, dass sicheres Auftreten, Haltung und natürliche Souveränität im Job wichtiger sind als individuelle Fachkenntnis und alle Zeugnisse. Das fängt schon im Bewerbungsgespräch an: Wer zu steif oder zu locker wirkt, wer seinem Gegenüber das Wort abschneidet oder mit der Kleidung völlig daneben liegt, hat schlechte Karten. Und im Assessment-Center zählen das Warmup am Vorabend und das Mittagessen genauso viel wie die Fallstudie oder die Gruppenübung.
Jeder kennt die Situation aus eigener Erfahrung: Den Tritt mitten hinein in das berühmte Fettnäpfchen. Um diesen verhängnisvollen Fehltritt zu vermeiden, braucht es eine „gesellschaftliche Grundsicherheit“. Nicht alle Regeln müssen in jeder Situation perfekt beherrscht werden und kleinere Fehler sind durchaus verzeihbar. Es sollten aber diese Situationen erkannt werden.
Neben einer Art Knigge-„Grundwissen“ helfen dabei:
Selbstbewusstsein, Natürlichkeit, Humor, Erkennen der Firmenpolitik, Einstellung auf das Firmenimage.
Dieses Grundwissen zu vermitteln, hat sich dieses Buch zum Ziel gesetzt. Es wird daher zu einer unverzichtbaren Begleitung auf der Karriereleiter.
Carl Rudolf Miele
Unternehmer
Vor nicht allzu langer Zeit wurden die ersten beiden Auflagen dieses Buches veröffentlicht. Nun wurde für die dritte Auflage der Titel angepasst in ‚Jugend-Karriere-Knigge 2100‘.
Natürlich sind die Inhalte des vorliegenden Buches nicht nur auf Berufseinsteiger ausgerichtet, sondern auch auf Menschen, die den Berufseinstieg bereits hinter sich gebracht haben, ja vielleicht schon einige Jahre erfolgreich im Beruf tätig sind. Gerade erfolgreiche Menschen haben allerlei im Kopf, so dass sie manchmal einfach vergessen, über ihr eigenes Auftreten, über ihr eigenes Verhaltensmuster, nachzudenken. Wie wirke ich als Boss? Wie sehen mich meine MitarbeiterInnen? Setzen wir im Unternehmen tatsächlich eine echte Team-Arbeit um oder bezeichnen wir die Zusammenarbeit lediglich als solche?
Viele der Kapitel sind besonders für junge Berufseinsteiger wichtig, da sie sich bisher gar keine Gedanken in diese Richtung machen mussten. Wie verläuft ein beruflicher Werdegang, von der Bewerbung über das Engagement bis hin zur Vorsorge für die Zukunft. Das vorliegende Buch verknüpft durch lebhafte Interviews mit Menschen aus unterschiedlichen Lebens- und Berufsbereichen deren Wissen und Erfahrung mit Hinweisen, die im vorliegenden Text gegeben werden. Es wurde nicht ‚vom grünen Tisch‘ geschrieben, sondern die aktuellen Bedürfnisse der Berufswelt wurden tatsächlich dargestellt. Die Inhalte sind in sieben Kapitel gegliedert:
Unser Appell lautet: Nehmen Sie sich die Zeit, Ihr eigenes Auftreten zu reflektieren und Ihre Ziele abzustecken. Sind Sie (nach wie vor) auf dem richtigen Weg? Gibt es etwas zu optimieren? Scheuen Sie nicht, sich vom Herkömmlichen zu lösen und Neues zu integrieren. Machen Sie sich Gedanken über Ihre Karriere. Wenn ein Mensch Karriere ‚macht’, heißt das, dass er sich einen gewissen Weg entlang bewegt. Im dem lateinischen Wort ‚carrus’ (der Karren) steckt ein Weg, eine Fahrstraße von hier nach dort, von unten nach oben. Unter Karriere verstehen wir die berufliche Laufbahn eines Menschen. Geht diese mühsam aber stetig nach oben, erklimmt er eine Karriereleiter. Schießt die Karriere blitzartig nach oben, ist auch der Begriff Senkrechtstart bzw. Senkrechtstarter geläufig.
In unserer Gesellschaft steigen das soziale Ansehen und das Einkommen bei erfolgreicher Karriere. Menschen in hohen Positionen werden bewundert oder beneidet. Auf Menschen, die es ‚nicht so weit gebracht haben’, wird mitleidig herabgeschaut. Niemand muss sich schämen, wenn er beruflich – und im Idealfall auch privat – erfolgreich sein will. Je früher die Weichen gestellt werden, desto eher lässt sich der Karren in die gewollte Richtung lenken.
In der Welt am Sonntag vom 16.08.09 schreibt Jan Weiler einen schönen Artikel, der mit folgenden Sätzen beginnt: „Der Weg des Menschen von seiner Geburt bis zu seinem Tod führt durch ziemlich exakt abgegrenzte Lebensphasen. Erst kommt der Bauch, dann die Wiege. Danach die Krabbelgruppe und anschließend der Kindergarten, gefolgt von Schule und Beruf. Das ist dann die längste Phase. Die letzten Abschnitte heißen dann Wohnzimmer, Seniorenheim, Erde.“ Statt Erde könnte es auch Ende heißen. Aber so weit sind wir noch nicht. Lassen wir mal den Bauch und die Wiege aus und beginnen mit dem Kindergarten.
Den Leserinnen und Lesern dieses Buches wünsche ich viel Spaß beim Lesen, viele neue Erkenntnisse und hoffe, dass es Ihnen hilft, Ihre berufliche Karriere zu optimieren!
Horst Hanisch
„Was ist denn das Wichtigste für Sie in Ihrem Leben?“, frage ich in Coachings, Assessment-Centern, Trainings und Schulungen meine Teilnehmer. Nach kurzer Überlegung folgen Antworten wie „Glücklich sein; Erfolg haben; Erfüllt sein“. „Und was verstehen Sie unter Glücklich sein?“, ist dann meine zweite Frage.
„Erfolgreich sein; Das machen können, was ich will; Eine gute Karriere durchlaufen“ und so weiter. „Wollen Sie auch Freunde/Familie/ein intaktes soziales Umfeld haben?“
„Ja, natürlich! Das ist mir ganz wichtig! Freunde, glückliche Familie, Freizeit.“
Aha. „Und was ist das Wichtigste für Sie in Ihrem Leben?“
Ratlose Gesichter. „Schwierig zu beantworten.“ „Am besten alles!“ „Erst mal Karriere! Dann kommt das Private von selbst.“
Alles ziemlich komplex – oder ziemlich konfus. Was will ich denn nun tatsächlich? Überraschend, wie viele (junge) Menschen sich keine greifbaren Gedanken über ihre Zukunft – und damit über ihr Leben – machen.
Gerade – aber nicht nur – in wirtschaftlich kritischen Zeiten ist es wichtig, die eigene berufliche Karriere sorgfältig zu planen.
Im Gegensatz zur privaten Karriere lässt sich die berufliche relativ rational angehen.
Angefangen bei der Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz, dem Durchlaufen eines erfolgreichen Bewerbungs-Procederes, dem Verhalten am Arbeitsplatz, dem Ausbau der sozialen Kontakte und dem Setzen realistischer Ziele.
Doch in Bewerbungsgesprächen und Auswahlverfahren stelle ich wieder fest, wie viele Kandidaten sich relativ wenig Gedanken über ihren beruflichen Werdegang machen.
Mit dem im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen aus dem tatsächlichen Leben möchte ich aufzeigen, was ein junger Mensch vorausschauend, ein gestandener Mensch ausbauend und ein älterer Mensch unterstützend tun kann, um seinen beruflichen und privaten Werdegang zu planen und umzusetzen. Überlegungen zu Studium und Berufswahl, Verhaltensregeln zum Umgang mit seinen Mitmenschen (beruflich und privat) und Anmerkungen zum Netzwerken sind dabei ebenso wichtig und hilfreich wie Lerntechniken, Tipps zum Selbstmarketing und Stressabbau.
Viel Wert habe ich in diesem Buch auf Interviews erfolgreicher Personen gelegt. Bereitwillig schildern Sie, was ihrer Meinung nach in ihrem speziellen Berufsalltag wichtig ist. Selbstverständlich stellt jedes Interview die individuelle Meinung des Befragten dar. Genau das ist der Reiz an diesen Interviews, den Blick des Befragten aus seinem Berufsleben heraus zu erahnen. Die gegebenen Überlegungen sind verständlicherweise subjektiv, geben dem ein oder anderen interessierten Leser aber möglicherweise einen Impuls oder die Möglichkeit, in einer Art Paradigmen-Wechsel eine Situation aus einer anderen Sicht zu betrachten.
Verständlicherweise stellt das vorliegende Material eine subjektive Auswahl des Autors dar – in der Hoffnung, wichtige Impulse für Ihre berufliche Karriere aufzuzeigen.
Den Leserinnen und Lesern dieses Buches wünsche ich viel Spaß beim Lesen, viele neue Erkenntnisse und dass es Ihnen hilft, Ihre Ziele zu erreichen!
Horst Hanisch
PS: „Was ist das Wichtigste in Ihrem Leben?“
Wenn sich jemand für eine Karriere entscheidet, muss er sich darüber klar sein, welches Leben er führen, auf welche Freiräume er verzichten muss. Denn der Aufstieg erfordert beachtlichen Einsatz. Ohne die Bereitschaft, Leistung zu erbringen und ständig hinzuzulernen, bleibt jeder Manager in der Routine und im Mittelmaß stecken.
Carl Horst Hahn, dt. Manager
(* 1926)
Noch keine 500 Jahre sind es her, dass Kinder im Alter von sieben Jahren ihr Zuhause verließen, um zu arbeiten. Das betraf nicht nur arme Menschen, sondern, wie wir im Fall Edward VI. sehen können, auch hochgestellte. Er bestieg mit neun Jahren den Thron. Neun Jahre! Allerdings starb er auch schon mit 15 Jahren, was nicht unbedingt als gerechter Ausgleich zu betrachten ist.
Erst zu Beginn des 18. Jahrhunderts kam die Überlegung auf, Kindern eine eigene Kindheit zu gewähren. Jean-Jacques Rousseau (frz. Pädagoge und Wegbereiter der französischen Revolution, 1712 – 1778), war treibend in diesem Gedanken, der später von Johann Heinrich Pestalozzi (schweiz. Pädagoge, 1746 – 1827) und Maria Montessori (it. Ärztin und Pädagogin, 1870 – 1952) weiterentwickelt wurde.
Im 19. Jahrhundert, als der Mann Alleinverdiener war, konnte sich die Ehefrau als Mutter deutlich mehr um ihre Kinder kümmern.
Und wie ist es heute? Tatsächlich überlegen sich manche Eltern heutzutage, ihr Kind in Kindergärten unterzubringen, in denen zweisprachig betreut wird. Diese Eltern sind der Meinung, dass Kinder nicht früh genug an eine fremde Sprache ‚spielerisch’ gewöhnt werden können.
Skeptiker hingegen meinen, dass Kinder Kinder sind und diese eher ihr ‚kindliches’ Leben ausleben dürfen, sogar sollten. Ohne jeglichen Zwang oder Druck.
Wie auch immer – Eltern der ersten Gruppierung haben teilweise Schwierigkeiten, aus ihrer Sicht betrachtet, ‚vernünftige’ Kindergärten zu finden. Ja – sie sind bereit, Geld, sogar (relativ) viel Geld für das Training ihrer Kinder auszugeben. Nach den Prinzipien ‚Schaden kann es ja nicht’ und ‚Früh übt sich’.
KiTa, Kindergarten und Hort
Friedrich Wilhelm August Fröbel (dt. Pädagoge, 1782 – 1852) gilt als Gründer des ersten Kindergartens. Ab dem ersten Geburtstag haben in Deutschland Kinder einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz (seit August 2013).
In Deutschland ist der Kindergarten eine Einrichtung für Kinder, die das dritte Lebensjahr vollendet haben. In der Schweiz gilt die Vollendung des vierten Lebensjahrs, in Österreich muss das Kind mindestens 2 ½ Jahre alt sein.
Jüngere Kinder besuchen eine Kinderkrippe oder Krabbelgruppe, ältere einen Hort.
Die Abgrenzung ist aber nicht immer ganz eindeutig, so dass hin und wieder alle genannten Einrichtungen als Kindergarten bezeichnet werden.
Der Kindergarten soll die Erziehung in der Familie ergänzen, aber nicht übernehmen. Den Kindergartenkindern eröffnet sich die Möglichkeit, Erfahrungen über das familiäre Umfeld hinaus zu sammeln.
Es gibt Teilzeitbetreuungen am Vor- oder Nachmittag, verlängerte Vormittagsangebote bis nach dem Mittagessen, die Ganztagsbetreuung von morgens bis zum späten Nachmittag. Letztes wird häufig als Kindertagesstätte (KiTa) bezeichnet.
Neben den freien Trägern dieser Regel-Kindergärten (zum Beispiel kirchliche Träger, Institutionen der Freien Wohlfahrtspflege, Vereine, Elterninitiativen, Privatwirtschaftliche Träger) finden sich sonderpädagogische und heilpädagogische Kindergärten. Schließlich auch die Montessori-Kindergärten und die Waldorfkindergärten und ähnliche. Und nicht zu vergessen, Kindergärten, in denen Mehrsprachigkeit gefördert wird.
Verantwortung für unsere Kinder
Sicher scheint auf jeden Fall, dass Kindergartenbetreuer und -betreuerinnen eine unglaublich große Verantwortung für die ihnen Anvertrauten tragen. Hier gemeint ist die Verantwortung für die Zukunft der Kinder, die ihrer Obhut übergeben werden. Bei allem guten Willen und bei gleichzeitig überschaubarer Bezahlung müssen Berufsgruppen wie diese deutlich stärker gefordert und gefördert, geachtet und unterstützt werden.
Laut FAZ vom 29./30.08.09 waren im Vorjahre 2,32 Millionen Kinder unter sechs Jahren in Tagesbetreuung; davon 2,25 Millionen in einem Kindergarten oder einer Kindertagesstätte. 67.500 wurden von Tagesmüttern bzw. Tagesvätern gepflegt. Dieselbe Quelle gibt an, dass nur 7 Prozent der Studenten in Deutschland Eltern sind (123.000).
All diese Kinder erhalten in der Tagesbetreuung durch entsprechend geschulte Fachkräfte. Die späteren Verhaltensmuster werden in dieser Zeit entscheidend in Bahnen gelenkt.
Kinder sind die Zukunft!
Das Verhalten der Kinder (in Zukunft) bestimmt somit auch unser Leben (in Zukunft).
Torben Rohr
Bankkaufmann, Student Industriemanagement in Praxisverbund
Hanisch: Herr Rohr, Sie planen, verbunden mit einer Weltreise, ein Auslandssemester in Australien. Sind Sie stolz auf das, was Sie bisher erreicht haben?
Rohr: Das lässt sich nicht mit Ja oder Nein beantworten. In erster Linie bin ich dankbar, dankbar und glücklich, dass ich heute die Möglichkeit habe solche Pläne zu schmieden und ein solches Leben führen zu können, das mir auch solche Perspektiven eröffnet.
Hanisch: Hätten Sie vor zehn Jahren, als Heranwachsender, gedacht, dass Sie solch ein Auslandssemester einmal erleben würden?
Rohr: Nein, vor zehn Jahren hätte ich aber auch nicht gedacht, dass ich eines Tages eine Ausbildung zum Bankkaufmann abgeschlossen hätte, meine Hochschulreife erwerben würde oder das Auswahlverfahren an einer der renommiertesten privaten Hochschulen bestehen könnte.
Hanisch: Was war damals Ihr Plan?
Rohr: Damals war ich ja schon damit zufrieden, wenn ich in das nächste Schuljahr versetzt wurde und heute kämpfe ich um einen Studienplatz an der Bond University, einer der angesehensten Universitäten Australiens. Das heißt, noch vor zehn Jahren, hatte ich wesentlich existenziellere Probleme und Ängste. Damals ging es ums Überleben, heute sind es ganz andere Dinge, die mich belasten.
Hanisch: Welche Dinge sind das?
Rohr: Nun, heute geht es darum schneller und besser zu sein, als die anderen. Es geht mir darum aussagekräftigere Referenzen vorweisen zu können, an besseren Hochschulen zu studieren und einen cooleren Job zu bekommen. Meine Sorgen sind nicht mehr „auf der Strecke zu bleiben“, sondern von anderen überholt zu werden. Die Ebene der Probleme hat sich geändert. Ich würde meine heutigen Ängste eher als Luxusängste beschreiben.
Hanisch: Ihre bisherige Karriere begann nach eigener Anschauung eher schwach. Inwieweit können Sie dem zustimmen?
Rohr: Uneingeschränkt. Ich war ein versetzungsgefährdeter Hauptschüler, ich konnte mich kaum konzentrieren und hatte massive Defizite in allen Bereichen. Meine schulische Laufbahn oder um es mit Ihren Worten zu sagen, meine bisherige Karriere, hat mehr als schwach begonnen.
Hanisch: Weshalb ergaben sich die Schwierigkeiten am Anfang Ihrer Schullaufbahn?
Rohr: Ich hatte ADS (Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom). Vielleicht ist es nicht ganz richtig, all meine Probleme auf diese Krankheit zu schieben. Dennoch und da bin ich mir sicher, lässt sich ein Großteil meiner Schwierigkeiten auf dieses Syndrom und meine damit verbundene Hyperaktivität zurückführen. Darüber hinaus lag es aber sicher auch ein Stück weit daran, dass ich einfach faul war und keinen Sinn im Lernen gesehen habe.
Hanisch: Sie bezeichnen sich als „Ich war schon immer anders als Andere“. Was meinen Sie damit?
Rohr: Damit versuche ich immer zu beschreiben, wie es ist, wenn man sich in einem Kreis wiederfindet, in den man im Grunde gar nicht so richtig passt. Bezogen auf die Jahre an der Hauptschule muss ich sagen, dass das eine unglaublich aufreibende Zeit war. Ich war ein Hauptschüler und meine Leistungen hätten es niemals zugelassen, dass ich in frühen Hauptschuljahren auf eine Realschule versetzt werden konnte. Ich habe nicht dazugehört. Wenn Klassenkameraden über dieses oder jenes sprachen, habe ich mich mit ganz anderen Dingen beschäftigt. Aus heutiger Sicht war ich in manchen Bereichen meiner Zeit voraus und wieder in anderen Bereichen der Zeit um Jahre hinterher. Ich war, ganz offen gestanden, das, was viele als Außenseiter und Verlierer bezeichnen würden und auch als solcher abgestempelt und das nicht nur von Mitschülern, sondern auch von einigen Lehrern.
Hanisch: Welche Gründe haben Sie bewogen eine Veränderung zu wagen?
Rohr: Ich hatte kaum soziale Kontakte. Ich wollte nicht sein wie ein typischer Hauptschüler, daher konnten meine Klassenkameraden keine wirklichen Freunde werden und um Kontakte zu Leuten aus anderen Schulformen zu finden, fehlte mir schlicht die Bildung. In dieser Zeit habe ich mich entschieden, dass ich kein Außenseiter und Verlierer mehr sein möchte.
Hanisch: Können Sie sich an einen Moment erinnern, in dem Sie selbst entschieden, erfolgreich zu werden?
Rohr: Die Frage ist, ob ich überhaupt erfolgreich bin. Ich selbst fühle mich nicht erfolgreich und würde mich auch niemals so bezeichnen. Das kann aber sicherlich auch daran liegen, dass man am Niveau seines Bildungs- und Leistungsgrades wächst und sich den eigenen Ansprüchen und Erwartungen – übrigens auch den Erwartungen, die andere an einen stellen – anpasst. Es gab einen Moment, in dem mir plötzlich klar wurde, dass es an mir lag mein Leben in die Hand zu nehmen und die Wege meines Lebens zu beeinflussen. Das war ungefähr um die Zeit meines 15. Geburtstages.
Hanisch: Haben Sie diese Entscheidung bereut?
Rohr: Nein, ich bin der festen Überzeugung, dass es immer richtig ist, sich für Freiheit und Chancen zu entscheiden. Diese Freiheit und diese Chancen gehen allerdings mit Bildung und Leistungsbereitschaft einher. Ich habe einen völlig neuen Weg eingeschlagen und mein Leben um 180 Grad gedreht. Das war sehr schwierig, weil ich mich dafür noch mehr von meinen Klassenkameraden distanzieren musste. Dadurch habe ich mich noch mehr ins Abseits gestellt, als ich ohnehin schon stand. Dennoch war dieser Schritt wichtig und richtig, denn heute habe ich ganz andere Möglichkeiten. Diese Möglichkeiten hatten ihren Preis. Die Entscheidung diesen Preis zahlen zu wollen habe ich niemals bereut.
Hanisch: Ihr heutiges soziales Umfeld bezeichnet Sie als außerordentlich freundlich, gleichzeitig auch als sehr ehrgeizig. Sehen Sie sich auch so?
Rohr: Ich freue mich darüber, wenn meine Mitmenschen mich als freundliche und ehrgeizige Person wahrnehmen. Ich selbst nehme mich nicht immer so wahr, wenngleich ich um meinen Ehrgeiz weiß.
Hanisch: Woher kommt dieser Ehrgeiz?
Rohr: Ich glaube, der lässt sich auf die Angst überholt zu werden oder viel mehr wieder abzusteigen zurückführen. Das heißt, die Angst Perspektiven wieder zu verlieren. Ich komme aus einer Familie, die man altmodisch wohl als großbürgerlich beschreiben könnte. Auch das war ein wichtiger Punkt in meinem Umdenken. Ich wollte mir später selbst das Leben leisten können, das ich durch mein Elternhaus ganz selbstverständlich führen darf und mir ist heute noch klar, wenn ich nicht selbst Werte schaffe, werde ich dieses Ziel nicht erreichen.
Hanisch: Sie sind ehrenamtlich politisch wie auch in nichtpolitischen Organisationen aktiv. Sie sind Semestersprecher und im Studierendenparlament. Ist das nicht zu viel des Guten?
Rohr: Oh doch, in manchen Momenten ist das alles sicherlich zu viel des Guten. Dennoch übernehme ich gerne Verantwortung und empfinde jede Mitgliedschaft und jede meiner Aktivitäten als sehr positiv für meine Entwicklung. Gerade im Umgang mit Menschen, der Projektbearbeitung oder der Problembehandlung, konnte ich bei all meinen ehrenamtlichen Tätigkeiten viele wertvolle Erfahrungen sammeln. Für die Entwicklung der sozialen Kompetenzen ist ehrenamtliches Engagement eine ganz hervorragende Chance.
Hanisch: Könnte es sein, dass Sie sich selbst durch Ihre umfangreichen Aktivitäten beweisen wollen, wie ‚gut’ Sie sind?
Rohr: Es gab Zeiten, in denen es mir mit ganz großer Sicherheit genau darum ging. Aus heutiger Sicht muss ich sagen, dass dies die falsche Motivation war. Meine heutigen Aktivitäten mache ich aus anderen Beweggründen. Ich möchte mich engagieren und Verantwortung übernehmen. Darüber hinaus habe ich den Wunsch mitzugestalten und zu verändern. Um diesen Wünschen Taten folgen zu lassen ist es gut sich zu organisieren, da viele zusammen mehr erreichen können als einer alleine. Ein Punkt, der mir besonders am Herzen liegt, ist der Wunsch durch mein Engagement etwas zurückzugeben.
Hanisch: Wie meinen Sie das?
Rohr: Durch meine Familie habe ich immer die größte Unterstützung erfahren, sowohl materiell als auch immateriell, diese Möglichkeiten bekommen nicht alle geboten. Gerade durch meine Mitgliedschaft im Leo-Club habe ich das Gefühl auch Dinge zurückgeben zu können. Hier kann ich der Gesellschaft dienen. Der Umgang mit Heimkindern aus zerrütteten Familien liegt mir sehr am Herzen. Hier versuche ich immer Mut zu machen und zu motivieren. Ich weiß, dass das Elternhaus eine ganz wesentliche Rolle spielt und wohl nicht viele dieser Kinder einen Weg gehen werden wie ich ihn gerade gehe. Dennoch ist es ein unbeschreibliches Gefühl sich das Vertrauen von solchen Kindern zu verdienen und diesen zu zeigen, was man erreichen kann, wenn man es nur möchte.
Hanisch: Wie gehen Sie mit Stress um?
Rohr: Ich habe in den vergangenen Jahren versucht, meinem Leben ein festes Fundament zu geben. Der christliche Glaube ist für mein Leben von zentraler Bedeutung und hilft mir mit Stress, Konflikten und Zweifeln umzugehen. Das klingt jetzt aber sicherlich religiöser als ich tatsächlich bin. Lesen, Joggen und Schwimmen helfen mir bei der Stressbewältigung. Die letztgenannten sorgen zudem noch dafür, dass ich auch fit bleibe.
Hanisch: Was können junge Menschen tun, die den Eindruck haben, eher zu den Verlierern dieser Gesellschaft zu gehören?
Rohr: Ganz wichtig ist sicherlich, dass man den Glauben an sich selbst nicht verliert. In meinen Augen ist kein Mensch ein Verlierer. Oder besser gesagt – es muss kein Mensch ein Verlierer sein. Jeder ist das, was er aus sich macht oder vielmehr das, wozu er sich machen lässt. Wer sich als Verlierer fühlt, der wird auch ein Verlierer bleiben oder das, was die Gesellschaft als Verlierer bezeichnet. Der erste Schritt liegt in einem selbst. Es ist ein langer und harter Weg und es wird viele Menschen geben, die es nicht gerne sehen, wenn man als Verlierer kein Verlierer mehr sein möchte. Das sind Menschen, die diese Anstrengungen vielleicht sogar belächeln. Es lohnt sich aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Ich wünsche jedem, der sich als Verlierer dieser Gesellschaft sieht, die Kraft neue Wege zu gehen, die nötige Unterstützung und natürlich eine große Portion Glück und Mut.
Hanisch: Das heißt, aus Ihrer Sicht spielt auch Glück eine wesentliche Rolle auf dem Weg vom Verlierer zum Gewinner?
Rohr: Absolut. Um zu den Gewinnern zu gehören, reichen nicht nur gute Leistungen in der Schule oder Hochschule. Die richtigen Kontakte, die wiederum eine gewisse Bildung und ein gewisses gesellschaftliches Engagement voraussetzen, gehören ebenso dazu wie das richtige Auftreten, ein entsprechender Umgang und natürlich das nötige Quäntchen Glück.
Hanisch: Welches ist Ihr wichtigstes Ziel?
Rohr: Privat ist es mein Ziel, dass ich stets zufrieden bin mit dem, was ich mache, dass ich immer der bleibe, der ich bin und dass ich immer Menschen an meiner Seite haben werde, die mir wohlgesonnen sind und mir somit die Kraft geben, die Strapazen des Lebens zu meistern. Beruflich gesehen ist das wichtigste oder größte Ziel für mich eine anerkannte Führungskraft zu werden und als ebensolche auch finanziell vergütet zu werden. Das heißt, mein Ziel ist es erfolgreich zu werden, aber nicht um jeden Preis.
Hanisch: Welche historische oder noch lebende Persönlichkeit würden Sie als Vorbild bezeichnen?
Rohr: Ein klassisches Vorbild hatte ich noch nie. Es gibt aber Menschen die mich beeindrucken. In Bezug auf Rhetorik und seine Art sich zu artikulieren ist das Michel Friedman, den ich als brillanten Verbalakrobaten bezeichnen würde. Völlig gegensätzlich zur Person von Dr. Friedman ist es aber auch Claus Hipp, der mich durch sein Leben und seine Überzeugungen, nicht nur als Unternehmer, sondern auch durch seine Werke als Künstler, Nikolaus Hipp, zutiefst beeindruckt. Gerade das bodenständige Wesen von Dr. Hipp beeindruckt mich sehr. Generell mag ich Unternehmer wie ihn, die noch um ihre soziale und gesellschaftliche Verantwortung, gerade ihrer Beschäftigten und deren Familien gegenüber wissen.
Hanisch: Bitte geben Sie unseren Lesern zwei, drei wertvolle Tipps, die für deren Karriere förderlich sein können.
Rohr: Ich glaube das Wichtigste ist es, dass man sich selbst über seine Stärken und Schwächen bewusst ist und immer wieder erst forscht, also sich selbst und das eigene Tun und Handeln auf sehr kritische Art und Weise auf den Prüfstand stellt und bei Bedarf immer wieder an den Schrauben dreht. Das heißt, selbstbewusst sein im Sinne von „sich seiner selbst bewusst“ zu sein. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist aus meiner Sicht das richtige Auftreten. Man sollte in der Lage sein, sich den verschiedenen Gesprächspartnern und Situation anpassen zu können, sich also modifizieren zu können, ohne sich jedoch zu verstellen. Der wichtigste Punkt aus meiner Sicht ist Begeisterungsfähigkeit. Begeisterung überzeugt. Der, der in sich ein Feuer der Begeisterung brennen hat, der steckt an und wird auch andere von sich überzeugen und darum geht es doch letztendlich. Wir alle wollen andere von uns überzeugen.
Hanisch: Herr Rohr, vielen Dank für diesen Austausch.
Wat is en Dampfmaschin?
Gymnasialprofessor Bömmel in ‚Die Feuerzangenbowle‘
(1944)
„Wat is en Dampfmaschin? Da stelle mer uns janz dumm. Und da sage mer so: En Dampfmaschin, dat is ene jroße schwarze Raum, der hat hinten un vorn e Loch. Dat eine Loch, dat is de Feuerung. Und dat andere Loch, dat krieje mer später.“
So lernte Johannes Pfeiffer (mit drei F, gespielt von Heinz Rühmann) technische Zusammenhänge des industriellen Zeitalters. Das waren noch Zeiten …
„Was waren das noch für Zeiten ...“ träumt manch Erwachsener in Erinnerung schwelgend. „Als der Lehrer ins Klassenzimmer kam, mussten wir alle aufstehen. Der Herr Lehrer war eine Respektperson. Er wurde geachtet. Aber heute ...“ – ein tiefer Seufzer – „... heute ist alles anders. Die Schüler tanzen den Lehrern auf der Nase herum. Und die 68er ... du lieber Himmel! Diese antiautoritäre Erziehung hat auch nichts gebracht.“
Zustimmendes Nicken auf allen Seiten. „Heute machen doch die Kids was sie wollen. Drogen, Waffen, Sex ...“ – und wieder ein deutlich hörbares Seufzen aller Anwesenden. Ist es wirklich so schlimm? Immer wieder gibt es Reformen und neue Überlegungen, welche Schulform die beste für die Schülerinnen und Schüler sein mag.
Unbestritten ist es wohl, dass die Lehrerin bzw. der Lehrer einen unglaublichen Einfluss auf die Lernenden ausübt. Motivation, Begeisterung und Manipulation können starken Eindruck hinterlassen, manchmal auch im negativen Sinne. Kennen Sie nicht auch Schüler, die wegen ihres Lehrers ein bestimmtes Schulfach nicht mögen? Und dadurch das komplette zu vermittelnde Wissen blockieren oder sogar negieren? Selbstverständlich mit der begleitenden schlechten Note im entsprechenden Fach.
Interviewer in Assessment-Days wundern sich immer wieder, wie schwach das so genannte Allgemeinwissen bei manchen Bewerbern ausgeprägt ist. Hier einige Beispiele aus Auswahlverfahren für Studienplätze an Universitäten bzw. Fachhochschulen. Die Betreffenden sind in der Regel 18 bis 20 Jahre alte Abiturienten.
(Nicht vergessen: 18 bis 20 Jahre, Abitur)
Das mag alles lustig klingen. Klar, es sind Einzelfälle. Nur – woran liegt das? Wie wollen diese jungen Menschen mit diesem ‚Pseudowissen’ ihre Karriere gestalten?
Wer übernimmt hier die Verantwortung? An betroffene Leser/Leserinnen: Sicherlich lässt sich Schuld relativ leicht anderen in die Schuhe schieben. Ob diese Verhaltensweise der eigenen Karriere förderlich ist, steht dabei auf einem anderen Blatt. Jeder kann sich umschauen und sich – abseits von Mode, Trends oder was sonst gerade in ist – über andere Dinge informieren. Es dient den eigenen Gehirnverknüpfungen und dazu, Zusammenhänge leichter zu erkennen, besser argumentieren zu können sowie einen weiteren Überblick über gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Konstellationen zu erhalten.
Als ich klein war, glaubte ich, die Ausländer hätten überhaupt keine Sprache, sie täten nur so, als sprächen sie miteinander.
Jean Cocteau, frz. Dichter
(1889 - 1963)
Heute ist es kaum mehr vorstellbar, dass Kaiser Karl der Große (747/748 – 814), als er im Jahre 800 in Trier zum Kaiser gekrönt wurde, sein Volk nicht verstehen konnte. Jede Region hatte ihre eigene Sprache. Das genügte im Leben, denn in der Regel verließen die Menschen das Dorf oder die Stadt, in der sie lebten, bis zum Lebensende nicht. Sehr viel später machte sich der Reformator Martin Luther (1483 – 1546) daran, eine volkstümliche Sprache zu entwickeln. So konnten die Menschen die Bibel, die Luther aus dem Hebräischen bzw. Altgriechischen in die deutsche Sprache übersetzt hat, lesen (oder sich vorlesen lassen). Diese Bibel wurde 1522 veröffentlicht. Luther wurde damit zum Schöpfer der neuhochdeutschen Schriftsprache.
Doch es sollte ein paar Jahrhunderte dauern bis die von Ludwig Sütterlin (dt. Pädagoge und Schöpfer der Sütterlinschrift, 1865 – 1917) entwickelte deutsche Schrift, auch ‚Deutsche Schreibschrift‘ genannt, eingeführt wurde. Sie bildete die Grundlage als Normalschrift der ‚Deutschen Schreibschrift‘. Heutzutage können wir im Duden, dem Wörterbuch der deutschen Sprache, erstmals 1880 veröffentlicht von Konrad Duden (1829 – 1911), nachschauen, ob es ‚der Joghurt’ oder ‚das Joghurt’ heißt (beides geht, sogar auch mit Artikel ‚die‘ [teilweise in Österreich]). Die Schreibweise darf mittlerweile auch ohne ‚h‘ (also Jogurt) sein. Trotz allem lässt die Sprache noch einige Herausforderungen offen. „Sie schwamm im Regen.“ Mag verwunderlich klingen, bis klar wird, dass der Fluss namens Regen gemeint ist. Dass es trotz aller Fortschrittlichkeit, Regeln und Sprachreformen immer noch Missverständnisse geben kann, ist wohl jedem bewusst. Nun leben wir heute nicht mehr im finsteren Mittelalter. Viele Grenzen haben sich geöffnet. Der Begriff Globalisierung war das erste Mal in der Mitte des 20. Jahrhunderts zu hören. Millionen von Menschen pendeln täglich von einer Stadt in die andere. Millionen von Menschen reisen täglich innerhalb der EU (im Jahre 2007 etwa 800.000.000 abgefertigte Flug-Passagiere – nur innerhalb der EU! Davon in München etwa 33.000.000. Quelle: Statista 2009, Eurostat). Die Notwendigkeit, sich in einer anderen Sprache verständigen zu können oder zu wollen, ist offensichtlich. Eine einfache Übersetzung tut es auch nicht, da der Sinn verloren gehen kann. Oftmals ist der Reiz des tatsächlichen Verstehens ausschlaggebend. Das, was zwischen den Zeilen gesagt oder auch nicht gesagt wird, wie etwas betont und ausgesprochen wird, machen die Feinheiten der Sprache aus. So wird unter prosodischer Bedeutung die Art und Weise verstanden, wie ein Satz gesprochen wird. Je nach Betonung, ändert sich die Bedeutung der Aussage. Schauen Sie sich den folgenden Satz an und lesen Sie ihn laut vor:
Je nach Betonung der einzelnen Wörter, verschiebt sich der Schwerpunkt der Aussage.
Menschen, die heute Karriere machen wollen, werden in Video-, Telefon- oder auch tatsächlichen Meetings wie selbstverständlich mit einer fremden Sprache konfrontiert. In Bewerbungsgesprächen wird teilweise nicht mehr gefragt, ob der Bewerber eine Fremdsprache spricht, sondern in welchen Fremdsprachen er sich ausdrücken kann. Fazit: Junge Menschen ohne Fremdsprachenkenntnisse, am Anfang ihrer beruflichen Karriere stehend, behindern und verlangsamen ihren Weg nach oben entscheidend.
Guido Michels
Diplom-Dolmetscher und Übersetzer
Hanisch: Herr Michels, Sie sind Dolmetscher und Übersetzer mit den Sprachen Englisch, Französisch, Deutsch. Wie wichtig sind Fremdsprachen für Sie selbst?
Michels: Sehr wichtig. Durch die Tätigkeit als Dolmetscher spreche ich zum Teil mehrere Tage gar kein Deutsch. In meiner Tätigkeit an einer privaten Fachhochschule mit 110 Sprachkollegen aus dem Ausland findet die tägliche schriftliche und mündliche Kommunikation überwiegend in Fremdsprachen statt.
Hanisch: Inwieweit erweitert sich der Horizont einer Person, die eine Fremdsprache sprechen kann?
Michels: Der Horizont erweitert sich ungemein, besonders in Bezug auf die kulturellen Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Nebenbei findet meines Erachtens eine schleichende Entwicklung zur Demut statt. Denn mit dem Erwerb der Fremdsprache ist es noch lange nicht getan. Es ist eine Lebensaufgabe, sich mit den kulturellen Besonderheiten der Länder vertraut zu machen, in denen die gleiche Sprache gesprochen wird. Dies gilt für alle Sprachen der ehemaligen Kolonialländer u.a. England und Frankreich, die noch heute durch die Verbreitung Ihrer Landessprache jeweils die ganze Welt umspannen (England: UK, Karibik, Indien, Afrika, usw.; Frankreich: Afrika, Überseedepartments, usw.)
Hanisch: Ist es möglich, eine Fremdsprache zu benennen, die als ‚die wichtigste’ angesehen werden kann?
Michels: Nein, das hängt immer vom Betrachtungswinkel ab und von der demografischen und politischen Entwicklung. Natürlich hat die englische Sprache eine große Bedeutung erlangt, aber es gibt natürlich Länder und Regionen, in denen Ihnen Ihre Englischkenntnisse auch nicht weiterhelfen. Nach einer Studie verstehen 72 Prozent der europäischen Bevölkerung kein Englisch.
Französisch war früher „die“ Sprache der Diplomaten, wird aber zusehends von Englisch und Spanisch verdrängt. Die spanische Sprache hat nicht erst seit der Globalisierung besonders als Wirtschafts- und Handelssprache (Logistik, weltweiter Handel) stark zugenommen. Es bleibt abzuwarten, ob die chinesische Sprache außerhalb Chinas an Bedeutung gewinnen wird. Die sprachliche Präferenz der Google-Nutzer betrug im Januar 2002 (in Klammern: Juni 2001) 3▪ (1%), bei einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Chinesen erklärt sich dies durch die momentane technische Ausstattung, den Zugang zum Internet sowie die Kontrolle durch das politische System. Sollte hier in der Zukunft eine Öffnung stattfinden, wird Chinesisch sicher an Bedeutung gewinnen.
Hanisch: Haben Sie eine Lieblingssprache?
Michels: Nein. Mir macht es sehr viel Freude, Menschen bei ihrer Kommunikation zu helfen, die sich ansonsten gar nicht oder nur mit Händen und Füßen verständigen könnten.
Privat bereite ich mich auf meine Reisen vor, indem ich vorher selber Sprachunterricht nehme, um zumindest die gängigsten Sätze in der Landessprache anwenden zu können, zum Beispiel: Afsakið, ég tala ekki íslensku. (Entschuldige, ich spreche kein Isländisch.). Die Menschen gehen ganz anders mit einem Touristen um, wenn sie sein Bemühen erkennen, ihnen mit Respekt zu begegnen.
Hanisch: In welchem Alter sollte begonnen werden, eine Fremdsprache zu erlernen?
Michels: Darüber streiten sich die Experten. Aus meinem Umfeld kann ich nur sagen, dass es bei Ehen mit Elternteilen aus zwei verschiedenen Ländern und Sprachen, funktionieren kann, wenn beide Eltern diszipliniert nur in der Muttersprache mit dem Kind sprechen. Es dauert allerdings normalerweise länger, bis sich diese beiden „Schubladen“ im Gehirn des Kindes stabil gebildet haben. Ich kenne auch Beispiele, wo diese Ausprägung nicht vollständig funktioniert hat und dass das Kind unter einer ausgeprägten Legasthenie leidet und der oben genannte Ansatz dafür mitverantwortlich gemacht wird. Der Englischunterricht in Deutschland findet bereits im Kindergarten statt. Dabei kommen die Kinder erstmalig mit dieser Fremdsprache in Berührung. Es lassen sich dabei Tendenzen erkennen, ob ein Kind sprachbegabt ist oder nicht.
Hanisch: Wann haben Sie selbst das erste Mal in einer anderen Sprache gesprochen?
Michels: Da wir in meiner Kindheit nur Urlaub in Deutschland machten, war das in der Schule. Und dort habe ich mich wirklich nicht mit Ruhm bekleckert. Ich stand sowohl mit Englisch als auch mit Latein auf Kriegsfuß und habe beide Sprachen in der Oberstufe abgewählt.
Hanisch: Gibt es ein Höchstalter, in dem sich das Erlernen eine Sprache ‚nicht mehr rentiert’?
Michels: Ein klares „Nein“. Einerseits ist es heute bewiesen, dass das Gehirn bis ins hohe Alter lernfähig ist. Andererseits sind die heutigen Rentner sehr rüstig und eher im Unruhe- als im Ruhestand. Die günstigen Reisemöglichkeiten erleichtern ebenso den Kontakt mit fremden Kulturen und Sprachen. Darüber hinaus gibt es – übrigens nicht nur in Deutschland – Organisationen, die Rentner zeitlich befristet in Entwicklungsländer entsenden, zum Beispiel als Buchhalter oder Lehrer, um Schulen aufzubauen oder sie im Lehrbetrieb zu unterstützen. Gerade hier ist ein Spracherwerb auch nach dem Berufsleben sehr sinnvoll.
Hanisch: Haben Sie den Eindruck, dass es in den nächsten Jahren wichtiger wird, Fremdsprachen zu beherrschen?
Michels: Auf jeden Fall. Erstens machen die ehemaligen Kolonialländer schon lange die Erfahrung, dass durch Asylbewerber und legale Einwanderung es oft mehr als eine Sprache in einem Land gibt. In England werden die Muttersprachler in der Zukunft in der Minderheit sein. Speziell im Süden der USA gewinnt Spanisch als erste Sprache immens an Bedeutung. Schätzungen zufolge werden im Jahr 2050 Englisch und Spanisch in den USA von jeweils 50▪ der Bevölkerung als Muttersprache gesprochen.
Hanisch: Inwieweit beeinflusst Sie der Kontakt zu Menschen, die andere Sprachen sprechen, in Ihrem Leben?
Michels: Der Einfluss ist immens: die Sprache ist ja nur ein Aspekt. Weiterhin wird sich bei einem interkulturellen Kontakt ja auch über Essen, Religion, Kleidung, Sitten und Gebräuche usw. ausgetauscht. Dies erweitert meinen eigenen Horizont, zwingt mich oft zur Reflektion über angeblich so wichtige Herausforderungen zu Hause und lehrt mich immer wieder eine gehörige Portion Demut. Besonders in armen Ländern ist mir eine Gastfreundschaft entgegengebracht worden, die es so in Deutschland nicht mehr gibt. Auch der Umgang mit den Kindern und die Lebensfreude in anderen Ländern erlebe ich sehr positiv.
Hanisch: Wie bauen Sie beruflichen Stress ab?
Michels: Durch regelmäßigen Sport, Reisen in Länder, die nicht so stark frequentiert sind, Yoga.
Hanisch: Welchen Berufswunsch hatten Sie als Kind?
Michels