Reihe: Meisterwerke des Himmlischen Jerusalem, Band 14
Hrsg. von Claus Bernet
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© 2014 (Erstauflage), Claus Bernet.
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Berlin, 2.1.2015 (2. Aufl.)
Edition Graugans, Berlin
Herstellung und Verlag: Bod - Books on Demand GmbH, Norderstedt
ISBN: 978-3-7357-6780-6
GG Wissenschaft ist ein Imprint der Edition Graugans, Berlin
Unmittelbar an der Schwelle zur Reformation erreichte die spätmittelalterliche Marienfrömmigkeit einen neuen Höhepunkt, der sich auch und vor allem im bildlichen Medium seinen Ausdruck verschaffte. Maria genoss als ranghöchste weibliche Heilige und Mutter Gottes eine geradezu fanatische Verehrung, die man sich heute kaum mehr vorzustellen vermag. Selbst Martin Luther verteidigte noch in den ersten Jahren der Reformation die Immaculata-Lehre. Diese geht davon aus, dass Maria seit ihrer Geburt durch ihre Mutter Anna von jeder Sünde, auch der Erbsünde, frei wäre und somit als Jungfrau ohne Zeugungsvorgang gebären könnte.
Das späte Mittelalter brachte einen eigenen Bildtypus hervor: Maria Immaculata, also Maria zur Unbefleckten Empfängnis. Vor allem im lateinamerikanischen Bereich und in überwiegend katholischen Ländern wie Frankreich oder Italien, erfreute sich die Darstellung der Maria Immaculata großer Beliebtheit: man findet sie auf Glasfenstern, als Wandmalerei, auf Ölgemälden oder sogar in Holz geschnitzt. So wundert es auch nicht, dass sich unzählige Maler dieses Themas angenommen haben: Joan de Joanes, Francisco de Herrera el Viejo, Seguidor de Angelino Medoro oder Francisco Pacheco sind vielleicht die bedeutendsten.
Wie sieht eine Maria-Immaculata-Darstellung eigentlich aus? In der Mitte befindet sich so gut wie immer eine Figur Mariens, oft auf einer Mondsichel stehend. Um sie herum sind weitere Symbole gruppiert, die ihre Tugenden zum Ausdruck bringen, beispielsweise der Paradiesgarten, der Turm Davids, die Rose, ein Spiegel und viele andere Gegenstände, die hier nicht alle angeführt und erst recht nicht erschöpfend erklärt werden können. Das Himmlische Jerusalem kann innerhalb solcher Darstellungen zweifach erscheinen: Als Himmelspforte bzw. Himmelstür (Porta Celi/Porta Coelis), die geöffnet oder geschlossen sein konnte, und als Civitas Dei, da Maria nach katholischer Auffassung die erste Schutzpatronin der Gottesstadt war.
Erfunden wurde diese Darstellungsweise vermutlich in französischen Stundenbüchern des 15. Jahrhunderts. Bald wurde die Konzeption auch zur Verbildlichung der Lauretanischen Litanei herangezogen. Als „Tota Pulchra“, eine der Ehrentitulaturen Mariens, die von einer Anfangszeile, nach der auch ein bekanntes Gebet benannt ist, aus dem Hohelied in der Version der Vulgata herrührt, wurde Maria Immaculata dann auf Zeichnungen und Ölgemälden in zahlreichen Kirchen und Kapellen den Gläubigen präsentiert.
Das Bildmotiv ist nie unpopulär geworden, bis in die Gegenwart gibt es immer wieder Neuinterpretationen der Himmelspforte und der Civitas Dei – das belegt zuletzt eindrucksvoll die Neugestaltung der Kathedrale von Manila, die Maria Immaculata geweiht wurde.
Ein frühes Bildbeispiel für den neuen Frömmigkeitstypus „Maria Immaculata“ findet man auf fol. 17v in einem „Französischem Marienlob“, einer Handschrift der Zeit um 1490, die heute in der Französischen Nationalbibliothek aufbewahrt wird (unter der Signatur Français 2225).
2225. Louenges à Nostre Dame, in: Bibliothèque impériale – Département des manuscrits. Catalogue des manuscrits français, 1, Paris 1868, S. 387.
Die meisten Arbeiten in Stein gehen zurück auf die Darstellung von Robert Chardon, die dieser um 1495 für die Kapelle Des Fonts in der Abtei Sainte-Trinité in Fécamp schuf. Links unten wurde die Civitas Dei gesetzt, rechts unten eine Himmelspforte. Unmittelbar danach folgten in Frankreich zahlreiche steinerne Litaneien, etwa in der Kirche zu Blot, einem Örtchen in der Region Auvergne, in der Kathedrale Notre Dame zu Bar-le-Duc oder in St Sépulcre in Montdidier.
M. Dénier: Indications au sujet de l’origine du retable de l’Immaculée conception de Souvigny, in: Bulletin de la Société d’émulation du Bourbonnais, 31, 1928, S. 72-73.
Jacques Baudion: La sculpture flamboyante en: Auvergne, Bourbonnais, Forez, Nonette (1998).