Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.

Impressum:

© 2010 Bernd Sternal

Herausgeber: Verlag by Sternal Media

Gestaltung und Satz: Sternal Media, Gernrode

www.sternal-media.de

www.harz-urlaub.de

Illustrationen: Lisa Berg

2. Auflage November 2016

ISBN: 978-3-7322-1725-0

Herstellung und Verlag:

BoD - Books on Demand GmbH, Norderstedt

Vorwort

„Um alles menschlichen Sinnen Ungewöhnliche,

was die Natur eines Landstrichs besitzt oder

wessen ihn die Geschichte gemahnt,

sammelt sich ein Duft von Sage und Lied.“

Jacob & Wilhelm Grimm

Dem gibt es nichts hinzu zu fügen! Sagen, Mythen und Legenden sind ein Stück beredeter Heimatkunde. Wer sie kennt und bewahrt, kennt und bewahrt seine Heimat und fühlt sich so aufs Engste mit ihr verbunden.

„Ubi bene, ibi patria“ ist ein altes lateinisches Sprichwort und besagt: Wo es mir gut geht, da ist meine Heimat“.

Bei unseren Recherchen oder einfach nur beim Sammeln, stoßen wir täglich auf „neue“, alte Sagen, Mythen und Legenden. Und auch die werden wir aufschreiben, aufbereiten und illustrieren, damit sie sich bald über Band 3 freuen können.

Bernd Sternal

Gernrode im November 2016

Inhant

Der Hunnenkrieg und die Burg Schlanstedt

Der Sachsenherzog, Heinrich der Vogeler, war im Jahr 919 zum König des ostfränkischen Reiches gewählt worden. Aber von Anbeginn seiner Herrschaft hatte er sein Reich vor zahlreichen Feinden zu schützen. Besonders die Hunnen, die wir heute als Ungarn bezeichnen, fielen immer wieder in sein Reich ein und raubten, plünderten und mordeten. Heinrich schloss mit ihnen einen zehnjährigen Friedensvertrag, denn diesen schnellen Reiterheeren war er nicht gewachsen.

Das war um das Jahr 926. Die ihm verbleibenden zehn Jahre nutzte, er um sein Reich zu sichern, Burgen zu bauen und sein Heer zu wappnen.

Kaum war der Vertrag abgelaufen, als die Hunnen mit ihren unzähligen Reiterscharen wieder in Heinrichs Reich einfielen. Diesmal trieben sie es schlimmer als je zuvor.

Als König Heinrich die Nachricht vom Hunneneinfall erhielt, weilte er in Magdeburg. Die Hunnen brandschatzten gerade das nördliche Harzvorland. Aber der König war vorbereitet! Heinrich rief sein Heer zusammen, stellte sich auf einen großen Stein und sprach: „So wahr, als meine Hand auf diesem Stein sich abdrückt, so gewiss werden wir einen Sieg davontragen“.

Und er zog an der Spitze seines Heeres los, die gefürchteten Hunnen ein für alle Mal zu vernichten. Am Großen Bruch trafen die beiden, bis an die Zähne bewaffneten Heerscharen, aufeinander. Mit viel Schlauheit hatte der König dieses Gebiet gewählt, denn es war sehr sumpfig, ein riesiges Moor, in dem die Schnelligkeit der Hunnen wenig nützte. Und außerdem kannte der Feind die Tücken des Moores nicht. Aber sein Plan ging nicht auf. Einer seiner Heerführer, Graf Stefan von Regenstein und viele seiner Getreuen wurden von den Hunnen erschlagen. Doch der König gab nicht nach und an der Unstrut, bei Riade, kam es zur entscheidenden Schlacht, die Heinrich für sich entscheiden konnte. Die Hunnen wurden in diesem Kampf vernichtet.

Die Gemahlin vom Grafen Stefan jedoch, mit Namen Teuthelinde, war zur Witwe geworden. Zum Andenken an ihren geliebten Mann ließ sie im Großen Bruch eine kleine hölzerne Kapelle errichten. Es war das erste Gebäude jenes Ortes, der später Schlanstedt genannt wurde. Später ließ ihr Sohn an dieser Stelle eine kleine Feste erbauen, aus der die Burg Schlanstedt entstand.

Die arme Frau und König Hübich

Vor langer Zeit wohnte im Ort Grund ein armer Bergmann. Schmalhans war bei ihm Küchenmeister, wie man zu sagen pflegt, wenn nur selten ein Stück Fleisch auf den Tisch kommt. Aber des Bergmanns Frau war auch sehr fleißig und arbeitete wo sie konnte. Und so kamen sie mit ihrer Familie halbwegs über die Runden. Aber dann wurde der Bergmann krank und auch seine Frau konnte nichts mehr dazu verdienen, weil die Kinder noch so klein waren. Die Not war groß! Bald waren die letzten Vorräte verzehrt und auch der Winter stand vor der Tür. Es war eine harte Zeit für die arme Familie, die Kinder schrien vor Hunger, aber es war nichts mehr im Hause um den Hunger zu stillen.

„Ich will Tannzapfen für den Bäcker suchen“, sagte die Frau. „Dafür gibt er mir dann sicher etwas Brot.“ Mit diesen Worten verließ sie das Haus und nahm ihren größten Korb mit. Auf dem Weg in den Wald gesellte sich ein kleiner, alter Herr zu ihr. Sie erzählte dem Fremden von der Krankheit ihres Mannes und von ihren Sorgen. Aber wie sie so suchte und schwätzte, es waren heute nirgends im Wald Tannäpfel zu finden. Und die arme Frau machte sich Sorgen und bekam Angst und die Tränen liefen ihr über die Wangen. Als sie dem Alten ihr Leid klagen wollte, dass sie keine Zapfen fand, merkte sie, dass der verschwunden war. Ihr war auf einmal, als kicherte er aus dem Gebüsch! Betrübt und verärgert ging sie weiter und auf einmal prasselte es überall und von allen Seiten kamen Tannzapfen von den Bäumen geflogen. Keiner der Zapfen traf aber die Frau, alle flogen direkt in ihren großen Korb.

Fröhlich und zufrieden nahm sie den Heimweg auf. Aber ihr Korb war sehr schwer, zu schwer. Und so dachte sie daran, einige Zapfen aus dem Korb zu nehmen und diese später abzuholen. Da kam gerade der alte Herr wieder des Weges und befahl ihr den vollen Korb nach Hause zu tragen und dabei weder zu rasten noch zu ruhen. „Ich bin der König Hübich“ sagte der Kleine, „und ich befehle dir das, und wenn du zu viel hast, dann gib anderen armen Leuten von deinen Tannzapfen!“

Da lachte die Frau und meinte, die Anderen könnten sich selbst Zapfen suchen und sie schaffe das schon bis zu ihrer Hütte.

Ihr Korb muss wohl sehr, sehr schwer gewesen sein! Denn als sie in ihrer Hütte die Tannzapfen ausschüttete, waren sie alle aus reinem Silber. Alle Not in der Bergmannshütte hatte von da an ein Ende. Und der Bergmann wurde vor lauter Glück gleich wieder gesund.

Die Familie war aber mildtätig und sorgte auch für andere arme Leute, denn sie hatte selbst gekostet, wie Armut schmeckt.

Widekind und die Dasenburg

Zu jener Zeit, als Heinrich der Löwe regierte, lebte auch ein Ritter mit Namen Widekind. Der war ein ehrloser Geselle, der immer wieder von seiner Dasenburg aus Raubzüge in das Gebiet von Heinrich unternahm. Das missfiel dem Herzog sehr und so stellte er dem Raubritter eine Falle, in die dieser auch tappte. In welfischer Gefangenschaft versprach er unter Eid, nie wieder zu rauben, zu plündern und zu morden.

Aber Ehrlose wie er, pfiffen auf jeden Eid, auf Gott und die Welt. Sobald Widekind wieder in Freiheit auf seiner Burg war, versetzte er das Land durch neue, grausame Überfälle in Angst und Schrecken.

Das erregte Herzog Heinrichs Unwillen und er plante dem gottlosen Treiben ein für alle Mal ein Ende zu setzen. Und so zog er mit einem Heer ins Bodetal, denn die Dasenburg auf der Ritter Widekind saß, war eine Bodeburg zwischen Stiege und Hasselfelde. Aber sein Vorhaben war leichter gesagt als getan! Die Dasenburg zu erstürmen vermochte er nicht. Die Burginsassen um ihren Herrn Widekind waren gut versorgt. So konnte der Herzog nur auf eine Schwäche der Raubritter warten, die sich aber nicht abzeichnete.

Da kam ihm eine Idee! Wenn man den Raubrittern das Wasser nehme, so würden sie wohl aufgeben müssen. Er ließ Bergleute herbeizitieren und beauftragte sie, einen Stollen in den Burgberg zu treiben.

Bis zum Burgbrunnen sollte er führen. Gesagt, getan! Die Bergleute trieben den Stollen bis zum Brunnen und trockneten so die Burgmannen von der Dasenburg aus. Die mussten sich, nachdem sie den letzten Tropfen Wasser verbraucht hatten, halb verdurstet, ergeben. Widekind soll verdurstet sein, seine Leiche ward aber nicht gefunden. Auch wird gesagt, er konnte sich davonstehlen und trieb einige Zeit später sein Unwesen, unter anderem Namen, von einer anderen Bodetalburg aus weiter. Aber wer weiß das schon? Andere sagen auch, das Dasenburg und Trageburg eins waren.

Die Stapelburg

Früher lebte in Stapelburg einmal ein alter Müllermeister. Der hatte eine Tochter, die sein ein und alles war. Sie war nicht nur lieb, brav, fleißig und immer lustig, sie war auch noch sehr hübsch. Und so war sie nicht nur ihres Vaters Liebling, sondern auch der Liebling aller im Dorf. Sie hatte einen Schatz, das war der Müllerknecht und die Hochzeit sollte bald sein.

Da ergab es sich, dass der Schlossherr von einer langen Reise zurückkehrte und die Kinder seiner Schwester mitbrachte, die einmal seine Erben werden sollten. Auf der Suche nach einem Kindermädchen wurde ihm die hübsche Müllertochter empfohlen. Und als der Schlossherr anfragte, war das für den Müllermeister keine Bitte, sondern ein Befehl. So gab der Müller seine Tochter auf das Schloss.

Der Herr der Stapelburg war aber ein windiger Patron. Er setzte der Müllertochter allerhand Flausen in den Kopf und von Stund an, verlor sie das Interesse an ihrem Verlobten. Sie putzte und zierte sich so, als wenn sie nicht Kindermagd, sondern Schlossfräulein wäre. Der Herr hatte seinen Spaß mit der Magd, bis eines Tages Besuch eintraf, in dessen Gefolge sich auch die junge, hübsche Braut des Burgherrn befand.

Da kam die Hoffnung beim Burgherrn auf, künftig doch noch eigene Erben zu bekommen und er ließ die Kinder seiner Schwester wieder fortschaffen. Für die Kindermagd gab es nun nichts mehr zu tun und ihr wurde gesagt, sie solle in der Küche helfen oder zu ihrem Vater zurückkehren. Da heulte und schrie das Mädchen, denn in die Küche wollte es nicht und zurück zu ihrem Vater auch nicht.

Der alte Müllermeister erkannte sein geliebtes Töchterchen kaum wieder, als es verheult vor ihm stand. Da konnte er nicht anders, als hoch auf die Burg zu gehen, um den Burgherren anzuhalten, das Versprechen seiner Tochter gegenüber einzuhalten und sie zur Frau zu nehmen. Da lachte der Ritter nur höhnisch und sagte: „Rück deinem Mädel den Kopf zurecht, damit sie den Müllerknecht heiratet. Dann ist wieder alles in Ordnung. Ich kann deine Tochter allenfalls zur Magd gebrauchen. Zur Schlossherrin ist sie viel zu gering und auch zu dumm!“

Daraufhin verließ der Müller das Schloss, aber die Worte des Schlossherrn „zu gering und zu dumm“ gingen ihm nicht aus dem Kopf. Aber der Müller kam nicht zu Hause an. Da ging sein Müllerknecht los, seinen Meister zu suchen. Und er fand ihn mit eingeschlagenem Schädel auf dem Burgwall liegend.

Wer hatte ihn erschlagen? Keiner wusste es. Die Stapelburger bezeichneten, hinter vorgehaltener Hand, den Schlossherrn als Mörder des Müllers. Es begann sich diese Meinung zu verfestigen und Wut kam auf im Volke. So zogen die Stapelburger vor das Schloss, auf das der Burgherr Auskunft gäbe. Aber der ließ sich nicht blicken, zudem war die Stapelburg bestens gesichert und bewacht. Eines Tages jedoch, war der Schlossherr verschwunden und seine Leute sagten, er sei in den Krieg gezogen.

Der Müllerknecht verkaufte die Mühle und zog mit dem Müllermädchen ins Land, wo sie niemand kannte. Was aus ihnen geworden ist, weiß keiner.

An der Stelle, wo der Müller erschlagen wurde, oben auf der Burg, auf dem dritten Wall, wächst bis heute kein Grashalm.

Nach Jahren kam ein neuer Schlossherr und behauptete Gut und Schloss gekauft zu haben, denn der alte Schlossherr sei tot. Das wollten die Leute aber nicht glauben und dachten der Mörder hätte das Schloss verkauft, um sich anderswo ein schönes Leben zu machen.

Eine weise, alte Frau hatte aber an der Burg einen dreibeinigen Hasen laufen sehen, der im Gesicht dem alten Schlossherrn aufs Haar ähnlich sah. Das war ein Gespenst und wer spukt, der ist tot. Und da sagten die Leute „Bi labenigen Liewe, do spukt einer nich.“

Der Gärtner aus Herzberg

Zu jener Zeit, als es noch Hexen und Gespenster gab, genierten sich diese sehr wenig. Mitten am Tage spazierten sie in der Welt umher, um die Menschen zu erschrecken.

Das machte sich auch der Teufel zu nutze. Oftmals wenn einer dachte, er hätte ein richtiges, ehrliches Gespenst vor sich, bemerkte er zu spät, dass es der Böse aus der Hölle war. Gut verstand er es, sich zu verstellen. Mal erschien er den Leuten als Ritter, bald als Jäger oder Schäfer, ja sogar als junge, schöne Frau oder Fräulein erschien er.

In dieser Zeit lebte in Herzberg ein Gärtner, der war verlobt mit einem hübschen, lustigen Mädchen. Die junge Braut nähte fleißig an ihrer Aussteuer, denn zum Johannestag sollte Hochzeit sein. Oft saß sie dabei am offenen Fenster und wie es ihre fröhliche Art war, sang sie dabei. Das hörte auch der Gärtner im Schlossgarten, der gleich nebenan war und freute sich über den frohgemuten Klang sowie auf die bevorstehende Hochzeit.

Und als er wieder mal so da stand und lauschte, stand plötzlich eine wunderschöne Frau vor ihm und trug ihm ein seltsames Anliegen vor: Er sollte ihr dabei helfen einen Schatz zu heben. Zuerst dachte der Gärtner, dass die unbekannte Schöne eine von den Hofdamen des Schlosses sei. Aber schnell merkte er dann, dass er es mit keinem realen Wesen zu tun hatte. Und auf ihr Bitten hin, ihr doch zu helfen und sie zu erlösen, antwortete er, dass er den Garten erst nach zwölf verlassen dürfe.

„Dann ist´s für mich zu spät!“, sagte die Schöne und begann mit Bitten und Flehen. Dem Gärtner wurde die Erfüllung all seiner Wünsche und Träume versprochen, der blieb aber standhaft. Da schlug die Turmuhr zwölf und der Geist war verschwunden.

Nun kam der Gärtner doch zum Nachdenken. Ob er wohl einen Fehler gemacht hatte, dem schönen Geistweib nicht zu helfen? Und als er zu