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Grab des Tauchers

HIGHLIGHTS | GEHEIMTIPPS | WOHLFÜHLADRESSEN

»Es gibt Plätze, die du besuchst,
und einmal ist genug.
Und dann gibt es Neapel.«

John Turturro, Passione

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Kaiser Augustus blickt auf Capri

INHALT

Das sollten Sie sich nicht entgehen lassen

Willkommen am Golf von Neapel

NEAPEL UND HINTERLAND

  1 Centro storico

  2 Neapels Unterwelt

  3 Archäologisches Nationalmuseum

  4 Vomero

  5 Via Toledo und Chiaia

  6 Castel Nuovo und Palazzo Reale

  7 Pausilypon und Parco di Gaiola

  8 Ausflug nach Caserta

  9 Ausflug nach Capua

10 Ausflug nach Benevent

CAPRI

11 Capri-Stadt

12 Villa Jovis und Villa Malaparte

13 Anacapri und Monte Solaro

14 Sentiero dei Fortini

15 Villa San Michele

ISCHIA

16 Ischia Porto und Ischia Ponte

17 Casamicciola und Lacco Ameno

18 Forio und die Westküste

19 Sant’Angelo und die Südküste

20 Monte Epomeo

PROCIDA

21 Sancio Cattolico und Terra Murata

22 Corricel

POZZUOLI UND PHLEGRÄISCHE FELDER

23 Pozzuoli

24 Solfatara

25 Lago di Lucrino, Baia und Bacoli

26 Cuma

VESUV, HERCULANEUM UND POMPEJI

27 Vesuv

28 Herculaneum, Ercolano und Portici

29 Pompeji und Pompei

30 Castellammare di Stabia

SORRENTINER HALBINSEL

31 Vico Equense und Marina di Equa

32 Sorrent

33 Massa Lubrense

34 Punta Campanella

AMALFIKÜSTE

35 Positano

36 Götterweg

37 Amalfi

38 Atrani

39 Ravello

40 Cetara

41 Vietri sul Mare

SALERNO UND PAESTUM

42 Salerno

43 Paestum

CILENTO UND VALLO DI DIANO

44 Castellabate

45 Monte della Stella

46 Acciaroli, Pioppi und Póllica

47 Velia

48 Monte Cervati

49 Pisciotta und Camerota

50 Teggiano und Padula

REISEINFOS

Golf von Neapel von A bis Z

Kalender

Kleiner Sprachführer

Register

Impressum

MEHR WISSEN

Arte Moderna zum U-Bahn-Ticket

Geschichte geht durch den Magen

Zitronen – ein gelbes Stück vom Paradies

MEHR ERLEBEN

Günstig in Neapel

1 Woche zwischen 2 Golfen

Neapel für Kinder und Familien

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Mächtig erhebt sich der Vesuv über den Ruinen von Pompeji.

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Das Fischerviertel Corricella auf Procida ist eine Postkartenschönheit.

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Caffè ist ein Stück Lebensqualität

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Der Padrone des Caracalè auf Procida wartet auf frischen Fisch.

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Die schönsten Capri-Anblicke gibt es von der Punta Campanella.

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Forio ist nicht der schlechteste Platz, um auf Ischia zu landen.

DAS SOLLTEN SIE SICH NICHT ENTGEHEN LASSEN

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In der stillen Via S. Giovanni del Toro reihen sich Ravellos edelste Herbergen auf.

image Neapel – Centro storico (S. 26)

An Neapel, Hauptstadt der Region Kampanien und Metropole Süditaliens, scheiden sich die Geister: Für die einen ist die Millionenstadt schlicht ein Moloch, für die anderen der Inbegriff mediterraner Urbanität, gewürzt mit lebensfrohem Chaos. Der Stadt, ihrer Geschichte und Küche, vor allem aber ihren Menschen begegnet man auf Schritt und Tritt im historischen Zentrum, seit 1997 UNESCO-Welterbe.

image Neapels Unterwelt (S. 34)

Nicht von Camorra & Co. ist die Rede, sondern von einem zweiten Neapel unter dem Pflaster von heute. Griechische Zisternen, römische Einkaufsstraßen, frühchristliche Nekropolen und bourbonische Fluchttunnel warten auf Entdeckung. Selten geraten Zeitreisen spannender. Curzio Malaparte hatte recht, wenn er Neapel als ein Pompeji beschrieb, das niemals untergegangen ist.

image Anacapri und Monte Solaro (S. 92)

Die Insel Capri ist für einen Tagesausflug viel zu schade. Belvedere ringsum bietet der Monte Solaro. Dem Gipfelglück kann man mit dem Sessellift entgegenschweben, oder man wandert zu Fuß hoch. Die Blaue Grotte kann warten. Vorher gibt es in Anacapri noch vieles zu entdecken. Vor allem Zeit!

image Forio und die Westküste (S. 114)

Forio hat die Nase vorn. Wie auf einem Schiffsbug reckt sich die Seefahrerkirche Santa Maria del Soccorso im hübschen Hafenstädtchen Ischias schönsten Sonnenuntergängen entgegen, zu beiden Seiten naturgeheizte Badestrände. Der Literatentreff der 1950er-Jahre punktet heute mit Künstlergärten und Kellereien engagierter Inselwinzer.

image Corricella (S. 136)

Die Griechen brachten es auf den Punkt: Kora kalè, »schöner Ort«, nannten sie den Naturhafen zu Füßen des Akropolishügels. 2500 Jahre später präsentiert sich die Corricella als romantischer Fischerborgo, wie ihn Filmregisseure nicht schöner hätten in Szene setzen können.

image Pompeji (S. 174)

Bei allen Problemen, die mit dem Erhalt der weltgrößten antiken Stadtruine verbunden sind, ein Besuch in Pompeji öffnet ein unvergessliches Zeitfenster in die Lebenswelten der römischen Kaiserzeit: Gladiatorenspektakel, Wellnesstempel, Fast Food in der Antike und Kanalisation sind nur einige der spannenden Themen. Zusammen mit Herculaneum und der Villa von Oplontis zählt Pompeji zum UNESCO-Welterbe.

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Baia di Ieranto, Kleinod an der Punta Campanella

image Marina del Cantone und Punta Campanella (S. 200)

Lohn einer Wanderung auf römischem Pflaster zum alten Sirenenheiligtum an der Punta Campanella ist der vielleicht schönste Capri-Blick. Davon konnte auch Odysseus ein Liedchen singen. Strandflair und Fischertrattorien: An der Marina del Cantone erlebt man Bella Italia wie noch vor 50 Jahren – und mit Booten erreicht man die schönsten Badebuchten.

image Ravello (S. 222)

Ravello ist etwas abgehoben. Das muss kein Nachteil sein, im Gegenteil. Von hoher Warte genießt man beste Blicke auf das UNESCO-Welterbe Costiera Amalfitana, verzauberte Gartenparadiese laden zum Verweilen ein, und das weltberühmte Wagner-Festival lässt neuerdings auch Jazznoten anklingen.

image Paestum (S. 240)

In Jacob Burckhardts Cicerone, dem unentbehrlichen Begleiter kunstbeflissener Italienreisender des 19. Jahrhunderts, war der Neptuntempel von Paestum die Nummer eins. Die schönsten Griechentempel der Antike zählen auch heute nicht zu den alten Steinen. Feinschmecker folgen dem Lockruf des Mozzarella di Bufala in die Küstenebene zu Füßen der Cilento-Berge.

image Marina di Camerota (S. 262)

Die Cilento-Küste läuft hier zu Hochform auf. Kilometerlange Dünenstrände wechseln sich mit Steilklippen ab, das türkisblaue Meer lässt Urlaubsträume wahr werden: baden, wandern, Boot fahren oder tauchen. In Pisciotta lässt Slow Food alte Fischfangtraditionen hochleben.

NEAPEL IN LITERATUR UND FILM

Am Golf von Neapel begegnet man baulichen und künstlerischen Zeugnissen der Hochkultur: Gemälden von Caravaggio, frühchristlichen Mosaiken, dem ältesten bekannten Beispiel griechischer Freskomalerei, den besterhaltenen griechischen Tempeln, antiken römischen Städten, mittelalterlichen Kirchen im Stil maurischer Moscheen, barocken Stadtpalästen, faschistischen Verwaltungsbauten, der Kunst-Metro Neapels und vielem mehr.

Vielleicht aber begegnet man den Menschen näher in der Musik, Literatur oder im Film. Der Golf von Neapel hat eine Fülle von Literatur hervorgebracht und zahllose Literatur inspiriert. Elena Ferrantes Romanzyklus L‘amica geniale (Meine geniale Freundin) trat 2011 seinen Siegeszug um die Welt an. Über vier Bände und mehrere Jahrzehnte spannt sich die Erzählung einer lebenslangen Freundschaft zwischen zwei aus ärmlichen Verhältnissen stammenden Neapolitanerinnen mit sehr unterschiedlichem Naturell. Dieter Richters Bände zu Stadt und Golf oder Peter Peters Golf von Neapel machen Lust auf Vor- und Nachlesen. Engagiertes Kino liefert andere Bilder. In Die Hände auf der Stadt (1963) klagt Francesco Rosi schonungslos die korrupte Baupolitik in seiner Heimatstadt Neapel an. Auch wenn die Camorra an keiner Stelle genannt wird, sind inhaltliche Parallelen zu Matteo Garrones Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra (2008) nicht zu übersehen. Romantisch und lebensnah malt der Episodenfilm Das Gold von Neapel (1954) von Vittorio De Sica ein Stimmungsbild der Nachkriegszeit. Sophia Loren tritt als knapp bekleidete Pizzabäckerin auf. Die im Film vorgeführte Pizzeria Starita ist auch heute noch unbedingt einen Besuch wert! In Der talentierte Mr. Ripley (USA/I, 1999) lässt Anthony Minghella Matt Damon in einem Jazz-Club Neapels Tu vuò fa’ l’americano singen. John Turturros Passione (USA/I 2010) ist ein mitreißendes musikalisches Dokument dieser vitalen Stadt und ihrer Protagonisten. Vielleicht sollte man mit Lytton Strachey (1880–1932) schließen, einem schillernden Mitglied des Londoner Bloomsbury-Kreises, der zu Neapel bemerkte: »… the town, which is infinite, and packed with wonders – people, not things« (»… die Stadt, die unendlich ist und gefüllt mit Wundern – Menschen, keine Dinge«). In diesem Sinne, buon viaggio!

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Der Film Benvenuti al Sud hat das Cilento-Städtchen Castellabate zum Star gemacht.

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Elena Ferrantes Romanzyklus erzählt das Leben von zwei Neapolitanerinnen.

WILLKOMMEN am Golf von Neapel

Neapel, Vesuv, Pompeji, Capri, Amalfi, Paestum oder Cilento … nur ein paar Namen, doch schon laufen Filme in den Köpfen ab. Die mediale Präsenz der Golf-Region ist seit dem 18. Jahrhundert ungebrochen. Reisebeschreibungen eröffneten eine Welt voller Wunder und zählten Highlights auf, die Polyglott später mit Sternen versah. Der Golf liefert(e) auch dem Kino große Kulissen – Sophia Loren ist nur eine seiner Musen.

Bereits die Autoren der Antike hatten sich am touristischen Mythos der Golf-Region abgearbeitet, in der Romantik blühte er vollends auf. Neapel war damals eine der größten und kultiviertesten Städte Europas. Die Ausgrabungen von Herculaneum und Pompeji, das milde Klima, die liebliche Küstenlandschaft und im Kontrast dazu der bedrohliche Vulkan schlugen Reisende in den Bann. Die Nachbarschaft von Paradies und Hölle am Golf wurde zum geflügelten Wort.

»Neapel sehen und sterben«

Der häufig zitierte Ausspruch bezog sich nicht auf die Gefahr, bei einem Neapelbesuch Leib und Leben zu riskieren, sondern beschreibt ein wunderschönes, nicht zu übertreffendes Erlebnis. Mit anderen Worten, wer Neapel gesehen hatte, konnte zufrieden sterben. Aus der Grand Tour wurde im 19. Jahrhundert Gruppentourismus, die Besteigung des Vesuvs den neuen Bedingungen angepasst. Ab 1880 führte eine Standseilbahn Passagiere bis auf 1180 Meter Höhe.

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Porto degli Infreschi – Meeresparadies im südlichen Cilento

1857 etablierte sich der aus Frankfurt stammende Fotograf Giorgio Sommer (1834–1914) als erfolgreicher Geschäftsmann. Seine Bilder verbreiteten Neapel-Klischees auf der ganzen Welt. Gedruckte Reiseführer wurden zu unverzichtbaren Begleitern, wobei die ersten Baedeker den Lonely Planets von heute in nichts nachstehen. Restaurantempfehlungen für Neapel lesen sich so: »(…) alle drei führen gute Küche und Weine sowie Münchner Bier vom Faß, der Schoppen 35, die Halbe 55 c.« Echte Insidertipps eben!

In Medienberichten zu Neapel war zuletzt immer wieder auch von blutigen Bandenkriegen, Müllkrisen und politischer Korruption die Rede. Der aufsehenerregende Report Gomorrha des Journalisten Roberto Saviano, 2006 publiziert und 2008 verfilmt und bei den Filmfestspielen Cannes ausgezeichnet, machte ein für alle Mal klar, dass die Camorra längst ein globales Phänomen ist. Der Mut Savianos inspirierte aber auch viele, sich für die legale Zivilgesellschaft einzusetzen. Und Saviano ist sein Stoff noch lange nicht ausgegangen.

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Neapel lernt man auch durch seine Küche (und seine Köche) kennen.

Neapel erleben

Es gibt nur einen Golf von Neapel, aber viele Arten, ihn zu bereisen. Das Zusammenspiel von Landschaft und Kultur hat nichts von seiner Faszination eingebüßt, seit vor über 2000 Jahren der Tourismus hier erfunden wurde. Neapel ist die lebenslustigste und chaotischste Metropole Süditaliens, eine Stadt, die sich Einordnungen erfolgreich entzieht, eine Stadt, die man lieben oder hassen kann.

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Wer Neapolitanisch sprechen möchte, muss die Hände zu Hilfe nehmen.

Nur langweilig wird einem hier nie. Trotz gegenteiliger Gerüchte ist Neapel kein gefährliches Pflaster, die Begegnung mit seinen Menschen bereichernd. Die Theater- und Musikszene vibriert, das kulinarische Angebot bewegt sich zwischen Tradition und Avantgarde. Die UNESCO hat den Centro storico zum Welterbe erklärt, museal ist hier jedoch nur wenig. Das Leben brodelt. Dafür zählen das Museo Archeologico und die Gemäldegalerie Capodimonte zur Weltspitze. Und: In Neapel braucht man kein Auto. Die meisten Ausflugsziele am Golf lassen sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichen.

Capri, Ischia und Procida

Reif für die Inseln? Erholung und Abwechslung findet man bei einem Besuch von Capri, Ischia oder Procida. Capri hat viel mehr zu bieten als nur die Blaue Grotte. Wer über Nacht bleibt, lernt den kapriziösen Kalkfels erst wirklich kennen. Kaiser Tiberius machte es vor und regierte von Capri aus zehn Jahre lang das römische Imperium. Die Ruinen seines Herrscherpalasts stehen immer noch. Ischia tut gut: Die heißen Quellen sprudeln seit Tausenden von Jahren, einige sogar im Meer. Wellness das ganze Jahr. Das kleine Procida bietet süditalienischen Inselalltag und eine Fischersiedlung, die andere Postkartenblicke im Vergleich blass aussehen lassen. Die Gewässer um Ischia und Procida wurden zum Wal- und Delfinschutzgebiet erklärt.

Faszination und Gefahr der Vulkane

Dem Vesuv verdankt der Golf von Neapel seine unverwechselbare Silhouette. Trotz seiner nur 1281 Meter Höhe macht der Doppelkegel aus allen Richtungen eine gute Figur. Dabei ist der fotogene Berg ein gefährlicher Nachbar. 2014 wurde der neue Notfallplan verabschiedet, der eine rote Zone definiert, aus der etwa 700 000 Menschen im Fall einer Eruption evakuiert werden müssten. Der berühmteste Vulkan der Welt ist nicht erloschen. Seit seinem letzten Ausbruch im Frühjahr 1944 – alte Wochenschauen kursieren auf YouTube – verhält sich der Berg bislang ruhig.

Die berühmteste Naturkatastrophe, von der Goethe schrieb »Es ist viel Unheil in der Welt geschehen, aber wenig, das den Nachkommen so viel Freude gemacht hätte«, ereignete sich im Jahr 79. Komplette Städte wie Pompeji oder Herculaneum wurden verschüttet, konserviert und im 18. Jahrhundert zur Freude der Antikenbegeisterten wieder freigelegt. Heute zählen sie, als »Zeitfenster in die römische Antike«, zum Welterbe der UNESCO. Seit 1841 steht der Vesuv unter wissenschaftlicher Beobachtung, moderne Messinstrumente lauschen bis in die Magmakammer in zehn Kilometern Tiefe.

Seit 1995 ist der schlafende Feuerberg Nationalpark – zumindest auf dem Papier. Groß ist der Siedlungsdruck, zäh sind die Mühlen der Bürokratie. Der klassische Ausflug führt motorisiert auf die Quota mille, auf 1000 Meter Höhe. Zu Fuß geht es das letzte Stück hoch bis zum Kraterrand, an klaren Tagen ein überwältigend schöner, gut besuchter Aussichtsbalkon. Inzwischen wächst ein neues Bewusstsein für den Bio-Anbau aromatischer Vesuv-Tomaten und autochthoner Rebsorten wie Coda di Volpe, Falanghina, Greco, Piedirosso, Sciascinoso und Aglianico, aus denen der weiße oder rote Lacryma Christi gekeltert wird.

Während der Vesuv in der antiken Mythologie keine Rolle spielte, wollten griechische Seefahrer in den dampfenden Vulkanfeldern westlich von Neapel den Wohnort der Titanen, ja, sogar den Eingang zur Unterwelt erkannt haben. Beim Besuch des Solfatara-Kraters begreift man warum. Die pragmatisch veranlagten Römer nutzten die geothermische Energie zum Beheizen ihrer Thermen. Baiae avancierte zu einem Baden-Baden der römischen Kaiserzeit. Während um Pozzuoli nur noch gewaltige Ruinen von vergangener Größe zeugen – mit dem Sibylle-Orakel in Cuma, eine der Pflicht-Etappen der Grand Tour –, entfalten die heißen Quellen auf der zum Vulkangebiet der Campi Flegrei gehörenden Insel Ischia weiter ihre heilbringende Wirkung.

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Der Vesuv ist ein ebenso schöner wie gefährlicher Berg. Zur Zeit ruht der Feuerberg. Wie lange noch?

Sorrentiner Halbinsel

Die Sorrentiner Halbinsel schließt den Golf von Neapel im Süden mit Grandezza ab. Zitronenhaine umgeben das über der Steilküste gelegene Sorrent, im 18. und 19. Jahrhundert Spielplatz der internationalen High Society. Zur Prominenz gesellen sich seit den 1960er-Jahren Pauschaltouristen. Den Charme konnte sich Sorrent bewahren. Auf der Halbinsel verläuft das Leben ansonsten in ruhigen, bäuerlichen Bahnen. Auf diesem Humus gedeihen zahlreiche Gourmet-Restaurants, die das einfache Küchengeheimnis befolgen, nur allerbeste, lokale Produkte aus Meer und Garten zu veredeln. Fast genauso gut wie in den Sterne-Lokalen speist man hier in den familiären Trattorien. Alte Wirtschaftswege, als Wanderwege gut markiert, laden zu aussichtsreichen Spaziergängen ein.

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Rasend schöne Kurven auf der S.S. 163 Amalfitana

Amalfiküste

Italiens spektakulärste Steilküste raubt einem den Atem, so schön ist sie, so abenteuerlich sind ihre (Straßen-)Kurven. Die S.S. 163 Amalfitana ist keine 50 Kilometer lang, doch tun sich tausend Blicke auf. Unterwegs trifft man auf Orte mit so klingenden Namen wie Positano und Amalfi. Auf ein eigenes Auto zu verzichten, schont die Nerven, Fahrten mit den Linienbussen sind aufregend genug.

Die schmale, in den Küstenfels geschlagene Straße gibt es erst seit Ende des 19. Jahrhunderts. Bei ruhiger See sind Linienschiffe das Fortbewegungsmittel der Wahl. Vom zehnten bis ins zwölfte Jahrhundert beherrschte Amalfi als erste Seerepublik Italiens den zauberhaften Küstenstrich und unterhielt an der östlichen Mittelmeerküste ein weitverzweigtes Handelsnetz. Maurische Architektur prägt die Küstenstädte, und auch der Zitronenanbau auf terrassierten Hängen ist Frucht des intensiven Ideen- und Warenaustauschs mit dem Orient. Ein gut unterhaltenes Netz von Treppenwegen und Maultierpfaden durchzieht das gebirgige Hinterland der Monti Lattari – heute Wanderwege zwischen Meer und Himmel. Die UNESCO hat dieses harmonische Miteinander von Kultur und Natur zum Welterbe erklärt.

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Carmela Bruno hat die »Locanda dell’Angelo« im Cilento zu einer Top-Adresse gemacht.

Salerno und Paestum

Die alte Hafenstadt Salerno ist zu neuem Selbstbewusstsein erwacht. Die seit den 1990er-Jahren laufende Altstadtsanierung zeigt Erfolge, die Uni-Stadt gilt als lebendigstes Pflaster südlich von Neapel. Den Spuren großer Vergangenheit – Etrusker und Römer machten Salernum zum überregionalen Wirtschaftszentrum, im Mittelalter war Salerno Hauptstadt von Langobarden und Normannen und Sitz einer berühmten Ärzteschule – begegnet man auf Schritt und Tritt. Man erlebt aber auch eine pulsierende Gegenwart, an der Star-Architekten wie Zaha Hadid oder Santiago Calatrava bau(t)en.

Nach Süden ziehen sich kilometerlang Dünenstrände hin. Noch bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts schlummerten die Tempel von Paestum im Dickicht immergrüner Küstenmacchia, bis bourbonische Straßenbaumeister sie wiederentdeckten. Wie durch ein Wunder sind die drei perfekt erhaltenen Griechentempel nie umgestürzt und künden heute von der Meisterschaft antiker Baumeister. Es ist schwer, beim Besuch von Paestum nicht der Ruinenromantik zu verfallen. Berührend ist das Fortleben des antiken Hera-Kults im Gewand der katholischen Maria. Reisen nach Kampanien sind immer auch Zeitreisen. Das Archäologische Museum präsentiert eine umwerfende Bilderschau; ein Höhepunkt antiker Freskomalerei ist das Grab des Tauchers.

Cilento

Es hat sich herumgesprochen: Reisen an den Golf von Neapel müssen nicht bei Paestum enden. Tatsächlich liegt Paestum zusammen mit der weltberühmten Amalfiküste weiter südlich am Golf von Salerno. Denn das Beste kommt noch.

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Das hübsche Küstenstädtchen Atrani ist die kleinste Kommune der Amalfiküste.

Der urwüchsige Cilento mit 100 abwechslungsreichen Küstenkilometern, olivenbestandenen Hügeln, Hafen- und Bergorten mit mediterranem Charme und einer urgewaltigen Berglandschaft ist die große Überraschung im Süden. Die italienische Film-Komödie Benvenuti al Sud (»Willkommen im Süden«), ein Remake des französischen Erfolgsstreifens Willkommen bei den Sch’tis, hat das Städtchen Castellabate landesweit bekannt gemacht. Über den familienfreundlichen Stränden wehen Blaue Flaggen als Zeichen hoher Wasserqualität. Und wer nach dem Baden an geistige Höhenflüge denkt, geht in die Philosophenschule von Velia. Beim romantischen Ruinenspaziergang bekommt man gute Gedanken.

Beste Reisezeit

Goethe brachte es auf den Punkt: Das Frühjahr überwältigt mit seiner Blütenpracht, im Herbst glüht der Sommer milde nach und das Meer lockt bis in den November mit Badetemperaturen. Kampanien hat ein mediterranes Klima. Milde, regenreiche Winter gehen in einen Frühling über, der noch im April mit Regenschauern überraschen und ab Mai mit sommerlichen Temperaturen aufwarten kann. Reist man um die Osterzeit – fantastisch die Prozessionen auf Procida oder in Sorrent – freut man sich über Hotels mit funktionierender Heizung und einen Pullover im Gepäck. Die Sommer sind heiß und trocken, wobei zuletzt auf diese Klimaregel nicht immer Verlass war. An den Küsten schnellen im August die Preise in die Höhe und an den Stränden wird es eng. Während Neapel im Hochsommer wie ausgestorben wirkt und die Hotelpreise auf Nebensaison-Niveau fallen, füllen sich die Orte im Hinterland mit Emigranten auf Besuch – und Dorffeste werden gefeiert, wie sie fallen. Im September entspannen sich die Preise an den Küsten, wie auch die Wirte. Das Wetter bleibt beständig, das Meer ist warm – eine ideale Reisezeit für alle Unternehmungen. Der milde Herbst zieht sich mit einer Reihe strahlender Sonnentage bis in den Dezember hinein. Im Cilento laden Agriturismi um diese Jahreszeit ihre Gäste zur Olivenernte oder Weinlese ein.

Kampanische Küche

Der kampanischen Küche wird man nur im Plural gerecht. In ihren vielfältigen lokalen Ausprägungen bleibt sie traditionell eine cucina povera (»arme Küche«) mit einfachen, frischen Zutaten (siehe Seite 154, »Geschichte geht durch den Magen«). Pasta und Pizza haben aus dem Golf von Neapel ihren Siegeszug um die Welt angetreten, die Mozzarella di Bufala lernt man am besten an ihrem Ursprung kennen. Die besten Büffelfarmen liegen in der einst versumpften Küstenebene um Paestum. Zu den kulinarischen Verlockungen Kampaniens zählt unbedingt auch die sfogliatella, ein mit Ricotta gefülltes knuspriges Blätterteiggebäck in Muschelform. Am besten schmeckt sie warm auf die Hand! Den caffè gibt es erst danach.

Kriminell und kreativ

Skrupellose Geschäftspraktiken der Camorra, Korruption in Politik und Verwaltung werden von engagierten Journalisten wie Roberto Saviano detailliert recherchiert und drastisch beschrieben. Gegen internationalen Menschen-, Drogen- und Waffenschmuggel oder die illegale Entsorgung von Giftmüll erscheinen Markenpiraterie oder das Drucken von Falschgeld fast als Kavaliersdelikt. Ende 2014 wurde eine Napoli Group getaufte Organisation zerschlagen, die 90 Prozent aller gefälschten Euro-Scheine gedruckt hatte. In Deutschland wurde sogar ein 300-Euro-Schein erfolgreich in Umlauf gebracht. Die italienischen Medien kommentierten die Nachricht ironisch als kreativen Sieg des Made in Italy.

Bis vor nicht allzu langer Zeit listete die Handelskammer Neapel noch die Berufsbezeichnung pittore di occhi di pesce. Ein solcher Maler malte unverkauften Fischen vom Vortag ein Blitzen in die Augen, um sie wieder wie frisch aussehen zu lassen. Die Grenzen zwischen kriminellem und künstlerischem Akt sind in Neapel fließend. Liebenswerte Beispiele der arte di arrangiarsi führt der unvergessene neapolitanische Komiker Totò (1898–1967) im Kino vor. Im Film Totòtruffa 62 dreht er einem Touristen in Rom die Fontana di Trevi an.

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Der neapolitanische Volksschauspieler Totò (1898–1967) ist bis heute unvergessen.

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Improvisiertes Jazz-Konzert auf den Straßen Neapels

Im Bahnhofsviertel von Neapel kann man Opfer eines Verpackungsbetrugs werden, bei dem ein original verpacktes iPhone sich im Moment der Übergabe in ein gleich schweres Holzstück verwandelt. Heute sind für das Gelingen des Tricks nur zwei Akteure mit weißen Plastiktüten, ein bisschen Geschicklichkeit und die naive Gier des Käufers nötig. Als die Gegenstände des Begehrs noch größer waren, gehörte dazu auch das handwerkliche Vermögen, einen Videorecorder täuschend ähnlich aus Holz nachzubauen. Solche Kunstfertigkeit kann in Neapels Krippenstraße Via San Gregorio Armeno ganz legal bewundert werden.

Musik Neapels

Die berühmteste canzone Neapels sah 1898 unter einem trüben Schwarzmeerhimmel das Licht der Welt. Der neapolitanische Musiker Eduardo Di Capua auf Tournee in Odessa vertonte heimwehkrank ein Gedicht des ebenfalls neapolitanischen Dichters Giovanni Capurro. Der große neapolitanische Tenor Enrico Caruso nahm 1916 den Weltohrwurm als Erster auf Platte auf. Viele folgten ihm: Elvis Presley, Paul McCartney oder Sting. Am 12. April 1961 sang Juri Gagarin ’O sole mio im Weltraum. Mit anderen Worten, Musik ist Neapels wichtigster Exportartikel. Vielleicht lebt das Erbe der Sirene Parthenope fort, an deren Grab die Stadt erbaut wurde. Zu allen Zeiten hat die Stadt großartige Musiker, großartige Musik hervorgebracht. Und ein kundiges Publikum dazu. Neapels Opernhaus San Carlo wird von Künstlern geliebt und gefürchtet zugleich. Die Akustik ist grandios, aber das Publikum kann die Musiker ebenso in den Himmel jubeln, wie bei Missfallen hemmungslos ausbuhen. Die Musik Neapels zeigt sich zu allen Zeiten offen für Einflüsse von außen, Bluesnoten, Reggae-Rhythmen und Rap-Stakkato verschmelzen mit traditionellen Klängen.

Steckbrief Golf von Neapel

Lage: Der Golf von Neapel liegt am Tyrrhenischen Meer in der Region Kampanien.

Fläche: 13 590 km2

Flagge:

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Hauptstadt: Neapel

Einwohner: 5,84 Millionen

Währung: Euro

Geografie: Mit der markanten Vesuvkulisse öffnet sich der Golf von Neapel zu den Inseln Procida, Ischia und Capri. Neben dem Vesuv zählen die Phlegräischen Felder bei Pozzuoli, die Inseln Procida und Ischia zu den aktiven Vulkangebieten Kampaniens. Die Penisola Sorrentina schließt den Golfo di Napoli im Süden ab und bildet mit der Costiera Amalfitana zugleich das Rückgrat des Golfo di Salerno. Weiter südlich schließt sich die große Halbinsel des Cilento an. Kampanien hat großen Anteil am Apennin, 35 Prozent der Fläche nehmen Gebirge, mehr als 50 Prozent Hügel und nur 15 Prozent Ebenen ein.

Staat und Verwaltung: Kampanien hat den Status einer Region. Sollten die bislang fünf Provinzen Neapel, Avellino, Benevent, Caserta und Salerno abgeschafft werden, würde Neapel zu Italiens größter Metropolregion nach Rom werden.

Wirtschaft und Tourismus: Die Arbeitslosenzahlen schwanken zwischen 20 und 30 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit erreicht Spitzenwerte bis zu 60 Prozent. Starke Schattenwirtschaft relativiert diese Angaben. Der aufgeblähte Verwaltungsapparat ist neben der Camorra der größte wirtschaftliche Hemmschuh. Ökonomisch zählt Kampanien zu den Schlusslichtern Italiens. Perspektiven bieten spezialisierte Landwirtschaft und Tourismus, im Grunde wirtschaftliche Standbeine seit der Antike.

Religion: Etwa 90 Prozent der Bevölkerung gehören offiziell der römisch-katholischen Kirche an.

Bevölkerung: Kampanien ist mit 430 Einwohnern/km2 die am dichtesten besiedelte Region Italiens, zugleich jene mit der geringsten Selbstmordrate. Während sich in der Metropolitanstadt Neapel 2653 Einwohner/km2 konzentrieren, ist der Cilento in der südlichsten Provinz Salerno mit 87 Einwohnern/km2 recht dünn besiedelt.

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Vietri ist für Keramik bekannt. Hier geht der berühmte Esel baden.

Geschichte im Überblick

Alt- und Jungsteinzeit Die ältesten Menschheitsspuren in Kampanien sind eine halbe Million Jahre alt. In der Jungsteinzeit bilden sich die Handelswege und Siedlungsräume heraus, die noch weit über die Antike hinaus Bestand haben. 2012 wird vor Capri das Relikt eines vor 5000 Jahren gesunkenen Schiffes entdeckt, das Obsidian von der Insel Lipari geladen hatte.

2.–1. Jt. v. Chr. Bronzezeitliche Keramikfunde auf Ischia und Procida belegen Handelskontakte zwischen der lokalen Apennin-Kultur und dem mykenischen Griechenland.

8.–6. Jh. v. Chr. Beginn der griechischen Besiedlung um 770 v. Chr. Handelsniederlassung auf Ischia, um 750 v. Chr. auf dem Festland Gründung der Stadt Kyme (Cuma).

Im 7. Jh. v. Chr. begegnen sich Etrusker und Griechen in der Sele-Ebene als Wirtschaftspartner, südlich der Flussmündung gründen Griechen Poseidonia (Paestum). Etrusker bauen Positionen in Kampanien aus, am Golf von Neapel entstehen neue Griechenstädte: Dikaiarcheia (Pozzuoli) und um 530 v. Chr. Neapolis (Neapel) als Stadterweiterung einer älteren Hafensiedlung.

5. Jh.–3. Jh. v. Chr. Der Seesieg der Griechen über die Etrusker 474 v. Chr. verschiebt das Kräftegleichgewicht am Golf. Schlussendlich profitiert Rom vom Machtvakuum und erobert bis 290 v. Chr. ganz Kampanien.

2.–1. Jh. v. Chr. Puteoli (röm., Pozzuoli) entwickelt sich zum wichtigsten Hafen Roms. Kampanische Städte erhalten römisches Bürgerrecht. Von 73 bis 71 v. Chr. hält der in Capua ausgebrochene Spartakusaufstand Rom in Atem. Baiae (Baia) wird Sommerfrische der römischen Oberschicht.

1. Jh. n. Chr. Kaiser Tiberius regiert das römische Imperium zehn Jahre lang von Capri aus. 79 verheerender Ausbruch des Vesuvs. Das verschüttete Pompeji wird nicht wieder aufgebaut und gerät in Vergessenheit.

5.–10. Jh. 476 stirbt der letzte weströmische Kaiser bei Neapel im Exil. Byzantiner und Langobarden konkurrieren um die Herrschaft in Süditalien. Amalfi wird als Seerepublik 920 faktisch selbstständig.

11.–13. Jh. Ehemalige normannische Söldner erobern Süditalien und Sizilien und begründen 1130 eine Dynastie mit Palermo als Hauptstadt. Die Blüteperiode hält unter Kaiser Friedrich II. an. Die Staufer werden 1266 in ihrer Herrschaft über Süditalien von den Anjou abgelöst, Sizilien fällt im Jahr 1282 an das spanische Haus Aragón.

14.–18. Jh. Die Königreiche Neapel und Sizilien sind unter Aragón zeitweise wieder vereint. 1503 werden Süditalien und Sizilien zu Provinzen des spanisch-habsburgischen Weltreichs, in Neapel herrschen Vizekönige. Die Küsten Süditaliens sind heftigen Piratenüberfällen aus Nordafrika ausgesetzt. In die Zeit eines habsburgischen Intermezzos fällt die zufällige Entdeckung von Herculaneum im Jahr 1709.

1734–1860 Unter Karl von Bourbon ist Neapel wieder Hauptstadt eines Königreichs und wird zur bevorzugten Etappe der Grand Tour, Vorläufer des modernen Kulturtourismus. Ausgrabungen von Herculaneum, Pompeji und Paestum wirken stilbildend auf die klassizistische Architektur der Zeit. Die 1799 in Neapel ausgerufene Republik endet in einem Blutbad. 1828er- und 1848er-Aufstände im Cilento im Geiste des Risorgimento. Nach der »Befreiung« Siziliens zieht Giuseppe Garibaldi am 7. September 1860 triumphal in Neapel ein. Bei den Wahlen am 21. Oktober stimmt die Mehrzahl für den Anschluss an das neue Königreich Italien.

Ende 19.–Anfang 20. Jh. Süditalien profitiert keineswegs vom Anschluss an Italien. Der aufgezwungene Militärdienst führt zum Bürgerkrieg und hat eine gewaltige Auswanderungswelle zur Folge. O brigante, o migrante (»Bandit oder Auswanderer«) wird zum geflügelten Wort und zur traurigen Realität.

1922–1943 Im Faschismus werden zahlreiche neue Ausgrabungen in Angriff genommen. Am 9. September 1943 landen US-Truppen bei Salerno. Vom 27. bis 30. September befreit sich die neapolitanische Bevölkerung aus eigener Kraft von der deutschen Besatzung.

1950–1980 Kriminelle Bauspekulationen, Entwicklungsgelder der Cassa per il Mezzogiorno verschwinden in dunklen Kanälen. 800 000 Menschen emigrieren nach Deutschland, in die Schweiz oder gehen nach Norditalien. Beginn des Massentourismus am Golf.

1980 Am 23. November erschüttert ein schweres Erdbeben Kampanien. Der Wiederaufbau ist von Korruption geprägt, die Region gerät an den wirtschaftlichen Abgrund.

1990–2011 Es regnet UNESCO-Auszeichnungen: 1995 Altstadt von Neapel; 1997 Schloss und Park von Caserta, Pompeji und Herculaneum, Costiera Amalfitana; 1998 Cilento-Nationalpark mit Paestum, Velia und Certosa di Padula; 2010 mediterrane Diät im Cilento; 2011 langobardisches Erbe in Salerno und Benevent.

2006 Roberto Savianos Gomorrha macht die Welt mit dem globalen Phänomen Camorra bekannt.

2011 In Neapel wird der ehemalige Untersuchungsrichter Luigi De Magistris Bürgermeister (und 2016 wieder gewählt).

2013 Der Neapolitaner Giorgio Napolitano wird 87-jährig für eine zweite Amtszeit als Staatspräsident gewählt.

2018 Die traditionelle Kunst der neapolitanischen Pizzabäcker zählt zum immateriellen UNESCO-Weltkulturerbe.

NEAPEL

1Centro storico

2Neapels Unterwelt

3Archäologisches Nationalmuseum

4Vomero

5Via Toledo und Chiaia

6Castel Nuovo und Palazzo Reale

7Pausilypon und Parco di Gaiola

8Ausflug nach Caserta

9Ausflug nach Capua

10Ausflug nach Benevent

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Der Centro storico

1 Centro storico

UNESCO-Welterbe gefüllt mit prallem Leben

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Neapel ist Jahrtausende alt und dabei quicklebendig. Seine Geschichte konzentriert sich in schönster Form im Centro storico. Das Netz der sich rechtwinklig schneidenden Straßen wirkt hochmodern, paust jedoch die Verkehrsachsen des antiken Neapolis durch, das unter dem heutigen Pflaster liegt. Und mitten durch die lebenspralle Wirklichkeit zieht sich der »Neapelspalter« Spaccanapoli.

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In den engen Altstadtgassen Neapels paust sich das antike Straßennetz durch.

Die Piazza del Gesù ist ein guter Start für eine Zeitreise – zu Fuß, versteht sich. Über dem Platz erhebt sich die Guglia dell’Immacolata (1747–50), monumentale Mariensäule und steingewordene Festmaschine. In der Barockzeit wurden ähnlich große Gebilde aus dünnen Holzleisten, bemalter Leinwand und Pappmaschee konstruiert und bei Festumzügen durch die Straßen gezogen. Die Front der Jesuitenkirche Il Gesù Nuovo (1584–1601) zeigt sich wehrhaft. Kunststück, es handelt sich um die Renaissancefassade des ehemaligen Palazzo Sanseverino. Das Innere empfängt einen mit barockem Kontrastprogramm und der Kapelle des heiliggesprochenen Arztes Giuseppe Moscati (1880–1927). Wer auf Nummer sicher gehen möchte, holt sich vor dem Loslaufen im Touristenbüro einen Stadtplan. Die Orientierung im Centro storico fällt nicht schwer. Das Schachbrett der sich rechtwinklig kreuzenden Straßen, seit der Antike Schauplatz neapolitanischen Lebens, macht ein Verirren fast unmöglich. Aus den spanischen Vierteln kommend, quert Neapels längste Altstadtachse die Piazza del Gesù und schneidet sich schnurgerade durch den Centro storico. Auf dem Stadtplan und auf Straßenschildern wechselt die faszinierende Straßenschlucht mehrfach ihren Namen, aber hier kennt sie jeder als Spaccanapoli. Der größte Reichtum Neapels sind seine Bewohner. In einem undurchdringlichen Geflecht menschlicher Beziehungen halten sie die Stadt, die sich erfolgreich jeder voreiligen Einordung entzieht, zusammen.

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Die Cappella San Gennaro im Dom von Neapel ist ein frühbarocker Schrein für die berühmte Blutreliquie.

Santa Chiara

Östlich der Piazza del Gesù schließt sich der Kirchen- und Klosterkomplex Santa Chiara an. König Robert I. von Anjou legte 1310 den Grundstein für die Kirche, die er zur Grablege seines Geschlechts bestimmte. Seitlich gelangt man zum Chiostro delle Maioliche. Der Kreuzgang geht in seiner Anlage ebenfalls auf die Anjou-Zeit zurück, verdankt jedoch seine Berühmtheit einer Design-Idee des 18. Jahrhunderts. Auf Wunsch von Maria Amalia von Sachsen, Gemahlin des Bourbonenkönigs Karl III., wurde der strenge Chiostro in einen Paradiesgarten verwandelt, komplett mit Majolika verzierten Sitzbänken und Säulen, über die sich Schatten spendend Reben ranken.

Caffè Scaturchio

Als Via Benedetto Croce kreuzt der »Neapelspalter« die Via Santa Chiara – an der Ecke lockt ein Eisladen des Meisterchocolatiers Gay Odin – und führt an imposanten Stadtpalazzi vorbei auf die Piazza San Domenico. Auch hier steht eine Guglia im Mittelpunkt. Nach der Pestepidemie 1656 gelobt, wurde das Monument 1737 vollendet. Oberhalb der Piazza erhebt sich mit strenger Chorfassade die Kirche San Domenico Maggiore. Der ehemalige Konvent beherbergt wechselnde Kunstausstellungen. Von hier sind es nur wenige Schritte zur Cappella Sansevero, dem wohl überraschendsten Kleinod des neapolitanischen Barocks. Von 1749 bis 1766 ließ Raimondo di Sangro, Prinz von Sansevero, seine Familienkapelle umgestalten. Aufsehenerregend ist der ins Extrem gesteigerte Realismus der Marmorskulpturen. Ein makabres Exponat verabschiedet am Ausgang: Die beiden Skelette mit versteinerten Blutbahnen sollen das Ergebnis eines medizinischen Experiments sein. Zurück auf der Piazza San Domenico, ist ein Besuch im Caffè Scaturchio angesagt.

Geheimtipp

BLUTWUNDER

Neapels berühmtestes Wunder – il miracolo di San Gennaro – ereignet sich zweimal im Jahr, am ersten Maiwochenende und am 19. September. Immer vorausgesetzt, der Stadt steht kein Unglück bevor wie im September 1980, als Wochen später ein verheerendes Erdbeben Kampanien heimsuchte, oder im Mai 1988, als der SSC Napoli die begehrte Meisterschaft verfehlte. Etwas überschattet vom Ruhm des hl. Januarius, verflüssigt sich in Neapel mehr oder weniger regelmäßig das Blut von einem weiteren halben Dutzend Heiligen. Eigentlich kein Wunder, dass der Galerist Peppe Morra dem österreichischen Blut-Aktionskünstler Hermann Nitsch in Neapel ein Museum gewidmet hat. Das umgebaute Elektrizitätswerk oberhalb der Piazza Dante bietet einen fulminanten Blick auf Stadt und Vesuv!

Museo Nitsch. Mo–Fr 10–17 Uhr. Vico Lungo Pontecorvo 29/d, 80135 Neapel, Tel. 08 15 64 16 55, www.museonitsch.org

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Die Schoko-Manufaktur Gay Odin verwöhnt Neapels Naschmäuler.

Geheimtipp

DER BAUCH VON NEAPEL

Morgens ertönen an der Porta Nolana die Schreie der Fischhändler. Dieser Inbegriff eines neapolitanischen mercato popolare zieht sich an der alten Stadtmauer in Nähe des Hauptbahnhofs entlang. Jeden Vormittag werden lauthals Meeresfrüchte, Obst und Gemüse feilgeboten. Westlich der Piazza Garibaldi, die Bahn- und U-Bahn-Reisenden ein spektakuläres Entree bietet, werden Haushaltswaren angepriesen. Kleider, Schuhe, DVDs – alles Raubkopien. Vom Kauf eines Handys oder einer Kamera, die Touristen hier unter der Hand angeboten werden, sei gewarnt. Schnell wird man Opfer des scartiloffio (»Verpackungsbetrug«): Anstelle der gewünschten Ware liegt dann ein gleich schweres Stück Holz oder ein Ziegel in der Originalverpackung.

Affari di mattone, Ziegelgeschäfte, nennt man einen solch unvorteilhaften Handel.

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Die Piazza San Domenico ist ein beliebter Studententreff. Die Gebäude der Universität, im Mittelalter von Kaiser Friedrich II. (1194–1250) gegründet, liegen um die Ecke in der hafenseitig abzweigenden Via Mezzocannone, die gesäumt ist von Studentenkneipen und Alternativläden. Weiter auf dem Spaccanapoli und vorbei an der hübschen Stiftskirche Sant’Angelo a Nilo gelangt man zum Nil, zumindest zu einer Statue des Flussgotts, in römischer Zeit Kultbild der im Viertel ansässigen ägyptischen Händler. Im Volksmund heißt die Figur Corpo di Napoli. Gegenüber hängt in der Bar Nilo ein (ironisch gemeinter?) Altar für Fußballgott Diego Maradona. Bei einer Tasse caffè erfährt man mehr.

Bethlehem in Neapel

Von der Via San Biagio dei Librai zweigt bergseitig die Via San Gregorio Armeno ab. Über der berühmten Krippenstraße erhebt sich der Campanile der gleichnamigen Kirche. Das ganze Jahr über werden hier pastori (»Hirten«) gefertigt und verkauft. Zu den klassischen pastori, so werden alle Krippenfiguren bezeichnet, haben sich in neuerer Zeit Gestalten des öffentlichen Lebens wie Bürgermeister Luigi de Magistris, Diego Maradona oder Donald Trump gesellt – kleine politische Seitenhiebe nicht ausgeschlossen. Silvio Berlusconi gab es zwischenzeitlich für den halben Preis. Außerdem werden hier die roten, Glück bringenden corni (»Hörner«) feilgeboten. Aufpassen: Glück bringen sie nur dem Beschenkten!

Rundgang durch die Altstadt

Ein Spaziergang durch Neapels Centro storico verbindet das Eintauchen in eine lebenspralle Gegenwart mit einer spannenden Zeitreise durch zweieinhalb Jahrtausende Stadtgeschichte.

image Piazza del Gesù – Madonnen-Obelisk, Jesuitenkirche mit Diamantfassade und Tourist-Info. 80134 Neapel.

image Chiostro delle Maioliche – Der vielleicht schönste Kreuzgang Kampaniens. Mo–Sa 9.30–17.30 Uhr, So 10–14.30 Uhr. 6/4,50 €. Via Santa Chiara 49/C, 80134 Neapel, Tel. 08 15 51 66 73, www.monasterodisantachiara.com

image Piazza San Domenico – Dominikanerkirche, ein barocker Obelisk und das caffè- und sfogliatella-Paradies Scaturchio. 80134 Neapel.

image Cappella Sansevero – Marmor wie lebendig und ein makabres Gruselkabinett. Tgl. 9.30–18.30 Uhr. 7/5 €. Via F. de Sanctis 19, 80134 Neapel, Tel. 08 15 51 84 70, www.museosansevero.it

image Sant’Angelo a Nilo – Das schönste Renaissance-Grabmal Neapels. Mo–Sa 9–12 und 14–18 Uhr, So 9–13 Uhr. Eintritt frei. Piazzetta Nilo 23, 80134 Neapel.

image Largo Corpo di Napoli – Ein antiker Flussgott und ein (nicht ganz?) ernst gemeinter Altar für Fußballgott Diego Maradona. 80134 Neapel.

image Via San Gregorio Armeno – In der Krippengasse ist das ganze Jahr Weihnachten, die Kirche San Gregorio Armeno ist eine barocke Schau, der dazugehörige Kreuzgang (tgl. 9.30–12 Uhr, Eintritt frei) ein stilles Paradies. 80138 Neapel.

image Kirche San Lorenzo Maggiore – Gotische Eleganz und »Fenster« in die römische Antike. Tgl. 8–12 und 15–19 Uhr. 80138 Neapel.

image Dom San Gennaro und Battistero San Giovanni in Fonte – Der Dom ist das Zentrum des Januarius-Kults und älteste Kirche Neapels. Mo–Sa 8–12.30 und 16.30–19 Uhr, So 8–13.30 und 17–19.30 Uhr. 80138 Neapel. Die Taufkapelle mit spätantikem Kuppelmosaik kann man gleich mit anschauen. Mo–Sa 9–12 und 16.30–19 Uhr, So 9–12.30 Uhr. Eintritt 3/1,50 €. 80138 Neapel.

image Pio Monte della Misericordia – Revolutionärer Caravaggio. Mo–Sa 9–18, So 9–14.30 Uhr. 7/5 €. Via dei Tribunali 253, 80138 Neapel, Tel. 081 44 69 44, www.piomontedellamisericordia.it

image Kirche San Paolo Maggiore – Steht anstelle des antiken Dioskurentempels. Nebenan geht es in den Untergrund. 80138 Neapel.

image Kirche Santa Maria delle Anime del Purgatorio ad Arco – Totenköpfe und ihr Kult. 80138 Neapel.

image Kirche San Pietro a Majella – Wenig beachtetes Schmuckstück der Anjou-Zeit. Nebenan das Konservatorium mit musikalischem Kreuzgang. 80138 Neapel.

image Piazza Bellini – Zeit zum Ausspannen. 80138 Neapel.

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Der Majolika-Kreuzgang von Santa Chiara ist eine Oase im Altstadttrubel.

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Marco Ferrignos Künstlerhände schaffen ausdrucksstarke Krippenfiguren.

Die Via San Gregorio Armeno stößt von unten auf die Piazza San Gaetano, vor über 2000 Jahren das Forum der Stadt. Aus dem Kreuzgang der eleganten Kirche San Lorenzo Maggiore, dem bedeutendsten gotischen Sakralbau Neapels, gelangt man auf den Marktplatz der römischen Antike (siehe Seite 35).

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In der Via San Gregorio Armeno ist immer Weihnachten.

Duomo San Gennaro

Parallel zum »Neapelspalter« verläuft der decumanus maximus der Antike, heute Via dei Tribunali. Auf ihr erreicht man den Duomo San Gennaro, neben dem Fußballstadion San Paolo das Heiligste der Stadt. Seit dem 17. Jahrhundert ist die prunkvoll-barocke Cappella di San Gennaro das Zentrum des Januarius-Kults. Jedes Jahr strömen im Mai und September die Gläubigen herbei, um dem Wunder der Blutverflüssigung beizuwohnen. Die um 320 errichtete Basilika Santa Restituta mit einem frühchristlichen Baptisterium dient heute als geräumige Seitenkapelle. Von hier geht es auch in das Battistero San Giovanni in Fonte mit einem Kuppelmosaik aus dem fünften Jahrhundert. Zurück auf der Via dei Tribunali lohnt der kurze Abstecher zur Guglia di San Gennaro. Die Votivsäule wurde 1660 errichtet, nachdem Neapels Schutzpatron die Stadt vor den Folgen des Vesuvausbruchs 1631 bewahrt hatte.

Kapelle des Pio Monte della Misericordia

Gegenüber der Guglia hängt in der Kapelle des Pio Monte della Misericordia, der ältesten immer noch aktiven Wohlfahrtseinrichtung der Stadt, über dem Hauptaltar eines der einflussreichsten Meisterwerke Caravaggios (1571–1610). Thema des monumentalen Gemäldes Le sette opere di misericordia (1606/07) sind biblische Werke der Barmherzigkeit. Revolutionär war nicht nur die dramatische Maltechnik, sondern auch, dass Caravaggio Menschen von der Straße Modell stehen ließ: Saufbrüder, Händler und Huren. Die anderen Altarbilder in der Kapelle, gemalt von seinen Zeitgenossen oder Epigonen, sehen im Vergleich alt aus.

Piazza Bellini

Auf der Via dei Tribunali geht es zurück zur Piazza San Gaetano. Schräg gegenüber von der Chiesa di San Lorenzo erhebt sich über den Resten des römischen Castor-und-Pollux-Tempels die frühbarocke Kirche San Paolo Maggiore. Die beiden Säulen am Eingangsportal sind antik. Seitlich der Kirche entführt die Kulturinitiative Napoli Sotterranea in eine faszinierende Welt unter Tage. Tiefe Einblicke in die Seele der Stadt bietet der Besuch der Totenschädel-Kirche Santa Maria delle Anime del Purgatorio ad Arco (siehe Seite 36). Vorbei am Poliklinikum und der Kirche San Pietro a Majella mit dem Musik-Konservatorium erreicht man die hübsche Piazza Bellini, tagsüber ein idealer Platz zum Ausspannen und abends ein Treff der movida napoletana.

Geheimtipp

IN NEAPEL WIE ZU HAUSE

Das vom Architektenpaar Gaetano D’Avino und Alessandra D’Aniello mit eigener Keramikkunst eingerichtete B&B im historischen Palazzo d’Angiò ist eine Oase der Ruhe inmitten des Altstadttrubels. Auf der Terrasse zum Hof wird im Sommer das Frühstück gereicht, abends sitzt man gern bei einem Glas Wein und trifft auf interessante Gäste. Sehr nett ist auch die Alternativ-Bar Portico 340 im Bogendurchgang direkt vor dem Palazzo. Gaetano und Alessandra sparen nicht mit guten Tipps, und wer möchte, kann auch einen Keramikkurs belegen. Nur zwei Schritte von der Piazza San Gaetano entfernt, vermieten die beiden in der Via dei Tribunali 390 wochenweise ihr bestens ausgestattetes Aleph-Design-Apartment mit Kunstgalerie.

Tribù. Via dei Tribunali 339, 80138 Neapel, Tel. 081 45 47 93, 33 84 09 91 73, 32 85 46 12 00, www.tribunapoli.com

Aleph. Via dei Tribunali 309, 80138 Neapel, info@alephdesign.info

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