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Abraham a Sancta Clara

Wunderlicher Traum von einem großen Narrennest

Wunderlicher Traum von einem großen Narrennest

Lieber und wolgeneigter Leser.

Der Titul dises wintzigen Büchels muß niemand erschröcken / dann wol öffters ein schlechte Scheid / und ein gute Kling darinn: es werden allhier die Narren zimblich durch die Hächel gezogen / jedoch wird kein Mensch in speciel an seinem Namen / oder Stand berühret / sondern alles in ein sittliche Lehr gezogen; noch muß ein reiffsinniger auch nicht zu sehr die Nasen darüber rumpffen / weil mehrmahl die H. Schrifft beigeruckt wird / dann eben dise / und die Bücher der Lehrer in allweg dahin zihlen / damit sie denen unbedachtsamben Adams-Kindern solche Narrheiten mögen auß dem Kopff bringen: seind also dise wenige Blätl nicht allein zu einer beliebigen Zeit-Vertreibung / sondern forderist auch zu einem Spiegel / worinnen mancher ersehen kan / ob er unter dise Narren-Zahl gehöre / oder nicht. Tröst mich also / daß dises mein weniges Neues Jahr-Offert, nicht gäntzlich werde verworffen werden.

Verzeichnuss der Narren.

Ein einfältiger Narr.

Ein verliebter Narr.

Ein geitziger Narr.

Ein zorniger Narr.

Ein versoffener Narr.

Ein fauler Narr.

Ein verlogner Narr.

Ein forchtsamber Narr.

Ein hoffärtiger Narr.

Ein grober Narr.

Ein eifersüchtiger Narr.

Ein lobwürdiger Narr.

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Ich Gaudentius Hilarion edler Herr von Freuden-Thal habe vor etliche Monat einen wunderseltzamben Traum gehabt: es hat mir getraumet / als seie ich gereist in unerschidliche Länder / worinnen mir sehr vil denckwürdige Sachen unter die Augen kommen; unter anderen gelangte ich auch in Franckreich in die Statt Narbona, wo vor Zeiten Julius Caesar seine Legiones, und Soldaten-Schaar gehabt; in diser Statt Narbona bin ich in eines vornehmen Herrn Garten spatzieren gangen / daselbst hab ich auff einem dicken Eichbaum ein großmächtiges Nest wahrgenommen / hörte auch anbei ein zimbliches Zwitzeren / kunte aber nicht urtheilen noch schliessen / was es für ein Nest seie / stache mich also der Fürwitz / daß ich umb ein Leiter geschaut / und hinauff gestigen / da fande ich Wunder über Wunder / dann es war kein Vogel-Nest / sondern ein Narren-Nest / und sassen zwölff Narren in disem Nest; muste also wider alles Hoffen ein gantz Dutzet Narren ausnehmen; Der allererste war

Ein Einfältiger Narr.

Wann man die Sach reifflich überlegt / und wol erörthert / so seind die jenige Leuth eigentlich keine Narren zu nennen / welche da einen öden und blöden Verstand / und einen wurmstichigen Vernunfft haben / wol aber die jenige seind für grosse Narren zu schelten / welche da Ubles thun / und sündigen / laut Göttlicher Schrifft: qui cogitat mala facere, stultus vocabiturA1. Proverb. c. 24. Worüber der H. Kirchen-Lehrer Hieronymus also schreibet: Ne putares stultum aestimandum fuisse eum, quem hebetem, tardum ingenio videres, palam ostendit, quia ille stultus sit vocandus, qui vel cogitatione peccati suggestioni consentit, tametsi acer ingenio videtur existereF1 . ibi in Proverb. c. 24.

Jetzige verkehrte Welt aber pflegt gemeinglich dergleichen einfältige Leuth für Narren außzuschreien: es hat fürwar der Mensch billich dem gütigisten GOtt höchstens zu dancken / daß Er ihme einen guten Vernunfft geben / wie dann der David GOtt dem HErrn nicht sovil gedanckt / umbweilen er ihme die Stärcke ertheilt / daß er Löwen und Beeren zerrissen; nicht sovil gedanckt / daß Er ihn vom Hirten-Stab zum Scepter / von der Schmeer-Kappen zur Cron erhoben; als er gedanckt hat umb den Verstand / so ihme die Göttliche Freigebigkeit gegeben; Benedicam Dominum, qui tribuit mihi intellectumA2. In der Welt gibt es freilich wol an allen Orthen sehr witzige / und verständige Leuth / man sihet aber auch / daß nicht allenthalben ein Cato, sondern auch ein Mato anzutreffen seie; Zimblich einfältig war jener Baur in Franckreich.

Ein König in Franckreich verirrte sich einsmahls auff der Jagt von seinen Hoff-Leuthen / als er nun wider auff den rechten Weeg kommen / und gantz allein wider nacher Pariß geritten / ist ihme ein Baur begegnet / welcher ebenfalls nach der Statt gienge: mit disem liesse sich der König zur Zeit-Vertreibung in ein Gespräch ein / unter andern meldet der Baur / daß er so gern möchte den König sehen / was er dann für ein Auffzug habe / und wie er gestaltet seie; worauff der König / wolan / so komb mit mir / ich reite ebenfalls zum König / du solst ihn heut noch sehen: wie kan ich aber / sagt der Baur / es wissen welches der König ist? weist du was / sagt der König / wann wir in die Statt vor den König kommen / so gib Achtung darauff welcher unter allen den Hut auff dem Kopff behält / da die andern alle mit blossem Haupt stehen / derselbe ist König / wie sie nun in solchem Gespräch unter die Stadt-Pforten kommen / sihe! da wartteten alle Königliche Bediente auff den König / und empfiengen ihn mit abgedeckten Häuptern; der Baur aber auß Unverstand behielte neben dem König den Hut auff dem Kopff: der König wendet sich zu ihm / und sprach / siehest du nunmehr wer König ist? der Baur antworttet / ich weiß es doch nit recht / aber einer auß uns beeden muß es ohne Zweiffel sein; der König muste über deß Bauren Einfalt von Hertzen lachen: Bald hierauff folgte ein Carotzen mit etlichen Damasen, der Baur vergaffte sich gantz in dise / und fragte endlich den Gutscher / was dise für Thier seind: der Gutscher sagte / es sein Calecutische Hennen: was Teuffel / antworttet der Baur / tragen sie doch den Schweiff auff dem Kopff! Freilich / sagt der Gutscher vor etlichen Jahren zwar haben sie den Schweiff ruckwerts nach sich geschleppt / weil man sie aber für Gassen-Kehrer gehalten / also hat die vornehme Madame Fontange bei dem Jupiter so vil außgebracht / daß ihnen der Hennenschweiff beim Kopff hat dörffen herauß wachsen: das ist ein anders / sagt der Baur / auff meinem Mist kratzen keine solche Malecutische Hennen. Wol ein einfältiger Narr!

  1. Damit man nicht meine, der sei für närrisch zu halten, der stumpfen, trägen Geistes scheine, erklärt er offen, jener sei ein Narr zu nennen, der auch nur in Gedanken der Versuchung zur Sünde nachgibt, obwohl er scharfen Geistes zu sein scheint.
  1. qui cogitat mala facere, stultus vocabitur: Wer gedenkt, Böses zu tun, wird ein Narr genannt werden
  2. Benedicam Dominum, qui tribuit mihi intellectum: Preisen will ich den Herrn, der mir den Verstand gegeben

Ein Verliebter Narr.

Die Lieb ist ein Dieb; ein Dieb ist gewest Judas, weil er Geld gestohlen; ein Diebin ist gewest die Rachel, weil sie ihrem Vatter die goldene Götzen-Bilder gestohlen; ein Dieb ist gewest der Achan, weil er bei Eroberung der Statt Jericho neben anderen einen Mantel gestohlen: aber noch ein grösserer Dieb ist die Lieb / dann dise stihlt denen Menschen gar die Vernunfft / und macht sie zu einem Narren / amantes, amentesA3. Amnon ein Sohn deß Davids hat sich dergestalten verliebt in sein Schwester die Thamar, daß er vor lauter Lieb ist kranck / und bethlägerig worden; es hat ihme weder Essen noch Trincken geschmeckt; das Gesicht ist ihme gantz und gar eingefallen / daß er ausgesehen / wie ein außgeblassene Sackpfeiffen; Tag und Nacht hat er geseufftzet nicht anderst / als wie ein ungeschmierte Hauß-Thür; er war dergestalten entzündt in der Lieb / daß er ohne Gefahr noch Schaden nicht hette können bei einem Stroh-Dach vorbei gehen; wol recht hat der Poët gesagt:

 

Bacchus und der Weiber Garn
Machen vil zu lauter Narren.

Im Evangelio seind drei Gäst gar höfflich eingeladen worden zur Mahlzeit / deren aber ist keiner erschinen / sondern der Erste sagte / daß er einen Meir-Hoff habe kaufft / müste also denselben sehen / er bitte / man wolle ihn entschuldiget haben: Der Andere sagte / er habe fünff Joch Ochsen eingehandelt / müste solche probieren / er bitte auch / man woll ihn entschuldiget haben: Der Dritte sagt / er habe ein Weib genommen / er könne nicht kommen / sagt aber nichts / daß man ihn soll entschuldiget haben: Warumb? Darumb / dann ich glaub / er ware schon ein Narr / die Lieb hat ihm den Verstand genommen.

Ein junger Gesell / als er vernommen / daß seine ihm eingebildte Braut / ihn zu nehmen / darumb sich weigerte / weil er nicht längst den Fuß gebrochen / nunmehr zwar geheilet / gleichwol aber sehr hincken thue / ist so frech gewest / daß er von freien stucken zu einem besseren Wund-Artzten gangen / den Fuß wider auff ein neues hat brechen lassen / und folgende also einrichten / daß er nachgehende nicht mehr gehuncken. O Narr!

Ein anderer von guten Hauß, schreibet seiner Liebsten ein Brieffel / und damit solches nit leer einlauffe / sondern ein Schanckung mit sich bringe / also schnitte er ihme einen Finger von der Hand hinweck / und schicket selbigen eingeschlossener in Brieff / zur Bedeutung seiner wahren / und unverfälschten Lieb. O Narr!

Ein anderer hat in Gesundheit seiner Liebsten nit allein ein Glaß Wein biß auff den letzten Tropffen außgetruncken / sondern noch das Glaß völlig mit den Zähnen zernaget / und zermahlet / und es wie den besten Zucker gantz gierig gefressen / daß ihme hierdurch das Ingeweid zerrissen / und folgsamb Lieb / und Leben zugleich verlassen. O Narr!

Ein anderer hat ein Handschueh seiner Liebsten entzuckt / selben gar klein zerschnittener sieden lassen / solchen an statt der Kuttel-Fleck gefressen / anbei bekennet / daß ihme die Zeit seines Lebens keine Speiß habe besser geschmeckt. O Narr!

Salomon hat es selbst bekennt / daß er wegen der Lieb zu denen Außländischen Weibern / zu denen Moabitischen und Ammonitischen / zu denen Edomitischen und Sidonitischen / etc. seie der gröste Narr worden / stultissimus fui Virorum, et Sapientia non fuit mecumA4. Proverb. c. 30.

Auff solchen Leist ware auch geschlagen / in solchen Model war auch gegossen / mit solcher Narren-Kappen ware auch gecrönt Dulcitius, ein Land-Vogt deß Kaisers Diocletiani, wie Baronius erzehlt A. 749. Agape, Chionia, und Irena haben GOTT ihr Jungfrauschafft verlobt / und auffgeopffert; Dulcitius war gegen disen in ungebührender Lieb entzündet / brache derowegen bei nachtlicher Weil / mit allen Gewalt in ihre Behausung / allwo sie würcklich in Andacht / und Betrachtung begriffen / er underdessen gantz rasent kombt in die Kuchl / wird von GOtt dergestalten verblendt / daß er die Kessel / und Häfen für Jungfrauen angeschaut / laufft auff sie dar / umbfanget selbige / kusset / und halset sie / nicht anderst / als hätte er seinen verlangten Schatz in Armben / er wuste nicht / daß er in der Kuchel / sondern glaubte er seie in der Kammer; er glaubte / er seie bei der Anna, nicht bei der Pfanne / kunte auch fast kein End machen ohne Liebkosen / und Kussen / also / daß er wie ein lebendiger Teufel wegen Rueß / und Schwärtze ausgesehen; unterdessen verharreten die HH. Jungfrauen in ihrem Gebett / als nun der Tag angebrochen / und die Morgenröthe den Erdboden beglantzet / auch mein sauberer (scilicetA5) Dulcitius den Weeg nach Hauß genommen / ist er unterweegs von männiglich für einen Narren gehalten worden; und blibe bei disen nicht allein / sondern sie haben ihn mit Brüglen wol abgesalbet / biß er endlich den Spiegel umb Rath gefragt / welcher dann ihme ohne einiges Schmeichlen die Warheit gezeigt / daß ihne sein bethörte Lieb vor GOtt und der Welt zu einen Narren gemacht habe. O GOtt! wann solches Wunderwerck öffter geschehe / wie vil wurde es schwartze Larven absetzen.

  1. amantes, amentes: Wer liebt, ist ohne Verstand
  2. stultissimus fui Virorum, et Sapientia non fuit mecum: Der närrischste war ich der Männer, und Weisheit war nicht mit mir
  3. scilicet: Man höre!

Ein Geitziger Narr.

Daß die Geitzigen als Narren sollen gescholten werden / scheinet auß dem / weil GOtt ihnen selbst solchen Titul hat geben / wie Luc. c. 12. zu sehen / und zu lesen; alldort geschicht Meldung von einem reichen Gesellen / der vor Menge der Früchten nicht hat gewust / was er solle anfangen / dann die Scheuren oder Stadel waren ihme allzu eng / hat ihme derentwegen solcher Phantast bei der Nacht selbst den Schlaff gebrochen / da unterdessen ein Armer hätte ohne Sorg fortgeschlaffen: wie erst-gedachter Reiche in mitten der Grillen / und Mucken gewesen / da kombt ein Stimm von GOtt / und heist ihn ein Narren / Stulte, etc. du Narr / und thorechter Mensch / noch dise Nacht wird die Seel von dir gefordert werden / et quae parasti, cujus erunt? Das Geld und Gut / so du zusammen geraspelt / wer wird es bekommen?

O Narr über alle Narren! Der reiche Prasser hat ihme selbst gute Tag angethan / hat die gantze Zeit stattliche Panquet gehalten / die vier Elementen seind ihme stäts zu Diensten gewest / der Lufft spendierte das Feder-Wildprät / die Erd gabe ihm von allerlei Thier / und Früchten / das Wasser versehe ihn mit Fischen / das Feuer muste immerzu sieden und braten / Essen und Trincken / und anders guts Leben / hat ihme sein Vatter zum Heurath-Gut geben / recepisti bona in vita tuaA6, etc. bei ihme war alle Tag ein Fest-Tag / und Freß-Tag / endlich und endlich ist er freilich wol zum Teufel gefahren / und in der Höll begraben worden / requiescat in piceA7: Aber du bethörter Geitz-Halß thust dir gar keine gute Täg an / du frissest mehrer Kummernuß / als Hasel-Nuß; du küfflest mehrer Mangel-Kern / als Mandel-Kern; du sauffest mehrer Trübs als Liebs / und fahrest dennoch zum Teuffel; du hast ein zeitliche und ein ewige Höll! O Narr! Es seie Sommer oder Winter / so fahrest du in Schellen-Schlitten zum Teuffel.

Magdalena die H. Büsserin hat mit ihrer Allabaster-Büchsen GOtt wolgefallen / und darmit den Himmel erworben / du aber mit deiner Sparr-Büchsen verdienst nichts anders / als die Höll. Die H. Ascla mit ihrem Fasten / und Leiden / der H. Asidius mit seinem Fasten / und Leiden / der H. Assentius mit seinem Fasten / und Leiden haben die Seeligkeit erhalten; aber ein solcher AsinusA8 wie du bist / mit seinem Fasten / und Leiden procurieret ihme selbst die Höll. O Narr!

Quae parasti, cujus erunt?A9 Ei so sparr / du Narr? du bist in dem Fall nicht ungleich den Ameisen / welche den gantzen Sommer hindurch mit gröster Arbeit / und Sorgen zusammen samblen / nachdem sie endlich fast mit einem Uberfluß versehen / da kommet ein großkopffeter Beer / und verzehrst alles dises auff einmahl: du geitziger Gesell in der Höll / was du mit vilen Sorgen und Borgen / was du mit vilen Lauffen und Schnauffen / was du mit vilen Fleiß und Schweiß zusammen gesparrt / da kombt ein Beer / ich darff wol sagen gar ein Bernheuter / dein Sohn / oder Erb / der verzehrt alles / zerstörst alles. O Narr / ziehe die Schellen-Kappen herunter / damit du besser hören kanst / was der H. Valerianus redet Hom. 20. Stultitiae genus est, aliis fecisse lucrum, et sibi parasse supplicium.F2

Lucae am 13. Cap. ist zu lesen / wie daß der HErr ein Weib hat gesund gemacht / welche einen gar elenden Zustand gehabt / und zwar selben hat sie bekommen vom bösen Feind / non poterat sursum respicereA10: 18. gantzer Jahr ware sie dergestalten mit dem Leib zusammen gebogen / daß sie niemahl kunte in die Höhe schauen / sondern nur allzeit auff die Erden. Dergleichen Zustand haben wol mehrer Leuth / die ein gantze Zeit nie den Himmel anschauen / noch weniger denselben betrachten / sondern alle ihre Gedancken seind auff der Erden / und das Irrdische: Ein gelbe und weisse Erden; was ist Gold und Silber anders? Ist der einige Zweck / und Absehen ihres Hertzens; ja einige seind dergestalten bethört / daß sie umb ein schlechtes Geld sich gar dem bösen Feind verschreiben / der Seelen Seeligkeit in die Schantz schlagen: vil seind / die wegen eines kleinen Verlust sich gar hencken oder ertrencken; sollen dann dise nit Narren sein? die geitzige Narren werden nicht allein ewig gestrafft / sondern offt auch zeitlich / wie folgendes zu sehen.

Ein vornehmer Cavallier ware neben andern adelichen Tugenden absonderlich freigebig / forderist aber gegen den Armen / und Bedürfftigen / deren er keine ohne sondere Beihülff von sich gelassen; entgegen aber ware sein Cammer-Diener über alle massen dem Geitz ergeben / auch so gar musten die jenige / so was von dem Gnädigen Herrn empfangen / ihme spendiren / und meisten Theil die Helffte; das hat ein arglistiger Gesell in Erfahrnuß gebracht / und weil er zu dem Gnädigen Herrn nicht kunte gelangen / ausser / er verspreche dem interessierten Cammer-Diener den halben Theil von dem / was er wurde bekommen / also hat er gar gern solches verheissen und zugesagt; nachdem er nun ein reichliche Beisteur von dem Cavallier erhalten / da hat er anbei umb ein andere Gnad gebetten / und zwar umb ein Maultaschen / die er zur Gedächtnuß gar gern von einer so freigebigen Hand ertragen wolle; solches hat Anfangs der Cavallier auff alle Weiß geweigert / endlich nach so villen und inständigen Bitten ihme ein kleine und fast nicht empfindliche geben / so mehrer einem Schertz gleich gesehen: als diser nach villen Dancksagen abgewichen / da ist alsobald der Geldgierige Cammer-Diener über ihn / und verlangt die Helffte was er empfangen: alsobald war die Antwort / alsobald / und gibt zugleich dem Geitzhalß ein solche Maultaschen / daß er die gantze Stiegen hinunter gefallen / welches Getöß verursacht daß auch der Cavallier auß seinem Zimmer geloffen / die Ursach dessen alles befragt / deme aber diser die Sach nach allen Umbständen erzehlt / wie daß er nicht habe können vorkommen / er habe dann dem Cammer-Diener den halben Theil versprochen / was er von dero freigebigen Hand werde bekommen / weil er nun Geld / und ein Maul-Taschen empfangen / also habe er mit ihme getheilt / das Geld für sich behalten / und die Maul-Taschen ihme eingehändiget: welches der Cavallier diesem Geitzhalß gar wol vergonnt / und noch hierüber denselben seines Diensts entlassen.

  1. Narrheit bedeutet es, andren Gewinn zu verschaffen und Not für sich selbst zu behalten.
  1. recepisti bona in vita tua: Gutes hast du in deinem Leben erhalten
  2. requiescat in pice: Er ruhe im Pech (statt: requiescat in pace, er ruhe in Frieden)
  3. Asinus: Esel
  4. Quae parasti, cujus erunt?: Was du ersparet, wem wird es gehören?
  5. non poterat sursum respicere: Sie konnte nicht aufrecht sich umschaun

Ein Zorniger Narr.

Der jüngere Tobias auß Befelch deß Engels Raphaël fangt einen Fisch in dem Fluß Tigris, nimbt auß demselben das Hertz / die Leber / und die Gall / als lautter Sachen / die gut zur Artznei seind / wie er dann bald hernach mit der Gall die Augen seines Blinden Vatters bestrichen / worvon er widerumb das gewünschte Gesicht überkommen. Tob. c. 11. Dise Fisch-Gall ist gut und nutzlich gewest / entgegen aber die Gall deß Menschen ist über alle massen schädlich / zumahlen selbige nicht das Liecht bringt wie dem Tobiae, sondern nimbt das Liecht deß Verstands / und macht den Menschen gar zu einem Narren / wie es dann der Weise Seneca bezeugt: ubi multa iracundia, ibi multa insaniaA11.

 

Ein Zorniger und alle Narrn
Zusammen g'hörn auff einen Karn.

Der Prophet Jonas, nachdeme er auß seiner schwimmenden Herberg entrunnen / hat sich eilendts nacher Ninive begeben / alldorten den Untergang der gantzen Statt angekündt / und geprediget / nach solchem hat er die Statt verlassen / und sich gegen hinüber retirirt / alldort ist alsobald ein Kürbes auffgewachsen / dessen breitte Blätter ihme gar einen annemblichen Schatten gemacht / worüber er sich nicht ein wenig erfreuet / nicht lang hernach ist der Kürbes durch ein Würmel angebissen worden / und folgsamb verdorrt: welches dann den Jonas in ein solche Cholera und Zorn gebracht / daß er ihme dererthalben den Todt gewuntschen: das ware dazumalen ein grosses Narren-Stuck / wegen eines Kürbes den Todt wüntschen / als seie mehrer gelegen an einem Kürbes / als am Leben / dahero ihm GOtt einen Verweiß geben / und gesagt / meinst du dann / daß du wegen deß Kürbes mit Fueg zörnest? Jon. c. 4.

Wenceslaus König in Böhmen hat sich über seinen Mund-Koch dergestalten erzörnt / umb weil er ihme einen Cappauner nicht recht gebratten / daß er denselbigen hat lassen lebendig an Bratt-Spiß stecken / umbtreiben / und mit eignen Blut begiessen.

Otto Antonius Graff von Monferat, da ihne sein Knab bei unrechter Zeit auffgeweckt / hat lassen denselben in ein gepichtes / und mit Schweffel übergossenes Tuch lebendig einnähen / und anzünden / daß er also wie ein Fackel verbrunnen.

Bajazeth der Türckische Kaiser hatte in seinem Garten ein liebes Bäumlein / daran 3. Äpffel gehangen / welche einer auß dreien seiner Edel-Knaben abgerissen / worüber er sich dermassen erzörnt / daß er befohlen allen dreien den Leib auffzuschneiden / und solchen Raub zu suchen / so auch wär geschehen / woferrn man sie nicht bei dem Ersten in seinem Magen hette gefunden.

Ein grösserers Narrenstuck ist aber / wann man sich über ein Sach erzörnt / so da kein Leben noch weniger ein Vernunfft hat. Cyrus der Persianische König hat über den Welt-berühmten Fluß Ginden / weil in demselben sein lieber Schimmel ertruncken / sich dergestalten erzörnt / daß er denselben in 380. Armb hat lassen zertheilen. Der König Xerxes hat ein solchen Zorn gefast über den engen Meer-Schlund deß Aegeischen Meers / daß er demselben hat lassen 300. Streich geben / in so gar Fußeisen in denselben geworffen. Caligula hat wegen deß trüben Wetters sich gar über seinen vermeinten Gott Jupiter erzörnt / denselben gar außgefordert / und zugeschrien / aut tolle me, aut ego te, entweders must du mir / oder ich dir den Halß brechen. O Narr über alle Narren!

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