Harald Lesch
Warum bin ich ein Mensch?
Nichtwissen in der Physik
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Die Physik ist mit der zweiten Interpretation passend charakterisiert, denn ihr Wissenszuwachs ist nicht linear wachsend wie der Kugelradius, sondern immer ein eng verzahntes Wissen, da es sich durch Querverbindungen mit Teilgebieten der Wissenschaft beweisen muss. Die Physik als Fundamentalwissenschaft wird in anderen nicht physikalischen Forschungsbereichen (Archäologie, Musik, Medizin …) immer wieder bestätigt, und ihre Rolle als Instrument der unmittelbaren empirischen Nachbarwissenschaften (Geo- und Lebenswissenschaften) ist unverzichtbar geworden. Sie stellt durch ihre Prognosefähigkeit und die technischen Umsetzungsmöglichkeiten die Grundlage und Voraussetzung für industrielle Weiterentwicklungen dar. Aber gerade aufgrund ihrer Wissensdynamik liefert die Physik auch immer genügend Anlass und Gelegenheit, sich ihre Grenzen bewusst zu machen. Wir dürfen sie nicht zur Religion erheben, denn unsere Handlungsoptionen müssen immer von ethischen Werten geprägt sein und nicht nur von Messwerten. Die Physikerin, der Physiker ist schließlich auch nur ein Mensch.
Anmerkungen
1 Vgl. Walde, Peter; Kraus, Franta (Hrsg.): An den Grenzen des Wissens. Zürich 2008, S. 14.