Inhalt

  1. Titel
  2. Zu diesem Buch
  3. Kapitel 1 – Jubiläen sind so ätzend wie ungewaschene Eier
  4. Kapitel 2 – Pappfiguren sind Furcht einflößend
  5. Kapitel 3 – Böse Worte sorgen für Ärger
  6. Kapitel 4 – Das Gegenteil von Glückseligkeit
  7. Kapitel 5 – Keine Sirene ist laut genug
  8. Kapitel 6 – Zu nah am Abgrund
  9. Kapitel 7 – Kopfschmerzen sind scheiße
  10. Kapitel 8 – Volles Haus
  11. Kapitel 9 – Gebadet werden
  12. Kapitel 10 – Inhalt steht unter Druck
  13. Kapitel 11 – Tricky Trickster spielt auf Sieg
  14. Kapitel 12 – Vereinte Mütter
  15. Kapitel 13 – Gespräche, die wir gar nicht führen sollten
  16. Kapitel 14 – Also, das war jetzt unerwartet
  17. Kapitel 15 – Angsthasen machen es sich einfach
  18. Kapitel 16 – Jetzt verstehe ich die Ausflüchte
  19. Kapitel 17 – Vegas, Baby!
  20. Kapitel 18 – Die besten Pläne
  21. Kapitel 19 – Also echt, diese Moms
  22. Kapitel 20 – Für immer
  23. Epilog – So viel Liebe
  24. Danksagung
  25. Die Autorin
  26. Weitere Romane von Helena Hunting bei LYX
  27. Impressum

HELENA HUNTING

Hot As Ice

Heißkalt verlobt

Roman

Ins Deutsche übertragen
von Michaela Link

Zu diesem Buch

Verlobt mit Alex Waters, dem heißesten und erfolgreichsten Eishockeyspieler der Liga? Der zusätzlich zu seinem Talent auf dem Eis auch noch ein riesengroßes Herz besitzt (und gut im Bett ist)? Eigentlich müsste Violet Hall die glücklichste Frau der Welt sein. Doch obwohl Violet Hals über Kopf in Alex verliebt ist – jedes Mal, wenn jemand (sprich: ihre Mutter) das Wort »Hochzeit« auch nur sagt, wird Violet so nervös, dass sie die ganze Sache am liebsten abblasen würde …

Kapitel 1

Jubiläen sind so ätzend

wie ungewaschene Eier

VIOLET

Heute ist mein und Alex’ Jubiläum, und es ist oberätzend. Nun, es ist eines unserer Jubiläen. Alex feiert gern jeden einzelnen Meilenstein unserer Beziehung, weil er so rührselig und romantisch ist. Er sucht immer einen Vorwand, um Geschenke für mich zu kaufen. Unmengen von Geschenken. Richtig extravagante. Zu meinem Geburtstag hat er mir ein sehr hübsches Auto gekauft. Mit beheizten Sitzen und allem automatischen Schnickschnack. Neue Autos machen mir Angst, weil sie noch keine Kratzer und Beulen haben, und außerdem müssen sie regelmäßig gewartet werden.

Wie dem auch sei, ich schweife ab. Jubiläen. Diesen Monat feiern wir das »Erste offizielle Date«. Alex betrachtet das erste Mal, dass wir Sex hatten, als unser »richtiges Jubiläum«, aber da wir uns zu dem Zeitpunkt kaum kannten und nur wussten, wie gut unsere Genitalien zusammenpassen, ziehe ich es vor, einen Monat weiterzugehen zu dem Tag, an dem ich mal nicht mit meinem Biber, wie ich meine Muschi zärtlich nenne, gedacht habe. Jedenfalls nicht ausschließlich.

Es steht immer noch zur Diskussion, ob der Tag, an dem er mich bei der Arbeit in den Konferenzraum gesperrt und später gezwungen hat, mit ihm Kaffee trinken zu gehen, unser erstes offizielles Date war. Ich tendiere eher zu dem Abend, den wir heute feiern, nämlich als er mich zum Essen ausgeführt hat, wir in seiner Wohnung gelandet sind und auf seiner Couch gevögelt haben. Der Tag ist in unserem Kalender markiert. Dort klebt sogar ein Smiley-Sticker. Ich nenne diesen Tag unser zweites Sexiläum, weil wir das zweite Mal Sex hatten, und um Alex zu ärgern.

Leider werden wir heute Nacht wahrscheinlich keine Gelegenheit haben zu vögeln, als sei es unser drittes Mal – wir haben es an jenem Abend zweimal gemacht, für die von euch, die zu Hause Buch führen. Alex sitzt gerade nach einer Serie von vier Auswärtsspielen mit der Mannschaft im Bus zurück nach Chicago. Er war über eine Woche weg. Ein Schneesturm fegt von Norden durch den Mittleren Westen, und als ich das letzte Mal etwas von ihm gehört habe, saßen sie auf einer Raststätte fest – mehr als zwei Stunden von zu Hause entfernt, und das ohne den Schnee gerechnet, der sie ausbremst.

Es ist schon drei Uhr nachmittags. Wenn sie es nicht schaffen, bevor es dunkel wird, und der Schneesturm an Intensität zulegt, wird er für die Nacht in einem Hotel festsitzen. Wir könnten vielleicht Telefonsex haben, aber das ist nicht das Gleiche, wie wenn ich seine Latte mit meinem Biber umarme. Das ist der Grund, warum dieses Jubiläum so ätzend ist.

Und selbst wenn er es heute Nacht bis nach Hause schafft, wird er fix und fertig sein, was dem Sexiläum einen Dämpfer verpassen könnte. Nicht dass er ihn nicht hochkriegt. Kriegt er. Das schafft er immer. Aber es wird nicht das gleiche überschwängliche Ausmaß annehmen, an das ich mich im Verlauf des letzten Jahres gewöhnt habe. Er bringt mich vielleicht nur zu zwei Orgasmen, statt der drei oder vier, die er normalerweise anpeilt.

Charlene, meine beste Freundin und Kollegin bei Stroker and Cobb Financial Management, streckt den Kopf in meine Arbeitsnische. Der Rest von ihr bleibt meinem Blick verborgen. Außerdem lächelt sie, als sei sie reif für die Irrenanstalt.

»Was ist los?«, frage ich.

»Da ist eine Lieferung für dich gekommen.«

»Was für eine Lieferung?«

Alex schickt mir gern Geschenke ins Büro. Einmal hat er einen als Biber verkleideten Mann bestellt, der mir ein Liebeslied vorgesungen hat. Ich wäre vor Scham fast gestorben. Jimmy, einer der anderen Junior-Accountants, hat es aufgenommen und auf YouTube gepostet. Natürlich habe ich ihn gezwungen, es wieder zu löschen, aber es hatte sich bereits im Netz verbreitet.

»Eine Alex-Lieferung.«

Ich wappne mich gegen eine neuerliche Demütigung, während sie ächzend das Geschenk in mein Sichtfeld schiebt.

Ein paar Minuten lang sage ich gar nichts. Alex neigt zu Übertreibungen. Natürlich kann man sich ja als höchstbezahlter NHL-Spieler in der Liga ein so extravagantes und höchst lächerliches Benehmen leisten.

»Nicht das, was du erwartet hast?«, fragt Charlene und beißt sich auf die Unterlippe, um nicht loszulachen.

»Was soll ich denn damit?« Ich zeige auf den ein Meter zwanzig großen Plüschbiber im Eishockey-Trikot. Er ist beinahe so breit wie hoch. »Ich weiß nicht einmal, ob das Ding in mein Auto passt.«

Außerdem will ich es nicht durch das ganze Gebäude tragen.

»Ich bin sicher, wir kriegen ihn da irgendwie rein.« Ich ignoriere Charlenes wackelnde Augenbrauen. Sie spielt auf den Monsterschwanz meines Verlobten an. Und ich rede da nicht über ein zahmes kleines Haustier. Sein Ding ist riesig. Ich liebe es so sehr, obwohl es schon einem Work-out gleicht, es in den Mund zu nehmen.

Ich packe den Biber an den Ohren und zerre ihn in meine Arbeitsnische, damit er nicht länger den Flur zwischen meiner Box und der gegenüber versperrt. Gott sei Dank ist Jimmy gerade nicht da, er würde sich sofort auf diese Sache stürzen. Ich muss den Biber verstecken. Ich brauche mir die Rückseite des Trikots gar nicht erst anzusehen, um zu wissen, dass Alex’ Name und Spielernummer draufstehen. Das hier ist eine Riesenversion des kleinen Bibers, den Alex mir damals geschickt hat, als er anfing, mich zu stalken. Weil ich so umwerfend im Bett bin. Und er liebt meine Möpse. Dafür habe ich ihm gesagt, dass ich seinen Schwanz liebe. Es war eine bemerkenswerte erste Begegnung.

Meine Beziehung mit Alex Waters, Center und Mannschaftskapitän von Chicago, hat als One-Night-Stand angefangen. Als ein schlecht durchdachter. Ich lief ihm nach unserer leidenschaftlichen Nacht ständig über den Weg, da Buck, mein Stiefbruder, in seiner Mannschaft ist, aber so weit habe ich nicht vorausgedacht, als ich vor einem Jahr die Hände in seine Hose schob.

Der Biber hält eine herzförmige Schachtel. Ich reiße sie ihm aus den Pfoten, während Charlene einen Arm um ihn legt und ein Selfie macht. Ich entdecke die Karte; natürlich greift sie das Biberthema auf – zwei Comicbiber mit kleinen Herzen über den Köpfen. Sie sind verliebt, genau wie Alex und ich.

In Erwartung des für Alex üblichen Frohsinns klappe ich die Karte auf, und sie fängt auch tatsächlich so an, aber am Ende bin ich den Tränen nahe. Er ist wirklich verdammt süß:

Violet,

vor einem Jahr hast du eingewilligt, mit mir einen Kaffee trinken zu gehen, und dann haben deine Möpse einem richtigen Date mit mir zugestimmt. Du bist in mein Leben getreten und hast es auf die denkbar beste Weise auf den Kopf gestellt. Ich werde Spiderman-Pyjamas oder Marvel-Comic-Boxershorts nie mehr so sehen wie früher.

Ich liebe jeden Zentimeter von dir, all deine komischen Macken, all die lächerlichen Sachen, die du im Schlaf sagst – und auch wenn du wach bist. Deine unermüdlichen Lobesbekundungen für den MS schaden ebenfalls nicht.

Ich weiß, dass du mir die ganze Sache von wegen Liebe auf den ersten Blick nicht abkaufst, aber ich glaube, manchen Menschen ist es einfach bestimmt, zusammen zu sein. Wir sind vielleicht aus Geilheit und wegen Fielding zusammengekommen, aber wir sind aus Liebe zusammengeblieben.

Du gehörst für immer zu mir.

Alex

Ich seufze, drücke mir die Karte an die Brust und sauge seine Worte mit meinem Herzen auf. Natürlich nicht buchstäblich. Tatsächlich überlege ich, bei Google nachzusehen, ob er diesen Brief von irgendeiner kitschigen Liebesgedichtseite abgeschrieben und nur ein paar Änderungen vorgenommen hat, damit der Text besser auf uns passt. Doch Alex hatte im College Englisch als Hauptfach, daher ist es möglich, dass er sich das alles ganz allein ausgedacht hat.

Ich hebe mir die Google-Suche für später auf und öffne die herzförmige Schachtel. Ich erwarte, Pralinen darin vorzufinden, und bin angenehm überrascht, als die Schachtel gefüllt ist mit diesen himmlischen Ahornzuckerbonbons, die ich so liebe. Außerdem sehe ich eine Tüte Swedish-Fish-Weingummi.

»Ihr zwei seid das komischste Paar auf dieser Erde. Das weißt du, oder?«

»Ich ziehe den Ausdruck skurril vor, aber ja, ich weiß das.«

Charlene stibitzt sich ein Ahornbonbon, bevor ich die Schachtel wieder zumachen kann. Na schön, es sind eine Menge Bonbons. Wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, die Schachtel enthält gut hundert Bonbons. Bis zum Ende des Tages werde ich bestimmt im Ahornzuckerkoma liegen. Wenn ich erst mal angefangen habe, kann ich nicht mehr aufhören.

Ich ziehe mein Telefon aus der obersten Schublade meines Schreibtischs. Bevor ich Alex’ Nummer aufrufen kann, reißt Charlene es mir aus der Hand.

»Was machst du da?«

»Du musst mit dem Biber posieren, damit wir Alex ein Foto schicken können«, sagt sie, als sei das offensichtlich. Was es wirklich ist. Ich stamme aus der Generation, in der alles, was man tut, online gepostet wird, damit gelangweilte Menschen es sehen können. Willkommen in der wunderbaren Welt gut dokumentierter Fehlentscheidungen.

Ich schiebe den Biber herum. Das ist nicht so einfach, weil er riesig ist und mein Büro so klein. Meinen Stuhl rücke ich in eine Ecke und klemme mir den Biber zwischen die Beine. Dann drücke ich den Biber herunter, bis sein Kopf auf Höhe meiner Taille ist, und Charlene macht ein paar Fotos. Anschließend drehen wir das Plüschtier um und kichern wie die Irren, während ich meinen Rock über seinen Kopf drapiere, sodass es aussieht, als würde der Biber sich bei meinem Biber ins Zeug legen.

Ich posiere, unter anderem mit einem gespielten Orgasmusgesicht, was genau der Augenblick ist, in dem mein Chef in unsere kleine Party hereinplatzt.

»Mr Stroker! Hey, hi!« Ich schiebe den Biber weg von meinem Schritt, aber zu spät. Mr Stroker hat bereits gesehen, wie ich die Plüschfigur belästigt habe.

»Miss Hoar.« Er sieht erst Charlene an, dann mich. »Miss Hall.« Seine Arme sind vor der Brust verschränkt, und sein Gesichtsausdruck wirkt verschlossen. Er lässt sich nichts anmerken. »Sie sehen beide so aus, als seien Sie fleißig bei der Arbeit.«

Wir stecken echt in Schwierigkeiten.

»Es tut mir furchtbar leid, Mr Stroker. Alex hat mir das da zu unserem Jahrestag geschickt …«, ich deute auf den riesigen Biber, »… und Charlene und ich dachten, wir schicken ihm ein Foto, damit er weiß, dass ich ihn bekommen habe. Wegen des Schneesturms sind wir uns nicht sicher, ob die Mannschaft es heute Nacht noch nach Hause schafft.« Ich wedele mit der Hand in Richtung der Fenster. Es schneit wie verrückt. Nicht, dass ihn das daran hindern wird, mich zu feuern.

»Er hat Ihnen ein Plüschmurmeltier zum Jahrestag geschenkt?«

»Das ist kein Murmeltier; es ist ein Biber«, erklärt Charlene.

Er zieht eine Augenbraue hoch. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich eine Erklärung hören will. Violet, ich würde Sie gern in meinem Büro sprechen.«

»Jetzt?«

»Ja, jetzt.«

Mein Magen macht einen Purzelbaum, aber ich stehe auf und streiche meinen zerknitterten Rock glatt, während ich Charlene einen erschrockenen Blick zuwerfe. Sie formt mit den Lippen ein Tut mir leid, aber es ist nicht ihre Schuld. Ich hätte auch ohne ihre Hilfe so etwas Dummes hingekriegt.

Ich folge Mr Stroker durch den Flur zu seinem Büro. Er schließt die Tür hinter mir und deutet auf den Stuhl auf der anderen Seite seines Schreibtischs. Ich werde so dermaßen rausfliegen. Das ist das beschissenste Sexiläum aller Zeiten.

»Die Sache gerade tut mir sehr leid, Mr Stroker. Wir waren wirklich albern. Ich weiß, das ist kein Benehmen, wie es sich am Arbeitsplatz gehört.«

Er hebt eine Hand, um mich zu bremsen. »Violet, haben Sie mal die Filmchen gesehen, die Jimmy und Dean immer in ihre Präsentationen einschieben? Was immer Sie da gerade mit dem Biber gemacht haben ist nichts im Vergleich zu den beiden.«

Ich weiß genau, wovon er redet. Jimmy und Dean sind die anderen Junior-Accountants in unserer Firma. Sie benehmen sich noch alberner als Char und ich. Letzten Mittwoch haben sie in ihre Präsentation eine Folie mit zwei Eishockeyspielern eingebaut, die gegen die Plexiglaswand knallen. Die Bildunterschrift lautete: »Happy Hump Day!«, bezogen auf den Mittwoch als Höhepunkt der Woche, nach dem man auf das Wochenende zusteuert. Im platteren Sinn spielte es auf die zweideutige Haltung der Spieler auf dem Foto an – es sah aus, als sei da wesentlich mehr im Gange als Eishockey. Und das war einer ihrer harmloseren Scherze.

»Trotzdem, es wird nicht wieder vorkommen.« Ich sacke auf dem Stuhl in mich zusammen, außerstande, meine Erleichterung zu kaschieren. Ich dachte ehrlich, er würde mir sagen, ich solle meine Sachen zusammenpacken. Dann wäre ich die arbeitslose Verlobte eines berühmten Eishockeyspielers, statt der Frau, die in ihrer Partnerschaft einen bescheidenen finanziellen Beitrag leistet.

»Klingt gut.«

Mr Stroker schiebt Mandantenunterlagen auf seinem Schreibtisch hin und her. Die Akte ganz oben auf dem Stapel habe ich vorbereitet, das erkenne ich an der violetten Mappe. Alex hat diese Mappen für mich gekauft. Er findet sie süß.

»Ich habe mir Ihre Akte für die Darcy-Finanzen angesehen. Ich finde, Sie haben einige sehr kluge Entscheidungen bei der Wahl der Fonds getroffen. Der Gewinn in den vergangenen achtzehn Monaten war hoch, und Sie haben ihr Portfolio gut ausbalanciert.«

»Oh. Äh, danke.« Ich hatte ganz und gar nicht erwartet, dass er mich deswegen zu sich gerufen hat. Sein Lob kommt unerwartet. Er ist ein Zahlentyp wie so viele von uns in diesem Bereich. Es geht immer nur darum, ob wir Geld für unsere Auftraggeber verdienen oder ob wir ihre Ärsche vor einem potenziellen Bankrott retten.

Mitch Darcy ist Verteidiger bei Chicago. Ich habe ihn über Alex kennengelernt. Eines Abends nach dem Spiel war auch seine Frau da, und wir sind ins Gespräch gekommen. Sie hat gefragt, womit ich meinen Lebensunterhalt verdiene, also habe ich es ihr erzählt. Sie wirkte überrascht, dass ich noch einen anderen Job habe als den, Alex’ bemerkenswerten Schwanz zu bedienen.

Drei Wochen später hat Mrs Darcy einen Termin ausgemacht und ausdrücklich nach mir gefragt. Mr Stroker ist ein Risiko eingegangen, als er mir erlaubt hat, einen Vorschlag für das Mandat zu erarbeiten. Natürlich muss er ihn in Augenschein nehmen, bevor irgendetwas davon umgesetzt werden kann, aber diese Chance hätte ich ohne meine Beziehungen nicht bekommen. Diese machen mich aber bei der Arbeit manchmal ziemlich unbeliebt.

»Das hier ist eine große Sache, Violet.« Mr Stroker klopft mit seinem Stift auf den Ordner.

»Ja, Sir.«

»Sie sind sich bewusst, dass Darcy seinen Vertrag für weitere fünf Jahre über vier Millionen im Jahr verlängert hat.«

»Ja, Sir. Er hat außerdem Sponsorenverträge mit Power Juice und Sports Mind, die ihm in den nächsten drei Jahren weitere zwei Millionen im Jahr einbringen werden.«

»Denken Sie, dass Sie so weit sind, den Darcys das hier nächste Woche zu präsentieren?«

Ich richte mich auf. »Sie wollen, dass ich die Präsentation übernehme?«

»Seine Frau besteht darauf, dass Sie das machen.«

»Aber ich habe noch nie eine Präsentation für einen so großen Mandanten gemacht.«

»Sie haben im vergangenen Jahr vollkommen problemlos Millers Finanzen gemanagt«, wendet er ein. Stroker spricht von Buck, meinem Stiefbruder, dessen richtiger Name Miller ist. In letzter Zeit haben alle angefangen, ihn bei seinem Taufnamen zu nennen, aber für mich ist es eine Umstellung. Ich bin noch nicht so weit.

Für gewöhnlich belaufen sich die Mandate, mit denen ich es zu tun habe, auf eine Million oder weniger. Das Portfolio der Darcys ist wesentlich umfangreicher. Erheblich größer als alles, was ich bisher angefasst habe, abgesehen von Bucks Finanzen, und da hat mir Mr Stroker immer über die Schulter geschaut, bevor ich irgendeine Veränderung vorgenommen habe. Ich will schließlich nicht dafür verantwortlich sein, wenn Buck um sein Vermögen gebracht wird.

»Sie haben das im Griff. Warum rufen Sie sie nicht an und vereinbaren einen Termin für nächste Woche? Ich stehe an den meisten Vormittagen zur Verfügung.«

»Okay, toll. Ich konsultiere ihren Spielplan und finde heraus, was am besten passt.«

»Perfekt. Sie organisieren das Treffen und sehen sich meine Anmerkungen in der Powerpoint-Präsentation an, Ende der Woche – sagen wir Freitagnachmittag – halte ich mir eine Stunde frei, und Sie können einen Probelauf mit mir machen, damit Sie sich gut vorbereitet fühlen. Wie klingt das?«

»Das klingt toll, Mr Stroker.«

»Nennen Sie mich einfach William, Violet. Sie können die Förmlichkeit ab jetzt weglassen.«

Er hat mir das schon früher vorgeschlagen, aber ich finde seinen Nachnamen Stroker – Streichler – so unterhaltsam. »Natürlich. In Ordnung, William.«

»Wunderbar. Freitagnachmittag um 15 Uhr bin ich frei. Reservieren Sie auf dem Weg nach draußen bei Edna den Konferenzraum.« Er reicht mir die Akte und greift nach seinem Telefon, womit ich entlassen bin.

Ich bedanke mich bei ihm und spreche das Ganze mit seiner Assistentin ab, bevor ich an meinen Arbeitsplatz zurückkehre.

Charlene sitzt an ihrem Schreibtisch, kaut an den Fingernägeln und tut so, als sei sie mit irgendeiner Recherche beschäftigt. Als sie mich sieht, greift sie nach meinem Arm und zerrt mich in ihre Nische. »Warum weinst du nicht? Hat er dich nicht gefeuert?«

»Nein. Stroker hat mich nicht hochkant rausgeschmissen.«

Charlene stößt einen Seufzer der Erleichterung aus. »Es tut mir so leid. Er kommt fast nie hier vorbei.« Das stimmt. Junior-Accountants sehen den Boss normalerweise nur beim Montags-Meeting im Konferenzraum, und das war heute Morgen. »Lass uns nie wieder bei der Arbeit solche Fotos machen.«

»Einverstanden. Wir hätten warten sollen, bis ich zu Hause bin. Dann hätten wir den Biber aufs Bett stellen und es so aussehen lassen können, als würde er mich von hinten nehmen oder meine Möpse halten.«

»Du hast immer so gute Ideen. Also, was hat Stroker gesagt?«

»Ich halte nächste Woche die Präsentation für Mitch Darcy und seine Frau.«

»Du hältst was?« Sie kreischt förmlich, und jeder in Hörweite, also so ziemlich alle im Büro, strecken den Kopf über den Rand ihrer Nischenwände.

»Schon gut, Leute, ich habe Charlene nur erzählt, dass ich überlege, Veganerin zu werden.«

Jimmy ist offensichtlich von seiner Kaffeepause zurück. Er wirkt nicht überzeugt, und das zu Recht – ich bin die Erste, die ein Frischkäse-Steak bestellt, wenn er Essen holt –, aber er telefoniert gerade und konzentriert sich schnell wieder auf seinen Anruf. Die anderen im Büro sind an unser albernes Benehmen gewöhnt, daher machen auch sie weiter mit dem, was auch immer sie gerade tun.

Ich senke die Stimme zu einem Flüstern. »Ich darf die Präsentation machen.«

»Das ist ein großes Mandat«, flüstert Charlene zurück.

»Ich weiß.«

»Das ist umwerfend.«

Ich weiß, dass sie es ehrlich meint, aber ich bemerke dennoch den sehnsüchtigen Ausdruck in ihren Augen. Wir haben ein sehr enges Verhältnis, trotzdem konkurrieren wir miteinander und mit Jimmy und Dean um die Position als Senior-Accountant, wenn eine frei wird. Wenn ich eine Präsentation für einen unserer wichtigeren Klienten halte, verschafft mir das einen Vorteil gegenüber allen anderen.

Die Leute im Büro, die mich jetzt schon nicht mögen, werden mich hassen.