Gewidmet den mutigen, zuversichtlichen und visionären Kunden, Mitarbeitern, Händlern, Investoren, Freunden und Förderern des Hauses BMW, die 1959 halfen, das Überleben des Unternehmens zu sichern ...

... und den Lesern der Isettaschrauber-Bände 1 bis 3, denen der Autor für ihr fortgesetztes Interesse und für ihre guten Bewertungen dankt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

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Bildnachweis

Zahlentafeln und Tabellen stammen mit Werksangaben oder eigenen Messwerten vom Verfasser, ebenso die weit überwiegende Mehrzahl der Fotos. Wo das nicht der Fall ist, wird in der Bildunterschrift auf die Quelle verwiesen. Soweit Bilder bereits in früheren Veröffentlichungen des Verfassers verwendet worden sind, können sie Bildnummern enthalten, die für das Verständnis des Textes nicht erforderlich sind.

Impressum

Copyright: © 2021 Ralf Heiligtag

Sämtliche Rechte der Verbreitung in jeglicher Form und Technik bleiben vorbehalten.

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt.

ISBN 9783753448480

Titel Der Isettaschrauber, Band 4: Ergänzungen

Kontakt zum Autor: BMW-Isetta@kabelmail.de

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Die ersten drei Bände der Buchreihe „Der Isettaschrauber“ sind von den Liebhabern der BMW Isetta, des BMW 600 und des BMW 700 sehr gut aufgenommen worden, wofür der Verfasser an dieser Stelle herzlich danken möchte.

Schon bevor die Reihe mit dem Anfang Dezember 2020 herausgebrachten dritten Band abgeschlossen sein sollte, wurde aus der Leserschaft mehrfach die Frage gestellt, ob es noch einen Nachschlag geben wird. So sehr mich das ausgeprägte Interesse der Leser freut, technische Informationen und Verbesserungsmöglichkeiten für BMWs luftgekühlte Kleinwagen begierig aufzusaugen, muss ich doch nüchtern feststellen: Themen und Gedanken gibt es zwar genug, doch verwandeln sie sich nicht von allein in ein Buch. Sie müssen in Text und Bild aufbereitet, gestaltet, gegliedert, geordnet und redigiert werden, um einigermaßen sicher zu sein, dass sich keine Fehler einschleichen und die Information richtig ankommt. Auch bei jenen Lesern, denen Kraftfahrzeugtechnik eher fern liegt, die sich aber dennoch gern mit den liebenswerten Kleinwagen der Wirtschaftswunderzeit befassen.

Die Alltagserfahrung zeigt, dass unzählige Zeitgenossen gern aus wenig Seife viel Schaum schlagen, um banale Dinge als großartig und schwierig darzustellen. Umgekehrt trifft man auf wortkarge Könner, Meister ihres Fachs geradezu, denen es nicht gegeben ist, das, was sie tun und warum sie es tun, so zu erläutern, dass es verstanden wird. Einen komplexen Sachverhalt ohne allzu platte Vereinfachungen derart zu erklären, dass 90 von 100 Lesern ihn verstehen, ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Die Buchreihe „Der Isettaschrauber“ versucht, sich dieser Aufgabe zu stellen. Bei Lesern, die als ihr Hobby die Beschäftigung mit alten Autos auserkoren haben, darf sicherlich ein gewisses Interesse an historischer Technik vorausgesetzt werden. Manchmal wird es sich vielleicht nicht vermeiden lassen, einen Satz zwei- oder dreimal zu lesen.

Die Bücherschreiberei ist übrigens eine zeitraubende Beschäftigung, besonders dann, wenn es sich beim Inhalt anders als bei einem frei erfundenen Roman um nachprüfbare und dadurch angreifbare Fakten handelt. Wer‘s jemals selbst versucht hat, wird das nachempfinden können. Nur im Kapitel 4.4.6 lassen wir der Phantasie freien Lauf. Den unersättlichen Isetta-Fans wird hier also ein vierter Band zur Verkostung gereicht, der die tausend Seiten vollmacht. Hiernach bittet der Autor um Nachsicht, wenn er eine längere Pause einlegt. Jeder muss mal verschnaufen.

Die im ersten Band unter den Punkten

geregelten Bedingungen gelten vollumfänglich und in gleicher Weise auch für diesen vierten Band. Um nicht unnötig viel Papier zu schwärzen, werden sie hier nicht wiederholt. Wer den ersten Band noch nicht besitzt, beschaffe ihn sich bitte und lese diese Abschnitte dort nach. Erinnert werden soll hier nur an zwei Dinge:

Auch dieser Band bringt im sechsten Kapitel als Zugabe zu den technischen Themen zwei Fahrgeschichten mit. Sie finden dort wieder ein paar Reise-Impressionen, weil Sie nach der Lektüre aller vier Bände sicher genug Grund zur Annahme haben, dass Sie in einem ordentlich gewarteten BMW-Fahrzeug, sei es auch noch so klein und noch so alt, Reisen mit vierstelligen Kilometerzahlen pannenfrei bewältigen können. Dies mit der berühmten Freude am Fahren und dank guter Vorbereitung nur selten mit jener am Schrauben.

Allzeit gute und pannenfreie Fahrt wünscht Ihnen der 1976 sozusagen im Jugendstil mit seiner ersten 250er Isetta zufrieden gewesene

Ralf Heiligtag

Die Kapitelnummerierung wird in gleicher Weise fortgesetzt wie im ersten und im zweiten Band. Die erste Ziffer kennzeichnet den Band (hier Nr. 4), die zweite das Oberthema (z. B. 4.1 = Motor, 4.2 = Vorderachse und Lenkung), die dritte das Unterthema.

Schauen wir uns zuerst einige Details des Motors an. Wir beginnen mit einer optischen Aufhübschungsmaßnahme, einer Ölwanne aus Aluminium-Druckguss. Pimp your oilpan, wenn Sie so wollen. Neben ihrer hochwertigen Anmutung bringt die Gusswanne dank ihrer Verrippung sogar drei technische Nutzen, nämlich eine höhere Formstabilität, eine daraus folgende bessere Dichtheit und eine verbesserte Kühlwirkung.

4.1 Motor

4.1.1 Isetta-Ölwanne aus Aluminium-Druckguss

Im Kapitel 2.1.7 des zweiten Bandes haben wir uns mit der Frage beschäftigt, auf welche Weise die blecherne Ölwanne des Isettamotors ordentlich abzudichten ist. Wie Sie gesehen haben, geht das mit einer geeigneten Ölwannendichtung, Silikondichtmasse und einem Verstärkungsring recht gut, so dass wir grundsätzlich mit der serienmäßigen Stahlblechwanne auskommen können.

Wer aber auf den BMW 700 schielt und feststellt, dass dort die Weiterentwicklung (unter gleichzeitigem Fortfall des vorher serienmäßig eingebauten Rohr-Ölkühlers) von einer glatten Stahlblechölwanne hin zu einer verrippten Aluminiumguss-Ölwanne ging, kann auf die Idee kommen, sich auch für seine Isetta eine Ölwanne aus Aluguss zu wünschen. Sie sieht einfach hübscher aus und wird die Wärme dank ihrer Kühlrippen besser los als ihre blecherne Schwester. Vor allem bietet sie mit ihrer verwindungssteifen, gefrästen Dichtfläche bessere Voraussetzungen für dauerhafte Dichtheit. Einen Verstärkungsring braucht man nicht mehr. Die aus der Motorradszene beschaffte Druckgusswanne erhält auf der Fräsmaschine ein 30 mm großes Loch für das Einfüllrohr unter demselben Winkel und in der gleichen Höhe wie an der Isetta-Blechwanne.

Das Öleinfüllrohr wird aus Aluminium gefertigt, damit es mit der Wanne verschweißt werden kann. Leider lässt sich ein 30 mm dikkes Rohr nicht vor dem Knie krümmen. Eine professionelle Rohrbiegemaschine ist nötig, wenn‘s schön werden soll. Dieses Teil muss also ein Betrieb biegen, der sich mit der Rohrbiegerei gut auskennt.

Aus zwei Gründen darf das Rohr nicht zu dünnwandig sein: Beim Biegen wird es umso weniger zum Einbeulen neigen, je dickwandiger es ist. Und die Rohrwand soll nicht viel dünner sein als die Wand der Ölwanne, damit sich beides gut miteinander verschweißen lässt, ohne dass das Rohr in der Schweißhitze vorzeitig wegfließt. Eine Wanddicke von 2,5 bis 3 mm ist geeignet. An seinem oberen Ende erhält das Einfüllrohr eine Hülse mit dem Gewinde für den Ölmeßstab. Das Entlüfterröhrchen wird dem einfacheren Schweißen zuliebe aus 8 mm-Vollmaterial gefertigt, auf der Drehbank einige Millimeter tief mit 5,5 mm vorgebohrt und erst nach dem Einschweißen vollends durchgebohrt. Das Röhrchen steht nach oben nur ein wenig, zur Seite aber deutlich schräg, damit der Entlüfterschlauch in die richtige Richtung weist. Die beiden Winkel lassen sich ebenso wie der Biegeradius und die Schenkellängen des Einfüllrohrs an der Stahlblechwanne abmessen.

Der serienmäßige Kunststoffpeilstab ist meist infolge der Motorwärme schon so sehr geschrumpft, dass er mit viel Spiel im Gewinde herumwackelt. Darüber hinaus ist er üblicherweise hässlich braun verfärbt. Dieser Billigpofel beleidigt Ihr ästhetisches Empfinden, so dass Sie sich vielleicht wie im Kapitel 2.1.8 des zweiten Bandes gezeigt einen neuen Meßstab aus Alu anfertigen. Hier passt das besonders schön zusammen. Das Auge isst mit. Schließlich wickeln Sie den Brillantring, den Sie der Dame Ihres Herzens schenken, auch nicht in eine alte Zeitung. Das Gewinde bestreichen wir mit Molykotepaste.

Das Verstärkungsblech ist wie das Vorbild an der Blechölwanne trapezförmig und gekröpft, jedoch 3 mm dick. Die Wanne fasst übrigens 1,75 Liter. Das Resultat ist so dekorativ, dass es fast schade ist, auf einen Motordeckel aus transparentem Polycarbonat verzichten zu müssen. Sollten Sie noch keinen Plan haben, womit Sie sich an den nächsten langen Winterabenden beschäftigen können, wissen Sie’s jetzt.

Wir bleiben, weil es gerade so schön war, noch etwas beim Thema Aluminiumschweißen. Das ist auch das Mittel der Wahl, wenn Sie Ihre Isetta mit einem höherwertigen Vergaser ausrüsten möchten. Der Weg dorthin führt über die Anfertigung eines Saugrohradapters. Und da Sie sicherlich bei einem derart untermotorisierten Gefährt wie einer Isetta mit jedem Gramm geizen wollen, werden Sie entweder Leichtmetall den Vorzug geben oder selbst ein Kilo Winterspeck abtrainieren. Am besten beides.

4.1.2 Saugrohradapter für 26er BING-Gleichdruckvergaser

Die allermeisten Isetten sind mit einem der 22 mm-BING-Kolbenschiebervergaser 1/22/78, 88, 97, 98, 131 oder 161 ausgestattet. Ist der Zustand eines solchen Vergasers an einer unrestauriert erworbenen Isetta so schlecht, dass das ehemals gute Stück nicht mehr zu retten ist oder fehlt es ganz, sind für ein einbaufertiges Exemplar zwischen 430 und 585 EUR auf des Händlers Tisch zu blättern.

In weiten Kreisen der Isettaliebhaber hat sich herumgesprochen, dass die ältere Vergaservariante mit 24 mm Durchlass (1/24/49 [für 250 cm•] und 1/24/93 [für 300 cm3]), mit der die frühen Standard-Isetten gesegnet waren, eine bessere Zylinderfüllung und dadurch ein kleines Extra an Drehmoment und Leistung verspricht ... vorausgesetzt, das Saugrohr ist innen weit genug. Zum 24er Vergaser, der nicht unbedingt teurer sein muss als ein 22er, gehörte serienmäßig ein 25 mm weites Saugrohr.

Die innen engeren Saugrohre der Export-Isetten, deren Durchmesser bei nur noch 22 bis 23 mm liegt, haben eine ausreichende Wanddicke, um sie auf 25 bis 26 mm Innendurchmesser zu erweitern. Das geht am einfachsten mit einem langschäftigen Kugelfräser von 24 bis 25 mm Durchmesser, den Sie in die Spindel einer Fräsmaschine, hilfsweise einer Tisch- oder Säulenbohrmaschine einspannen. Dadurch sind beide Hände frei, um das Saugrohr zu halten und es mit Vorsicht und Gefühl über den Fräser zu führen. Man wähle eine niedrige Drehzahl und schütze seine kostbaren Vorderpfoten durch ein Paar Arbeitshandschuhe aus dickem Leder für den Fall, dass der Fräser sich im Werkstück festbeißen und es herumwirbeln will. Sollte das geschehen, möchte sich niemand die Hände verletzen.

Dieses Verfahren erlaubt ein wesentlich einfacheres Werkeln und einen viel rascheren Arbeitsfortschritt als ein endloses Gefummel mit kleinen Fräserchen, biegsamer (und bald heißlaufender) Welle bei hoher Drehzahl an dem im Schraubstock eingespannten Saugrohr, vom noch viel mühseligeren Materialabtrag mit gekröpften Vogelzungenfeilen ganz zu schweigen.

Wer einen 24er Vergaser aufgetrieben hat, dem genügt es also, das Saugrohr innen auf 24 bis 25 mm Durchmesser zu bringen. Dazu passend sollte auch der anschließende Einlasskanal im Zylinderkopf nicht enger sein. Er lässt sich auf dieselbe Art erweitern. Achten Sie bitte darauf, die Einlassventilführung während der Kanalbearbeitung nicht zu beschädigen. Am besten geht es, wenn die Ventilführung noch gar nicht drin ist. Darum bearbeitet ein pfiffiges Kerlchen den Einlasskanal fertig, bevor eine neue Ventilführung eingeschrumpft wird. Den 24er Vergaser schraubt man dann schlicht an die beiden Stehbolzen des zartfühlend erweiterten Saugrohrs, und fertig ist die Laube.

Nun kommt der eine oder andere nach Drehmoment lechzende Isettafahrer gemäß dem Motto „viel hilft viel“ auf die Idee, wenn er sowieso für teures Geld einen Vergaser kaufen müsse, dann könne er doch gleich das Saugrohr und den Einlasskanal im Zylinderkopf auf volle 26 mm erweitern und kunstreich einen geeigneten 26er Vergaser dranfrickeln, was eine noch bessere Zylinderfüllung verheißt, siehe die R 26 mit ihren 15 PS. Im Prinzip spricht nichts dagegen. Nur gab es von BING leider keine 26 mm-Ausführung des isettatypischen Schiebervergasers mit senkrechtem Flansch und Startkölbchen.

Der Hobbytuner kratzt sich dann am oft bereits ergrauten Haupte und neigt meist dazu, sich mit einem anderen, ähnlichen 26er BING aus der Epoche der 50er Jahre zu behelfen, der den für die Isetta notwendigen Startvergaser mit dem seilzugbetätigten Kölbchen mitbringt. Das muss so sein, denn mit einem Tupfer auf der Schwimmerkammer ist uns beim Kaltstart nicht geholfen. Die Auswahl ist gering. In Frage kommt der Schrägdüsenvergaser 1/26/37, mit dem 1955/56 die DKW RT 350 S ausgerüstet war. Solche Schrägdüsenvergaser hat BING in den 50er Jahren entwickelt, um am stets dicht über dem Getriebekasten sitzenden Vergaser eines schlitzgesteuerten1 Zweitakters die Haupt- und Leerlaufdüse zur Reinigung problemlos nach schräg oben entnehmen zu können, ohne vorher den ganzen Vergaser abbauen zu müssen. Diese Wartungsfreundlichkeit kommt auch einem Isettafahrer gelegen, sofern er einen Vergaser erwischt, der wie dieser hier die schrägen Düsenhalter in Luftdurchströmrichtung gesehen auf der rechten Seite hat. Es gibt, wie sollte es anders sein, auch spiegelbildliche Ausführungen.

Wenn der ausgewählte Vergaser wie ein solcher BING 1/26/37 keinen Flansch mit senkrecht übereinanderstehenden Schraubenlöchern mitbringt, sondern wie im Bild links zu sehen einen geschlitzten Stutzen mit Schelle zum Aufklemmen auf ein rundes Rohr, wird die Anfertigung eines Adapters notwendig: Zum Vergaser hin ein Rohr, auf dem er aufgeklemmt wird; zum vorhandenen Isetta-Saugrohr ein Flansch mit zwei Schraubenlöchern für M8 und einem 26 mm großen Loch in der Mitte. Keine große Hexerei für jeden lebenstüchtigen Helden der Mechanik, der drehen, fräsen und schweißen kann. Da kein gnädiges Schicksal einen solchen Adapterflansch vom Himmel fallen lässt und die Gestalt des Adapters individuell an den ausgewählten Vergasertyp angepasst werden muss, kann man ihn nur selber machen. Diese Arbeit ist der Preis für die Freiheit, auf einen Vergaser mit mehr als 24 mm Durchlass zurückgreifen zu können.

Obwohl die für einen solchen durchreparierten Motorradvergaser aufgerufenen 360 Euronen im Vergleich zu den oben für den Serienvergaser genannten Preisen fast schon günstig klingen, ist an dieser Stelle kein spontanes Öffnen der Brieftasche, sondern Innehalten und Nachdenken angesagt. Wer Stacheldraht in der Tasche hat, so dass ihm jeder Griff ins Portemonnaie wehtut, dem fällt auch die Entscheidung noch schwer genug, 360 Zahlungsmitteleinheiten für einen zwar einbaufertigen, aber dennoch simplen Kolbenschiebervergaser vom Typ BING 1/26/37 auszugeben. Die heutzutage für diese antiken Benzinzerstäuber selbstbewusst aufgerufenen Preise lassen staunen, dass die viel aufwendiger gebauten und präziser funktionierenden Gleichdruckvergaser nicht, wie es ihrer viel höheren konstruktiven Raffinesse entspräche, noch weitaus teurer, sondern im Gegenteil deutlich preiswerter sind, gerade die 26er.

Das hat einen einfachen Grund: Die 1978 erschienene BMW R 45, unter einer gewöhnungsbedürftig kantigen Linienführung leidend und überdies relativ schwach auf der Brust, gilt unter Motorradfans als ein nicht so sehr begehrenswertes Modell, obwohl BMW in siebenjähriger Bauzeit bis 1985 immerhin über 28.000 Exemplare davon unter die Leute gebracht hat. Bild: BING

Die R 45 hatte erfreulicherweise die für uns Isettafahrer interessanten 26 mm-Gleichdruckvergaser. Weil nur relativ wenige R 45 von Liebhabern erhalten und restauriert werden, sind viele davon dem Ausschlachten zur Teilegewinnung an-heimgefallen.

So kommt es, dass wir schon für ungefähr ein Viertel des soeben genannten Betrages eine viel weiter ausgereifte Gasfabrik erbeuten können. Es ist wie bei Gemälden: Älter ist teurer, aber nicht unbedingt besser. Die Präzision der Gemischaufbereitung, die einwandfreien Übergänge zwischen Leerlauf, Teillast und Vollast ohne jegliches Verschlucken, zivile Verbrauchszahlen und obendrein niedrige Abgaswerte sind genug Argumente für den Gleichdruckvergaser.

Als 1969 die ersten BING-Vergaser dieser Bauart mit 32 mm Durchlass erschienen (nicht als BINGs eigene Erfindung, sondern von vorher erhältlichen Erzeugnissen anderer Vergaserfabriken inspiriert), befanden sich die ältesten Isetten gerade inmitten ihrer Pubertät, wenn man so sagen will. Als 1978 mit der R 45 die 26 mm-Variante nachgeschoben wurde, zählten die Knutschkugeln im Durchschnitt 20 Lenze. Auch die Gleichdruckvergaser sind inzwischen also schon betagt. Heute können wir wählen, ob wir für einen 65 Jahre alten 26er Einfachvergaser 360 EUR oder für einen 35 bis 42 Jahre „jungen“, viel weiter entwickelten ungefähr ein Viertel davon, also ca. 90 EUR bezahlen. Den hier gezeigten schoss ich für 80.

Weil vom Zweizylinder stammend, werden diese Vergaser zumeist paarweise angeboten, so dass man eine Weile suchen muss, um einen einzelnen zu finden. Der hier abgebildete sitzt am Motorrad rechts, der im Isetta-Journal 4/2011 gezeigte links. Grundsätzlich sind beide geeignet. Mir gefällt der rechte besser, weil er den Spritzulauf auf der dem Benzinhahn zugewandten Seite hat.

Der Pferdefuß ist: Die vom Unterdruck im Saugrohr gesteuerten Vergaser beanspruchen aufgrund ihrer raumgreifenden Unterdruckkammer, die wegen der notwendigen Membranfläche nicht beliebig klein gestaltet werden kann, deutlich mehr Bauraum als ein simpler Schiebervergaser. Fällt also unsere anspruchsvolle Wahl auf einen solchen Gleichdruck-BING, müssen wir diesen dicken Otto auf vernünftige Weise im beengten Motorraum der Isetta unterbringen.

Der BING, für den wir problemlos beliebige Einzelteile wie Düsen, Düsennadeln, Schwimmer, (gefederte!) Ventilnadeln, Membranen, Dichtungen usw. erhalten, braucht mehr Platz als vergleichbare, zierlicher gebaute japanische Vergaser, deren Ersatzteile nicht immer einfach aufzutreiben sind. Der feurige Italiener Dell’Orto hat gar keine Unterdruckvergaser im Programm, dafür gibt’s dort die seriösesten Beschleunigungspumpen, die man sich nur denken kann – aber diese Dünnstrahlspritzer werden wir in unserem rollenden Ei weder wollen noch brauchen, sobald wir erst einmal einen vornehmen Gleichdruckvergaser dort hineinpraktiziert haben. Also wählen gelernte Germanen vorteilhaft einen BING. Lebten wir in Japan, nähmen wir Mikuni oder Keihin. Ein englischer Gentleman griffe vielleicht mutig zu einem SU mit Öldämpfung, a masterpiece of British engineering.

Im Isetta-Journal 3-4/2008 zeigte ich, wie ein 32er BING 64/32/10 von einer R 75/6 an den auf 350 cm3 gebrachten Isetta-Einzylinder adaptiert werden kann. Bei dem damals verwendeten Saugrohr handelte es sich um eine Sonderanfertigung, die an einem umgearbeiteten 700er Kopf mit 38 mm-Einlassventil angeschlossen war. Das Saugrohr wies einen Innendurchmesser von 30,5 mm auf; der Unterschied von 32 auf 30,5 mm wurde durch einen Konus im leicht nach innen geknickten Adapterstutzen angeglichen, der erst nach der Montage der Luftleitbleche auf das dort herausragende runde, flanschlose Saugrohr aufgeklemmt werden kann. Dies und der Knick erzwingen die im Bild zwischen Luftleitblech und Schlauchschellen sichtbare Baulänge. Obwohl der Einzylinder das Motocoupé damit temperamentvoll vorwärtsschiebt, sind 32 mm Vergaserdurchlass an einem 30,5 mm-Saugrohr nüchtern betrachtet unnötig viel. Erst recht gilt das für ein Seriensaugrohr, das auf höchstens 26 mm Weite gebracht werden kann.

Zum Glück hat BING, freilich ohne es damals zu ahnen, den Isettafans eine geeignete Vergaserversion geschenkt, wie wir oben bereits gesehen haben. Für die BMW R 45 wurde die Gleichdruckvergaserserie 64/32/xy nach unten erweitert durch Typen mit 26 statt 32 mm Durchlass, Bezeichnung 64/26/xy. An der R 45, die trotz ihres tiefstapelnden Namens 473 cm3 hat, wären für einen 13,5 PS liefernden Einzelhubraum von 236 cm3 üppige 32 mm Vergaserdurchlass in der Tat zu viel des Guten gewesen. Die Außenabmessungen der 26 mm-Vergaservarianten sind - sicher der eingesparten Gusswerkzeugkosten wegen - kein bisschen kleiner als jene der 32er. Auch die Durchmesser der Luftwege auf der Saugseite und auf der Zylinderkopfseite sowie die Anschlussmaße blieben bei der 26 mm-Version unverändert.

So kommt es, dass der 26er Gleichdruck-BING mit einem erwachsen anmutenden Anschlussdurchmesser von 43 mm auf der Zylinderkopfseite und fetten 50 mm auf der Luftfilterseite aufwartet. Dadurch passen die Gummimuffen der 32 mm-Varianten. Das Bild zeigt den BING 64/26/302 der R 45 von der Motorseite gesehen, angeflanscht an ein auf 26 mm erweitertes Isetta-Saugrohr. Kraftstoffzulauf zum Tank weisend, Anschlüsse für Gas- und Chokezug innenliegend. Links der Drosselklappenhebel, rechts der „Choke“ für den Kaltstart, den wir treffender Startvergaser nennen sollten, wie BING das tat.

Trotz unverändert gebliebener Außenabmessungen hat BING bei diesem Vergaser also den Lufttrichter in der Mischkammer von 32 mm auf 26 mm verengt. Da mag der eine oder andere Leser fragen: Warum haben sie sich diese Änderung überhaupt angetan?

Wer einst im Physikunterricht nicht bierselig geschlummert hat, erinnert sich vielleicht, dass die Strömungsgeschwindigkeit der Luft und damit auch der an der Nadeldüse wirksame Unterdruck umso größer werden, je kleiner der Durchlassquerschnitt für die strömende Luft ist. Mit anderen Worten: Bei niedrigen und mittleren Drehzahlen kann ein Vergaser mit engerem Lufttrichter das Gemisch aus viel Luft und wenig Kraftstoff dank der höheren Strömungsgeschwindigkeit der Luft weitaus besser aufbereiten als sein großschlundiger Kollege.

Oder einprägsamer: Je enger das Loch ist, desto schneller weht der Wind. Der noch größere Vergaser kann seine Vorteile erst bei Vollast ausspielen und dies auch nur, wenn der große Rohrquerschnitt bis zum Einlassventil erhalten bleibt. Dieses kann, wenn man will, im Isettakopf von 34 mm auf bis zu 35, notfalls 35,5 mm vergrößert werden. Da der Ventilsitzring außen 36 mm misst, erfordern Ventile über 35,5 mm Tellerdurchmesser einen größeren Sitzring, was einen hohen Aufwand bedeutet, teure Werkzeuge voraussetzt und genaues Arbeiten verlangt. Der Sitzring soll 1 bis 2 mm größer sein als das Ventil.

Das bedeutet für uns: Solange wir mit dem serienmäßigen Saugrohr weiterleben wollen, sei es auch auf 26 mm erweitert, brauchen wir keinen Vergaser, dessen Durchlass größer als 26 mm ist. Und da wir sowieso einen Saugrohradapter für einen fremden 26er anfertigen müssen, können wir gleich zu einem hochwertigen Vergasertyp wie dem Gleichdruck-BING greifen. Er lohnt die Mühe mit einer vorzüglichen Laufkultur und feinfühligem Ansprechen.

Im Isetta-Journal 4/2011 zeigte Werner T. einen aus Stahl gefertigten Adapter zwischen einem 26er BING-Gleichdruckvergaser und dem serienmäßigen Saugrohr, oberes Bild. Wie ich es 2008 mit dem 32er BING vorexerziert hatte, stützte auch er das Vergasergehäuse separat gegen den Motor ab, damit es nicht allein am Saugrohr hängt und durch Schwingungen daran herumrüpelt. Eine separate Stütze für den Gleichdruck-BING ist unverzichtbar, je geradliniger, desto besser. Ihr unteres Ende wird am Gebläsedeckel befestigt; mittleres Bild.

Weil die Karosserie der Isetta zum Heck hin schmaler wird, ist es notwendig, den Saugrohradapter etwas zur Fahrzeugmittellinie abknicken zu lassen, damit der Dom des Gleichdruckvergasers nicht mit dem Motordeckel der Karosserie kollidiert. Die Vergaserachse soll also aus Platzgründen nicht geradlinig nach hinten weisen, sondern um 5 Grad nach innen; unteres Bild. Der Saugrohradapter zeigt diese Richtungsänderung mit seinem sichtbaren Knick. Dagegen weist der Serienvergaser sogar um 10 Grad nach außen. Er darf das, weil er schmal ist. Dem großen Gleichdruck-BING zuliebe müssen wir dem Adapter also einen Knick um 15° nach innen geben, was seine Herstellung etwas anspruchsvoller macht, als wenn er schlicht gerade wäre. Sie sehen den 15°-Knick in der linken Hälfte des nächsten Bildes.

Je dichter der Vergaser am Motor sitzt, desto günstiger ist es sowohl vom verfügbaren Platz her als auch im Hinblick auf eine möglichst geringe Saugrohrlänge. Der Saugrohradapter ist deshalb so kurz wie möglich zu gestalten. Der Knickwinkel zwischen dem Flansch des innen erweiterten, sonst serienmäßigen Saugrohres und dem Rohr des Adapters beträgt wie gesagt 15 Grad, so dass der Vergaser sich wie beabsichtigt um 5 Grad nach hinten-innen zurückzieht. Weil der Vergaser so weit vorn wie möglich sitzt, gerät die Alu-Stütze vom Vergasergehäuse zum Motor vorteilhaft kurz und geradlinig. Die Stütze hat eine halbrunde Aussparung, um die Schraube der vergaserseitigen Schlauchschelle erreichen zu können. Sie sehen das im zweiten Bild auf der vorigen Seite.

Der R 45-Vergaser bringt freundlicherweise eine Aufhängeöse für die Choke-Rückzugfeder mit. Darum braucht hier anders als am älteren R 75/6-Vergaser keine Federaufhängung aus einem Röhrchen gebaut zu werden. Zur Befestigung des Adapters am Saugrohr dienen zwei M8-Sechskantmuttern mit der japanischen Schlüsselweite 12 mm, um etwas Platz herauszuschinden und problemloses Anziehen mit einem Maulschlüssel zu ermöglichen. Die Fotos zeigen die in zwei eingefrästen Nischen sitzenden Muttern, die Alu-Stütze zum Motorgehäuse und den damit verschraubten Sechskant-Distanzbolzen mit M6-Außengewinde zum Gebläsedeckel und M6-Innengewinde zur Stütze hin.

Die Bowdenzüge für Gas und Choke müssen neu angefertigt werden. Der Gaszug erhält am vergaserseitigen Ende einen zylindrischen Nippel mit 6 mm Durchmesser und 6 bis 7 mm Länge. Der Chokezug wird durch die Querbohrung der am Chokehebel des Vergasers vorhandenen Klemmschraube gesteckt. Damit die waagerecht ankommenden Züge verträglich mit den senkrecht am Vergaser wartenden Stellschrauben sind, spendieren wir zwei Umlenkröhrchen mit 6 mm Außendurchmesser, die genau in die BING-Stellschrauben passen und die es bei Teilehändlern für Motorradoldtimer fertig zu kaufen gibt. Der flexible, mit einer Drahtwendel ausgesteifte Luftschlauch zwischen Vergaser und Luftfilter soll 50 mm Innendurchmesser haben, das Ausgangsrohr des Luftfilters dementsprechend 50 mm Außendurchmesser. Das erfordert etwas Schweißarbeit an einem überzähligen Filterdeckel, um ihm ein 50 mm-Rohr zu verpassen.

Nun, meine sehr verehrten Herrschaften: Wäre eine derart membranisierte 26 mm-Gasanstalt nicht eine reizvolle Bastelei für die unruhig mit den Hufen scharrenden Mitglieder der Leistungsgesellschaft? Selbstverständlich werden Sie die erforderlichen Einstell- und Erprobungsfahrten ausschließlich auf abgesperrtem Privatgelände vornehmen, um Irritationen zu vermeiden. Durch seine Berufstätigkeit lernte der Autor den tüchtigen russischen Geschäftsmann Mikhail P. kennen, der sich bei Krasnojarsk eine private Rennstrecke für seine Motorräder geschaffen hat. Wenn Sie möchten, lege ich bei Mikhail ein gutes Wort für Sie ein – sofern Ihnen die Anreise von gut 6000 km nicht zu weit ist.

Vom Vergaser ist es nicht weit bis zum Einlassventil, das bekanntlich durch die Nockenwelle gesteuert wird. Grund genug, den sachgerechten Aus- und Einbau der Nockenwelle zu betrachten, welche die BMW-Texter seinerzeit in den Motorrad-Reparaturanleitungen Steuerwelle nannten – nicht ahnend, dass in den folgenden Jahrzehnten eine permanent anwachsende ebensolche über die Steuerbürger hereinbrechen würde.

4.1.3 Isetta-Nockenwelle aus- und einbauen

Zum Ausbau der Nockenwelle aus dem Isettamotor empfahl die zeitgenössische Reparaturanleitung das Matra-Spezialwerkzeug 355.

Die Arbeitsgangbeschreibung ist von den 250er Motorradmotoren übernommen worden. In der Reparaturanleitung der R 25 sah sie so aus. Auch hier sehen wir die Matra-Vorrichtung Nr. 355. Die Arbeitsweise ist gleich. Dass die Spindel des Matra-Werkzeugs 355 in ein Gewinde am Ende der Nockenwelle geschraubt werden muss, lässt die Zeichnung zur R 25 besser erkennen.

Das Matra-Werkzeug 355 hatte diese Gestalt. Die Gewindespindel wies an ihrem Ende ein zweites, kleineres Gewinde auf, das in die Nockenwelle geschraubt werden musste, um an ihr zu ziehen. Das C-förmige Gussteil stützte sich mit seinen beiden Armen gegen das Motorgehäuse.

Das ist die Spindel als Einzelteil. In diesem Bild ist das kleine Gewinde am ihrem Ende besser erkennbar. Auf dem großen Gewinde drehte sich die Knebelmutter, das Teil mit den langen Armen im Bild hierüber. Indem sich die Knebelmutter gegen den C-förmigen Bügel stützte, zog sie die Spindel und mit ihr die Nockenwelle. An der Spindel hielt die rechte Hand nur gegen, während mit der Linken die Knebelmutter angezogen wurde, wie es oben im ersten Bild zu sehen ist.

In frühen Isettamotoren wies die Nockenwelle das dazu erforderliche Abziehgewinde auf, wie dieses Bild aus der zeitgenössischen Reparaturanleitung zeigt. Beim Pfeil ist ein Gewindeloch im Stummel der Nockenwelle zu erkennen. Die Nockenwellen der meisten Isettamotoren haben allerdings kein Gewinde an dieser Stelle, sondern nur eine kleine Zentrierbohrung.

Nun könnte man vermuten, dass das Gewinde entfiel, als BMW die Isettamotoren vom aufwendigeren und zum Klappern neigenden Drehschieberentlüfter auf den simpleren, geräuschärmeren und obendrein kostengünstigeren Membranentlüfter umstellte, also von der 130 mm langen auf die 122 mm kurze Nockenwelle.

Das ist jedoch ein Trugschluss, denn es gibt lange Nockenwellen (also noch mit Drehschieberentlüfter), die das Abziehgewinde bereits nicht mehr haben. Dieses Foto zeigt eine davon. Spätestens jetzt dämmert uns: Das schöne Matra-Werkzeug 355, wenn wir es denn hätten, ist nutzlos, sobald die Nokkenwelle in ihrer Stirnseite kein Gewinde hat.

Die Nockenwellen bestehen aus Schalenhartguss, der sich außen mit Hartmetallwerkzeugen, im Kern mit HSS-Werkzeugen zerspanen lässt. Es wäre also möglich, nachträglich ein M8-Gewinde in die Nockenwelle zu schneiden. Das ist aber nicht nötig. Die Mühe können wir uns sparen, denn die Nockenwelle lässt sich ohne besonderes Werkzeug ausbauen, wie wir gleich sehen werden.

Diese Zeichnung stellt die Nockenwelle mit kurzem Zapfen dar, die in allen Isettamotoren mit dem Membranentlüfter eingebaut ist. An den überlebenden Isetten stellt sie bei weitem die Mehrheit. Der im vorigen Bild sichtbare Drehschieber mit den beiden Steueröffnungen ist in dieser Zeichnung bereits fortgefallen. Auf die Zahlen, mit denen die einzelnen Teile hier bezeichnet sind, kommen wir in der folgenden Beschreibung zurück.

Nach dem Entfernen des Kettenspanners und der Steuerkette lösen wir die beiden M6-Schlitzschrauben Nr. 98, die den Lagerschild 96 der Nockenwelle 92 am Motorgehäuse halten. Wir erreichen sie durch die Löcher im Kettenrad 99. Weil die Schrauben meist sehr fest sitzen und ihre Schlitze durch abrutschende Schraubendreherklingen rasch verdorben werden können, verwenden wir einen Schlagschrauber mit einem gut passenden Bit, dessen Klinge den Schraubenschlitz in Breite und Länge voll ausfüllt.

Nun entnehmen wir die beiden Stößel und die Ölpumpenwelle. Um Zugang zur Ölpumpenwelle zu erhalten, drehen wir den darüber sitzenden Verschlußstopfen heraus. Dieser Stopfen sitzt oft sehr fest. Wenn er einen Sechskant hat, haben Sie Glück. Aber selbst dann würde beim ersten Löseversuch mit hoher Wahrscheinlichkeit der Schraubenschlüssel abrutschen, weil der Sechskant sehr niedrig ist. Verwenden Sie deshalb einen ungekröpften, also geraden Ringschlüssel und spannen Sie ihn mit einer Schraubzwinge fest gegen den Verschlußstopfen, so dass der Schlüssel nicht abrutschen kann. Geben Sie in Losdrehrichtung, also entgegen dem Uhrzeigersinn einen kräftigen Schlag mit einem rückschlagfreien Kunststoffhammer auf das Ende des Schraubenschlüssels. Es versteht sich von selbst, dass das Motorgehäuse währenddessen auf einer stabilen Werkbank festgespannt sein muss, damit es sich nicht mitbewegt. Verwenden Sie dazu zwei große Schraubzwingen. Will der Verschlußstopfen sich nicht lösen, erwärmen Sie den Bereich rundherum mit einem Propangasbrenner, um das Gewinde im Aluminiumgehäuse etwas zu weiten.

Haben Sie Pech, hat der Verschlußstopfen keinen Sechskant, sondern nur einen in der Mitte eingefrästen, relativ kurzen Schlitz. Den Stopfen mit einem Schraubendreher lösen zu wollen, ist so gut wie hoffnungslos, denn der Schlitz wird dabei sofort verwürgt. Sie können es mit einem Schlagschrauber versuchen, werden aber auch damit nur selten Glück haben. Finden Sie sich damit ab, dass Sie einen neuen Stopfen spendieren müssen, und meißeln Sie den widerspenstigen alten Stopfen los. Setzen Sie den Meißel weit außen an den Enden des Schlitzes an, dann haben Sie einen größeren Hebelarm zur Verfügung. Auch das Losmeißeln geht leichter, wenn Sie zuvor das Gehäuse erwärmt haben. Ist der Stopfen glücklich draußen, können Sie die Ölpumpenwelle mit einer schlanken Zange an ihrem Zapfen fassen und nach oben herausziehen.

In ganz hartnäckigen Fällen bekommen Sie sogar einen Stopfen mit Sechskant nicht gelöst, besonders dann, wenn die Kanten bereits rundgelutscht sind und der Schlüssel keinen Halt mehr findet. Verzweifeln Sie dann nicht, sondern beschaffen Sie sich in einer mechanischen Werkstatt oder einer Dreherei ein Stück Sechskantstahl mit Schlüsselweite 19 mm. Der Sechskant soll so lang sein, dass er eine 19 mm-Stecknuss auf ihrer ganzen Länge ausfüllt.

Schleppen Sie das Motorgehäuse zu jemandem, der ein Elektroschweißgerät hat. Lassen Sie den Sechskantstummel auf den noch eingebauten Stopfen schweißen. Stecken Sie nun die 19er Nuss und den längsten starren Hebel (nicht die Ratsche!) auf, die Ihr Steckschlüsselkasten hergibt. Spannen Sie das Motorgehäuse auf der Werkbank fest und heizen Sie es rund um das Gewinde des Stopfens. Spannen Sie mit einer Hand den Steckschlüssel in Löserichtung vor und geben Sie mit der anderen Hand einen kräftigen Schlag mit einem dicken, rückschlagfreien Hammer auf das Ende des Schlüssels.

Sollte der Stopfen sich jetzt noch immer nicht lösen, nehmen Sie’s sportlich als Herausforderung Ihres Durchhaltevermögens. Sie brauchen jetzt einen Tapetenwechsel. Verschaffen Sie sich ihn durch eine Exkursion zur Reifenwerkstatt Ihres Vertrauens. Die Reifenleute arbeiten gern und oft mit pneumatischen Schlagschraubern. Bitten Sie den Reifenfachmann, einen seiner Schlagschrauber benutzen zu dürfen. Stecken Sie Ihre mitgebrachte 19 mm-Nuss auf den Schlagschrauber und zeigen Sie damit dem widerspenstigen Gewindestopfen, wer der Babo ist. Diesem Angriff wird er nicht standhalten. Wieder daheim, ziehen Sie die Ölpumpenwelle heraus.

Wenn Sie jetzt in Muttis altem Backofen oder auf einer Elektroheizplatte das ganze Motorgehäuse auf 120 bis 150 °C anwärmen, werden die Lagersitze im Aluminiumgehäuse durch die Wärmedehnung weit genug, dass Sie den gesamten in der obigen Zeichnung sichtbaren Zusammenbau zwanglos herausziehen können. Haben Sie weder einen genügend großen Ofen noch eine Elektroheizplatte zur Hand, erwärmen Sie die beiden Lagerstellen am Motorengehäuse von außen mit einem Propan-/Butan-Gasbrenner. Schützen Sie Ihre Hände mit ledernen Schweißerhandschuhen und ziehen Sie nach ausreichender Erwärmung der Lagerstellen am Nockenwellen-Kettenrad. Oder stoßen Sie das heiße Gehäuse auf eine Hartholzplatte, damit die Nockenwelle herausfällt. Seien Sie vorsichtig, damit der prominent herausragende Kurbelwellenstumpf nicht leidet.

Lassen Sie sich bitte nicht dazu verleiten, einfach einen Schraubendreher in die Stößelführungen zu stecken und damit die Nockenwelle herausdrücken zu wollen, denn dadurch beschädigen Sie mit hoher Wahrscheinlichkeit die Antriebsschnecke für die Ölpumpe, die ein Teil der Nockenwelle ist. Wie schon erwähnt, besteht die Nockenwelle aus Hartguss, der bei punktförmiger Beanspruchung spröde brechen kann. Darum ist die Ölpumpenschnecke, deren Gewindegänge an ihren Enden dünn auslaufen, kein geeigneter Ort, um daran herumzuhebeln.

Das Kettenrad soll erst von der Nockenwelle gezogen werden, nachdem sie aus dem Motorengehäuse entfernt worden ist. Notwendig ist das Abziehen des Kettenrades nur dann, wenn das Kugellager im Lagerschild 96 ersetzt werden muss. Um das Kettenrad von der ausgebauten Nockenwelle zu trennen, benutzt der Verfasser diesen Selbstbau-Abzieher des alten Amand. Zwei M8-Schrauben sitzen exzentrisch in zwei Abstandshülsen, die mit ihren unteren Enden in den Kettenradbohrungen stecken. Dadurch ragen die beiden im Bild sichtbaren flachen Schraubenköpfe auf der Rückseite des Kettenrades einseitig über die Ränder der beiden Bohrungen. Für eine günstige Krafteinleitung ist es vorteilhaft, die Schraubenköpfe nach innen, also zur Mitte hin überstehen zu lassen, damit die auf das Kettenrad einwirkenden Biegekräfte so klein wie möglich sind.

Haben Sie sich bereits durchgerungen, diesen nicht allzu komplizierten Abzieher aus einem Stück Flachstahl und ein paar Schrauben zu bauen? Eine gute Entscheidung. Dann können Sie ihn auch auf das Kettenrad der noch eingebauten Nockenwelle setzen, um etwas zum Anfassen zu haben und die Welle daran aus dem erwärmten Gehäuse zu ziehen. Der Stahlklotz lässt sich besser greifen als das versenkt liegende Kettenrad. Sollte die von Hand erzeugte Zugkraft nicht ausreichen, um die Nockenwelle aus dem Gehäuse zu ziehen, fassen Sie mit einem Reifenmontierhebel zwischen Klotz und Kettenrad und drücken die Welle heraus, den Montierhebel unter Zwischenlage eines Holzklötzchens am Motorgehäuse abstützend.

Oder Sie gehen die Sache gentlemanlike an und bauen eine Brücke aus ein paar Stücken Flachstahl. Dann können Sie sogar die Abdrückschraube nutzen und brauchen nicht mit dem Montierhebel zu improvisieren. Bei genügender Erwärmung des Gehäuses sollte dieser Aufwand aber nicht nötig sein.

Sie sehen: Das kostbare Matra-Sonderwerkzeug 355 benötigen Sie nicht. Wie der eingeborene Kölner schon wusste: Kenne mer nit, bruche mer nit, fott domet2.

Falls der Umgang mit Isettamotoren neu für Sie ist und Sie schon nach eigenem Ermessen fröhlich drauflosgeschlossert haben, ohne zuvor dieses Kapitel zu lesen, ist es denkbar, dass Sie der Versuchung nicht widerstehen konnten, das Kettenrad bereits von der noch im Gehäuse eingebauten Nockenwelle zu ziehen. Dann schaut nur noch der Wellenstummel aus dem Lager und Sie erwägen vielleicht reumütig, das Kettenrad wieder aufzupressen, weil man an dem Stummel allein so schlecht anfassen kann. Lassen Sie das lieber bleiben.

Warum? Vor dem Aufpressen auf die Nockenwelle soll das Kettenrad erwärmt werden, denn die Passung ist eng. Da ist es also auch wieder vorteilhaft, die Wärmedehnung zu nutzen. Bei eingebauter Nockenwelle haben Sie aber gar keine Möglichkeit, das Kettenrad sachgerecht aufzupressen. Die Nut in der Kettenradnabe nach der Scheibenfeder im Nockenwellenstumpf auszurichten, bedeutet ein nervtötendes Gefummel, besonders dann, wenn das Kettenrad heiß ist. Denn Sie sehen die Scheibenfeder nur, wenn Sie von oben draufschauen, und die Nut in der Nabe erkennen Sie nur, wenn Sie von vorn hineinsehen. Schieben Sie das Kettenrad nicht rasch genug auf, schrumpft es vorzeitig fest. Wie soll's dann weitergehen? Ein Innengewinde am Ende, das Sie als Hilfskrücke zum Aufpressen des Kettenrades nutzen könnten, hat die Nockenwelle Ihres Motors höchstwahrscheinlich nicht - es sei denn, es handelt sich um eine frühe Standard-Nockenwelle. Hammerschläge auf das Kettenrad sind tabu. So geht es also nicht. Sie müssten das Kettenrad erneut abziehen, es nochmals anheizen und es ein zweites (drittes, viertes, ...) Mal versuchen. Das Kettenrad kann sachgemäß und ohne Kollateralschäden nur auf eine bereits ausgebaute Nockenwelle gepresst werden. Darauf kommen wir weiter unten zurück.

Wenn das Kettenrad schon versehentlich abgezogen worden ist, lassen Sie es also getrost ab. Denn jetzt liegt ja der Nockenwellenzapfen, auf dem vorher das Kettenrad saß, offen zutage. Daran können Sie anfassen. Natürlich so, dass die Oberfläche des Zapfens nicht beschädigt wird, also nicht mit der Rohrzange oder ähnlich grobem Werkzeug.

Nehmen Sie einen großen Feilkloben, der einen V-Ausschnitt in seinen Spannbacken hat, also ein Werkzeug, wie das nebenstehende Bild es zeigt. Spannen Sie den Nockenwellenzapfen sachte in das V-Prisma des Feilklobens, heizen Sie das Motorgehäuse entweder vollständig oder zumindest an den beiden Nockenwellenlagersitzen spuckheiß und ziehen Sie dann am Feilkloben. Die Nokkenwelle sollte dann mitsamt ihrer beiden Kugellager aus dem Motorgehäuse herauskommen. Will sie nicht, klopfen Sie sanft mit einem Kunststoffhammer in Auszugsrichtung gegen den Feilkloben.

Eine Alternative zum Feilkloben ist eine Spezialzange zum Herausziehen versenkt eingebauter Zündkerzenstecker, die runde Greifbacken hat. Deren Durchmesser passt zwar nicht perfekt zum 17 mm-Durchmesser des Nockenwellenzapfens; der Zapfen lässt sich aber dennoch damit greifen, auch wenn die Zange den Zapfen nur an vier Linien berührt.

Verfügen Sie weder über einen großen Feilkloben noch über eine Zündkerzensteckerzange, haben Sie immer noch eine reelle Chance, die ihres Kettenrades bereits beraubte Nockenwelle aus dem Gehäuse zu bugsieren. Dabei ist aber Vorsicht geboten, um nichts zu beschädigen. Wärmen Sie das gesamte Motorgehäuse oder mindestens die beiden Lagerstellen auf 150 °C, drehen Sie die Nockenwelle so, dass eine der beiden Nocken nach oben steht, führen Sie einen großen Schraubendreher durch die zur nach oben weisenden Nocke gehörende Stößelführung ein (die beiden Stößel müssen selbstverständlich vorher entnommen worden sein) und versuchen Sie dann vorsichtig, mit der Schraubendreherklinge die Nocke in Richtung auf den Ausgang zu schieben, also dorthin, wo das Kettenrad saß. Halten Sie unterdessen die beiden Lagerstellen am Gehäuse mit einem Propan-/Butan-Gasbrenner gut heiß. Wenden Sie aber mit dem Schraubendreher in der Stößelführung keine Gewalt an. Lässt sich die Nockenwelle auf diese Weise nicht herausschieben, sind die Lagersitze nicht ausreichend erwärmt worden und daher nicht genügend gedehnt. Zum Erfolg führt hier nur die Kombination aus Vorsicht und viel Wärme.

Nun haben Sie die Nockenwelle erfolgreich aus dem Gehäuse gelockt. Sie wollen ja das Kugellager 95 erneuern, das im Lagerschild 96 sitzt - sonst hätten Sie das Kettenrad gar nicht erst abgezogen, nicht wahr?

Dieses Lager ist ein Festlager. Das bedeutet, es legt die Position der Nockenwelle nicht nur radial (in alle Richtungen rund um die Drehachse), sondern auch axial (in Längsrichtung) fest. Darum hat der Lagerschild 96 nach innen einen Anschlagbund und nach außen einen Sprengring 97. Beide sichern den Außenring des Kugellagers gegen axiales Wandern. Außerdem ist der Lagerschild durch die beiden Schrauben 98 fest mit dem Motorgehäuse verbunden. Das Kugellager im Lagerschild wird also sehr sorgfältig und sicher festgehalten. Fast möchte man sagen: Mit Gürtel und Hosenträger.

Den Sprengring aus dem Lagerschild zu entnehmen, ist etwas knifflig, weil er keine Augen hat, in die Sie mit einer Seegerringzange fassen könnten. Sobald Sie ein abgeschrägtes Ende des Rings mit einer Schraubendreherklinge aus der Nut gehoben haben, schieben Sie in der Nähe des Endes einen schmalen Blechstreifen ein, damit der Ring nicht wieder zurück in die Nut federn kann. Das wiederholen Sie am benachbarten anderen Ende des Rings. Hebeln Sie nun mit einer schmalen Schraubendreherklinge den Sprengring bis zu seiner Mitte, die den Enden gegenüberliegt, aus seiner Nut und entnehmen Sie ihn aus dem Lagerschild. Seien Sie dabei vorsichtig, damit der unter Spannung stehende Ring nicht fortspringt, besonders nicht in Ihr Auge. Weshalb Sie immer dann, wenn Sie mit gespannten Federn umgehen, eine Schutzbrille tragen sollten. Unsere Sehorgane werden mit der Zeit von ganz allein schlechter; wir müssen dabei nicht nachhelfen.

Bevor Sie das antriebsseitige Kugellager 6203 samt Schild mit einem handelsüblichen Zweiarmabzieher von der Welle ziehen, muss die Scheibenfeder aus dem Wellenstummel entfernt werden, weil sonst der Lagerinnenring beim Abziehen dagegenstößt. Greifen Sie die Scheibenfeder mit einem Zangenschlüssel und klopfen Sie mit dem Kunststoffhammer gegen den Schlüssel. Alternativ können Sie die Feder mit einem Messingdorn aus ihrer Nut treiben. Infolge ihrer Halbrundform richtet sie sich dabei in der Nut auf, so dass Sie sie mit dem Zangenschlüssel oder mit einem Feilkloben greifen können. Sollte die Scheibenfeder beim Ausbau auch nur wenig beschädigt werden und aufgeworfene Grate zeigen, feilen Sie nicht lange daran herum, sondern leisten Sie sich ohne Zögern eine neue. Für eine Investition dieser Größenordnung benötigen Sie keine Bankbürgschaft.

Das innere Kugellager 6203 der Nockenwelle, das nicht in einem Lagerschild, sondern direkt im Aluminiumgehäuse sitzt, ist ein Loslager, das so heißt, weil sein Außenring im erwärmten Motorgehäuse ein klein wenig in Längsrichtung der Nockenwelle wandern darf, wenn die Welle und das Gehäuse sich durch ihre Erwärmung unterschiedlich stark ausdehnen.

Diese Festlager-Loslager-Geschichte ist ein uraltes Prinzip der Maschinen- und Brückenbauer. Es besagt, dass eine Welle oder ein Balken auf zwei Stützen nur ein einziges Festlager haben soll. Das zweite (und ggf. auch das dritte, vierte, ...) Lager muss ein Loslager sein, damit sich Welle und Gehäuse ungehindert dehnen und biegen können, ohne sich zu verspannen. Dieses Loslager ziehen Sie auf die gleiche Weise vom Wellenstumpf wie zuvor das in seinem Schild gefangene Festlager. Ein derart abgezogenes Wälzlager ist stets durch ein neues zu ersetzen, weil die Abzugskraft über die Wälzkörper geleitet wurde und die Kugeln dabei unweigerlich kleine Dellen in den Laufringen hinterlassen. Dort würde bei einem weiteren Betrieb ein rasches Versagen des Lagers seinen Anfang nehmen. Darum lassen Sie bitte keine falsche Sparsamkeit walten; diese kleinen Lager kosten nicht die Welt.